Mittel
für das geistliche Leben
50.
Die oben genannten Beziehungen stellen den Vorrang des geistlichen Lebens
heraus. Deshalb muß der Diakon daran denken, daß es jede
natürliche Fähigkeit übersteigt, die Diakonie des Herrn zu
leben, und daß es daher nötig ist, ganz bewußt und frei der
Einladung zu folgen: »Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus
sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so
könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt« (Joh
15, 4).
Die
Nachfolge Christi im diakonischen Dienst ist ein faszinierendes, aber
schwieriges Unterfangen, reich an Genugtuungen und Früchten, das aber
manchmal auch den Schwierigkeiten und Mühen der wahren Nachfolger des
Herrn Jesus Christus ausgesetzt ist. Um es zu verwirklichen, muß der
Diakon zu Christus stehen, damit dieser die Verantwortung für das
Dienstamt trägt, also dafür, daß er dem geistlichen Leben den
Vorrang einräumt, die Diakonie hochherzig und selbstlos lebt, den Dienst
und — wenn verheiratet — seine familiären oder beruflichen Verpflichtungen
so organisiert, daß er in der Nachfolge der Person und Sendung Christi,
des Gottesknechtes, Fortschritte macht.
51.
Wichtigste Quelle des Fortschritts im geistlichen Leben ist zweifellos die
treue und unermüdliche Erfüllung des Dienstes in einem motivierten
und stetig angestrebten Umfeld der Lebenseinheit. (194) Dieser Dienst
behindert, wenn in rechter Weise erfüllt, keineswegs das geistliche Leben,
sondern begünstigt die göttlichen Tugenden, erhöht den eigenen
Willen zu Hingabe und Dienst an den Brüdern und fördert die
hierarchische Gemeinschaft. Auch für Diakone gilt, entsprechend
angepaßt, was von den Priestern gesagt wird: »Gerade die täglichen
heiligen Handlungen wie ihr gesamter Dienst, den sie... ausüben, lenken
sie auf ein vollkommenes Leben hin. Die Heiligkeit der Priester wiederum trägt
im höchsten Maß zur größeren Fruchtbarkeit ihres
besonderen Dienstes bei«. (195)
52.
Der Diakon halte sich stets die Aufforderung der Weiheliturgie vor Augen:
»Empfange das Evangelium Christi, dessen Verkünder du geworden bist:
glaube immer an das, was du verkündest, lehre, was du glaubst, lebe, was
du lehrst«. (196)
Um das
Wort Gottes würdig und fruchtbringend zu verkünden, muß der
Diakon »in beständiger heiliger Lesung und gründlichem Studium sich
mit der Schrift befassen, damit er nicht zu "einem hohlen und
äußerlichen Prediger des Wortes Gottes [werde], ohne dessen innerer
Hörer zu sein", (197) wo er doch die unübersehbaren
Schätze des göttlichen Wortes, namentlich in der heiligen Liturgie,
den ihm anvertrauten Gläubigen mitteilen soll«. (198)
Darüberhinaus
muß er unter der Anleitung der authentischen Lehrer der göttlichen
und katholischen Wahrheit in der Kirche (199) dieses Wort Gottes
vertiefen, um seine rettende Kraft zu spüren (vgl. Röm 1, 16).
