ERSTES KAPITEL
MYSTERIUM UND DIENST
DES BISCHOFS
»... und wählte aus ihnen
zwölf aus« (Lk
6, 13)
6. Der Herr Jesus verkündete
während seiner Erdenpilgerschaft das Evangelium vom Reich Gottes, dessen
Anbruch er selbst einleitete, indem er allen Menschen sein Geheimnis
offenbarte.15 Er berief Männer und Frauen in
seine Nachfolge, und wählte unter den Jüngern zwölf aus, »die er
bei sich haben wollte« (Mk 3, 14). Das Lukasevangelium führt
genauer aus, daß Jesus diese Wahl traf, nachdem er eine ganze Nacht im
Gebet auf einem Berg verbracht hatte (vgl. Lk 6, 12). Was das
Markusevangelium betrifft, so scheint es diese Handlung Jesu als einen
souveränen Akt, einen konstitutiven Akt einzustufen, der denen, die er
ausgewählt hat, Identität verleiht: »Er setzte zwölf ein«
(Mk 3, 14). So enthüllt sich das Geheimnis der Wahl der Zwölf:
Es ist ein Akt der Liebe, von Jesus frei gewollt in tiefer Einheit mit dem
Vater und dem Heiligen Geist.
Die von Jesus den Aposteln
anvertraute Sendung muß bis ans Ende der Zeiten andauern (vgl. Mt
28, 20), weil das Evangelium, zu dessen Weitergabe sie beauftragt sind, das
Leben der Kirche zu jeder Zeit ist. Eben deshalb trugen die Apostel für
die Bestellung von Nachfolgern Sorge, so daß, nach dem Zeugnis des hl.
Irenäus, die apostolische Überlieferung durch die Jahrhunderte hin
kundgemacht und bewahrt werden sollte.16
An der besonderen
Ausgießung des Heiligen Geistes, mit dem die Apostel vom auferstandenen
Herrn beschenkt wurden (vgl. Apg 1, 5.8; 2, 4; Joh 20, 22-23),
ließen sie ihre Mitarbeiter durch die Auflegung der Hände teilhaben
(vgl. 1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6-7). Diese wiederum
gaben sie mit derselben Geste an andere weiter, und diese wieder an andere. Auf
diese Weise ist die geistliche Gabe des Anfangs durch die Auflegung der
Hände, das heißt durch die Bischofsweihe, welche die Fülle des
Weihesakramentes, das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes
überträgt, bis auf uns gekommen. Durch die Bischöfe und die Priester,
die ihnen zur Seite stehen, ist also der Herr Jesus Christus, auch wenn er zur
Rechten des Vaters sitzt, weiterhin inmitten der Gläubigen anwesend. Zu
allen Zeiten und an allen Orten verkündet er allen Völkern Gottes
Wort, spendet den Gläubigen die Sakramente des Glaubens und lenkt und
ordnet gleichzeitig das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur
ewigen Seligkeit. Der Gute Hirt verläßt seine Herde nicht, sondern
hütet und schützt sie immer mittels derjenigen, die, wenn sie kraft
der seinsmäßigen Teilhabe an seinem Leben und seiner Sendung die
Aufgabe des Lehrers, Hirten und Priesters in hervorragender und sichtbarer
Weise innehaben, an seiner Stelle handeln. Bei der Ausübung der mit dem
Hirtenamt verbundenen Aufgaben sind sie als seine Stellvertreter und Gesandte
eingesetzt.17
Das trinitarische Fundament
des Bischofsamtes
7. Die christologische Dimension
des Hirtenamtes, wenn man sie in ihrer Tiefgründigkeit betrachtet,
führt hin zum Verständnis des trinitarischen Fundamentes des Amtes selbst.
