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Giovanni Boccaccio
Decameron

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    • 14. Novelle
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14. Novelle

 

Pietro di Vinciolo geht aus zum Abendessen. Seine Frau läßt unterdessen einen

jungen Burschen zu sich kommen. Pietro kommt wieder nach Hause und entdeckt die

Streiche seiner Frau; weil er aber selbst nicht besser ist als sie, so verträgt

er sich mit ihr in Güte.

In Perugia wohnte einmal ein reicher Mann namens Pietro di Vinciolo, der

vielleicht mehr in der Absicht, andern ein Blendwerk vorzumachen und die böse

Meinung zu widerlegen, die jedermann in Perugia von ihm hatte, als aus Neigung

eine Frau nahm. Das Schicksal führte ihm auch ein Weib zu, welches ein

Seitenstück zu seinen eigenen bösen Begierden war; denn die Frau, die er sich

wählten war ein derbes rothaariges Weibchen von so warmem Blute, daß sie lieber

zwei Männer als einen genommen hätte, indes sie einen Mann an ihm bekam, der

sich mehr um andere Dinge als darum bekümmerte, seiner Frau die Liebe zu geben,

die sie beanspruchen durfte. Da sie dieses gewahr ward und sich selbst jung und

hübsch, voll Kraft und Saft fühlte, so kam es ihr im Anfang sehr ungelegen und

gab nicht selten Anlaß zu harten Worten und zu unangenehmen Auftritten zwischen

ihr und ihrem Ehemann. Als sie aber fand, daß sie dadurch mehr aufgebracht als

ihr Mann gebessert ward, dachte sie bei sich selbst: Der Nichtswürdige

vernachlässigt mich, um in Holzpantinen durchs Trockne zu gehen; warum soll ich

nicht ebensogut ins Wasser gehen? Ich habe ihn geheiratet und ihm eine große

Mitgift zugebracht, weil ich glaubte, einen Mann an ihm zu finden, der das

begehre, wonach die Männer begehren und begehren müssen. Wenn ich anders von ihm

gedacht hätte, so würde ich ihn nicht genommen haben. Er wußte, daß er an mir

ein Weib bekäme, und wenn ihm das nicht behagte, so hätte er mich können sitzen

lassen, wenn er die Weiber nicht ausstehen kann. Das läßt sich nicht länger

aushalten. Wenn ich nicht hätte wollen in der Welt leben, so wäre ich in ein

Kloster gegangen; wenn ich aber, um das Leben zu genießen, da ich nun einmal

lebe und leben will, solange warten wollte, bis ich bei diesem mein Glück und

mein Vergnügen fände, so könnte ich grau darüber werden, und wenn ich alt würde,

es zu spät bereuen, daß ich meine Jugend ungenutzt hätte verstreichen lassen. Er

selbst zeigt mir den Weg, wo ich meinen Zeitvertreib suchen soll, und was ihm

zur Schmach und Schande gereichen muß, das ist für mich noch eher erlaubt und

schicklich, denn ich handle dann nur den Gesetzen, er aber ihnen und der

natürlichen Ordnung zugleich zuwider.

Nachdem das Weibchen dieses mehr als einmal bei sich erwogen hatte, machte sie,

um ihren Endzweck heimlich zu erreichen, Bekanntschaft mit einer alten Frau, die

eine wahre heilige Verdiana zu sein schien, die die Schlangen aus der Hand

füttert. Mit dem Rosenkranz in der Hand war sie bei allen Wallfahrten zugegen,

sprach von nichts als von dem Leben der Heiligen oder von den Wunden des

heiligen Franziskus und ward fast von jedermann selbst für eine Heilige

gehalten. Dieser offenbarte sie bei einer Gelegenheit, die ihr günstig schien,

ihr Anliegen ohne Rückhalt.

