4. Novelle
Landofo Rufolo verarmt und wird Seeräuber. Die Genueser
nehmen ihn gefangen; er
erleidet Schiffbruch und, rettet sich auf einem Kasten
voll Juwelen, wird in
Corfu von einer armen Frau beherbergt und kehrt reich
nach Hause zurück.
Man hält das Meerufer zwischen Reggio und Gaeta für eine
der lieblichsten
Gegenden Italiens. An diesem Ufer befindet sich in der
Nähe von Salerno eine
bergige Küstenstrecke, die über das weite Meer
hinaussieht und von den
Eingeborenen die Küste von Amalfi genannt wird. Sie ist
mit einer Menge kleiner
Städte und von Quellen bewässerter Gärten bedeckt, die
von den reichsten und
tätigsten Handelsleuten der Welt bewohnt werden. Unter
diesen kleinen Städten
ist eine namens Ravello, woselbst es zwar noch
heutigestags an reichen Leuten
nicht fehlt; doch zählte sie einst unter ihren Bürgern
einen gewissen Landolfo
Rufolo, der über alle Maßen reich war, dem aber seine
Reichtümer dennoch nicht
genügten, so daß er sie noch zu verdoppeln suchte und
darüber in Gefahr geriet,
nicht nur sie, sondern auch mit ihnen das Leben zu
verlieren.
Nachdem er nach Art der Kaufleute seine Kalkulationen
gemacht hatte, kaufte er
ein großes Schiff, betrachtete es für seine eigene
Rechnung mit Waren und
segelte damit nach Cypern. Wie er aber ankam, fand er
bereits eine große Anzahl
Schiffe vor, die mit eben den Waren beladen waren, so daß
er die seinigen, wenn
er sie loswerden wollte, nicht nur sehr wohlfeil verkaufen,
sondern sie fast
umsonst verschenken mußte, worüber er aus der Haut fahren
wollte. Als er nun vor
lauter Verzweiflung nicht wußte, was er anfangen sollte,
da er aus einem sehr
reichen Mann in kurzem beinahe zum Bettler geworden war,
so beschloß er,
entweder in den Tod zu gehen oder sich durch Kaperei von
seinem Verlust zu
erholen, um nicht arm dahin zurückzukehren, von wo er als
ein reicher Mann
ausgefahren war. Er verkaufte sein großes Schiff, und mit
dem Gelde, das er
daraus löste, und mit demjenigen, das er für seine Waren
empfangen hatte, kaufte
er ein leichtes Fahrzeug zum Kreuzen, das er aufs beste
ausrüstete und mit allem
Nötigen versah, das zu einem Piratenzuge nötig war,
worauf er anfing, auf alles
Jagd zu machen, vorzüglich aber auf die Türken. Das Glück
war ihm bei diesem
Gewerbe viel günstiger als ehemals bei seinen
Handelsunternehmungen, und er nahm
in Jahresfrist so viele türkische Fahrzeuge weg, daß er
nicht nur alles
wiedergewann, was er bei seinen Waren verloren hatte,
sondern wohl noch einmal
soviel dazu. Weil ihn nun sein erster Verlust gewitzigt
hatte, und er sah, daß
er reich genug war, so glaubte er, um nicht zum
zweitenmal in die Schlinge zu
fallen, müsse er sich begnügen. Er entschloß sich also,
nach Hause
zurückzukehren, und da er von Spekulationen genug hatte,
so bekam er keine Lust,
sein bares Geld noch einmal in Waren anzulegen, sondern
er stach mit demselben
Schiff, womit er es gewonnen hatte, in See. Wie er sich
schon im Archipel
befand, erhob sich ein Südoststurm, der ihm nicht nur
entgegen war, sondern auch
das Meer so unruhig machte, daß er sich nicht getraute,
mit seinem kleinen
Schiff die offene See zu halten, sondern in einer Bucht
unter dem Schutz einer
kleinen Insel vor Anker ging, um besseres Wetter
abzuwarten. Wie er hier noch
nicht lange gelegen hatte, warfen zwei große genuesische
Kauffahrer, die von
Konstantinopel kamen und sich mit Mühe gleichfalls dahin