Das Leben Christi ist trinitarisch. Er ist der ewige und eingeborene Sohn des
Vaters und der mit dem Heiligen Geist Gesalbte, der in die Welt gesandt worden
ist; er ist der, welcher zusammen mit dem Vater der Kirche den Heiligen Geist
sendet. Diese trinitarische Dimension, die in der ganzen Seins- und
Handlungsweise Christi offenbar wird, formt auch das Sein und Handeln des
Bischofs. Mit Recht hatten also die Synodenväter den ausdrücklichen
Wunsch, Leben und Dienstamt des Bischofs im Licht der in der Lehre des Zweiten
Vatikanischen Konzils enthaltenen trinitarischen Ekklesiologie zu
veranschaulichen.
Sehr alt ist die
Überlieferung, die den Bischof als Abbild des himmlischen Vaters
darstellt, der – wie der heilige Ignatius von Antiochien schrieb – so etwas wie
der unsichtbare Bischof, der Bischof aller ist. Jeder Bischof nimmt folglich
den Platz des Vaters Jesu Christi ein, so daß er wegen dieser Vertretung
von allen geachtet werden muß.18 Im Zusammenhang
mit dieser symbolischen Struktur kann der Bischofsstuhl, der besonders in der
Tradition der Ostkirche an die väterliche Autorität Gottes erinnert,
nur vom Bischof besetzt werden. Aus dieser selben Struktur ergibt sich für
jeden Bischof die Pflicht, sich mit väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes
anzunehmen und es zusammen mit den Priestern, den Mitarbeitern des Bischofs in
seinem Dienst, und mit den Diakonen auf dem Weg des Heiles zu führen.19
Umgekehrt sollen die Gläubigen, wie ein alter Text mahnt, die
Bischöfe lieben, die nach Gott ihre Väter und Mütter sind.20
Daher wird gemäß einem in einigen Kulturen verbreiteten
Brauch die Hand des Bischofs wie die Hand des liebevollen Vaters und Spenders
des Lebens geküßt.
Christus ist das
ursprüngliche Abbild des Vaters und die Kundmachung seiner barmherzigen
Anwesenheit unter den Menschen. Der Bischof, der in der Person und im Namen
Christi selbst handelt, wird in der ihm anvertrauten Kirche zum lebendigen
Zeichen des Herrn Jesus, des Hirten und Bräutigams, Lehrers und Hohenpriesters
der Kirche.21 Hier liegt die Quelle des Hirtenamtes,
durch das, wie es das vom Pontificale Romanum vorgeschlagene Homilieschema
empfiehlt, die drei Funktionen der Belehrung, Heiligung und Leitung des
Gottesvolkes mit den charakteristischen Eigenschaften des Guten Hirten
ausgeübt werden müssen: Liebe, Kennen der Herde, Sorge um alle,
barmherziges Handeln gegenüber den Armen, den Fremden, den Notleidenden,
Suche nach den verlorenen Schafen, um sie in den einen Schafstall zurückzubringen.
