2. Die
geistliche Formung
71.
Die menschliche Bildung öffnet sich zur geistlichen Formung, die das Herz
und die einigende Mitte jeder christlichen Bildung darstellt, und
vervollständigt sich durch diese. Deren Ziel ist es, das in der Taufe neu
empfangene Leben zur Entfaltung zu führen.
Wenn
ein Kandidat den Ausbildungsweg zum Diakonat antritt, bringt er für
gewöhnlich bereits eine gewisse Erfahrung im geistlichen Leben mit, wie
z.B. die Erkenntnis über das Wirken des Geistes, das Hören und Betrachten
des Wortes Gottes, Freude am Beten, Einsatz für den Dienst an den
Brüdern und Schwestern, Opferbereitschaft, Sinn für die Kirche,
apostolischen Eifer. Seinem Lebensstand entsprechend ist ferner in ihm bereits
eine gewisse ganz konkrete Spiritualität herangereift: im Familienstand,
in der Weihe in der Welt oder in der Weihe im Ordensleben. Deshalb darf die
geistliche Ausbildung des künftigen Diakons diese bereits erworbenen
Erfahrungen nicht übersehen, sondern muß sie prüfen und
verstärken, um auf ihrer Grundlage die spezifischen Züge der
Spiritualität eines Diakons einzupflanzen.
72.
Das Element, das die Spiritualität des Diakons am stärksten
charakterisiert, ist die Entdeckung und die Teilhabe an der Liebe Christi, des
Dieners, der kam, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Dem
Kandidaten muß also geholfen werden, allmählich jene Haltungen zu
erwerben, die, wenngleich nicht ausschließlich, so doch spezifisch
diakonale sind, wie Einfachheit des Herzens, uneigennützige Ganzhingabe seiner
selbst, demütige und dienstbereite Liebe zu den Brüdern und
Schwestern, vor allem zu den ärmsten, zu den am meisten leidenden und
bedürftigen, und schließlich die Wahl eines Lebensstils der
Solidarität und Armut. Maria, die Magd des Herrn, möge diesen
Weg begleiten und im täglichen Gebet des Rosenkranzes als Mutter und
Helferin angerufen werden.
73.
Quelle dieser neuen Fähigkeit zur Liebe ist die Eucharistie, die nicht
zufällig den Dienst des Diakons kennzeichnet. Der Dienst an den Armen ist
in Wirklichkeit die logische Fortsetzung des Dienstes am Altar. Der Kandidat
ist deshalb einzuladen, täglich oder zumindest häufig, wie es die
familiären und beruflichen Pflichten eben zulassen, an der Feier der
Eucharistie teilzunehmen, und es muß ihm geholfen werden, deren Geheimnis
immer tiefer zu durchdringen. Im Blick auf diese eucharistische
Spiritualität ist Sorge zu tragen, daß auch das Bußsakrament
in seinem Wert angemessen betont werde.
74.
Als ein weiteres charakteristisches Merkmal prägt das Wort Gottes die
Spiritualität des Diakons. Dieser ist ja gerufen, sein kompetenter
Verkünder zu sein, der glaubt, was er verkündet, lehrt, was er
glaubt, und lebt, was er lehrt.(85) Der Kandidat wird deshalb lernen
müssen, das Wort Gottes immer tiefer zu erkennen und in ihm die
ständige Nahrung für sein geistliches Leben zu suchen, und zwar durch
ernsthaftes, von der Liebe getriebenes Studium und durch die tägliche
Pflege der lectio divina.
75.
Auch eine Hinführung zum Sinn des Gebets der Kirche darf nicht fehlen.
Denn es gehört zum Dienst des Diakons, im Namen der Kirche und für
die Kirche zu beten. Dies verlangt ein Nachdenken über den Ursprung des
christlichen Gebetes und über den Sinn des Stundengebetes, besonders
jedoch eine praktische Einführung in das Beten. Zu diesem Zweck ist es
wichtig, daß bei allen Treffen der künftigen Diakone diesem Gebet
Zeit geschenkt wird.
76.
Der Diakon verkörpert schließlich das Charisma des Dienstes als eine
Teilhabe am kirchlichen Dienst. Dies hat wichtige Auswirkungen auf sein
geistliches Leben, das von den Merkmalen des Gehorsams und der
brüderlichen Gemeinschaft geprägt sein muß. Eine echte
Erziehung zum Gehorsam wird keinesfalls die durch die Weihegnade empfangenen
Gaben unterdrücken, sondern vielmehr dem apostolischen Eifer die
kirchliche Echtheit gewährleisten. Die Gemeinschaft mit den geweihten
Mitbrüdern, Priestern und Diakonen, ist ihrerseits eine Wohltat, die die
Großherzigkeit im Dienst unterstützt und anregt. Der Kandidat
muß deshalb zu einem Gespür für die Zugehörigkeit zum
Kreis der geweihten Diener erzogen werden, zur brüderlichen Zusammenarbeit
mit ihnen und zum geistlichen Austausch.
77.
Hilfsmittel für diese Ausbildung sind: die monatlichen Einkehrtage und die
jährlichen geistlichen Exerzitien; die Unterrichtseinheiten, die nach
einem organischen und stufenweisen Programm zu gestalten sind, das die
verschiedenen Bildungsabschnitte berücksichtigen soll; die konstante
geistliche Begleitung. Besondere Aufgabe des geistlichen Leiters ist es, dem
Kandidaten zu helfen, die Anzeichen für seine Berufung zu erkennen, sich
in eine Haltung beständiger Umkehr zu versetzen, die für eine
diakonale Spiritualität typischen Züge zur Reife zu bringen, indem er
auf die Schriften der klassischen Spiritualität und das Beispiel der
Heiligen zurückgreift, sowie eine harmonische Synthese von Lebensstand,
Beruf und Dienst zu bewerkstelligen.
78. Es
soll außerdem dafür gesorgt werden, daß die Frauen der
verheirateten Kandidaten in dem Bewußtsein der Berufung ihres Mannes und
ihrer eigenen Aufgabe an dessen Seite wachsen. Sie sollen deshalb eingeladen
werden, regelmäßig an den Treffen für die geistliche Ausbildung
teilzunehmen.
Auch
für die Kinder soll es geeignete Initiativen geben, die sie für den
diakonalen Dienst sensibel machen.
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