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Johannes Paulus II
Pastores gregis

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  • ERSTES KAPITEL MYSTERIUM UND DIENST DES BISCHOFS
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ERSTES KAPITEL

MYSTERIUM UND DIENST
DES BISCHOFS

 »... und wählte aus ihnen zwölf aus« (Lk 6, 13)

6. Der Herr Jesus verkündete während seiner Erdenpilgerschaft das Evangelium vom Reich Gottes, dessen Anbruch er selbst einleitete, indem er allen Menschen sein Geheimnis offenbarte.15  Er berief Männer und Frauen in seine Nachfolge, und wählte unter den Jüngern zwölf aus, »die er bei sich haben wollte« (Mk 3, 14). Das Lukasevangelium führt genauer aus, daß Jesus diese Wahl traf, nachdem er eine ganze Nacht im Gebet auf einem Berg verbracht hatte (vgl. Lk 6, 12). Was das Markusevangelium betrifft, so scheint es diese Handlung Jesu als einen souveränen Akt, einen konstitutiven Akt einzustufen, der denen, die er ausgewählt hat, Identität verleiht: »Er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). So enthüllt sich das Geheimnis der Wahl der Zwölf: Es ist ein Akt der Liebe, von Jesus frei gewollt in tiefer Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist.

Die von Jesus den Aposteln anvertraute Sendung muß bis ans Ende der Zeiten andauern (vgl. Mt 28, 20), weil das Evangelium, zu dessen Weitergabe sie beauftragt sind, das Leben der Kirche zu jeder Zeit ist. Eben deshalb trugen die Apostel für die Bestellung von Nachfolgern Sorge, so daß, nach dem Zeugnis des hl. Irenäus, die apostolische Überlieferung durch die Jahrhunderte hin kundgemacht und bewahrt werden sollte.16

An der besonderen Ausgießung des Heiligen Geistes, mit dem die Apostel vom auferstandenen Herrn beschenkt wurden (vgl. Apg 1, 5.8; 2, 4; Joh 20, 22-23), ließen sie ihre Mitarbeiter durch die Auflegung der Hände teilhaben (vgl. 1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6-7). Diese wiederum gaben sie mit derselben Geste an andere weiter, und diese wieder an andere. Auf diese Weise ist die geistliche Gabe des Anfangs durch die Auflegung der Hände, das heißt durch die Bischofsweihe, welche die Fülle des Weihesakramentes, das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes überträgt, bis auf uns gekommen. Durch die Bischöfe und die Priester, die ihnen zur Seite stehen, ist also der Herr Jesus Christus, auch wenn er zur Rechten des Vaters sitzt, weiterhin inmitten der Gläubigen anwesend. Zu allen Zeiten und an allen Orten verkündet er allen Völkern Gottes Wort, spendet den Gläubigen die Sakramente des Glaubens und lenkt und ordnet gleichzeitig das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit. Der Gute Hirt verläßt seine Herde nicht, sondern hütet und schützt sie immer mittels derjenigen, die, wenn sie kraft der seinsmäßigen Teilhabe an seinem Leben und seiner Sendung die Aufgabe des Lehrers, Hirten und Priesters in hervorragender und sichtbarer Weise innehaben, an seiner Stelle handeln. Bei der Ausübung der mit dem Hirtenamt verbundenen Aufgaben sind sie als seine Stellvertreter und Gesandte eingesetzt.17

Das trinitarische Fundament des Bischofsamtes

7. Die christologische Dimension des Hirtenamtes, wenn man sie in ihrer Tiefgründigkeit betrachtet, führt hin zum Verständnis des trinitarischen Fundamentes des Amtes selbst. Das Leben Christi ist trinitarisch. Er ist der ewige und eingeborene Sohn des Vaters und der mit dem Heiligen Geist Gesalbte, der in die Welt gesandt worden ist; er ist der, welcher zusammen mit dem Vater der Kirche den Heiligen Geist sendet. Diese trinitarische Dimension, die in der ganzen Seins- und Handlungsweise Christi offenbar wird, formt auch das Sein und Handeln des Bischofs. Mit Recht hatten also die Synodenväter den ausdrücklichen Wunsch, Leben und Dienstamt des Bischofs im Licht der in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils enthaltenen trinitarischen Ekklesiologie zu veranschaulichen.

