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5. Fragen wir also, ein wie großes
Verbrechen der Ehebruch sei -- und nach dem Vollzug des Vergehens betrachtet,
ist das, was bei der Hurerei geschieht, dasselbe --, so steht uns zuerst das
erste Gesetz Gottes zu Gebote. Denn nach dem Verbot der abgöttischen Verehrung
fremder Götter und der Verfertigung von Götzen, nach Einschärfung der
Sabbatsfeier und dem Befehle, den Eltern nächst Gott Ehrerbietung zu erweisen,
hat das Gesetz bei der Aufstellung und Einschärfung solcher Paragraphen nichts
anderes eher angereiht als die Vorschrift: „Du sollst nicht ehebrechen.” Nach
der geistigen Keuschheit und Heiligkeit folgt die körperliche Unversehrtheit,
Das Gesetz hat folglich auch sie dadurch gesichert, daß es sofort deren Feind,
den Ehebruch, untersagte. Erkenne schon, von welcher Beschaffenheit dieser
Fehltritt sein muß, dessen Verbot das Gesetz gleich hinter das des Götzendienstes
gestellt hat. Zwischen dem ersten und zweiten ist die Entfernung niemals groß.
Nichts ist dem ersten so nahe als das zweite. Was aus dem ersten kommt, ist - s389/735 -
gewissermaßen ein zweites
erstes. Somit ist Ehebruch der Idololatrie benachbart. Denn da auch die
Idololatrie dem Volke so oft unter der Bezeichnung Ehebruch und Hurerei zum
Vorwurf gemacht wird, so wird er auch hinsichtlich seines Schicksals in
unmittelbarer Verbindung mit ihr stehen wie in der Reihenfolge, Hinsichtlich der
Verwerfung wird er mit ihr geradeso zusammenhängen, wie in der Aufstellung, Und
noch mehr! Erst nachdem es vorausgeschickt hat: „Du sollst nicht ehebrechen”,
fügt es hinzu: ,,Du sollst nicht töten.” Gewiß hat es dem Ehebruch eine Ehre
erwiesen, indem es ihn vor den Totschlag stellte38); er ist gezeichnet, indem er
ganz vorn im göttlichen Gesetz, in den ersten Paragraphen des vom Himmel
stammenden Ediktes, in der Proskriptionsliste der Hauptvergehen steht. Aus der
Stelle sollst du das Maß, aus der Reihenfolge die Beschaffenheit, aus der
Umgebung das Verdienst eines jeden Vergehens erkennen! Auch das Böse hat einen
Rang und Stand, das da an die Spitze oder in die Mitte der schlimmsten
Verbrechen gestellt wird. Ich sehe da einen gewissen Prunk und Pomp im
Auftreten des Ehebruchs; hier den Vortritt des vorhergehenden Götzendienstes,
da den nachkommenden Totschlag als Gefolge. Zwischen den beiden vornehmsten
Erzverbrechen nimmt er ohne Zweifel mit Würde seinen Sitz ein und hat als
gleich angesehenes Verbrechen den in ihrer Mitte gleichsam freigebliebenen
Platz bekommen.
Wer wollte nun den
Ehebruch, von solchen Flanken eingeschlossen, von solchen Rippen umgeben,
losreißen aus dieser einheitlichen Verbindung, aus der Verkettung mit
benachbarten Verbrechen, aus der Umarmung verwandter Vergehen, um ihn allein
teilnehmen zu lassen an der Frucht der Buße?!39) Wird ihn nicht auf der einen
Seite der Götzendienst festhalten, auf der ändern der Mord? Würden sie nicht,
wenn sie eine Stimme hätten, ihn zurückfordern und ausrufen: Das ist unser - s390/736 -
Halt, das
ist unser Bindeglied! Denn durch seine Vermittlung bilden wir drei eine
Einheit40), durch ihn, der uns trennt, sind wir beide miteinander
verbunden, mit ihm, der aus der Mitte hervorragt, ist jeder von uns vereinigt.
Verkörpert hat uns die Heilige Schrift, ihre Zeilen sind unser Kitt, und er,
der Ehebruch, kann nicht mehr bestehen ohne uns beide! Ich wenigstens, der
Götzendienst, gebe ja meistens zum Ehebruch die Gelegenheit her; meine Haine
und meine Hügel, die lebendigen Quellen und die Tempel selbst in den Städten
können Kunde davon geben, was ich zur Vernichtung der Schamhaftigkeit beitrage!
Und ich, der Mord, ich mache für den Ehebruch nicht selten die Arbeit fertig.
Um nicht von den Trauerspielen auf den Theatern zu reden, so wissen es heute
die Giftmischer, so wissen es die Zauberer, für wie viele Buhlschaften ich
Rache nehme, wie viele Nebenbuhler ich abwehre, wie viele Wächter, Verräter und
Mitwisser ich auf die Seite schaffe! Auch die Hebammen wissen davon zu
erzählen, wie viele Früchte des Ehebruches gemordet werden. Auch bei den
Christen gibt es keinen Ehebruch ohne uns. Die Idololatrie treibt ihr Wesen da,
wo der unreine Geist sein Wesen treibt, und wo ein Mensch, wenn er besudelt
wird, dem Tode verfällt41), da liegt Menschenmord vor. Somit
werden die Hilfsmittel der Buße entweder auch ihm42) nicht oder ebenfalls auch
uns zugute kommen müssen. Entweder halten wir ihn fest oder wir gehen mit ihm.
So sprechen die Dinge
selbst. Wenn sie aber keine Stimme besitzen, so erscheint da vor dir der
Götzendiener und der Mörder, und in ihrer Mitte der - s391/737 -
Ehebrecher. In derselben Weise
sitzen sie gemäß den Vorschriften der Buße flehentlich da43), sie erbeben in Sack und
Asche, sie seufzen einer wie der andere, sie bestürmen uns mit denselben
Bitten, fallen in gleicher Weise auf die Knie und flehen eine und dieselbe
Mutter an. Was tust du nun, du Kirchenzucht, in deiner so großen Milde und so
großen Menschenfreundlichkeit? Entweder mußt du das für alle sein -- denn selig
sind die Friedfertigen -- oder wenn nicht für alle, dann mußt du auf unserer
Seite stehen44). Den Götzendiener und Totschläger
verdammst du ein für allemal; den Ehebrecher aber nimmst du aus der Mitte
heraus, ihn, den Nachfolger des Götzendieners und den Vorläufer des Mörders,
den Genossen von beiden?! Das ist ja Ansehen der Person! Du hast Bußen, die
eher Erbarmen verdienen, unbeachtet gelassen!45)
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