Da schließlich die Salbung
mit dem Heiligen Geist den Bischof Christus gleichgestaltet, befähigt sie
ihn dazu, in seinem Leben das Geheimnis Christi zugunsten der Kirche
fortzuführen. Wegen dieser trinitarischen Kennzeichnung seines Wesens ist
jeder Bischof in seinem Dienst verpflichtet, liebevoll über die ganze
Herde zu wachen, in deren Mitte er vom Geist gestellt wurde, um die Kirche
Gottes zu führen: im Namen des Vaters, dessen Bild er
vergegenwärtigt; im Namen Jesu Christi, seines Sohnes, von dem er zum
Lehrer, Priester und Hirten eingesetzt worden ist; im Namen des Heiligen
Geistes, der der Kirche Leben verleiht und mit seiner Kraft die menschliche
Schwachheit stärkt.22
Kollegialer Charakter des
Bischofsamtes
8. »... er setzte zwölf
ein« (Mk 3, 14). Mit diesem Hinweis auf das Evangelium leitet die
dogmatische Konstitution Lumen gentium die Lehre über den
kollegialen Charakter des Kreises der Zwölf ein, die eingesetzt
wurden »nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises, an dessen
Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte« .23 In
gleicher Weise sind der Papst als Nachfolger des seligen Petrus als Bischof von
Rom und alle Bischöfe in ihrer Gesamtheit als Nachfolger der Apostel
untereinander nach Art eines Kollegiums verbunden.24
Die kollegiale Einheit zwischen
den Bischöfen gründet zugleich auf der Bischofsweihe und auf der
hierarchischen Gemeinschaft; daher berührt sie die Tiefe des Seins eines
jeden Bischofs und gehört zur Struktur der Kirche, wie sie dem Willen Jesu
Christi entspricht. In die Fülle des Bischofsamtes wird man nämlich
versetzt kraft der Bischofsweihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit
dem Haupt des Kollegiums und mit den Gliedern, das heißt mit dem Kollegium,
das immer als eine Einheit mit seinem Haupt zu verstehen ist. Das ist das Wesen
der Eingliederung in das Bischofskollegium,25 und
darum müssen auch die drei bei der Bischofsweihe empfangenen Ämter –
das Amt des Heiligens, des Lehrens und des Leitens – in der hierarchischen
Gemeinschaft ausgeübt werden, was allerdings wegen ihrer verschiedenen
unmittelbaren Zielsetzungen in unterschiedlicher Weise geschieht.26
Das ist der sogenannte
affectus collegialis, jene »kollegiale Gesinnung« oder affektive Kollegialität,
aus der die Sorge der Bischöfe für die anderen Teilkirchen und
für die Universalkirche entspringt.27 Wenn man
also sagen muß, daß ein Bischof nie allein steht, da er immer durch
den Sohn im Heiligen Geist mit dem Vater verbunden ist, muß man
außerdem hinzufügen, daß er auch deshalb nie allein steht,
weil er immer und ständig mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit
demjenigen verbunden ist, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt
hat.
Diese kollegiale Gesinnung
verwirklicht und äußert sich den unterschiedlichen Stufen
entsprechend in verschiedenen, auch institutionalisierten Formen, wie zum
Beispiel der Bischofssynode, den Partikularkonzilien, den Bischofskonferenzen,
der Römischen Kurie, den Ad limina-Besuchen, der Zusammenarbeit in
der Mission usw. Voll und ganz verwirklicht und äußert sich die
kollegiale Gesinnung jedoch nur in der kollegialen Handlung im engen Sinn, das
heißt in der Handlung aller Bischöfe zusammen mit ihrem Haupt, mit
dem sie die volle und höchste Gewalt über die Gesamtkirche
ausüben.28
Dieser kollegiale Charakter des
apostolischen Dienstes entspricht dem Willen Christi selbst. Die kollegiale
Gesinnung oder affektive Kollegialität (collegialitas affectiva)
besteht somit unter den Bischöfen als communio episcoporum immer,
sie äußert sich aber nur in einigen Handlungen als effektive
Kollegialität (collegialitas effectiva). Die verschiedenen Weisen
der Umsetzung der affektiven Kollegialität in effektive Kollegialität
sind menschlicher Natur, konkretisieren aber in unterschiedlichen Graden die
von Gott her kommende Notwendigkeit, daß sich der Episkopat in
kollegialer Form zum Ausdruck bringt.29 Auf den