Seine Heiligkeit gründet sich auf seine Weihe und Sendung auch
gegenüber dem Wort: Er muß zur Kenntnis nehmen, daß er Diener
des Wortes ist. Als Mitglied der Hierarchie verpflichten seine Handlungen und
Erklärungen die Kirche; es ist darum für seine pastorale
Nächstenliebe wesentlich, daß er die Authentizität seiner
Lehre, seine tatsächliche, eindeutige Gemeinschaft mit dem Papst, mit dem
Bischofsstand und mit dem eigenen Bischof nachweist, nicht nur was das
Glaubensbekenntnis betrifft, sondern auch in bezug auf die Lehre des
ordentlichen Lehramtes und der Disziplin im Geist des der Weihe vorausgehenden
Glaubensbekenntnisses und des Treueides. (200) Denn »solche Gewalt und
Kraft west im Worte Gottes, daß es für die Kirche Halt und Leben,
für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner,
unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist«. (201) Je mehr er
sich an das göttliche Wort anlehnt, desto stärker wird er den Wunsch
verspüren, es den Brüdern mitzuteilen. In der Heiligen Schrift spricht
Gott zum Menschen, (202) in der Predigt unterstützt der geweihte
Diener diese heilbringende Begegnung. Er muß deshalb seine
größte Aufmerksamkeit darauf verwenden, unermüdlich das Wort
Gottes zu predigen, damit die Gläubigen nicht durch die Gleichgültigkeit
oder Trägheit des Dieners dieses Wortes beraubt werden, und er muß
zutiefst davon überzeugt sein, daß sich die Ausübung des
Dienstes des Wortes nicht allein in der Predigt erschöpft.
53.
Ebenso weist der Diakon seine Identität im Leben der Kirche nach, wenn er
tauft, wenn er die Kommunion austeilt oder wenn er bei der Feier der anderen
Sakramente und Sakramentalien hilft: Er ist Diener des Leibes Christi, des
mystischen Leibes und der Kirche; er soll daran denken, daß diese
Handlungen der Kirche, wenn sie mit Glauben und Ehrfurcht vollzogen werden, zum
Wachstum seines geistlichen Lebens und zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft
beitragen. (203)
54. In
ihrem geistlichen Leben müssen die Diakone den Sakramenten der Gnade die
gebührende Bedeutung beimessen, die »hingeordnet sind auf die Heiligung
der Menschen, den Aufbau des Leibes Christi und schließlich auf die Gott
geschuldete Verehrung«. (204)
Vor
allem sollen sie mit besonderer Treue täglich an der Feier des
eucharistischen Opfers teilnehmen, (205) womöglich in
Ausübung des eigenen liturgischen munus, und mit Ausdauer den im
Sakrament gegenwärtigen Herrn verehren, (206) da ja die
Eucharistie, Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation, »das Heilsgut der
Kirche in seiner ganzen Fülle« enthält. (207) In der
Eucharistie werden sie Christus wahrhaftig begegnen, der aus Liebe zum Menschen
zum Sühneopfer, zur Speise des ewigen Lebens, zum nahen Freund in allem
Leiden wird.
Im
Wissen um die eigene Schwachheit und voller Vertrauen in die göttliche
Barmherzigkeit sollen sie regelmäßig das Sakrament der
Versöhnung empfangen, (208) in welchem der sündige Mensch
Christus, dem Erlöser, begegnet, die Vergebung seiner Schuld empfängt
und zu voller tätiger Liebe angespornt wird.
55.
Bei der Erfüllung der Werke der Nächstenliebe, die ihm der Bischof
aufträgt, soll sich der Diakon stets von der Liebe Christi zu allen
Menschen und nicht von persönlichen Interessen oder Ideologien leiten
lassen, die den universalen Charakter der Heilsrettung verletzen oder die
transzendentale Berufung des Menschen leugnen. Er soll auch daran denken,
daß die Diakonie der Nächstenliebe notwendigerweise zur
Förderung der Gemeinschaft innerhalb der Teilkirche führt. Die
Nächstenliebe ist ja in der Tat die Seele der kirchlichen Gemeinschaft. Er
muß daher die Brüderlichkeit, die Zusammenarbeit mit den Priestern
und die aufrichtige Gemeinschaft mit dem Bischof nachdrücklich
fördern.
56.
Diakone müssen immer, in jedem Umfeld und unter allen Umständen, dem
Gebot des Herrn treu bleiben: »Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was
geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt« (Lk
21, 36; vgl. Phil 4, 6-7).
