bewahrt sie ja noch die
Erinnerung an ihren Urheber, seine Güte, seinen Ratschluß, ihren Ausgang und
ihren Widersacher, So wenig wunderbar ist es, wenn sie, von Gott gegeben, das
kundtut, was Gott den Seinigen zu wissen gegeben hat!
Jedoch wer solche
Kundgebungen der Seele nicht für die Lehre der Natur und die geheime Hinterlage
des mitgeborenen und angeborenen Wissens hält, der wird dann wohl lieber
behaupten wollen, daß diese Gewohnheit, oder dann richtiger gesprochen diese
Unsitte, durch in das Volk gedrungene Ideen solcher Schriften, die Gemeingut
geworden, an Stärke zugenommen habe, — Jedenfalls war die Seele vor der Schrift
da, die Sprache vor dem Buche, der Gedanke vor dem Griffel, der Mensch an sich
vor dem Philosophen und Dichter. Ist also etwa zu glauben, daß die Menschen vor
dem Entstehen der Büchergelehrsamkeit und deren Verbreitung unter das Volk
stumm ohne derartige Ausdrücke gelebt hätten? Sollte damals niemand von Gott
und seiner Güte, niemand vom Tode, niemand von der Unterwelt geredet haben? Die
Sprache wäre dann schier bettelhaft arm gewesen, oder konnte richtiger gar
keine sein, indem ihr das noch fehlte, ohne welches sie heute, obwohl schon
vollkommener, reicher und gebildeter, nicht zu existieren vermag, wenn nämlich
das, was heute so einfach, so regelmäßig, so naheliegend ist und gleichsam auf
den Lippen selbst entsteht, nicht früher vorhanden war, bevor die
Wissenschaften in der Welt aufgesproßt, bevor Merkur, meine ich, geboren war.
Und wodurch kamen die Wissenschaften selbst in die glückliche Lage, das zu
kennen und als allgemeinen Sprachgebrauch zu verbreiten, was noch kein Geist
jemals empfangen, keine Zunge ausgesprochen und kein Ohr vernommen hatte? Aber
freilich, da die heiligen Bücher, die bei uns oder bei den Juden zu finden
sind, auf die wie auf ein wildes Reis wir eingepfropft sind4), um vieles und nicht bloß um
einen geringen Zeitraum älter sind als die profanen Schriften, — wie wir seines
Ortes5), um ihre