Ökumenischen Konzilien wird dann die höchste Gewalt des Kollegiums
über die Gesamtkirche in feierlicher Form ausgeübt.30
Die kollegiale Dimension verleiht
dem Episkopat den Charakter der Universalität. Man kann somit eine
Parallelität zwischen der einen und allumfassenden, also ungeteilten
Kirche und dem einen und ungeteilten, also allumfassenden Episkopat
feststellen. Prinzip und Fundament dieser Einheit sowohl der Kirche wie des
Kollegiums der Bischöfe ist der Papst. Denn wie das Zweite Vatikanische
Konzil lehrt, stellt das Kollegium,»insofern es aus vielen zusammengesetzt ist,
die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem
Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar« .31 Darum
ist»die Einheit des Episkopats eines der konstitutiven Elemente der Einheit der
Kirche« .32
Die Gesamtkirche ist weder die
Summe der Teilkirchen, noch eine Föderation von Teilkirchen und auch nicht
das Ergebnis ihrer Gemeinschaft, denn nach den Aussagen der frühen
Kirchenväter und der Liturgie geht sie in ihrem wesentlichen Mysterium der
eigentlichen Schöpfung voraus.33 Im Lichte dieser
Lehre wird man hinzufügen können, daß die Beziehung eines
wechselseitigen Ineinander-Vorhandenseins, die zwischen der Gesamtkirche und
der Teilkirche gilt – weshalb die Teilkirchen »nach dem Bild der Gesamtkirche
gestaltet sind und in ihnen und aus ihnen die eine und einzige katholische
Kirche besteht« 34 – sich in der Beziehung zwischen
dem Bischofskollegium in seiner Gesamtheit und dem einzelnen Bischof
wiederholt. Darum »ist das Bischofskollegium nicht als die Summe der den
Teilkirchen vorstehenden Bischöfe, noch als Ergebnis ihrer Gemeinschaft zu
verstehen, sondern ist als wesentliches Element der Gesamtkirche eine
Wirklichkeit, die dem Auftrag, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist« .35
Im Licht der Aussage des Konzils
können wir diese Parallelität zwischen der Gesamtkirche und dem
Kollegium der Bischöfe besser verstehen: »So bildeten die Apostel die
Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie« .36
Bei den Aposteln war, insofern man sie nicht einzeln, sondern als
Kollegium betrachtet, die Struktur der Kirche, die in ihrer Universalität
und Einheit in ihnen gegründet war, und des Kollegiums der Bischöfe,
der Nachfolger der Apostel, als Zeichen dieser Universalität und Einheit,
bereits vorgebildet.37
Somit »ergibt sich die Gewalt des
Bischofskollegiums über die ganze Kirche nicht aus der Summe der Gewalten
der einzelnen Bischöfe über ihre Teilkirchen; sie ist eine
vorgeordnete Wirklichkeit, an der die einzelnen Bischöfe teilhaben, die
nur kollegial über die ganze Kirche entscheiden können« .38
An dieser Lehr- und Leitungsgewalt haben die Bischöfe
unmittelbar und solidarisch teil, weil sie Glieder des Bischofskollegiums sind,
in dem das Apostelkollegium real fortbesteht.39
Wie die Gesamtkirche eine und
unteilbar ist, so ist auch das Bischofskollegium ein »unteilbares
theologisches Subjekt«, und daher ist auch die höchste, volle und
universale Gewalt, deren Subjekt das Kollegium ebenso wie der Papst
persönlich ist, eine und unteilbar. Eben weil das Bischofskollegium eine
Wirklichkeit ist, die dem Amt, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist,
gibt es viele Bischöfe, die zwar eigentliche bischöfliche Aufgaben
erfüllen, aber doch keiner Teilkirche vorstehen.40 Jeder
Bischof vertritt – immer in Einheit mit allen Brüdern im Bischofsamt und
mit dem Papst – Christus, das Haupt und den Hirten der Kirche: nicht nur in
eigener und spezifischer Weise, wenn er das Hirtenamt einer Teilkirche erhält,
sondern auch, wenn er mit dem Diözesanbischof in der Leitung seiner Kirche
zusammenarbeitet 41 oder am allgemeinen Hirtenamt des
Papstes bei der Leitung der Gesamtkirche teilhat. Infolge der Tatsache,
daß die Kirche im Laufe ihrer Geschichte außer dem eigentlichen
Vorsitz einer Teilkirche auch andere Formen der Ausübung des
