ZWEITES KAPITEL
DAS GEISTLICHE LEBEN DES BISCHOFS
»Er setzte zwölf ein, die er bei
sich haben wollte« (Mk
3, 14)
11. Durch denselben Akt seiner
Liebe, mit dem er aus freien Stücken die Apostel einsetzt, beruft Jesus
die Zwölf dazu, sein Leben zu teilen. Daher ist auch dieses Teilen, das
Seelen- und Willensgemeinschaft mit ihm bedeutet, eine auf ihre Mitwirkung an
seiner Sendung bezogene Forderung. Man darf die Funktionen des Bischofs nicht
auf eine rein organisatorische Aufgabe reduzieren. Um dieser Gefahr
vorzubeugen, haben sowohl die Dokumente zur Vorbereitung der Synode als auch
viele Wortmeldungen der Synodenväter in der Aula auf dem bestanden, was im
persönlichen Leben des Bischofs und in der Ausübung des ihm
aufgetragenen Dienstes die Wirklichkeit des Bischofsamtes als Fülle des
Weihesakramentes in seinen theologischen, christologischen und
pneumatologischen Grundlagen ausmacht.
Der objektiven Heiligung, die man
durch Christus im Sakrament mit der Spendung des Geistes erfährt,
muß die subjektive Heiligkeit entsprechen, in welcher der Bischof mit
Hilfe der Gnade durch die Ausübung des Dienstamtes immer weitere
Fortschritte machen muß. Die von der Weihe als Gleichgestaltung mit
Christus bewirkte seinsmäßige Umwandlung verlangt einen Lebensstil,
der das »Bei-ihm-sein« deutlich zu erkennen geben soll. Wiederholt wurde daher
in der Synodenaula die Hirtenliebe als Frucht sowohl des vom Sakrament
eingeprägten Charakters wie der dem Sakrament eigenen Gnade
nachdrücklich betont. Die Liebe, so ist gesagt worden, ist gleichsam die
Seele des bischöflichen Dienstes, der in einer Dynamik pastoraler Pro-Existenz
steht, aus der heraus er dazu angespornt wird, wie Christus, der Gute Hirte, in
täglicher Selbsthingabe für den Vater und für die
anderen zu leben.
Vor allem in der Ausübung
seines Amtes, die sich an der Nachahmung der Liebe des Guten Hirten inspiriert,
ist der Bischof gerufen, heilig zu werden und zu heiligen. Als einigendes
Prinzip dient ihm hierbei die Betrachtung des Antlitzes Christi und die
Verkündigung des Evangeliums vom Heil.48 Daher
schöpft seine Spiritualität Orientierung und Anregung nicht nur aus
dem Sakrament der Taufe und der Firmung, sondern gerade auch aus der
Bischofsweihe, die ihn dazu verpflichtet, seinen Dienst als Verkündiger
des Evangeliums, als Liturge und als Leiter der Gemeinschaft im Glauben, in der
Hoffnung und in der Liebe zu leben. Die Spiritualität des Bischofs wird
also auch eine kirchliche Spiritualität sein; denn alles in seinem
Leben ist auf den liebevollen Aufbau der heiligen Kirche ausgerichtet.
Dies verlangt im Bischof eine
dienstbereite Haltung, die von seelischer Stärke, apostolischem Mut und
vertrauensvoller Hingabe an das innere Wirken des Geistes geprägt ist. Er
wird sich daher bemühen, einen Lebensstil anzunehmen, der die
kénosis des dienenden, armen und demütigen Christus nachahmt.
Auf diese Weise soll die Ausübung seines Hirtenamtes ein kohärentes
Spiegelbild Jesu, des Gottesknechtes, sein und ihn dazu anhalten, wie dieser
allen – vom Größten bis zum Geringsten – nahe zu sein. In einer
gewissen Wechselseitigkeit heiligt also die treue und liebevolle Ausübung
des Dienstes den Bischof und gleicht ihn auf subjektiver Ebene immer mehr dem
ontologischen Reichtum der Heiligkeit an, den das Sakrament in ihn gelegt hat.
