8. Sogar unsere Seele und unsern Körper
besitzen wir in dieser Welt nur als die Zielscheibe für alle Beleidigungen, und
wir unterziehen uns diesen Beleidigungen mit Geduld -- sollten wir da durch den
Verlust geringerer Dinge uns noch verletzt fühlen? Fern sei von einem Diener
Christi die Schande, daß seine Geduld, die in größern Versuchungen geübt ist,
bei Kleinigkeiten zum Falle komme!
]
Wenn dich jemand
durch Tätlichkeiten reizt und herausfordert, so haben wir das Mahnwort des
Herrn: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, so halte ihm auch noch
die linke hin"7). Deine Geduld soll bewirken, daß die
Nichtswürdigkeit ermüdet. Wie schwer der Schlag durch die Wucht des Schmerzes
und des Schimpfes auch sein mag, er wird noch schwerer vom Herrn zurückgegeben.
Du schlägst den Nichtswürdigen mehr durch deine Gelassenheit; er wird dann
nämlich von demjenigen geschlagen werden, um dessentwillen Du gelassen bleibst.
Wenn eine giftige Zunge in Flüche oder Schmähungen ausbricht, so erinnere Dich
an das Wort: „Wenn sie euch fluchen, so freuet euch!"8) Der Herr selbst ist vor dem
Gesetze zum Verfluchten geworden, und doch ist er allein der Gesegnete, Folgen
wir mithin als Knechte dem Herrn und lassen wir uns geduldig verfluchen, um
Gesegnete zu werden! Wenn ich ein gegen mich ausgestoßenes freches oder
nichtswürdiges Wort nicht gleichmütig genug anhöre, so ist die natürliche
Folge, daß ich entweder die Bitterkeit zurückgebe oder im stummen Ärger mich
selbst martere. Wenn ich den schlage, der mir flucht, wie kann ich darauf
Anspruch machen, die Lehre des Herrn befolgt zu haben, die da besagt, daß der
Mensch befleckt werde, nicht durch die Unreinheit der Gefäße, sondern durch
das, was aus dem Munde ausgeht9), und daß jedes törichte und
überflüssige Wort eine bleibende Verschuldung sei10) ? Davon ist die logische
Folge, daß der Herr uns geduldig von ändern zu leiden ermahnt, was er zu tun
verbietet.
Ich will noch ein
Wort über den Triumph der Geduld hinzufügen. Jedes Unrecht, bestehe es in
Worten oder in Tätlichkeiten, nimmt, wenn es auf Geduld stößt, sein Ende und
wird zunichte wie ein Geschoß, welches gegen einen Felsen von dauerhaftester
Härte geschleudert oder gestoßen wird. Es fällt sogleich macht- und
] wirkungslos herab, und zurückprallend
wütet es zuweilen durch seinen Gegenstoß gegen den, der es abgeschickt hat. Man
beleidigt dich in der Absicht, dir Schmerz zu machen, weil der Erfolg des
Beleidigers im Schmerz des Beschuldigten besteht. Wenn du also seinen Erfolg
zunichte machst dadurch, daß du dich nicht betrübst, so wird die Folge davon
sein, daß er sich ärgert über den verfehlten Zweck. Du gehst dann nicht nur
nicht schadlos aus, was dir auch allein genügen müßte, sondern du hast noch die
Freude, daß dein Feind sich verrechnet hat, und sein Verdruß gewährt dir
Sicherheit. Das ist der Nutzen und das Vergnügen, das die Geduld gewährt.