Bischofsamtes, wie das der Weihbischöfe oder der Vertreter des Papstes in
den Behörden des Heiligen Stuhls oder in den päpstlichen Gesandtschaften
anerkannt hat, läßt sie auch heute, nach Maßgabe des Rechts,
solche Formen zu, wenn sie sich als notwendig erweisen.42
Missionarischer Charakter
und Einheitlichkeit des bischöflichen Dienstamtes
9. Das Lukasevangelium (vgl. 6,
13) berichtet, daß Jesus den Zwölf den Namen Apostel gab, was
wörtlich Ausgesandte, Beauftragte bedeutet. Im Markusevangelium lesen wir
zudem, daß Jesus die Zwölf einsetzte, »weil er sie dann aussenden
wollte, damit sie predigten« (3, 14). Das bedeutet, daß sowohl die
Erwählung als auch die Einsetzung der Zwölf als Apostel auf die
Mission ausgerichtet sind. Ihre erste Aussendung (vgl. Mt 10, 5; Mk 6,
7; Lk 9, 1-2) findet ihre Erfüllung in dem Auftrag, mit dem sie
Jesus nach der Auferstehung zum Zeitpunkt seiner Himmelfahrt betraut. Es sind
Worte, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben: »Mir ist alle Macht
gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht
alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich
euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende
der Welt« (Mt 28, 18-20). Dieser Missionsauftrag an die Apostel hat am
Tag der pfingstlichen Ausgießung des Heiligen Geistes seine feierliche
Bestätigung erhalten.
Im soeben zitierten Text aus dem
Matthäusevangelium ist das ganze Hirtenamt als ein entsprechend der
dreifachen Aufgabe des Lehrens, des Heiligens und des Leitens gegliedertes
erkennbar. Wir sehen darin ein Spiegelbild der dreifachen Dimension des
Dienstes und der Sendung Christi. Tatsächlich nehmen wir als Christen und
– auf qualitativ neue Weise – als Priester teil an der Sendung unseres
Meisters, der Prophet, Priester und König ist, und sind aufgerufen, in der
Kirche und vor der Welt von ihm ein eigenes Zeugnis abzulegen.
Diese drei Aufgaben (triplex
munus) und die daraus abgeleiteten Gewalten sind auf der Handlungsebene
Ausdruck des Hirtenamtes (munus pastorale), das jeder Bischof durch die Bischofsweihe
empfängt. Dieselbe Liebe Christi, die ihm bei der Weihe zuteil wird, nimmt
in der Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung an alle Menschen (vgl.
Lk 4, 16-19), in der Spendung der Sakramente an jeden, der das Heil
empfängt, und in der Führung des heiligen Volkes zum ewigen Leben
konkrete Gestalt an. Es handelt sich in der Tat um Aufgaben, die eng
miteinander verbunden sind, die sich gegenseitig erklären, bedingen und
erhellen.43
Gerade deshalb gilt: Wenn der
Bischof das Volk Gottes lehrt, heiligt und leitet er es gleichzeitig;
während er heiligt, lehrt und leitet er auch; wenn er leitet, lehrt und
heiligt er. Der heilige Augustinus definiert die Ganzheit dieses
bischöflichen Dienstes als amoris officium.44 Das
schenkt die Gewißheit, daß die Hirtenliebe Jesu Christi in der
Kirche niemals versiegen wird.
»... er rief die zu sich,
die er erwählt hatte« (Mk 3, 13)
10. Eine große
Menschenmenge folgte Jesus, als er beschloß, auf den Berg zu steigen und
die Apostel zu sich zu rufen. Der Jünger waren viele, aber nur zwölf
von ihnen wählte er für das besondere Apostelamt aus (vgl. Mk
3, 13-19). In der Synodenaula war häufig das Wort des heiligen Augustinus
zu hören: »Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ« .45
Der Bischof, ein Geschenk des
Geistes an die Kirche, ist zuallererst und wie jeder andere Christ Sohn und
Glied der Kirche. Von dieser heiligen Mutter hat er im Sakrament der Taufe die
Gabe des göttlichen Lebens und die erste Unterweisung im Glauben
empfangen. Mit allen anderen Gläubigen teilt er die unübertreffliche
Würde der Gotteskindschaft, die er in der Gemeinschaft und im Geist
dankbarer Brüderlichkeit zu leben hat. Andererseits hat der Bischof kraft
der Fülle des Weihesakramentes gegenüber den Gläubigen das Amt
des Lehrens, des Heiligens und des Leitens und ist dazu beauftragt, im Namen
und in der Person Christi zu handeln.