Sehr alt ist die Überlieferung, die den Bischof als Abbild des himmlischen Vaters darstellt, der – wie der heilige Ignatius von Antiochien schrieb – so etwas wie der unsichtbare Bischof, der Bischof aller ist. Jeder Bischof nimmt folglich den Platz des Vaters Jesu Christi ein, so daß er wegen dieser Vertretung von allen geachtet werden muß.18  Im Zusammenhang mit dieser symbolischen Struktur kann der Bischofsstuhl, der besonders in der Tradition der Ostkirche an die väterliche Autorität Gottes erinnert, nur vom Bischof besetzt werden. Aus dieser selben Struktur ergibt sich für jeden Bischof die Pflicht, sich mit väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes anzunehmen und es zusammen mit den Priestern, den Mitarbeitern des Bischofs in seinem Dienst, und mit den Diakonen auf dem Weg des Heiles zu führen.19  Umgekehrt sollen die Gläubigen, wie ein alter Text mahnt, die Bischöfe lieben, die nach Gott ihre Väter und Mütter sind.20  Daher wird gemäß einem in einigen Kulturen verbreiteten Brauch die Hand des Bischofs wie die Hand des liebevollen Vaters und Spenders des Lebens geküßt.

Christus ist das ursprüngliche Abbild des Vaters und die Kundmachung seiner barmherzigen Anwesenheit unter den Menschen. Der Bischof, der in der Person und im Namen Christi selbst handelt, wird in der ihm anvertrauten Kirche zum lebendigen Zeichen des Herrn Jesus, des Hirten und Bräutigams, Lehrers und Hohenpriesters der Kirche.21  Hier liegt die Quelle des Hirtenamtes, durch das, wie es das vom Pontificale Romanum vorgeschlagene Homilieschema empfiehlt, die drei Funktionen der Belehrung, Heiligung und Leitung des Gottesvolkes mit den charakteristischen Eigenschaften des Guten Hirten ausgeübt werden müssen: Liebe, Kennen der Herde, Sorge um alle, barmherziges Handeln gegenüber den Armen, den Fremden, den Notleidenden, Suche nach den verlorenen Schafen, um sie in den einen Schafstall zurückzubringen.

Da schließlich die Salbung mit dem Heiligen Geist den Bischof Christus gleichgestaltet, befähigt sie ihn dazu, in seinem Leben das Geheimnis Christi zugunsten der Kirche fortzuführen. Wegen dieser trinitarischen Kennzeichnung seines Wesens ist jeder Bischof in seinem Dienst verpflichtet, liebevoll über die ganze Herde zu wachen, in deren Mitte er vom Geist gestellt wurde, um die Kirche Gottes zu führen: im Namen des Vaters, dessen Bild er vergegenwärtigt; im Namen Jesu Christi, seines Sohnes, von dem er zum Lehrer, Priester und Hirten eingesetzt worden ist; im Namen des Heiligen Geistes, der der Kirche Leben verleiht und mit seiner Kraft die menschliche Schwachheit stärkt.22

Kollegialer Charakter des Bischofsamtes

8. »... er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). Mit diesem Hinweis auf das Evangelium leitet die dogmatische Konstitution Lumen gentium die Lehre über den kollegialen Charakter des Kreises der Zwölf ein, die eingesetzt wurden »nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte« .23  In gleicher Weise sind der Papst als Nachfolger des seligen Petrus als Bischof von Rom und alle Bischöfe in ihrer Gesamtheit als Nachfolger der Apostel untereinander nach Art eines Kollegiums verbunden.24

