25. Novelle
Eine Äbtissin steht im Finstern eilends auf, um eine
ihrer Nonnen mit ihrem
Liebhaber zu ertappen. Da sie selbst einen Priester bei
sich hat, so wirft sie
aus Versehen statt ihre Kappe seine Beinkleider über den
Kopf. Als die verklagte
Nonne dieses gewahr wird und die Äbtissin aufmerksam
darauf macht, rettet sie
sich dadurch vor der Strafe und darf ihren Liebhaber
ungestört bei sich
behalten.
In der Lombardei liegt ein wegen seiner Gottesfurcht und
Heiligkeit sehr
berühmtes Kloster, in dem unter mehreren Nonnen sich ein
junges Mädchen von
edler Abkunft und von bewunderungswürdiger Schönheit
befand, namens Lisabetta,
die sich bei einem Besuche, den sie einst von einem ihrer
Verwandten am Gitter
empfing, in einen schönen Jüngling verliebte, der mit ihm
gekommen war. Den
Jüngling reizte ihre Schönheit nicht weniger, und da ihre
Blicke ihm ihre
Wünsche verrieten, so verliebte er sich ebenfalls in sie.
Eine Zeitlang mußten
sie zu ihrem großen Schmerz ihre Flamme fruchtlos nähren;
doch da sie beide sich
so innig sehnten, so gelang es endlich dem Jüngling, sich
einen geheimen Zugang
zu seiner Nonne zu verschaffen und sie hernach mehrmals
zu ihrem beiderseitigen
Vergnügen nicht ein, sondern viele Male zu besuchen.
Indem sie diesen Umgang
fortsetzten, traf es sich jedoch einmal, daß eine andere
Nonne den Jüngling in
der Nacht gewahr ward, als er Lisabetta eben verließ.
Weder er noch sie
argwöhnten, daß sie bemerkt worden waren. Die Nonne
teilte es noch einigen
andern Nonnen mit. Diese waren zuerst willens, sie
sogleich bei ihrer Äbtissin
Madonna Usimbalda, die von allen, die sie kannten, für
eine fromme, heilige Frau
gehalten ward, anzuzeigen. Hernach aber kamen sie auf den
Gedanken, es sei
besser, sie von der Äbtissin selbst mit ihrem Liebhaber
ertappen zu lassen,
damit sie sich nicht aufs Leugnen legen könne. Sie
schwiegen demnach und wachten
und lauerten abwechselnd heimlich, um sie zu überraschen.
Da Lisabetta sich
nichts Arges versah und von nichts wußte, so ließ sie
eines Abends ihren
Liebhaber wieder zu sich kommen, was alsobald von denen,
die Wache hatten,
bemerkt ward. Diese teilten sich, sobald es tief genug in
der Nacht war, in zwei
Parteien. Die eine bewachte den Ausgang aus Lisabettas
Zelle, die andere eilte
nach dem Zimmer der Äbtissin. Sie klopften so lange an
ihre Tür, bis sie
antwortete, und sagten: "Madonna, steht geschwind
auf, Lisabetta hat einen
jungen Menschen bei sich in ihrer Zelle."
