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Giovanni Boccaccio
Decameron

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    • 15. Novelle
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15. Novelle

neu bearbeitet von Klabund

 

Madonna Filippa, die ihr Mann in den Armen ihres Liebhabers überrascht, wird vor

Gericht gefordert. Sie rettet sich durch eine dreiste und launige Verantwortung

und bringt zugleich die Milderung eines harten Gesetzes zuwege.

In der Stadt Prato hatte man vor Zeiten ein Gesetz, das ebenso streng als

ungerecht jedes Weib, das von ihrem Ehemann im Ehebruch mit einem Geliebten

betroffen wurde, nicht minder zu dem grausamen Tode auf dem Scheiterhaufen

verdammte als diejenige, die aus schnödem Geiz und Gewinnsucht sich einem jeden

für Geld überließ. Als dieses Gesetz noch in Kraft war, begab es sich, daß eine

schöne, adlige und sehr verliebte Dame, Madonna Filippa, von ihrem Gemahl

Rinaldo Pugliesi eines Nachts in ihrem eigenem Zimmer in den Armen des Lazarino

Guazzaglio, eines schönen und edlen Jünglings ihrer Nachbarschaft, den sie

zärtlich liebte, überrascht wurde. Rinaldo war so aufgebracht, daß er sich kaum

enthalten konnte, auf sie zuzustürzen und sie beide auf der Stelle ums Leben zu

bringen; er hätte sie auch gewiß nicht verschont, wenn ihn nicht die Besorgnis

um sein eigenes Leben abgehalten hätte, dem ersten Antriebe seines Zorns zu

folgen. Allein obwohl er seine erste Hitze unterdrückte, so konnte er es doch

nicht über sich gewinnen, auf das Pratesische Gesetz Verzicht zu leisten,

welches seiner Gemahlin den Tod bestimmte, den mit eigener Hand zu geben ihm

nicht gestattet war. Da er nun Beweis genug gegen sie in Händen hatte, ihr

Vergehen zu bezeugen, trug er kein Bedenken, sie am folgenden Morgen zu

verklagen und sie vor Gericht zu fordern. Die Dame, hochherzig wie es die

 

wahrhaftig liebenden Frauen zu sein pflegen, ließ sich durch alle ihre Freunde

und Verwandten nicht abhalten, vor Gericht zu erscheinen und lieber mit dem

freimütigen Bekenntnis der Wahrheit in den Tod zu gehen, als durch eine feige

Flucht sich einer entehrenden Verbannung auszusetzen und sich dadurch des edlen

Jünglings, in dessen Armen sie die vergangene Nacht geliebt und liebend geruht,

unwürdig zu bezeigen. Als sie demnach in Begleitung vieler Herren und Damen, die

ihr noch immer rieten, sich aufs Leugnen zu legen, vor dem Richter erschien,

fragte sie mit ruhigem Blick und fester Stimme, warum sie vorgeladen sei.

Der Richter, gerührt von ihrer großen Schönheit, von ihrem edlen Anstand und von

dem festen Mut, den sie in ihrer Rede zeigte, hatte Mitleid mit ihr und

wünschte, daß sie nicht ein Bekenntnis ablegen möchte, das ihn um seiner eigenen

Pflicht und Ehre willen nötigte, sie zum Tode zu verurteilen. Weil er jedoch

nicht vermeiden konnte, sie wegen der Anklage zu befragen, so sprach er:

»Madonna, Ihr seht hier Euren Gemahl Rinaldo, der sich beklagt, daß er Euch mit

einem andern Mann im Ehebruch betroffen habe, und verlangt, daß ich Euch

deswegen dem hergebrachten Gesetze gemäß zum Tode verurteilen soll. Dieses kann

aber nicht geschehen, wofern Ihr selbst Euch nicht schuldig bekennt. Überlegt

demnach wohl, was Ihr antwortet, und sagt mir, ob das wahr sei, dessen Euch Euer

Gemahl beschuldigt

Die Dame antwortete, ohne die Fassung zu verlieren, mit heiterer Miene:

»Messer, es ist wahr, daß Rinaldo mein Mann ist und daß er mich gestern abend in

den Armen des Lazarino angetroffen hat, bei dem ich wegen meiner herzlichen und

aufrichtigen Liebe zu ihm oft gelegen habe. Das kann und will ich nicht leugnen.

Allein Ihr werdet vermutlich wohl wissen, daß kein Gesetz einseitig sein sollte,

und daß zugleich ein jedes billig mit Zustimmung aller derer, die es angeht,

abgefaßt werden sollte. Das ist aber bei diesem Gesetz nicht beobachtet worden,

das nur den armen Frauen allein zur Last fällt, da sie doch bei der Abfassung

desselben weder ihre Stimme dazu gegeben haben, noch dabei zu Rat gezogen worden

sind. Es verdient demnach mit Recht den Namen eines höchst unbilligen Gesetzes.

Wollt Ihr es aber dennoch zum Schaden meines Leibes und Eurer Seele an mir zur

Ausführung bringen, so habt Ihr die Gewalt dazu in den Händen. Ehe Ihr jedoch zu

meiner Verorteilung schreitet, bitte ich Euch, mir die kleine Gunst zu erweisen,

daß Ihr meinen Mann fragt, ob ich ihm jemals eine abschlägige Antwort gegeben

habe, oder ob ich ihm nicht jederzeit auf den ersten Wink, und so oft es ihm

beliebte, zu Willen gewesen sei

Rinaldo wartete nicht, bis ihn der Richter fragte, sondern gab seiner Frau

freiwillig das Zeugnis, daß er sie zu jeder Stunde willig und bereit gefunden

hätte, seine Wünsche zu erfüllen.

»Herr Richterfuhr sie fort. »Da also mein Mann immer bei mir fand, was er

bedurfte und was ihm Vergnügen machte, so frage ich Euch, was ich mit dem machen

sollte, was er übrig ließ? Sollte ich es vielleicht den Hunden vorwerfen? Oder

war es nicht besser, einen Edelmann, der mich mehr als sich selbst liebte, damit

zu beschenken, als es umkommen und verderben zu lassen

Es hatten sich bei dem Verhör einer so vornehmen und angesehenen Dame fast alle

Bürger aus Prato eingefunden, und als sie diese lustige Frage hörten, riefen sie

nach vielem Gelächter einmütig, sie hätte recht und führe ihre Sache

vortrefflich. Und ehe sie von der Stelle gingen, milderten sie mit Genehmigung

und auf den Vorschlag des Richters das unbarmherzige Gesetz und setzten fest,

daß es künftighin nur gegen solche Weiber in Kraft bleiben solle, die für Geld

ihren Männern untreu würden. Dem Rinaldo gereichte demnach sein unüberlegtes

Unterfangen nur zur Demütigung, und seine Frau, als wäre sie vom Scheiterhaufen

erstanden, kehrte frei und fröhlich, mit Ruhm bedeckt, nach Hause zurück.

 

 

 

 




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