Die kollegiale Einheit zwischen den Bischöfen gründet zugleich auf der Bischofsweihe und auf der hierarchischen Gemeinschaft; daher berührt sie die Tiefe des Seins eines jeden Bischofs und gehört zur Struktur der Kirche, wie sie dem Willen Jesu Christi entspricht. In die Fülle des Bischofsamtes wird man nämlich versetzt kraft der Bischofsweihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums und mit den Gliedern, das heißt mit dem Kollegium, das immer als eine Einheit mit seinem Haupt zu verstehen ist. Das ist das Wesen der Eingliederung in das Bischofskollegium,25  und darum müssen auch die drei bei der Bischofsweihe empfangenen Ämter – das Amt des Heiligens, des Lehrens und des Leitens – in der hierarchischen Gemeinschaft ausgeübt werden, was allerdings wegen ihrer verschiedenen unmittelbaren Zielsetzungen in unterschiedlicher Weise geschieht.26

Das ist der sogenannte affectus collegialis, jene »kollegiale Gesinnung« oder affektive Kollegialität, aus der die Sorge der Bischöfe für die anderen Teilkirchen und für die Universalkirche entspringt.27  Wenn man also sagen muß, daß ein Bischof nie allein steht, da er immer durch den Sohn im Heiligen Geist mit dem Vater verbunden ist, muß man außerdem hinzufügen, daß er auch deshalb nie allein steht, weil er immer und ständig mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit demjenigen verbunden ist, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt hat.

Diese kollegiale Gesinnung verwirklicht und äußert sich den unterschiedlichen Stufen entsprechend in verschiedenen, auch institutionalisierten Formen, wie zum Beispiel der Bischofssynode, den Partikularkonzilien, den Bischofskonferenzen, der Römischen Kurie, den Ad limina-Besuchen, der Zusammenarbeit in der Mission usw. Voll und ganz verwirklicht und äußert sich die kollegiale Gesinnung jedoch nur in der kollegialen Handlung im engen Sinn, das heißt in der Handlung aller Bischöfe zusammen mit ihrem Haupt, mit dem sie die volle und höchste Gewalt über die Gesamtkirche ausüben.28

Dieser kollegiale Charakter des apostolischen Dienstes entspricht dem Willen Christi selbst. Die kollegiale Gesinnung oder affektive Kollegialität (collegialitas affectiva) besteht somit unter den Bischöfen als communio episcoporum immer, sie äußert sich aber nur in einigen Handlungen als effektive Kollegialität (collegialitas effectiva). Die verschiedenen Weisen der Umsetzung der affektiven Kollegialität in effektive Kollegialität sind menschlicher Natur, konkretisieren aber in unterschiedlichen Graden die von Gott her kommende Notwendigkeit, daß sich der Episkopat in kollegialer Form zum Ausdruck bringt.29  Auf den Ökumenischen Konzilien wird dann die höchste Gewalt des Kollegiums über die Gesamtkirche in feierlicher Form ausgeübt.30

Die kollegiale Dimension verleiht dem Episkopat den Charakter der Universalität. Man kann somit eine Parallelität zwischen der einen und allumfassenden, also ungeteilten Kirche und dem einen und ungeteilten, also allumfassenden Episkopat feststellen. Prinzip und Fundament dieser Einheit sowohl der Kirche wie des Kollegiums der Bischöfe ist der Papst. Denn wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, stellt das Kollegiuminsofern es aus vielen zusammengesetzt ist, die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar« .31  Darum ist»die Einheit des Episkopats eines der konstitutiven Elemente der Einheit der Kirche« .32

Die Gesamtkirche ist weder die Summe der Teilkirchen, noch eine Föderation von Teilkirchen und auch nicht das Ergebnis ihrer Gemeinschaft, denn nach den Aussagen der frühen Kirchenväter und der Liturgie geht sie in ihrem wesentlichen Mysterium der eigentlichen Schöpfung voraus.33  Im Lichte dieser Lehre wird man hinzufügen können, daß die Beziehung eines wechselseitigen Ineinander-Vorhandenseins, die zwischen der Gesamtkirche und der Teilkirche giltweshalb die Teilkirchen »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind und in ihnen und aus ihnen die eine und einzige katholische Kirche besteht« 34  – sich in der Beziehung zwischen dem Bischofskollegium in seiner Gesamtheit und dem einzelnen Bischof wiederholt. Darum »ist das Bischofskollegium nicht als die Summe der den Teilkirchen vorstehenden Bischöfe, noch als Ergebnis ihrer Gemeinschaft zu verstehen, sondern ist als wesentliches Element der Gesamtkirche eine Wirklichkeit, die dem Auftrag, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist« .35

