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Quintus Septimius Florens Tertullianus
Über die Ehrbarkeit.

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6. Allerdings, wenn du zeigst, auf welche himmlischen46) Beispiele und Vorschriften gestützt du dem Ehebruch allein und damit auch der Hurerei die Türe der Buße weit öffnest, dann wird sich unser Streit auf dieser Kampflinie bewegen. Ich muß dir jedoch vorher die Form dieses Kampfes vorzeichnen, damit du nicht die Hand nach den Dingen der Vorzeit ausstreckest und nicht hinter dich blickest. Denn das Alte ist dahin, wie Isaias sagt47), und die Neuheit ist angebrochen nach Jeremias48), vergessend des Früheren, strecken wir uns aus nach dem vor uns Liegenden, wie der Apostel sagt49);


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das Gesetz und die Propheten gehen nach dem Ausspruche des Herrn bis auf Johannes50),

Denn, wenn wir auch unsern Nachweis in Betreff des Ehebruches vorzugsweise mit dem Gesetze begonnen haben, so taten wir es berechtigter Weise von jenem Stand des Gesetzes aus, den Christus nicht aufgelöst, sondern erfüllt hat. Die Lasten des Gesetzes dauerten bis auf Johannes, nicht die Heilmittel. Das Joch der Gesetzeswerke ist abgeschüttelt, nicht das der Sittenzucht, Die Freiheit in Christo tut der Sittenreinheit keinen Abbruch. Stets bleibt das ganze Gesetz, soweit es die Frömmigkeit, Heiligkeit, Milde, Wahrheit, Keuschheit, Gerechtigkeit, Erbarmung, Güte und Züchtigkeit betrifft. Der Mann, der über dieses Gesetz nachdenkt Tag und Nacht, ist glücklich51). Von ihm sagt David; „Das Gesetz Gottes ist untadelig und bekehrt die Seelen; die Zeugnisse Gottes sind gerade und erfreuen das Herz; das Gebot des Herrn leuchtet weithin und gibt Licht den Augen52), Ähnlich sagt auch der Apostel: „So ist das Gesetz allerdings heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut53), natürlich das Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen,” Weiter oben heißt es: „Zerstören wir etwa das Gesetz durch den Glauben? Keineswegs, sondern wir bestätigen es”54), nämlich in dem, was auch jetzt im Neuen Testament verboten und durch gesteigerte Vorschriften untersagt wird. Anstatt: „Du sollst nicht ehebrechen”, heißt es: „Wer sie ansieht, um ihrer zu begehren, hat bereits die Ehe in seinem Herzen gebrochen”, und anstatt: „Du sollst nicht töten”, heißt es: „Wer zu seinem Bruder sagt: Raka, wird des höllischen Feuers schuldig sein55). Nun frage noch, ob das Gesetz, keinen Ehebruch zu begehen, unangetastet geblieben sei, nachdem das Gebot, nicht zu begehren, noch hinzugekommen ist!


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Wenn es aber auch Fälle gibt, die euren höchsten Beifall finden, so dürften sie schließlich doch der Disziplin, die wir verteidigen, nicht entgegenstehen. Denn das Gesetz, welches sogar die Quellen der Sünde, d, i. die Begierden und Willensregungen, ebensosehr verdammt wie die Tat, wäre vergeblich hinzugekommen, wenn dem Ehebruch die Vergebung auch jetzt noch gewährt werden soll, weil sie ihm früher gewährt worden ist. Welchen Vorteil hätte es denn, daß er jetzt durch eine tiefer greifende sittliche Anleitung in Schranken gehalten wird, als vielleicht den, daß man ihm, durch dein größeres Reizmittel verlockt, eher nachgibt?56) Du wirst also wohl auch dem Götzendiener und jedem Apostaten Vergebung gewähren, weil wir finden, daß im Altertum das Volk, das sich solcher Dinge so vielmal schuldig machte, immer wieder in seinen vorigen Stand eingesetzt wurde! Du wirst wohl auch dem Mörder wieder Gemeinschaft gewähren, weil auch Achab das Blut Naboths durch Flehen sühnte und David sich von dem Morde des Urias nebst der Ursache davon, dem Ehebruche, durch Bekennen reinigte! Sogar die Blutschande wirst du vergeben wegen des Loth, die Hurerei mit Blutschande wegen des Juda, schandbare Eheschließungen mit Huren wegen des Osea, und nicht bloß die mehrmals wiederholten, sondern auch mehrere gleichzeitige Ehen wegen unserer Patriarchen!57) Wenn man auf Grund eines früheren Beispiels für den Ehebruch die Vergebung in Anspruch nimmt, ist es selbstverständlich billig, jetzt auch die Gnade die gleiche sein zu lassen in Bezug auf alles, was ehedem verziehen wurde.