Es handelt sich offensichtlich um
zwei Beziehungen, die nicht einfach nebeneinander, sondern – so wie sie einander
zugeordnet sind – in einem wechselseitigen, innigen Verhältnis stehen,
denn beide schöpfen aus dem Reichtum Christi, des einzigen Hohenpriesters.
Der Bischof wird gerade deshalb zum »Vater« , weil er ganz »Sohn« der Kirche
ist. Damit wird wiederum die Beziehung zwischen dem allgemeinen Priestertum der
Gläubigen und dem Amtspriestertum vorgelegt: zwei Formen der Teilhabe an
dem einen Priestertum Christi, in dem zwei Dimensionen vorhanden sind, die sich
im höchsten Akt des Kreuzesopfers verbinden.
Das wirkt sich auf die Beziehung
aus, die in der Kirche zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem
Amtspriestertum besteht. Der Umstand, daß sie, obgleich sie sich dem
Wesen nach unterscheiden, einander zugeordnet sind,46 schafft
eine Wechselseitigkeit, die zum harmonischen Aufbau des Lebens der Kirche als
Ort des geschichtlichen Vollzugs des von Christus gewirkten Heils
beiträgt. Diese Wechselseitigkeit findet sich gerade in der Person des
Bischofs wieder, der ein Getaufter ist und bleibt, aber in das Hohepriestertum
eingesetzt wurde. Diese innerste Wirklichkeit des Bischofs ist die Grundlage
dafür, daß er »mitten unter« den anderen Gläubigen ist und
ihnen »gegenüber« steht.
Daran erinnert das Zweite
Vatikanische Konzil in einem sehr schönen Text: »Wenn also in der Kirche
nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und
haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr
1, 1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der
Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter
allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde
und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi. Der Unterschied, den der Herr
zwischen den geweihten Amtsträgern und dem übrigen Gottesvolk gesetzt
hat, schließt eine Verbindung ein, da ja die Hirten und die anderen
Gläubigen in enger Beziehung miteinander verbunden sind. Die Hirten der
Kirche sollen nach dem Beispiel des Herrn einander und den übrigen
Gläubigen dienen, diese aber sollen voll Eifer mit den Hirten und Lehrern
eng zusammenarbeiten« .47
Das bei der Weihe empfangene
Hirtenamt, das den Bischof den anderen Gläubigen »gegenüber«
stellt, drückt sich in seinem »Sein-für« die anderen Gläubigen
aus, das ihn nicht aus seinem »Sein-mit« ihnen herausreißt. Das gilt
sowohl für seine persönliche Heiligung, die er in der Ausübung
seines Amtes suchen und verwirklichen muß, als auch für den Stil der
tatsächlichen Ausführung des Dienstamtes in allen seinen Aufgaben.
Die Wechselbeziehung, die
zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum
besteht und die sich im Bischofsamt wiederfindet, zeigt sich in einer
Art »Kreislauf« zwischen den beiden Formen des Priestertums: Kreislauf zwischen
dem Glaubenszeugnis aller Gläubigen und dem authentischen Glaubenszeugnis
des Bischofs in seinen lehramtlichen Akten; Kreislauf zwischen dem heiligen
Leben der Gläubigen und den Mitteln zur Heiligung, die ihnen der Bischof
bietet; Kreislauf, schließlich, zwischen der persönlichen
Verantwortung des Bischofs für das Wohl der ihm anvertrauten Kirche und
der Mitverantwortung aller Gläubigen für das Wohl derselben Kirche.
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