retteten, nach ihm
Anker. Als diese seine Nußschale gewahr wurden und
erfuhren, daß es Landolfo
war, von dessen Reichtümern sie schon gehört hatten,
gedachten sie als
geldgierige, räuberische Leute, es in ihre Hände zu
bekommen. Den Weg nach der
See hatten sie ihm bereits verlegt. Sie schickten also
noch einen Teil ihrer
Mannschaft mit Armbrüsten und anderen Waffen ans Land, um
zu verhindern, daß
sich jemand lebend von dem Schiffe dahin retten möchte,
worauf sie mit ihren
Booten, wobei ihnen die Meeresströmung zustatten kam,
sich an die Seite des
Schiffes bugsieren ließen und es nach einem schwachen
Widerstande samt der
ganzen Mannschaft wegnahmen, ohne einen einzigen Mann zu
verlieren. Landolfo,
dem sie nichts als eine armselige Jacke übriggelassen
hatten, ließen sie an Bord
einer ihrer Brigantinen bringen. Sein Schiff plünderten
sie völlig aus und
bohrten es dann in Grund. Als am folgenden Tage der Wind
günstiger ward,
lichteten sie die Anker und segelten nach Westen. Der
Wind blieb ihnen auch den
ganzen Tag günstig. Allein gegen Abend erhob sich ein
Sturm, die See ging hoch,
die beiden Schiffe wurden durch den Sturm getrennt, und
das Unglück wollte, daß
das, auf dem sich Landolfo befand, mit fürchterlicher
Gewalt auf einer Sandbank
oberhalb der Insel Cefalonia auf den Grund stieß und wie
ein gegen eine Mauer
geworfenes Glas klirrend und krachend zersprang. Die
armen Schiffbrüchigen
suchten sich in der finstern Nacht zu retten, so gut sie
konnten, auf Waren,
Kisten und Brettern, die umhertrieben. Wer schwimmen
konnte, schwamm, und die
übrigen klammerten sich an das erste, was ihnen in den
Weg trieb. Unter diesen
befand sich auch der arme Landolfo, der am vorigen Tage
den Tod oft angerufen
hatte, weil er lieber sterben, als wie ein Bettler nach
Hause zurückkehren
wollte. Wie er aber den Tod vor Augen sah, fürchtete er
sich doch vor ihm, so
gut wie die andern, und verschmähte es nicht, eine Planke
zu ergreifen, in der
Hoffnung, daß ihm der Himmel, wenn er sich vor dein
Ertrinken retten könnte,
doch wohl wieder Hilfe senden möchte. Er klammerte sich
demnach mit Armen und
Beinen an das Brett und erhielt sich auf ihm bis an den
lichten Morgen, indes
ihn Sturm und Wellen bald hierhin, bald dorthin
schlenderten. Bei Tagesanbruch
sah er rings um sich her nichts als Luft und Wasser und
eine auf den Wellen
treibende Kiste, die ihm oft zu seinem großen Schrecken
sehr nahe kam. Denn er
fürchtete, sie möchte ihm einen Prellstoß geben, der ihm
gefährlich würde. So
oft sie ihm zu nahe kam, suchte er sie mit den wenigen
Kräften, die ihm
übriggeblieben waren, von sich zu stoßen. Allein
plötzlich erhob sich ein
gefährlicher Windstoß und warf die Kiste mit solcher
Gewalt gegen das Brett, daß
Landolfo es mußte fahren lassen und in den Wellen
versank. Wie er wieder
auftauchte und ihm die Angst mehr als seine Kräfte half,
sich über Wasser zu
halten, fand er, daß das Brett zu weit von ihm entfernt
war, deswegen er die
Arme nach der Kiste streckte, die ihm eben nahe genug
trieb, um sie zu
erreichen. Er stemmte sich mit der Brust auf den Deckel
und steuerte sie mit den
Armen, so gut er konnte, und so trieb er den Tag und die
ganze Nacht bald
hierhin, bald dorthin auf den Wogen umher, ohne zu essen,
weil er nichts hatte,
dagegen er öfter zu trinken bekam, als ihn lüstete, und
nichts als offenes Meer
um sich sah, ohne zu wissen, wo er sich befand.