Das
Gebet, der persönliche Dialog mit Gott, wird ihnen das Licht und die Kraft
verleihen, die nötig sind, um Christus zu folgen und den Brüdern in
den verschiedensten Situationen zu dienen. Auf Grund dieser Gewißheit
sollen sie versuchen, sich von den verschiedenen Gebetsarten innerlich formen
zu lassen: die Verrichtung des Stundengebetes in dem von der Bischofskonferenz
bestimmten Umfang (209) prägt ihr ganzes Gebetsleben; als
Amtsträger sind sie gehalten, Fürbitten für die ganze Kirche
darzubringen. Dieses Gebet setzt sich in der lectio divina, in dem
intensiv betrachtenden Gebet, in der Teilnahme an geistlichen Einkehrtagen
fort, jeweils gemäß den Vorschriften des Partikularrechtes.
(210)
Ein
Herzensanliegen müssen ihnen zudem die Tugend der Buße und die anderen
Mittel der Heiligung sein, die eine Hilfe auf dem Weg zur persönlichen
Gottbegegnung darstellen. (211)
57.
Die Teilhabe am Geheimnis des Gottesknechtes Christus lenkt den Diakon mit
seinem Herzen notwendigerweise auf die Kirche und auf Maria, ihre heiligste
Mutter. Denn man kann Christus nicht von der Kirche, seinem Leib, trennen. Die
Wahrheit von der Einheit mit dem Haupt soll eine wahre Liebe zum Leib wecken.
Und diese Liebe soll bewirken, dab der Diakon durch seinen Einsatz für die
mit seinem Dienstamt verbundenen Verpflichtungen, durch Brüderlichkeit und
durch die hierarchische Gemeinschaft mit seinem Bischof und mit dem
Presbyterium fleißig am Aufbau der Kirche mitarbeitet. Dem Diakon
muß die ganze Kirche am Herzen liegen: die Universalkirche, für
deren Einheit der Papst in Rom als Nachfolger Petri immerwährendes und
sichtbares Prinzip und Fundament ist, (212) und die Teilkirche, in der
dadurch, daß »sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das
Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, die
eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft
gegenwärtig ist und wirkt«. (213)
Die
Liebe zu Christus und zur Kirche ist zutiefst mit der seligen Jungfrau
verbunden, der niedrigen Magd des Herrn, die in ihrer Eigenschaft als einmalige
und bewundernswürdige Mutter selbstlose Gefährtin der Diakonie ihres
göttlichen Sohnes gewesen ist (vgl. Joh 19, 25-27). Die Liebe zur
Mutter des Herrn, die im Glauben gründet und im täglichen
Rosenkranzgebet, in der Nachahmung ihrer Tugenden und im zuversichtlichen
Vertrauen zu ihr Ausdruck findet, soll Bekundungen echter, kindlich-frommer
Hingabe sinnvoll machen. (214)
Jeder
Diakon muß mit tiefer Verehrung und Liebe auf Maria blicken. Denn »die
Jungfrau und Mutter ist das Geschöpf [gewesen], das mehr als alle die
volle Wahrheit der Berufung erlebt hat, denn kein Mensch hat wie sie mit einer
so großen Liebe auf die unermeßliche Liebe Gottes geantwortet«.
(215) Diese besondere, aus dem Wort entsprungene und ganz im Wort
verwurzelte Liebe zur Jungfrau und
Magd des Herrn soll zur Nachahmung ihres Lebens werden. Das wird eine
Möglichkeit sein, in der Kirche jene marianische Dimension
einzuführen, die den Zugang zur diakonischen Berufung bereitet.(216)
58.
Von größtem Nutzen für den Diakon wird schließlich die
regelmäßige geistliche Begleitung sein. Die Erfahrung zeigt,
daß der aufrichtig und zuvorkommend geführte Dialog mit einem klugen
geistlichen Begleiter nicht nur dazu beiträgt, die im Leben unvermeidlich
auftretenden Zweifel und Probleme zu lösen, sondern auch die notwendige
Unterscheidung vorzunehmen, zu einer besseren Selbsterkenntnis zu gelangen und
voranzuschreiten in der treuen Nachfolge Christi.
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