"Bei Gott, der alles weiß, mein Töchterchen," sprach die Alte, "du hast wohl

recht, und wenn du sonst keine Ursache dazu hättest, so ist's doch von dir und

von einem jeden jungen Weib wohlgetan, daß ihr eure Jugendzeit nicht

verschleudert; denn nichts kann einen mehr schmerzen, wenn man's recht

betrachtet, als verlorene Zeit; und wozu, in Henkers Namen, sind wir weiter

nütze, wenn wir alt werden, als daß wir die Asche in der Kohlenpfanne glimmend

erhalten? Wenn das irgend jemand weiß und davon erzählen kann, so bin ich's. Ich

bin eine von denen, die jetzt im Alter, da mir's nicht mehr helfen kann, mit

schweren und bittern Gewissensbissen bedauern muß, daß ich die Zeit so

verstreichen ließ; denn obwohl ich sie nicht gänzlich verloren habe (du kannst

wohl denken, daß ich keine solche alberne Gans war!), so tat ich doch nicht

alles, was ich hätte tun können, und wenn ich jetzt an die Vergangenheit denke,

da, wie du siehst, keiner mehr bereit wäre, Feuer aus mir zu schlagen, so weiß

der Himmel, wie es mich schmerzt. Mit den Männern ist es ganz was anderes; die

sind zu allerhand anderen Dingen nütze, und überhaupt taugen die meisten im

Alter mehr als in der Jugend. Wir Weiber aber taugen zu nichts als hierzu und

Kinder zu gebären, und darum sucht man uns auch nur und geht uns nach. Und

sähest du's an nichts anderem, so könntest du es doch daraus entnehmen, daß wir

Frauen zu jederzeit dazu bereit sind, die Männer aber nicht. Überdies bringt ein

Weib zehn Männer von Kräften, aber zehn Männer vermögen nicht, eine Frau

mattzusetzen. Weil wir nun einmal zu diesem Endzweck geboren sind, was ich dir

wohl, noch mit mehreren Gründen beweisen könnte, so sage ich dir noch einmal,

vergilt deinem Manne Gleiches mit Gleichem, damit im Alter deine Seele dem Leibe

keine Vorwürfe zu machen habe. Man hat auf dieser Welt nichts als was man

genießt, besonders haben die Frauen noch mehr Ursache als die Männer, ihre Zeit

zu nützen; denn du siehst wohl, wenn wir alt werden, so kümmert sich weder unser

Mann noch andere Leute mehr um uns, sondern man schickt uns in die Küche, um mit

dem Kater uns zu unterhalten und Töpfe und Näpfe zu zählen, und sie machen noch

wohl noch gar Gassenhauer auf uns und singen: 'Für die jungen Weiber Liebe, für

die alten Weiber Hiebe'. Doch um dich nicht aufzuhalten, Töchterchen, so will

ich dir jetzt nur sagen, daß du niemand besser wählen konntest als mich, um dir

nach Wunsch zu dienen; denn mir ist gewiß keiner zu fein, daß ich mich nicht

unterstände, ihm zu sagen, was nötig ist, und keiner zu plump und ungeschliffen,

daß ich ihn nicht abhobeln und ihn dazu brächte, was ich will. Sage mir nur, wer

dir am besten gefällt, und laß mich handeln. Aber eines muß ich dir sagen, mein

Töchterchen, du darfst mich nicht vergessen; ich bin ein armes Weib, und du

sollst auch von nun an Teil haben an all meinen Gebeten und Wallfahrten, damit

unser Herrgott deinen abgeschiedenen Verwandten Licht und Kerze beschere."

Die Alte schwieg, und die junge Frau ward mit ihr handelseinig, indem sie ihr

das Nötige überließ. Sie beschrieb ihr einen jungen Menschen, den sie oft in

ihrer Straße gesehen hatte, gab ihr ein Stück Pökelfleisch und ließ sie gehen

mit Gott. Nach einigen Tagen führte ihr die Alte den von ihr bezeichneten

Jüngling heimlich zu, und von Zeit zu Zeit wieder andere, und das Weibchen ließ,

bei aller Furcht vor ihrem Mann, keine einzige gute Gelegenheit unbenutzt

vorbeigehen.

Einmal war ihr Mann des Abends bei einem seiner Freunde namens Ercolano zum

Essen eingeladen; sie befahl demnach der Alten, ihr einen Jüngling, der einer

der hübschesten und muntersten in Perugia war, zu bringen. Die Alte richtete den

Auftrag pünktlich aus. Als sie sich eben mit dem jungen Menschen zu Tische

setzen wollte, pochte unvermutet ihr Mann an die Haustür. Sie war vor Schrecken

fast des Todes und suchte womöglich den Jüngling vor ihm zu verbergen. Weil sie

sich auf keinen besseren Platz besann oder keinen andern hatte, so ließ sie ihn

im Hausflur neben dem Zimmer, wo sie aßen, sich unter einem Hühnerkorb

verstecken, der dort war, und warf den Überzug einer Matratze darüber, die sie

an diesem Tage hatte lüften lassen, worauf sie geschwind ihrem Mann die Tür

öffnete. "Nun," rief sie ihm entgegen, "hast du dein Abendessen so schnell durch

die Gurgel gejagt?"

