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Joseph von Sonnleithner
Fidelio

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  • AKT I
    • Szene 4. Rocco, Jaquino, Leonore, Marzelline
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Szene 4. Rocco, Jaquino, Leonore, Marzelline

 

ROCCO
Warte, warte!

JAQUINO
Es war auch der Mühe wert,
so schnell aufzumachen,
um den Patron da herein zulassen.

ROCCO
Armer Fidelio,
diesmal hast
du zu viel dir aufgeladen!

LEONORE
Ich muß gestehen,
ich bin ein wenig ermüdet!
Der Schmied hatte auch an
den Ketten so lange auszubessern,
daß ich glaubte,
er würde nichtdamit fertig werden.

ROCCO
Sind sie jetzt gut gemacht?

LEONORE
Gewiß,
recht gut und stark.
Keiner der Gefangenen wird
sie zerbrechen.

ROCCO
Wieviel kostet alles zusammen?

LEONORE
Zwölf Piaster ungefähr.
Hier ist die genaue Rechnung

ROCCO
Gut, brav ! Zum Wetter,
da gibt es Artikel,
auf die wir wenigstens das Doppelte,
gewinnen können!
Du bist ein kluger Junge!
Ich kann gar nicht begreifen,
wie du deine Rechnungen machst.
Du kaufst alles wohlfeiler als ich.
In den sechs Monaten,
seit ich dir die Anschaffung
von Lebensmitteln übertragen habe,
hast du mehr gewonnen,
als ich vorher in einem ganzen Jahre.
Der Schelm gibt sich
alle diese Mühe,
offenbar meiner Marzelline wegen.

LEONORE
Ich suche zu tun,
was mir möglich ist.

ROCCO
Ja, ja, du bist brav;
man kann nicht eifriger,
nicht verständiger sein!
Ich habe dich auch mit
jedem Tage lieber,
und, sei versichert,
dein Lohn soll nicht ausbleiben.

LEONORE
O glaubt nicht, daß ich
meine Schuldigkeit nur
des Lohnes wegen...

ROCCO
Still !
Meinst du, ich kann dir
nicht ins Herz sehen?

MARZELLINE
Mir ist so wunderbar,
es engt das Herz mir ein;
er liebt mich, es ist klar,
ich werde glücklich, glücklich sein.

LEONORE
Wie groß ist die Gefahr!
wie schwach der Hoffnung Schein!
sie liebt mich, es ist klar,
o namenloser Pein!

ROCCO
Sie liebt ihn, es ist klar,
ja, Mädchen, er wird dein,
ein gutes, junges Paar,
sie werden glücklich sein.

JAQUINO
Mir sträubt sich schon das Haar,
der Vater willigt ein,
mir wird so wunderbar,
mir fällt kein Mittel ein.

ROCCO
Höre, Fidelio,
wenn ich auch nicht weiß,
wie und wo auf die Welt
gekommen bist,
und wenn du auch gar
keinen Vater gehabt hättest,
so weiß ich doch,
was ich tue, ich, ich mache dich
zu meinem Tochtermann

MARZELLINE
Wirst du es bald tun, lieber Vater?

ROCCO
Ei, ei, wie eilfertig !
So bald der Gouverneur nach
Sevilla gereist sein wird,
dann haben wir mehr Muße.
Ihr wißt ja,
daß er alle Monate hingeht,
um über alles, was hier in dem
Staatsgefängnis vorgeht,
Rechenschaft zu geben.
In wenigen Tagen muß er wieder fort,
und den Tag nach seiner Abreise
geb' ich euch zusammen.
Darauf könnt ihr rechnen.

MARZELLINE
Den Tag nach seiner Abreise!
Das machst du recht vernünftig,
lieber Vater!

LEONORE
Den Tag nach seiner Abreise?
O' welche neue Verlegenheit !