Im Licht der Aussage des Konzils können wir diese Parallelität zwischen der Gesamtkirche und dem Kollegium der Bischöfe besser verstehen: »So bildeten die Apostel die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie« .36  Bei den Aposteln war, insofern man sie nicht einzeln, sondern als Kollegium betrachtet, die Struktur der Kirche, die in ihrer Universalität und Einheit in ihnen gegründet war, und des Kollegiums der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, als Zeichen dieser Universalität und Einheit, bereits vorgebildet.37

Somit »ergibt sich die Gewalt des Bischofskollegiums über die ganze Kirche nicht aus der Summe der Gewalten der einzelnen Bischöfe über ihre Teilkirchen; sie ist eine vorgeordnete Wirklichkeit, an der die einzelnen Bischöfe teilhaben, die nur kollegial über die ganze Kirche entscheiden können« .38  An dieser Lehr- und Leitungsgewalt haben die Bischöfe unmittelbar und solidarisch teil, weil sie Glieder des Bischofskollegiums sind, in dem das Apostelkollegium real fortbesteht.39

Wie die Gesamtkirche eine und unteilbar ist, so ist auch das Bischofskollegium ein »unteilbares theologisches Subjekt«, und daher ist auch die höchste, volle und universale Gewalt, deren Subjekt das Kollegium ebenso wie der Papst persönlich ist, eine und unteilbar. Eben weil das Bischofskollegium eine Wirklichkeit ist, die dem Amt, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist, gibt es viele Bischöfe, die zwar eigentliche bischöfliche Aufgaben erfüllen, aber doch keiner Teilkirche vorstehen.40  Jeder Bischof vertritt – immer in Einheit mit allen Brüdern im Bischofsamt und mit dem PapstChristus, das Haupt und den Hirten der Kirche: nicht nur in eigener und spezifischer Weise, wenn er das Hirtenamt einer Teilkirche erhält, sondern auch, wenn er mit dem Diözesanbischof in der Leitung seiner Kirche zusammenarbeitet 41  oder am allgemeinen Hirtenamt des Papstes bei der Leitung der Gesamtkirche teilhat. Infolge der Tatsache, daß die Kirche im Laufe ihrer Geschichte außer dem eigentlichen Vorsitz einer Teilkirche auch andere Formen der Ausübung des Bischofsamtes, wie das der Weihbischöfe oder der Vertreter des Papstes in den Behörden des Heiligen Stuhls oder in den päpstlichen Gesandtschaften anerkannt hat, läßt sie auch heute, nach Maßgabe des Rechts, solche Formen zu, wenn sie sich als notwendig erweisen.42

Missionarischer Charakter und Einheitlichkeit des bischöflichen Dienstamtes

9. Das Lukasevangelium (vgl. 6, 13) berichtet, daß Jesus den Zwölf den Namen Apostel gab, was wörtlich Ausgesandte, Beauftragte bedeutet. Im Markusevangelium lesen wir zudem, daß Jesus die Zwölf einsetzte, »weil er sie dann aussenden wollte, damit sie predigten« (3, 14). Das bedeutet, daß sowohl die Erwählung als auch die Einsetzung der Zwölf als Apostel auf die Mission ausgerichtet sind. Ihre erste Aussendung (vgl. Mt 10, 5; Mk 6, 7; Lk 9, 1-2) findet ihre Erfüllung in dem Auftrag, mit dem sie Jesus nach der Auferstehung zum Zeitpunkt seiner Himmelfahrt betraut. Es sind Worte, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28, 18-20). Dieser Missionsauftrag an die Apostel hat am Tag der pfingstlichen Ausgießung des Heiligen Geistes seine feierliche Bestätigung erhalten.

Im soeben zitierten Text aus dem Matthäusevangelium ist das ganze Hirtenamt als ein entsprechend der dreifachen Aufgabe des Lehrens, des Heiligens und des Leitens gegliedertes erkennbar. Wir sehen darin ein Spiegelbild der dreifachen Dimension des Dienstes und der Sendung Christi. Tatsächlich nehmen wir als Christen und – auf qualitativ neue Weise – als Priester teil an der Sendung unseres Meisters, der Prophet, Priester und König ist, und sind aufgerufen, in der Kirche und vor der Welt von ihm ein eigenes Zeugnis abzulegen.

