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2. Gott ist aber, wendet man ein, der
Gute, ja der Beste, mitleidig, der Erbarmer und reich an Barmherzigkeit, die er
jedem Opfer vorzieht; er zieht die - s383/729 -
Bekehrung des Sünders dem
Tode desselben vor16); er ist der Heilbringer für alle
Menschen und besonders für die Gläubigen17). Darum werden wir Kinder
Gottes auch mitleidig und friedfertig sein müssen, einander vergebend, wie auch
Christus uns vergeben hat, nicht richten, damit wir nicht gerichtet
werden18). Denn nur seinem Herrn steht und fällt man. „Du aber,
wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest”19). „Vergib, und es wird dir
vergeben werden”20).
Von solcher Art sind
die häufigen Ausreden, womit sie Gott schmeicheln und sich selbst etwas
vormachen und wodurch die Sittenzucht mehr entkräftet als gestärkt wird. Wir
sind imstande, sie mit ebensoviel gegenteiligen Stellen abzuwehren, welche die
Strenge Gottes einschärfen, und Standhaftigkeit von uns fordern. Obwohl Gott
von Natur gut ist, so ist er doch auch gerecht. Je nachdem die Sache liegt,
versteht er, wie zu heilen, so auch zu schlagen; er bewirkt Frieden, er
befiehlt aber auch das Unglück. Die Buße ist ihm freilich lieber, aber er
befiehlt auch dem Jeremias, nicht mehr für das sündige Volk zu beten, „Wenn sie
auch fasten, so werde ich ihre Bitten nicht erhören.” Und wiederum: „Auch du
sollst nicht anbeten für das Volk und nicht für sie bitten in Flehen und Gebet;
denn ich werde sie nicht erhören zur Zeit, wo sie mich anrufen, in der Stunde
ihrer Trübsal,” Und kurz vorher sagt der, welchem Erbarmung lieber ist als
Opfer: „Du sollst mich nicht anrufen für dieses Volk, und nicht Erbarmen für
sie verlangen und nicht für sie vor mich treten; denn ich werde sie nicht
erhören”21), jedenfalls auch wenn sie um Erbarmung flehen, wenn sie
aus Reue weinen und fasten und ihr Leiden Gott darbringen. Denn Gott ist ein
Eiferer und läßt seiner nicht spotten, nämlich von denen, die sich mit seiner
Güte schmeicheln, und der, obwohl gütig, doch durch Isaias das Ende - s384/730 -
seiner
Geduld androhen läßt: „Ich habe geschwiegen; werde ich vielleicht stets
schweigen und dulden ? Ich habe geruht wie eine Gebärende; ich werde mich
aufmachen und sie verdorren machen”22). „Denn Feuer wird hergehen
vor seinem Angesichte und seine Feinde verzehren, nicht bloß den Leib tötend,
sondern auch die Seele zur Hölle”23). Wie der Herr denen droht,
die richten, das zeigt er selber. „Mit welchem Gerichte ihr richtet, werdet ihr
gerichtet werden”24). Somit hat er nicht verboten zu
richten, sondern Anleitung dazu gegeben. Daher spricht denn auch der Apostel
ein Urteil, und zwar in Sachen der Hurerei, man müsse einen solchen Menschen
dem Satan übergeben zum Verderben des Fleisches, und schilt darüber, daß die
Brüder sich nicht von den Heiligen Recht sprechen ließen25). Denn er fügt hinzu: „Warum
sollte ich jene richten, die draußen sind”26).
Du vergibst aber nur,
um von Gott Vergebung zu erlangen. Es werden nur die Vergehen abgewaschen
werden, die jemand gegen seinen Bruder, nicht die, welche er gegen Gott
begangen hat. Daß wir endlich unsern Schuldnern nachlassen wollen, das bekennen
wir im Vaterunser. Aber es geziemt sich für uns nicht, aus Autoritäten von
Schriftstellen wie diese noch weiter ein Haderseil zu spinnen und es hin- und
herzuzerren, so daß es den Anschein gewinnt, als wenn die einen die Zügel der
Disziplin anzögen, die ändern sie schießen ließen wie bei einer Ungewissen
Sache und als wenn die einen die Hilfsmittel der Buße durch Milde vergeuden,
die ändern sie durch Strenge verweigern. Vielmehr bewahrt einerseits die
Autorität der Hl. Schrift ihre feste Geltung in ihren Bestimmungen, ohne daß
die eine der ändern widerspricht, und andererseits möge das Hilfsmittel der
Buße genau begrenzt werden nach den ihm zukommenden Bedingungen, ohne daß
unterschiedslose Zulassung stattfände, und vorerst ihre Objekte selbst - s385/731 -
durch eine
genaue Einteilung unterschieden werden, ohne sie zu verwirren.
Als Objekte der Buße
bezeichnen wir die Vergehungen. Diese teilen wir ihrem Endverlauf nach zwiefach
ein; die einen sind nachlaßbar, die ändern nicht. Demgemäß ist es niemand
zweifelhaft, daß die ersteren eine Züchtigung verdienen, die letzteren hingegen
die Verdammnis. Jedes Vergehen findet entweder in der Vergebung seinen Abschluß
oder in der Strafe; in der Vergebung als Folge der Züchtigung, in der Strafe
als Folge der Verdammung.
In Betreff dieses
Unterschiedes haben wir bereits gewisse, den Gegensatz hervorhebende
Schriftstellen vorausgeschickt, wonach die Vergehungen bald behalten, bald
nachgelassen werden. Aber auch Johannes wird uns dies sagen: „Wenn jemand weiß,
daß sein Bruder eine Sünde begangen hat, die nicht zum Tode ist, so mag er bitten,
und es wird das Leben demjenigen gegeben werden, der nicht zum Tode gesündigt
hat” -- das wäre die nachlaßbare Sünde --, „es gibt aber auch eine Sünde zum
Tode, nicht für diese, sage ich, soll jemand bitten”27) -- das wäre die unvergebbare
Sünde, Wo also Raum bleibt für die Bitte, da auch für das Vergeben; wo aber
kein Raum für die Bitte, da ebensowenig für das Vergeben.
Entsprechend dieser
Verschiedenheit der Sünden, verhält es sich mit der Buße verschieden. Eine
andere wird die sein, welche Verzeihung erzielen kann, nämlich bei einer
nachlaßbaren Sünde, eine andere die, welche keine Vergebung erzielen kann,
nämlich bei. einer unvergebbaren Sünde. Es erübrigt nun, speziell über das
Wesen des Ehebruchs und der Hurerei eine Untersuchung anzustellen, welcher
Klasse von Sünden sie zugeteilt werden müssen.
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