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Durch das oben Gesagte ist klar geworden, daß das Bild Gottes im
Menschen nicht vοn der menschlichen Substanz getrennt werden kann. Es ist diese ontologische
Gottähnlichkeit, die erklärt, daß die Gnade mit der Natur zusammenwirkt,
ebenso wie aber auch die Natur mit der Gnade wirkt. Die Erschaffung des
Menschen nach dem Bilde Gottes bedeutet also, daß der Mensch am
göttlichen Leben teilhat, sο wie auch der Sohn durch seine Fleischwerdung an
der menschlichen Natur teilhat. Diese Einheit der zwei Naturen in Christus und
besonders die Tatsache, daß Jesus Christus Gott und Mensch in Ewigkeit
bleibt, zeigen, daß es zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen
eine Übereinstimmung gibt. Sicher, die Ikone ist, wie Professor Evdokimov
sagt, keine Inkarnation: "Die Ikone ist niemals eine Inkarnation, sie ist
auch kein Ort, sondern sichtbares Zeichen der strahlenden Gegenwart des
Unsichtbaren. Die Ikone trägt den Namen, aber nicht das Wesen des
Originals. So ist in der Ikone keine "eingeschriebene" und besonders
keine "umsdriebene" Ontologie, sondern die Sache ist bildlich
dargestellt. Seine Realität strahlt in unsichtbarer Weise vοn der Ikone aus. Der in
der Ιkοne gegebene Raum
bedeutet keine Einschränkung, sondern nimmt an der Vergegenwärtigung
des Urbildes teil und wird dadurch heilig gemacht. Die Ikone hat keine eigene
Existenz, sondern ihre einzige Aufgabe ist es, den Betrachtenden zum Seienden
selbst zu führen. Nach den Vorstellungen
der Väter hat die Ιkοne eine
pädagogische Unterrichtsfunktion, sie ist eine konstante Εrinnerung an Gott und
weckt immer wieder den Wunsch, ihm nachzufolgen. Diese drei Ergebnisse sind
eine Antwort auf das wahre Bedürfnis des Menschen: "Auch der
Vollendete braucht die Ikone, wie er das Buch braucht, um Zugang zum Evangelium
zu bekommen."<13>
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