Diese drei Aufgaben (triplex munus) und die daraus abgeleiteten Gewalten sind auf der Handlungsebene Ausdruck des Hirtenamtes (munus pastorale), das jeder Bischof durch die Bischofsweihe empfängt. Dieselbe Liebe Christi, die ihm bei der Weihe zuteil wird, nimmt in der Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung an alle Menschen (vgl. Lk 4, 16-19), in der Spendung der Sakramente an jeden, der das Heil empfängt, und in der Führung des heiligen Volkes zum ewigen Leben konkrete Gestalt an. Es handelt sich in der Tat um Aufgaben, die eng miteinander verbunden sind, die sich gegenseitig erklären, bedingen und erhellen.43

Gerade deshalb gilt: Wenn der Bischof das Volk Gottes lehrt, heiligt und leitet er es gleichzeitig; während er heiligt, lehrt und leitet er auch; wenn er leitet, lehrt und heiligt er. Der heilige Augustinus definiert die Ganzheit dieses bischöflichen Dienstes als amoris officium.44  Das schenkt die Gewißheit, daß die Hirtenliebe Jesu Christi in der Kirche niemals versiegen wird.

 

»... er rief die zu sich, die er erwählt hatte« (Mk 3, 13)

10. Eine große Menschenmenge folgte Jesus, als er beschloß, auf den Berg zu steigen und die Apostel zu sich zu rufen. Der Jünger waren viele, aber nur zwölf von ihnen wählte er für das besondere Apostelamt aus (vgl. Mk 3, 13-19). In der Synodenaula war häufig das Wort des heiligen Augustinus zu hören: »Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ« .45

Der Bischof, ein Geschenk des Geistes an die Kirche, ist zuallererst und wie jeder andere Christ Sohn und Glied der Kirche. Von dieser heiligen Mutter hat er im Sakrament der Taufe die Gabe des göttlichen Lebens und die erste Unterweisung im Glauben empfangen. Mit allen anderen Gläubigen teilt er die unübertreffliche Würde der Gotteskindschaft, die er in der Gemeinschaft und im Geist dankbarer Brüderlichkeit zu leben hat. Andererseits hat der Bischof kraft der Fülle des Weihesakramentes gegenüber den Gläubigen das Amt des Lehrens, des Heiligens und des Leitens und ist dazu beauftragt, im Namen und in der Person Christi zu handeln.

Es handelt sich offensichtlich um zwei Beziehungen, die nicht einfach nebeneinander, sondern – so wie sie einander zugeordnet sind – in einem wechselseitigen, innigen Verhältnis stehen, denn beide schöpfen aus dem Reichtum Christi, des einzigen Hohenpriesters. Der Bischof wird gerade deshalb zum »Vater« , weil er ganz »Sohn« der Kirche ist. Damit wird wiederum die Beziehung zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum vorgelegt: zwei Formen der Teilhabe an dem einen Priestertum Christi, in dem zwei Dimensionen vorhanden sind, die sich im höchsten Akt des Kreuzesopfers verbinden.

Das wirkt sich auf die Beziehung aus, die in der Kirche zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem Amtspriestertum besteht. Der Umstand, daß sie, obgleich sie sich dem Wesen nach unterscheiden, einander zugeordnet sind,46  schafft eine Wechselseitigkeit, die zum harmonischen Aufbau des Lebens der Kirche als Ort des geschichtlichen Vollzugs des von Christus gewirkten Heils beiträgt. Diese Wechselseitigkeit findet sich gerade in der Person des Bischofs wieder, der ein Getaufter ist und bleibt, aber in das Hohepriestertum eingesetzt wurde. Diese innerste Wirklichkeit des Bischofs ist die Grundlage dafür, daß er »mitten unter« den anderen Gläubigen ist und ihnen »gegenüber« steht.