Die Äbtissin hatte diese Nacht einen Priester bei sich,
den sie zuweilen in
einem Kasten zu sich tragen ließ. Als sie das Klopfen
hörte und befürchtete, daß
die Nonnen vor lauter Eifer die Tür aufsprengen möchten,
wenn sie sich nicht
beeilte, sprang sie geschwind aus dem Bett, kleidete sich
im Finstern an, so gut
sie konnte, und indem sie glaubte ihr faltiges Kopftuch
(das, was die Nonnen
tragen und was sie Psalterium nennen) aufzusetzen,
ergriff sie aus Versehen die
Hosen des Priesters, stülpte sie eilends über ihren Kopf,
ging hinaus, schloß
die Zelle hinter sich zu und schrie: "Wo ist diese
vermaledeite Sünderin?" Die
anderen, die nur darauf erpicht waren, Lisabetta auf der
Tat zu ertappen, gaben
nicht acht auf den Kopfputz ihrer Äbtissin, die mit ihnen
nach Lisabettas Zelle
lief. Die Tür ward aufgesprengt, und als sie hineinkamen,
fanden sie das
verliebte Paar in zärtlicher Umarmung. Dies erstaunte so
sehr über den
unvermuteten Überfall, daß es vor Schreck wie versteinert
war. Die Nonnen
bemächtigten sich augenblicklich des Mädchens und führten
es auf Befehl der
Äbtissin vor das Kapitel. Der Jüngling blieb indessen
zurück, kleidete sich an
und erwartete den Ausgang der Sache, entschlossen, denjenigen
übel mitzuspielen,
die sich an seiner Geliebten vergreifen würden, und diese
alsdann mit Gewalt zu
entführen. Als die Äbtissin im Kapitel den Vorsitz
eingenommen hatte und die
Blicke aller Nonnen auf die Angeklagte geheftet waren, fing
sie an, coram
publico diese mit den schrecklichsten Vorwürfen zu
überhäufen, daß sie die
Heiligkeit, die Ehrbarkeit und den guten Ruf des Klosters
durch ihre
ungeziemende und schändliche Aufführung befleckt hätte,
und sie begleitete ihre
Vorwürfe zugleich mit den fürchterlichsten Drohungen.
Das arme erschrockene und beschämte Mädchen, das sich
schuldig fühlte, dachte an
keine Antwort, sondern suchte nur durch ihr geduldiges
Stillschweigen die andern
Nonnen zum Mitleid zu bewegen. Darüber ward die Äbtissin
nur noch aufgebrachter,
bis die Beklagte zufällig einmal die Augen aufschlug und
den Kopfputz der
Äbtissin gewahr ward und die Hosenbänder, die ihr an
beiden Seiten auf die
Achseln herunterhingen. Als sie sah, was es war, faßte
sie sich ein Herz und
sagte: "Madonna, um Gottes willen, knüpft Euch doch
nur erst Eure Haube fest und
sagt mir dann, was Ihr wollt."
Die Äbtissin, die nicht wußte, was ihre Rede besagen
wolle, fuhr sie an: "Was
schwatzest du von Haube, lasterhaftes Geschöpf? Hast du
noch die
Unverschämtheit, zu spotten? Oder meinst du dich so
aufgeführt zu haben, daß du
noch scherzen darfst?"
Das Mädchen antwortete ihr noch einmal: "Madonna,
ich bitte Euch, knüpft die
Bänder an Eurer Haube fest, ehe Ihr mir etwas Weiteres
sagt."
Jetzt richteten einige von den Nonnen ihre Blicke auf die
Äbtissin, und sie
selbst fühlte mit ihren Händen und begriff nunmehr, wohin
Lisabetta mit ihren
Worten gezielt hatte. Weil sie sich getroffen fühlte und
fand, daß ihr keine
Ausflüchte gegenüber dem helfen konnten, was alle Nonnen
gesehen hatten, änderte
sie ihre Sprache, zog gelindere Saiten auf und gestand am
Ende, daß es unmöglich
sei, dem Stachel des Fleisches zu widerstehen. Sie
erlaubte demnach einer jeden,
sich im stillen ihren Zeitvertreib zu verschaffen, wenn
sie könnten, was auch
bis auf diesen Tag geschehen war. Sie entließ das junge
Mädchen, begab sich mit
ihrem Priester wieder zu Bett, und Lisabetta verfügte
sich gleichfalls wieder zu
ihrem Liebhaber, der sie zum Ärger derer, die sie darum
beneideten, noch oft
besuchte. Die andern hingegen, die noch keinen Liebhaber
hatten, suchten
insgeheim, so gut sie konnten, ihren Bedürfnissen
abzuhelfen.
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