Die persönliche Heiligkeit
des Bischofs bleibt jedoch niemals auf einer rein subjektiven Ebene stehen,
weil sie in ihrer Wirkung immer den seiner pastoralen Sorge anvertrauten
Gläubigen zum Vorteil gereicht. In der praktischen Übung der Liebe,
die der Inhalt des empfangenen Hirtenamtes ist, wird der Bischof zum Zeichen
Christi und gewinnt jenes moralische Ansehen, das die Ausübung der
rechtlichen Autorität braucht, um auf die Umwelt wirksam Einfluß
ausüben zu können. Wenn sich nämlich das Bischofsamt nicht auf
das Zeugnis der Heiligkeit stützt, die in der pastoralen Liebe, in der
Demut und in der Einfachheit des Lebens zum Ausdruck kommt, wird es
schließlich zu einer nahezu reinen Funktionsrolle verkürzt und
verliert unvermeidlich an Glaubwürdigkeit beim Klerus und bei den Gläubigen.
Berufung zur Heiligkeit in
der Kirche unserer Zeit
12. Ein biblisches Bild scheint
besonders geeignet, um die Gestalt des Bischofs als Freund Gottes, als Hirte
und Leiter des Volkes zu beleuchten. Es ist die Gestalt des Mose. Durch den
Blick auf ihn kann sich der Bischof inspirieren lassen: in seinem Sein und
Handeln als vom Herrn erwählter und gesandter Hirte, der seinem Volk auf
dem Weg in das verheißene Land mutig vorangeht, der das Wort und Gesetz
des lebendigen Gottes getreu auslegt, als Mittler des Bundes, der glühend
und vertrauensvoll im Gebet für sein Volk eintritt. Wie Mose, der nach dem
Gespräch mit Gott auf dem heiligen Berg mit strahlendem Gesicht in die
Mitte seines Volkes zurückkehrte (vgl. Ex 34, 29-30), so wird auch
der Bischof die Zeichen dafür, daß er Vater, Bruder und Freund ist,
nur dann unter seine Brüder tragen können, wenn er in die dichte und
lichterfüllte Wolke des Geheimnisses des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geistes eingetreten ist. Vom Licht der Dreifaltigkeit erleuchtet, wird
er Zeichen der barmherzigen Güte des Vaters, ein lebendiges Abbild der
Liebe des Sohnes, ein offen erkennbarer Mann des Geistes sein, der geweiht und
gesandt ist, das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch die Zeit hin zur
Ewigkeit zu führen.
Die Synodenväter haben die
Bedeutung des geistlichen Bemühens im Leben, im Dienst und auf dem Weg des
Bischofs mit aller Klarheit herausgestellt. Ich selbst habe auf diese
Vordringlichkeit im Einklang mit den Erfordernissen des Lebens der Kirche und
mit dem Anruf des Heiligen Geistes hingewiesen, der in diesen Jahren allen den
Primat der Gnade, das verbreitete Bedürfnis nach Spiritualität und
die Dringlichkeit des Zeugnisgebens für die Heiligkeit in Erinnerung
gerufen hat.
Der Verweis auf die Spiritualität
entspringt aus der Bezugnahme auf das Wirken des Heiligen Geistes in der
Heilsgeschichte. Seine Gegenwart ist aktiv und dynamisch, prophetisch und
missionarisch. Die Gabe der Fülle des Heiligen Geistes, die der Bischof
bei der Bischofsweihe empfängt, ist eine wertvolle und eindringliche
Ermahnung, seinem Wirken in der kirchlichen Gemeinschaft und in der weltweiten
Sendung nachzukommen.