ROCCO
Nun, meine Kinder,
ihr habt euch doch recht
herzlich lieb, nicht wahr?
Aber das ist noch nicht alles,
was zu einer guten,
vergnügten Haushaltung gehört,
man braucht auch
Hat man nicht auch Gold beineben,
kann man nicht ganz glücklich sein;
traurig schleppt
sich fort das Leben,
mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenn's in den Taschen
klingelt und rollt,
da hält man das Schicksal gefangen,
und Macht und Liebe verschafft
das Gold und stillet das
kühnste Verlangen.
Das Glück dient wie ein
Knecht für Sold,
es ist ein schönes, schönes Ding,
das Gold, ein goldnes,
goldnes Ding, das Gold,
das Gold.
Wenn sich Nichts mit
Nichts verbindet,
ist und bleibt die Summe klein,
wer bei Tisch nur Liebe findet,
wird nach Tische hungrig sein.
Drum lächle der Zufall euch
gnädig und hold und segne
und lenk' euer Streben,
das Liebchen im Arme,
im Beutel das Gold,
so mögt ihr viel Jahre durchleben.

LEONORE
Ihr könnt das leicht sagen,
Meister Rocco, aber ich,
ich behaupte,
daß die Vereinigung zweier
gleichgestimmten Herzen
die Quelle des wahren
ehelichen Glückes ist.
O dieses Glück muß der
größte Schatz auf Erden sein !
Freilich gibt es noch etwas,
was mir nicht weniger
kostbar sein würde,
aber mit Kummer sehe ich,
daß ich es trotz aller meiner
Bemühungen nicht erhalten werde.

ROCCO
Und was wäre denn das?

LEONORE
Euer Vertrauen. Verzeiht mir
diesen kleinen Vorwurf,
aber oft sehe ich euch aus den
unterirdischen Gewölben
des Schlosses ganz außer
Atem und ermattet zurückkommen,
warum erlaubt Ihr mir nicht,
euch dahin zu begleiten?
Es wäre mir sehr lieb,
wenn ich euch bei eurer
Arbeit helfen und eure
Beschwerden teilen könnte.

ROCCO
Du weißt doch, daß ich
den strengsten Befehl habe,
niemanden,
wer es auch sein mag,
zu den Staatsgefangenen zu lassen.

MARZELLINE
Es sind ihrer aber gar
so viele in dieser Festung.
Du arbeitest dich ja zu Tod,
lieber Vater.

LEONORE
Sie hat recht, Meister Rocco.
Man soll allerdings seine
Schuldigkeit tun.
Aber es ist doch auch erlaubt,
meine ich,
zuweilen daran zu denken,
wie man sich für die,
die uns angehören und lieben,
ein bißchen schonen kann.

MARZELLINE
Man muß sich für seine
Kinder zu erhalten suchen.

ROCCO
Ja, ihr habt recht, diese
schwere Arbeit würde mir
doch endlich zu viel werden.
Der Gouverneur ist zwar sehr streng,
er muß mir aber doch erlauben,
dich in die Gouverneur,
geheimen Kerker mit mir zu nehmen.
Unterdessen gibt es ein Gewölbe,
in das ich dich wohl
nie werde führen dürfen,
obschon ichmich ganz
auf dich verlassen kann.

MARZELLINE
Vermutlich, wo der Gefangene sitzt,
Von dem du schon einige
gesprochen hast, Vater ?

ROCCO
Du hast's erraten.

LEONORE
Ich glaube, es ist schon lange her,
daß er gefangen ist?

ROCCO
Es ist schon über zwei Jahre.

LEONORE
Zwei Jahre, sagt Ihr?
Er muß ein großer
Verbrecher sein.

ROCCO
Oder er muß große Feinde haben;
das kommt ungefähr auf eins heraus.

MARZELLINE
So hat man denn nie
erfahren können, woher er ist,
und wie er heißt?

ROCCO
O wie oft hat er mit mir
von alledem reden wollen.

LEONORE
Nun?