Aber wir haben auch für unsere Ansicht Belege aus demselben Altertum, nicht bloß dafür, daß die Hurerei keine Verzeihung erhielt, sondern sogar für den sofortigen Eintritt des Gerichts über sie. Jedenfalls genügt


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es, daß die große Zahl von vierundzwanzigtausend Mann aus dem Volke, die mit den Töchtern von Moab gesündigt hatten, mit einem Schlage zugrunde ging.

Doch ich will lieber zur Ehre Christi die Kirchenzucht von Christus herleiten. Mögen denn, wenn die Psychiker so wollen, die früheren Zeiten Erlaubnis zu jeder Schamlosigkeit besessen haben. Mag vor Christus das Fleisch sein Spiel getrieben haben oder gar zugrunde gegangen sein, bevor sein Herr es aufsuchte -- es war eben der Gabe des Heiles noch nicht würdig und noch nicht geeignet zum Dienste der Heiligkeit, Es wurde noch in Adam eingerechnet mit seiner Sünde58), es begehrte leicht nach dem, was ihm reizend vorkam, es sah auf das tiefer Stehende und hatte von den Feigenblättern her ein Jucken zurückbehalten. Es haftete ihm noch allenthalben das Gift der bösen Begierde an -- ein ihm eingeflößter Schmutz, der darnach angetan war, sich festzusetzen --, das ja auch das Wasser noch nicht abgewaschen hatte59). Sobald aber das Wort


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Gottes in das Fleisch hinabstieg, welches noch durch keine Heirat entsiegelt war60), und als das Wort Gottes Fleisch geworden, das fürs Heiraten gar nicht entsiegelt werden sollte, das bestimmt war, zu dem Baume des Leidens, nicht zu dem der Unenthaltsamkeit hinzuzutreten, nichts Süßes, sondern nur Bitteres davon zu verkosten, das nicht in der Unterwelt bleiben, sondern in den Himmel gelangen sollte61), das nicht mit dem Laube der Zügellosigkeit, sondern mit den Blumen der Heiligkeit umgürtet werden und seine Reinheit dem Wasser mitteilen sollte -- von da an legt alles Fleisch seine sonstigen früheren Unreinheiten in Christo ab; es ist bereits ein anderes geworden, als ein neues steigt es empor nicht aus des Samens Schlamme, nicht aus der Begierlichkeit


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Flamme, sondern aus dem reinen Wasser und dem Hl. Geiste62).

Wozu willst du es also noch wegen des früheren Zustandes entschuldigen? Es wurde ja damals, als es noch für Ehebruch Vergebung erhielt, noch nicht Leib Christi, Glieder Christi, Tempel Gottes genannt. Wenn du demnach nach dem Zeitpunkte, wo es seinen Zustand änderte und auf Christus getauft Christum anzog, nachdem es um hohen Preis, nämlich um das Blut des Herrn und des Lammes, erkauft worden war, wenn du also von da an irgendein Beispiel, oder eine Vorschrift, oder eine Norm63), oder einen Spruch vorführen kannst, daß der Hurerei und dem Ehebruch Verzeihung zuteil wurde oder zuteil werden soll, so hast du die von uns genau festgesetzte Zeitgrenze, von wo an das Alter unserer Streitfrage zu rechnen ist.




464) d. h. aus der Hl. Schrift.



475) Is. 43, 18. 



486) Jer. 4, 3. 



497) Phil. 3, 13.



501) Matth. 11, 18.



512) Ps. 1, 2.



523) Ebd. 18, 8 f.



534) Röm. 7, 12.



545) Ebd. 3, 31.



556) Matth. 5, 22 ff.



561) d. h. ihn leichter begeht; das lenocinium ist die gewährte Vergebung und Wiedervereinigung mit der Kirche. Über den Gebrauch von nisi = quam vgl. Hoppe 77 f.