Die unmittelbar nach der Feier
des Großen Jubiläums des Jahres 2000 abgehaltene Synodenversammlung
hat sich den Vorsatz eines heiligen Lebens, das ich selbst der ganzen Kirche
empfohlen habe, von Anfang an zu eigen gemacht: »Die Perspektive, in die
der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit... Nach dem
Jubiläum beginnt wieder der gewöhnliche Weg, doch der Hinweis auf die
Heiligkeit bleibt mehr denn je ein dringendes Desiderat der Pastoral« .49
Die begeisterte und großzügige Annahme meines Appells,
die Berufung zur Heiligkeit an die erste Stelle zu setzen, bildete die
Atmosphäre, in der die Synodenarbeit ablief, und das Klima, das die
Beiträge und Überlegungen der Synodenväter in gewisser Weise auf
einen einheitlichen Nenner gebracht hat. Sie vernahmen in ihren Herzen den
Widerhall der Mahnung des heiligen Gregor von Nazianz: »Zuerst sich
läutern und dann [andere] läutern, zuerst sich von der Weisheit
belehren lassen und dann andere lehren, zuerst Licht werden und dann
erleuchten, zuerst sich Gott nähern und dann andere hinführen, zuerst
sich heiligen und dann heiligen« .50
Aus diesem Grund kam von der
Synodenversammlung mehrmals die Aufforderung, das
spezifisch »Bischöfliche« des Weges der Heiligkeit eines Bischofs
klar und deutlich zu bestimmen. Es wird immer eine mit dem Volk und für
das Volk gelebte Heiligkeit sein, in einem Miteinander, das zum Ansporn und zur
gegenseitigen Auferbauung in der Liebe wird. Und dabei handelt es sich nicht um
belanglose oder nebensächliche Ansprüche. Denn tatsächlich
begünstigt gerade das geistliche Leben des Bischofs die Fruchtbarkeit
seines seelsorglichen Wirkens. Bildet etwa nicht die beständige Meditation
des Mysteriums Christi, die leidenschaftliche Betrachtung seines Antlitzes und
die großzügige Nachahmung des Lebens des Guten Hirten das Fundament
jeder wirksamen Seelsorge? Wenn es stimmt, daß unsere Zeit in ständiger
Bewegung ist und geradezu in Unruhe mit der deutlichen Gefahr des »Machens
um des Machens willen« versetzt wird, dann muß der Bischof als erster
durch das Beispiel seines Lebens zeigen, daß es gilt, den Vorrang
des »Seins« vor dem »Machen« und noch mehr den Vorrang der Gnade
wiederherzustellen, der in der christlichen Lebensvorstellung auch für
eine »Planung« des pastoralen Dienstes wesentlich ist.51
Der geistliche Weg des
Bischofs
13. Ein Bischof kann sich
wirklich nur dann für einen Diener an der Gemeinschaft und an der Hoffnung
für das heilige Volk Gottes halten, wenn er seinen Weg in der Gegenwart
des Herrn geht. Es ist nämlich nicht möglich, den Menschen zu dienen,
ohne vorher »Diener Gottes« zu sein. Und Diener Gottes kann man nur sein,
wenn man ein »Mann Gottes« ist. Deshalb habe ich in der Predigt zur
Eröffnung der Synode gesagt: »Der Bischof muß ein Mann Gottes
sein; seine Existenz und sein Amt stehen gänzlich unter der
göttlichen Herrschaft und schöpfen Licht und Kraft aus dem
erhabensten Geheimnis Gottes« .52
Die Berufung zur Heiligkeit ist
für den Bischof in das sakramentale Geschehen, das am Beginn seines Amtes
steht, nämlich die Bischofsweihe, mit eingeschlossen. Das antike Euchologion
des Serapion faßt die rituelle Anrufung bei der Konsekration in die
Worte: »Gott der Wahrheit, mach diesen [deinen Diener] zu einem lebendigen
Bischof, einem heiligen Bischof in der Nachfolge der heiligen Apostel« .53
Da jedoch die Bischofsweihe nicht die Vollkommenheit der Tugenden
einflößt, »ist der Bischof aufgerufen, seinen Weg der Heiligung
mit größerer Intensität fortzusetzen, um das Format Christi,
des vollkommenen Menschen, zu erreichen« .54
Die christologische und
trinitarische Natur selbst seines Geheimnisses und Amtes macht für den
Bischof einen Weg der Heiligkeit erforderlich, der in einem beständigen
Fortschreiten zu einer immer tieferen spirituellen und apostolischen Reife
besteht, die vom Vorrang der pastoralen Liebe gekennzeichnet ist. Ein Weg, der
offensichtlich zusammen mit dem Volk beschritten wird, im Rahmen eines
größeren Plans, der, wie das Leben der Kirche selbst, zugleich
persönlich und gemeinschaftlich ist. Auf diesem Weg jedoch wird der
Bischof in inniger Gemeinschaft mit Christus und in gewissenhafter
Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zum Zeugen, Vorbild,
Förderer und Wegbereiter. So drückt es auch das Kirchenrecht
aus: »Eingedenk seiner Verpflichtung, selbst ein Beispiel der Heiligkeit
zu geben in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens, hat der
Diözesanbischof alles daranzusetzen, die Heiligkeit der Gläubigen
entsprechend der je eigenen Berufung des einzelnen zu fördern; da er der
vornehmliche Ausspender der Geheimnisse Gottes ist, hat er ständig darauf
hinzuarbeiten, daß die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen durch die
Feier der Sakramente in der Gnade wachsen und so das österliche Geheimnis
erkennen und leben« .55
Der geistliche Weg des Bischofs
hat wie der jedes Christgläubigen seine Wurzel natürlich in der sakramentalen
Gnade der Taufe und Firmung. Diese Gnade verbindet ihn mit allen
Gläubigen, da – wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellt – »alle
Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des
christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind« .56 In
diesem Fall gilt besonders die bekannte Aussage des heiligen Augustinus, die
voll Realismus und übernatürlicher Weisheit ist: »Schreckt mich,
was ich für euch bin, so tröstet mich, was ich mit euch bin. Für
euch bin ich Bischof, mit euch Christ. Das eine ist der Name des Amtes, das ich
übernahm, das andere der Name der Gnade, die ich empfing; das eine
bedeutet Gefahr, das andere Heil« .57 Doch dank der
pastoralen Liebe wird das Amt zum Dienst, und die Gefahr verwandelt sich in
Gelegenheit zu Wachstum und Reifung. Das Bischofsamt ist nicht nur Quelle der
Heiligkeit für die anderen, sondern es ist bereits Anlaß zur
Heiligung für den, der das eigene Herz und das eigene Leben zu einem Kanal
der Liebe Gottes werden läßt.
Die Synodenväter haben
einige Anforderungen dieses Weges zusammengefaßt. Vor allem haben sie an
den Tauf- und Firmungscharakter erinnert, der von Beginn der christlichen
Existenz an durch die theologalen Tugenden dazu befähigt, an Gott zu
glauben, auf ihn zu hoffen und ihn zu lieben. Der Heilige Geist gießt
seinerseits seine Gaben ein und fördert so das Wachsen im Guten durch die
Übung der sittlichen Tugenden, die dem geistlichen Leben auch menschliche
Konkretheit verleihen.58 Kraft der empfangenen Taufe hat
der Bischof wie jeder Christ an der Spiritualität teil, die in der
Eingliederung in Christus wurzelt und in seiner dem Evangelium
gemäßen Nachfolge sichtbar wird. Darum teilt er die Berufung aller
Gläubigen zur Heiligkeit. Er muß also ein tiefes Gebets- und
Glaubensleben pflegen und sein ganzes Vertrauen auf Gott setzen, indem er in
gelehrigem Gehorsam gegenüber den Ratschlägen des Heiligen Geistes
sein Zeugnis für das Evangelium ablegt und der Jungfrau Maria, der
vollkommenen Lehrmeisterin des geistlichen Lebens, eine besondere, kindliche
Verehrung erweist.59
Die Spiritualität des
Bischofs wird also eine Spiritualität der Gemeinschaft sein, die im
Einklang mit allen Getauften gelebt wird, die zusammen mit ihm Kinder des einen
Vaters im Himmel und der einen Mutter auf Erden, der heiligen Kirche, sind. Er
muß, wie alle, die an Christus glauben, sein geistliches Leben dadurch
stärken, daß er sich von dem lebendigen und wirksamen Wort des
Evangeliums und vom Brot des Lebens der heiligen Eucharistie, der Speise des
ewigen Lebens, nährt. Wegen der menschlichen Schwachheit ist auch der
Bischof gerufen, häufig und in regelmäßigen Abständen das
Sakrament der Buße in Anspruch zu nehmen, um die Gabe jener
Barmherzigkeit zu erhalten, deren Verwalter er gleichfalls geworden ist. Im
Bewußtsein der eigenen menschlichen Schwäche und der eigenen
Sünden erlebt also jeder Bischof, zusammen mit seinen Priestern,
zuallererst für sich selbst das Sakrament der Versöhnung als ein
tiefes Bedürfnis und eine immer neu erwartete Gnade, um seinem
Bemühen um Heiligung bei der Ausübung des Dienstamtes wieder Schwung
zu verleihen. Auf diese Weise bringt er auch sichtbar das Geheimnis einer
Kirche zum Ausdruck, die in sich heilig ist, die aber auch aus Sündern besteht,
die der Vergebung bedürfen.