ROCCO
Für unsereinen ist's am besten,
so wenig Geheimnisse
als möglich zu wissen,
darum hab ich ihn auch nie angehört.
Ich hätte mich verplappern können,
und ihm hätt ich doch
nicht genützt.
Nun, er wird mich nicht
lange mehr quälen.
Es kann nicht mehr
lange mit ihm dauern.

LEONORE
Großer Gott!

MARZELLINE
Lieber Himmel, wie hat
er denn eine so schwere
Strafe verdient?

ROCCO
Seit einem Monat schon
muß ich auf Pizarros Befehl
seine Portion kleiner machen.
Jetzt hat er binnen
vierundzwanzig Stunden
nicht mehr als zwei Unzen
schwarzes Brot und eine
Halbe Maß Wasser;
kein Licht mehr als den Schein
einer Lampe, kein Stroh mehr,
nichts!

MARZELLINE
O lieber Vater,
führe Fidelio ja nicht zu ihm,
diesen Anblick könnt
er nicht ertragen.

LEONORE
Warum denn?
Ich habe Mut und Stärke.

ROCCO
Brav, mein Sohn, brav!
Wenn ich dir erzählen wollte,
wie ich anfangs in meinem
Stande mit mir zu kämpfen hätte!
Und ich war doch ein ganz anderer
Kerl als du mit deiner feinen Haut
und deinen weichen Händen.
Gut, Söhnchen, gut,
hab immer Mut,
dann wird dir's auch gelingen,
das Herz wird hart durch Gegenwart
bei fürchterlichen Dingen.

LEONORE
Ich habe Mut!
Mit kaltem Blut, mit kaltem Blut
will ich hinab mich wagen;
für hohen Lohn kann Liebe
schon auch hohe Leiden,
hohe Leiden tragen.

MARZELLINE
Dein gutes Herz wird manchen
Schmerz in diesen Grüften leiden,
dann kehrt zurück der Liebe Glück
und unnennbare Freuden.

ROCCO
Du wirst dein Glück
ganz sicher bauen,
ja, ja, ja,
ihr werdet glücklich sein.

LEONORE
Ich hab' auf Gott und Recht
Vertrauen,
ja, ja, ja,
ich kann noch glücklich sein.

MARZELLINE
Du darfst mir auch ins Auge
schauen der Liebe Macht
ist auch nicht klein,
ja, ja, ja, wir werden glücklich sein.

ROCCO
Der Gouverneur,
der Gouverneur soll heut' erlauben,
daß du mit mir die Arbeit teilst.

LEONORE
Du wirst mir alle Ruhe rauben,
wenn du bis morgen nur verweilst.

MARZELLINE
Ja, guter Vater,
bitt ihn heute,
in kurzem sind wir dann ein Paar.

ROCCO
Ich bin ja bald des Grabes Beute,
ich brauche Hilf,
es ist ja wahr.

LEONORE
Wie lang' bin ich des
Kummers Beute.
Du, Hoffnung,
reichst mir Labung dar.

MARZELLINE
Ach! lieber Vater,
was fällt Euch ein?
Lang' Freund und Rater
müßt Ihr uns sein.

ROCCO
Nur auf der Hut, dann geht
es gut, gestillt,
gestillt wird euer Sehnen;
gebt euch die Hand
und schliesst das Band,
in süßen Freudentränen.
Ein schönes Band,
mit Herz und Hand.

MARZELLINE
O habe Mut, o welche Glut,
o welch' ein tiefes Sehnen!
Ein festes Band mit
Herz und Hand,
o süße, süße Tränen.

LEONORE
Ihr seid so gut ihr macht mir Mut,
gestillt wird bald mein Sehnen.
Ich gab die Hand zum süßen Band,
es kostet bittre Tränen.

ROCCO
Aber nun ist Zeit, daß
ich dem Gouverneur die
Briefschaften überbringe.
Ah ! Er kommt selbst hierher!
Gieb sie, Fidelio,
und dann entfernt euch!





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