Am folgenden Tage erbarmte sich der Himmel seiner oder
die Windrichtung. Er war
schon porös geworden wie ein Schwamm und klammerte sich
an die Seiten der Kiste
verzweifelt fest, wie ein Ertrinkender in Todesangst. Da
trieb er an das Ufer
der Insel Korfu, wo von ungefähr ein armes Weib ihre
Töpfe mit Sand und
Seewasser scheuerte. Wie sie ihn und seine Arche
schwimmen sah und keine
deutliche Gestalt unterscheiden konnte, fürchtete sie
sich und lief schreiend
davon. Er selbst hatte nicht die Kraft zu sprechen oder
auch nur zu sehen so daß
er ihr nichts sagen konnte. Doch wie ihn die Wogen ans
Ufer spülten, ward das
Weib erstlich die Kiste gewahr, dann die Arme, die sie
umschlangen, hernach das
Menschengesicht, und erriet nun endlich das Ganze. Vom
Mitleid bewogen, watete
sie ein wenig ins Meer hinaus, das sich schon beruhigt
hatte, und zog ihn bei
den Haaren samt der Kiste ans Land, wo sie mit Mühe seine
Arme von ihr
losmachte. Die Kiste ließ sie von ihrer Tochter, die bei
ihr war, auf dem Kopfe
tragen. Sie selbst trug Landolfo wie ein Kind auf ihren
Armen nach Hause und
brachte ihn in eine Badestube, wo sie ihn so lange rieb
und mit warmem Wasser
wusch, bis die erloschene Farbe sich auf seinen Wangen
wieder einstellte und die
verlorenen Kräfte allmählich wiederkamen. Wie sie
glaubte, daß es Zeit wäre,
nahm sie ihn aus dem Bad und erquickte ihn mit etwas
gutem Wein und Backwerk und
bewirtete ihn, so gut sie konnte, einige Tage, bis er wieder
zu Kräften und
völliger Besinnung kam, worauf sie es für Pflicht hielt,
ihm seine Kiste, die
sie geborgen hatte, wieder zuzustellen und ihm zu sagen,
daß er nun wieder für
sich selbst sorgen könne. Er wußte zwar von keiner Kiste,
doch nahm er sie gern
an, wie die gute Frau sie ihm darbot, weil er dachte, sie
müßte wenig wert sein,
wenn sie ihm nicht einmal auf einen Tag zu seiner Zehrung
verhelfe. Wie er sie
aufhob und sehr leicht fand, verging ihm beinahe die
Hoffnung. Doch einst, wie
die gute Frau nicht zu Hause war, erbrach er sie, um zu
sehen, was darin wäre,
und fand, daß sie eine Menge köstlicher Steine, gefaßte
und ungefaßte, enthielt,
von denen er einigermaßen ein Kenner war, und fand, daß
sie von großem Werte
waren. Er dankte dem Himmel, der ihn noch nicht verlassen
hatte, und ward recht
guten Muts. Weil ihn aber das Glück nun schon
zweimal genasführt hatte, so traute er ihm das drittemal
nicht, sondern hielt
für nötig, es sehr vorsichtig anzufangen, diese
Kostbarkeiten nach Hause zu
bringen. Er wickelte sie in alte Lumpen und sagte zu
seinerWirtin, er könnte die
Kiste nicht mehr brauchen: sondern bäte sie, ihm lieber
einen Sack dafür zu
geben, was die gute Frau herzlich gerne tat. Er dankte
ihr darauf innig für die
Wohltat, die sie ihm erwiesen hatte, nahm seinen Sack auf
den Buckel, fuhr in
einem Boot hinüber nach Brindisi und wanderte längs der
Küste fort bis nach
Trani, wo er einige Tuchhändler fand, die seine
Landsleute waren, die ihn aus
Barmherzigkeit kleideten, nachdem er ihnen alle seine
Begebenheiten, die mit der
Kiste ausgenommen, erzählt hatte, ihm außerdem ein Pferd
liehen und ihn bis nach
Ravello geleiteten, wohin er zurückzukehren wünschte. Als
er nun hier in
Sicherheit zu sein glaubte, dankte er Gott, der ihn
zurückgeführt hatte, öffnete
sein Bündel und fand bei genauer Untersuchung, daß er so
viele und köstliche
Steine besaß, daß er, wenn er sie auch unter ihrem Wert
verkaufte, doppelt so
reich war als damals, da er ausreiste.
Nachdem er Mittel gefunden hatte, seine Schätze zu Geld
zu machen, schickte er
eine schöne Summe nach Korfu, um der guten Frau ihre
Dienste zu belohnen, die
ihn aus dem Wasser gezogen hatte, und auch nach Trani an
diejenigen, die ihn
gekleidet hatten. Den Rest behielt er, ohne sich fürder
um Geschäfte zu
bekümmern, und lebte hochangesehen und im Wohlstand bis
an sein Ende.
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