"Ich habe noch keinen Bissen über die Zunge gebracht", sprach Pietro.

"Wie wäre das wohl zugegangen?" fragte sie.

"Das will ich dir sagen", antwortete Pietro. "Ercolano, seine Frau und ich

hatten uns kaum zu Tische gesetzt, so hörten wir neben uns jemand niesen. Das

erste und zweite Mal achteten wir nicht darauf; als aber der Niesende sich zum

dritten, vierten und fünften Male hören ließ und gar nicht aufhörte zu niesen,

da nahm es uns endlich wunder, und Ercolano, der schon über seine Frau gemurrt

hatte, daß sie uns zu lange an der Tür hatte warten lassen, fuhr auf und schrie

wütend: 'Was ist das? Wer niest hier so?' Damit stand er auf und lief einer

Treppe zu, die nicht weit von uns war und unter welcher sich ein

Bretterverschlag befand, um Sachen aus der Hand zu legen, wie man dergleichen

zur Bequemlichkeit der Bewohner in manchen Häusern hat. Weil es ihm schien, daß

das Niesen von dorther komme, so öffnete er den Verschlag, und es schlug ihm ein

unleidlicher Schwefeldampf entgegen. Ich muß dir sagen, daß uns der

Schwefelgeruch schon vorher beschwerlich geworden war, und wie wir uns darüber

beklagten, sprach die Frau, sie hätte ihre Schleier geschwefelt, um sie weiß zu

bleichen, und hätte die Schwefelpfanne unter die Treppe gesetzt, wovon es noch

ein wenig röche. Als der Dampf sich etwas verzogen hatte, guckte Ercolano in den

Verschlag hinein und wurde den gewahr, der geniest hatte und noch immerfort

nieste, weil ihm der Schwefeldampf den Atem benommen und alles Niesens

ungeachtet die Brust schon dermaßen beklemmt hatte, daß er einige Minuten später

nicht mehr hätte niesen noch irgend etwas anderes tun können. Als ihn Ercolano

gewahr ward, rief er: 'Ha, Weib! Jetzt seh' ich, warum wir solange vor der Tür

haben warten müssen, ehe du uns aufmachtest; aber ich will nimmer froh werden,

wo ich dir das nicht bezahle.' Als die Frau diese Drohung hörte und fand, daß

ihre Sünde ans Licht gekommen war, sprang sie vom Tische auf und lief Hals über

Kopf von dannen, ohne an eine Entschuldigung zu denken, und. ich weiß nicht,

wohin sie gelaufen ist. Ercolano merkte nicht darauf, daß seine Frau sich aus

dem Staube machte, sondern rief dem Niesenden immer lauter zu, er solle

herauskommen; allein er mochte rufen, solange er wollte, so rührte sich jener

nicht, weil er schon ohnmächtig geworden war. Ercolano schleppte ihn also bei

den Füßen heraus und sprang schon nach einem Messer, um ihm vollends den Rest zu

geben. Weil mir selbst aber vor der Polizei bange war, so eilte ich hinzu und

wehrte ihm, daß er den Menschen um die Ecke brachte, noch ihm Schaden zufügte.

Indem ich nun den Burschen verteidigte und einen Riesenspektakel machte, kamen

auch die Nachbarn dazu. Diese nahmen den jungen Mann, der sich nicht widersetzen

konnte, und führten ihn weg, ich weiß nicht wohin. Siehst du! So wurden wir um

unsere Mahlzeit betrogen, und ich habe sie nicht nur nicht durch die Gurgel

gejagt, sondern noch keinen Bissen zum Munde gebracht, wie ich dir vorhin

sagte."