Wie alle Priester – und
natürlich in besonderer Gemeinschaft mit den Diözesanpriestern – wird
sich der Bischof um einen ganz spezifischen Weg der Spiritualität
bemühen. Er ist nämlich auch aufgrund des neuen Titels, der aus der Weihe
herrührt, zur Heiligkeit berufen. Der Bischof lebt deshalb von Glaube,
Hoffnung und Liebe, weil er Diener des Wortes des Herrn, der Heiligung und des
geistlichen Fortschritts des Gottesvolkes ist. Er muß heilig sein, weil
er der Kirche durch das Amt des Lehrens, der Heiligung und der Leitung dienen
soll. Als solcher muß er auch die Kirche tief und intensiv lieben. Jeder
Bischof ist Christus gleichgestaltet, um die Kirche mit der Liebe des
Bräutigams Christus zu lieben und in der Kirche Diener ihrer Einheit zu sein,
das heißt, um aus der Kirche »ein von der Einheit des Vaters, des
Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk« 60 zu
machen.
Wie die Synodenväter
wiederholt hervorgehoben haben, erfährt die besondere Spiritualität des
Bischofs eine weitere Bereicherung durch den der Fülle des Priestertums
innewohnenden Zufluß der Gnade, die ihm im Augenblick der Weihe
übertragen wird. Als Hirt der Herde und Diener des Evangeliums Jesu
Christi in der Hoffnung muß der Bischof die Person Christi, des obersten
Hirten, widerspiegeln und sie in sich selber gleichsam durchscheinen lassen. Im
Pontificale Romanum wird er auf diese Pflicht ausdrücklich
hingewiesen: »Die Mitra sei ein Zeichen deines Amtes. Der Glanz der
Heiligkeit sei dein Schmuck. Und wenn der Hirt aller Hirten erscheint, wirst du
den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen« .61
Dazu braucht der Bischof
ständig die Gnade Gottes, damit sie seine menschliche Natur stärke
und vollkommen mache. Er kann mit dem Apostel Paulus sagen: »Unsere
Befähigung stammt von Gott. Er hat uns fähig gemacht, Diener des
Neuen Bundes zu sein« (2 Kor 3, 5-6). Man muß darum hervorheben:
Der apostolische Dienst ist eine Quelle der Spiritualität für den
Bischof, der daraus die geistlichen Fähigkeiten schöpfen soll, die
ihn in der Heiligkeit wachsen lassen und ihm ermöglichen, in dem seiner
Hirtensorge anvertrauten Volk Gottes das Wirken des Heiligen Geistes zu
entdecken.62
Der geistliche Weg des Bischofs
fällt aus dieser Sicht mit der pastoralen Liebe zusammen, die mit Recht
als die Seele seines Apostolats gelten muß, wie das auch beim Priester
und Diakon der Fall ist. Es handelt sich nicht nur um eine existentia,
sondern auch um eine pro-existentia, das heißt um ein Leben, das sich
an dem höchsten, vom Herrn Christus selbst dargestellten Vorbild
inspiriert und sich daher völlig in der Anbetung des Vaters und im Dienst
an den Brüdern verausgabt. Mit Recht sagt in diesem Zusammenhang das
Zweite Vatikanische Konzil, daß die Bischöfe nach dem Bild
Christi »heilig und freudig, demütig und kraftvoll ihr Amt
ausüben« müssen, »das auch für sie, wenn sie es so
erfüllen, das hervorragende Mittel der Heiligung ist« .63 Kein
Bischof kann darüber hinwegsehen, daß die Vollendung der Heiligkeit
der gekreuzigte Christus in seiner äußersten Hingabe an den Vater
und die Brüder und Schwestern im Heiligen Geist ist. Deshalb wird die
Gleichgestaltung mit Christus und die Teilhabe an seinen Leiden (vgl. 1 Petr
4, 13) zum Königsweg der Heiligkeit des Bischofs inmitten seines Volkes.