Daran erinnert das Zweite Vatikanische Konzil in einem sehr schönen Text: »Wenn also in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1, 1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi. Der Unterschied, den der Herr zwischen den geweihten Amtsträgern und dem übrigen Gottesvolk gesetzt hat, schließt eine Verbindung ein, da ja die Hirten und die anderen Gläubigen in enger Beziehung miteinander verbunden sind. Die Hirten der Kirche sollen nach dem Beispiel des Herrn einander und den übrigen Gläubigen dienen, diese aber sollen voll Eifer mit den Hirten und Lehrern eng zusammenarbeiten« .47

Das bei der Weihe empfangene Hirtenamt, das den Bischof den anderen Gläubigen »gegenüber« stellt, drückt sich in seinem »Sein-für« die anderen Gläubigen aus, das ihn nicht aus seinem »Sein-mit« ihnen herausreißt. Das gilt sowohl für seine persönliche Heiligung, die er in der Ausübung seines Amtes suchen und verwirklichen muß, als auch für den Stil der tatsächlichen Ausführung des Dienstamtes in allen seinen Aufgaben.

Die Wechselbeziehung, die zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Amtspriestertum besteht und die sich im Bischofsamt wiederfindet, zeigt sich in einer Art »Kreislauf« zwischen den beiden Formen des Priestertums: Kreislauf zwischen dem Glaubenszeugnis aller Gläubigen und dem authentischen Glaubenszeugnis des Bischofs in seinen lehramtlichen Akten; Kreislauf zwischen dem heiligen Leben der Gläubigen und den Mitteln zur Heiligung, die ihnen der Bischof bietet; Kreislauf, schließlich, zwischen der persönlichen Verantwortung des Bischofs für das Wohl der ihm anvertrauten Kirche und der Mitverantwortung aller Gläubigen für das Wohl derselben Kirche.

 




15 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 3.



16 Vgl. Adversus haereses, III, 2,2; III, 3,1: PG 7, 847; 848; vgl. Propositio 2.



17 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; 27.



18 Vgl. Ad Magnesios, 6, 1: PG 5, 764; Ad Trallianos, 3, 1: PG 5, 780; Ad Smyrnæos, 8, 1: PG 5, 852.



19 Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Versprechen des Erwählten.



20 Vgl. Didascalia Apostolorum, II, 33,1: F.X. Funk, I, 115.



21 Vgl. Propositio 6.



22 Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Homilie.



23 Nr. 19.



24 Vgl. ebd., 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 330; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 42.



25 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 336; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 49.



26 Vgl. Propositio 20; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; Codex des kanonischen Rechtes, can. 375 § 2.



27 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 3; 5; 6; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 13: AAS 90 (1998), 650-651.



28 Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor Bonus (28. Juni 1988), Adnexum I, 4: AAS 80 (1988), 914-915; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 337 §§ 1.2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 50 §§ 1.2.



29 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zum Abschluß der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (29. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 610; Apostolische Konstitution Pastor Bonus (28. Juni 1988): Adnexum I, 5: AAS 80 (1988) 915-916; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.



30 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.



31 Ebd.



32 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 8: AAS 90 (1998), 647.



33 Vgl. Sacramentarium von AngoulÊme, In dedicatione basilicae novae: »Dirige, Domine, quaesumus, ecclesiam tuam dispensatione caelesti, ut, quae ante mundi principium in tua semper est praesentia praeparata, usque ad plenitudinem gloriamque promissam te moderante perveniat« : CCSL 159 C, Rubr. 1851; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 758-760; Kongregation fÜr die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 9: AAS 85 (1993), 843.



34 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23.



35 Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 9.12.13: AAS 90 (1998), 647-651.



36 Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 5.



37 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.



38 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 650.



39 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.



40 Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 649-650.



41 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Hirtenamt der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 25-26.



42 Vgl. Propositio 33.



43 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; 27; Johannes Paul II., Brief an die Priester Novo incipiente (8. April 1979), 3: AAS 71 (1979), 397.



44 Vgl. In Ioannis Evangelium tractatus, 123, 5: PL 35, 1967.



45  Sermo 340, 1: PL 38, 1483: »Vobis enim sum episcopus, vobiscum sum christianus« .



46 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 10.



47  Ebd., 32.






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