Die Frau merkte aus dieser Geschichte, daß andere Weiber ebenso klug wären wie

sie, obwohl es nicht immer bei allen glücklich damit abliefe, und sie hätte zwar

gern der Frau des Ercolano das Wort geredet; weil sie aber glaubte, sich von

ihren eigenen Fehlern um so eher weiß zu brennen, wenn sie fremde Sünden tadele

so rief sie: "Schöne Geschichten sind das, die ich da höre! Das ist also das

ehrbare fromme Weib; das ist die keusche, treue Ehefrau, die ich immer für so

heilig gehalten habe, daß ich bei ihr hätte beichten mögen; und was noch am

schlimmsten ist: es sind ihre Jugendjahre schon vorbei, und sie sollte anderen

mit gutem Beispiel vorangehen. Verwünscht sei die Stunde, da sie geboren ward,

und verwünscht jede Stunde, die sie noch lebt, das treulose, ehrvergessene Weib,

diese ewige Schmach und Schande aller Weiber in der Stadt. Sie tritt so ihre

Ehre, die Treue, die sie ihrem Mann gelobt hat, und die Achtung der Welt mit

 

Füßen. Sollte sie sich nicht schämen, ihren braven Mann, einen der

ehrenhaftesten Bürger, der ihr so gut begegnet, durch einen anderen beschimpfen

zu lassen und sich selbst mit in Schande zu stürzen? Ich will vor Gott keine

Gnade haben, wenn ein solches Weibsbild Barmherzigkeit verdient; man sollte sie

umbringen; man sollte sie lebendig auf den Scheiterhaufen setzen und sie zu

Asche verbrennen."

In dem Augenblick fiel ihr ihr guter Freund ein, der nicht weit davon unter dem

Hühnerkorb saß, und sie fand deswegen für gut, ihren Mann zu erinnern, daß es

Zeit wäre, zu Bett zu gehen. Pietro, der mehr Lust hatte zu essen als zu

schlafen, fragte sie, ob sie nicht etwas zum Abendessen bei der Hand hätte.

"Abendessen?" sprach sie. "Hat sich was mit dem Abendessen, wenn du nicht zu

Hause bist! Glaubst du, ich bin so eine wie das Weib des Ercolano? Geh nur

lieber zu Bett, das wird das beste sein."

Von ungefähr waren desselben Abends einige Bauern von Pietros Landgut zur Stadt

gekommen, die ihm Feldfrüchte gebracht und ihre Esel in einen Stall gezogen

hatten, der an den Hausflur stieß, in welchem der junge Mensch saß. Da sie

vergessen hatten, ihr Vieh zu tränken, so zog einer von den Eseln, den der Durst

anwandelte, den Kopf aus der Halfter, ging aus dem Stalle heraus und schnüffelte

allenthalben nach Wasser herum, und so kam er gerade an den Hühnerkorb, unter

welchem der Jüngling verborgen lag. Weil dieser sich auf allen Vieren

niederducken mußte, so ragten die Finger seiner einen Hand ein wenig unter dem

Korbe hervor, und sein Glück oder sein Unglück, wie man es nehmen will, fügte es

so, daß ihn der Esel darauftrat so daß er vor Schmerz laut aufschrie. Den Pietro

nahm das gewaltig wunder, weil er merkte, daß die Stimme sich in seinem Hause

hören ließ. Er ging also hinaus in die Kammer, und da der arme Schelm, dem der

Esel die Fingerspitzen noch immer festklemmte, fortfuhr zu winseln, so rief er:

"Wer da?"

Ging nach dem Hühnerkorbe, hob ihn auf und fand den jungen Menschen darunter,

der außer dem Schmerz, den ihm der Tritt des Esels verursachte, auch noch vor

Furcht zitterte, daß Pietro ihm übel mitspielen würde.

Als Pietro in ihm einen erkannte, dem er aus seiner lasterhaften Neigung heraus

schon lange nachgestiegen war, fragte er ihn: "Wie kommst du hierher?"

Der Jüngling antwortete ihm aber nicht auf seine Frage, sondern bat ihn nur um

Gottes willen, Barmherzigkeit mit ihm zu haben.

"Steh auf", sprach Pietro, "und fürchte nichts von mir aber sage mir aufrichtig,

wie und warum du hierher gekommen bist."

