woraus man genau zu ersehen
imstande ist, daß wir nichts Unerhörtes und Auffallendes unternommen haben,
nichts, worin uns nicht sogar allgemein verbreitete und öffentlich bekannte
Schriften durch ihre Zustimmung zu Hilfe kämen, mag es nun sein, daß wir etwas
als Irrtum verwerfen oder etwas als berechtigt zulassen. Leider aber hat die
Hartnäckigkeit der Menschen im Unglauben sogar bei den eigenen Lehrern, die
sonst die bewährtesten und gelesensten sind, deren Zuverlässigkeit beanstandet,
wenn sie irgendwo den Beweismitteln der christlichen Apologetik nahekommen. Die
Poeten sind dann Toren, wenn sie die Götter mit menschlichen Leidenschaften und
nach Fabeln schildern, die Philosophen sind dann unverdaulich, wenn sie an der
Pforte der Wahrheit anpochen. Wer etwas annähernd Christliches ausspricht, wird
soweit noch für einen weisen und verständigen Mann gehalten werden, während er,
wenn er ernstlich nach Weisheit und Verständigkeit streben und entweder die
heidnischen Zeremonien verschmähen oder die Welt überwinden sollte, als ein
Christ übel angesehen wird. Wir wollen also nichts mehr mit den Büchern und der
Anleitung zu einer verkehrten Glückseligkeit zu tun haben, der man eher glaubt
in dem, was an ihr falsch, als in dem, was wahr ist. Meinetwegen mögen manche
Aussprüche über den einzigen und wahren Gott getan haben! Nein, es soll gar
nichts berichtet worden sein, was der Christ anerkennt, ohne es tadeln zu
können; denn auch das, was wirklich berichtet wird1), ist nicht allen bekannt,
und die, welchen es bekannt ist, halten es nicht für gehörig begründet. So viel
fehlt daran, daß die Leute unseren Schriften zustimmen, zu denen niemand
Zutritt hat, als wer schon Christ ist.
Ich rufe ein ganz neues
Zeugnis an, oder besser ich rufe ein Zeugnis an, bekannter als alle
Büchergelehrsamkeit, lebensvoller als alle Theorie, verbreiteter als jede
Veröffentlichung, größer als der ganze Mensch, nämlich alles, was der Mensch
ist. So tritt denn herzu, o Seele; magst du nach der Meinung mehrerer
Philosophen etwas Göttliches und
Ewiges sein, so wirst du um so weniger lügen, oder wenn du durchaus nichts
Göttliches bist, weil sterblich, wie Epikur meint — freilich er allein — dann
wirst du um so weniger lügen dürfen, magst du nun aus dem Himmel gekommen oder
von der Erde empfangen, aus Zahlen oder Atomen zusammengefügt sein, magst du
endlich mit dem Körper zugleich das Dasein empfangen oder nach dem Körper
hereingeführt werden, woher auch immer und auf welche Weise du geworden sein
magst — du bist es, die den Menschen zum vernünftigen und der Einsicht und
Wissenschaft empfänglichen Wesen macht. Aber nicht dich rufe ich herbei, die du
in Schulen gebildet, in Bibliotheken bewandert, in den Akademien und Attischen
Säulenhallen geistig gespeist, Weisheit von dir gibst. Dich rede ich an, die du
einfach und unverfeinert, ungebildet und unwissend bist, wie bei Leuten, die
dich allein haben und weiter nichts, die Seele, ganz wie sie von der Gasse, von
den Straßenecken, aus der Werkstätte herkommt. Gerade deines Mangels an
Erfahrung bedarf ich, da deiner Erfahrung, so gering sie auch ist, niemand
glaubt. Ich will aus dir herausfragen, was du mit dir in den Menschen
hineinbringst, wie du von dir selbst oder durch deinen Urheber, wer er auch
sei, fühlen gelernt hast. Du bist, soviel ich weiß, keine Christin; denn du
pflegst erst eine Christin zu werden und nicht als solche auf die Welt zu
kommen. Dennoch verlangen jetzt die Christen von dir ein Zeugnis, von einer
ihnen Fremden gegen die deinigen, damit diese sogar vor dir erröten, weil sie
uns deswegen hassen und verspotten, als dessen Mitwisserin sie dich nun
entdecken.