572) die Polygamie; ,,frequentatas nuptias” sind die nach dem Tode eines Ehegatten eingegangenen neuen Ehen. T. gebraucht den Ausdruck ,,frequentatas”, weil er an eine eventuell mehrmals stattfindende Wiederverheiratung denkt.



581) cum suo vitio ist der kraft der Abstammung aus Adam der menschlichen Natur anhaftende sündhafte Zustand, das vitium originis, das durch den origo naturalis mit der menschlichen Natur auf alle übergeht (redundat) und ein „naturale quodammodogeworden ist; vgl. de anima 40 u. 41 de test. an. 3.



592) Der Text lautet nach der edit. princ. des Gangneius: et lactae sortes non habentes idoneae. An diesem Text sind viele Versuche angestellt worden, die aber alle gar nicht, oder wenig befriedigen. Mit Recht hat man statt „sortes” „sordeskorrigiert. Kellner und Rauschen entscheiden sich für ,,lacteae” statt „lactae”. T. spielt dann auf den weißen, klebrigen Saft des Feigenbaumes an, wenn er nicht direkt an das vorhergehendevirus libidinisdenkt. Im Anschluß an Oehler will Kellner lesen: et lacteae sordes hoc habent (haben das an sich), wobei idoneae zum folgenden Satzteil zu ziehen wäre. Mit Recht lehnt Rauschen diese Konjektur ab und schlägt vor zu lesen: lacteae sordes non abluendi idoneae. Aber diese Konjektur widerspricht dem folgenden Satzteil: quod nec ipsae adhuc aquae (das Wasser der Taufe) laverant. T. kann nicht sagen wollen, dieser Schmutz sei nicht geeignet, abgewaschen zu werden, oder könne nicht leicht abgewaschen werden. Er sagt ja, daß er durch die christliche Taufe abgewaschen werde -- ein Gedanke, den er oft ausgesprochen hat, z. B. Scorp. 12: vestitus animae caro. Sordes quidem baptismate abluuntur --, aber vor der Ankunft Christi (ante Christum, als die pristina tempora habebant omnis impudicitiae potestatem) noch nicht abgewaschen wurde und deshalb festklebte. Statt non habentes idoneae wird -- das kann man wohl mit Sicherheit sagen -- inhaerendi idoneae zu lesen sein. Das paßt sowohl zum Gedanken, wie zu dem vorhergehendeninhaerebant”. Inhaerendi idoneae bedeutet: der sich leicht festsetzt = klebrig. Da ferner „inhaerebatüberliefert ist (nicht inhaerebant), so wird wohletvor lacteae zu tilgen und zu lesen sein: Inhaerebat usquequaque libidinis virus, lacteae sordes inhaerendi idoneae, quod etc.; lacteae wäre Apposition zu virus libidinis. Dann erklärt sich auch besser, daß T. schrieb: quod nec ipsae aquae adhuc laverant. Behält man also lacteae bei, so wäre zu übersetzen : Es klebte ihm noch allenthalben der Schleim der bösen Begierde an, ein milchartiger, klebriger Schmutz, usw. -- Indeslacteae” ist zweifelhaft, und der Gedaüke an den weißen klebrigen Saft des Feigenbaumes wäre doch sehr gesucht. Deshalb möchte ich lieberet lactae” nicht in „et lacteae”, sondern in „iniectaekorrigieren. Wie Oehler anmerkt, las Rigaltius in seiner ersten Ausgabe 1634et iactae”; vgl. auch Kap. 13: iniectiones eius (sc. Satanae). Dann entspricht der Sinn des Satzes einem öfters von T. ausgesprochenen Gedanken: Durch die Sünde Adams ist in die caro das Gift der bösen Begierde eingedrungen, ein Schmutz, der ihr fest anhaftet, ein naturale quodammodo ist, weil er sich als vitium originis mitfortpflanzt. Um von ihm gereinigt zu werden, bedarf es der Gnade der Taufe. Nach dieser Konjektur habe ich oben übersetzt.



601) der Jungfrau Maria.



612) T. denkt hier unter Beziehung auf Apg, 2, 24 ff. an die Auferstehung und Himmelfahrt Christi.



62. 1) Vgl. Rom. 6, 3 ff.



632) Forma ist = lex oder institutum ; vgl. z. B. Apol. 2; 7 usw.






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