Der arme Junge beichtete ihm alles. Pietro war über den Fund ebenso froh, als

seine Frau bekümmert war. Er führte den Jüngling bei der Hand in das Zimmer, wo

seine Frau in größten Ängsten saß. Pietro setzte sich ihr gegenüber und sagte:

"Du schimpftest ja eben erst so unbarmherzig auf die Frau des Ercolano und

sagtest, man müsse sie verbrennen, weil sie euch allen zum Schandfleck gereiche;

warum vergaßest du aber, dich selbst mit einzuschließen? Oder wenn du dazu keine

Lust hattest, wie durftest du es dann wagen, so von ihr zu reden, da du doch

wußtest, daß du selbst es nicht besser machtest? Dich bewog wahrlich nichts

anderes als der Hang, der euch allen gemein ist, daß ihr gern die fremde Schuld

zum Deckmantel eurer eigenen gebraucht. Möchte das Feuer vom Himmel fallen und

euch alle verzehren, ihr Natterngezücht!"

Als die Frau merkte, daß die erste Hitze ihres Mannes in Scheltworten

verdampfte, und daß er eben nicht so gar böse darüber war, einen hübschen Knaben

bei ihr zu finden, gewann sie wieder Mut und sagte: "Ich glaube wohl, daß du das

Feuer vom Himmel über uns herunter wünschest, weil du deine Frau so lieb hast,

wie der Hund den Knüppel; aber beim Himmel, dein Wunsch wird dir nicht erfüllt

werden! Doch ich möchte wohl wissen, worüber du dich so zu beklagen hast; denn

es wäre wahrhaftig sehr artig von dir, wenn du mich mit der Frau des Ercolano

über einen Kamm scheren wolltest, die ein altes, scheinheiliges Mensch ist und

dennoch von ihrem Mann alles hat, was sie nur wünschen kann, und er ihr

begegnet, wie es einer Frau gebührt. Aber ich armes Weib habe es nicht so gut;

denn du gibst mir zwar Kleider und Schuhe, aber du weißt leider wohl, wie es um

das übrige steht, und wie lange es her ist, daß du nicht mehr bei mir gelegen

hast; da ich doch lieber barfuß und in Lumpen gehen möchte, wenn ich von dir nur

im Bett gut behandelt würde, als alle schönen Sachen von der Welt haben und mir

so von dir begegnen lassen muß, wie du mich behandelst. Denn ich muß dir's nur

geradeheraus sagen, Pietro, ich bin eine Frau, so gut wie jede andere, und habe

dieselben Neigungen und Bedürfnisse wie andere Frauen, und wenn ich finde, daß

du sie nicht befriedigst, so hast du keine Ursache zu schelten, wenn ich mich

anderswo versorge. Zum wenigsten mache ich dir nicht die Schande, daß ich mich

mit Straßenjungen oder mit liederlichen Lumpenkerlen abgebe."

Pietro merkte wohl, daß seine Frau nicht leicht wieder aufhören würde, da ihr

die Zunge einmal gelöst war. Weil er sich nun wenig aus ihr machte, so sprach

er: "Schweige nur, Frau, ich will dich schon zufriedenstellen. Tue mir nur jetzt

den Gefallen, uns etwas zu essen zu geben; denn ich denke, dieser Bursche hat

wohl ebensowenig zu Nacht gegessen als ich selbst."

"Freilich nicht," sprach die Frau; "denn als dich der Unstern herführte, wollten

wir uns eben zu Tische setzen und essen."

"So spute dich nur," sprach Pietro, "daß wir zu essen bekommen; ich will hernach

schon alles so einrichten, daß du dich nicht sollst zu beklagen haben."

Als sie ihren Mann besänftigt sah, erhob sie sich, ließ schnell den Tisch decken

und das Essen auftragen, das schon früher hergerichtet war. Dann ließ sie es

sich mit ihrem lasterhaften Mann und dem hübschen Knaben gutschmecken.

Wie Pietro nach dem Abendessen seine Einrichtung traf, um alle drei

zufriedenzustellen, das ist nicht bekannt. Nur soviel weiß man, daß am nächsten

Morgen der Junge, als er heimging, sich lange nicht darüber klar werden konnte,

ob die Frau oder der Mann ihm eifriger Bescheid getan. Genug, es soll damit

gesagt sein, daß ein jeder suche, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und wenn

er's nicht auf der Stelle tun kann, so warte er, bis die Gelegenheit kommt; denn

wie man in den Wald ruft, so schallt es wieder heraus.

 

 

 

 




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