Maria, Mutter der Hoffnung
und Lehrmeisterin des geistlichen Lebens
14. Eine Stütze des
geistlichen Lebens wird auch für den Bischof die mütterliche
Gegenwart der Jungfrau Maria sein, der Mater spei et spes nostra, wie
die Kirche sie anruft. Für Maria wird der Bischof daher eine echte und
kindliche Verehrung hegen und sich dabei aufgerufen fühlen, sich ihr fiat
zu eigen zu machen sowie jeden Tag den Akt wieder zu beleben und zu
verwirklichen, mit dem Jesus dem Jünger Maria zu Füßen des
Kreuzes anvertraut hat und seiner Mutter den Lieblingsjünger (vgl. Joh 19,
26-27). Ebenso ist der Bischof aufgerufen, sich im einmütigen und
beharrlichen Gebet der Jünger und Apostel des Sohnes mit seiner Mutter in der
Vorbereitung auf Pfingsten wie in einem Spiegelbild wiederzufinden. In diesem
Bild der entstehenden Kirche kommt die unauflösbare Verbindung zwischen
Maria und den Nachfolgern der Apostel zum Ausdruck (vgl. Apg 1, 14).
Die heilige Muttergottes wird also
für den Bischof Lehrmeisterin im Hören und in der umgehenden
Ausführung des Wortes Gottes sein, in der treuen Jüngerschaft
gegenüber dem einzigen Meister, in der Festigkeit des Glaubens, in der
vertrauensvollen Hoffnung und in der glühenden Liebe. Wie Maria, »Denkmal«
der Fleischwerdung des Wortes in der ersten Christengemeinde, wird der Bischof,
in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen, in Einheit und unter der
Autorität des Nachfolgers Petri, Hüter und Vermittler der lebendigen Tradition
der Kirche sein.
Die gesunde Marienverehrung des
Bischofs wird immer Bezug auf die Liturgie nehmen, wo die Jungfrau in der Feier
der Heilsmysterien in besonderer Weise präsent und für die ganze
Kirche mustergültiges Vorbild im Hören und im Gebet, in der Hingabe
und in der geistlichen Mutterschaft ist. Ja, es wird die Aufgabe des Bischofs
sein, sicherzustellen, daß die Liturgie immer »als ,,beispielhafte
Form'', Quelle der Inspiration, fester Bezugspunkt und letztes Ziel der
Marienverehrung des Gottesvolkes« 64 erscheint. Von
diesem Prinzip ausgehend wird auch der Bischof seine persönliche und
gemeinschaftliche Marienverehrung durch die von der Kirche approbierten und
empfohlenen frommen Übungen nähren, besonders durch das Beten des
Rosenkranzes, der eine Kurzfassung des Evangeliums darstellt. Erfahren in
diesem Gebet, in dessen Mittelpunkt die Betrachtung der Heilsereignisse des
Lebens Christi steht, mit dem seine heilige Mutter aufs engste verbunden war,
ist jeder Bischof eingeladen, ein eifriger Förderer auch dieser Gebetsform
zu sein.65
Sich dem Wort anvertrauen
15. Die Versammlung der
Bischofssynode hat auf einige Mittel hingewiesen, die notwendig sind, um das
eigene geistliche Leben zu nähren und voranschreiten zu lassen.66
Dazu gehört an erster Stelle das Lesen und die Betrachtung des
Wortes Gottes. Jeder Bischof soll sich immer »Gott und dem Wort seiner
Gnade« anvertrauen, »das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der
Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen« (Apg 20, 32). Deshalb
muß der Bischof, noch bevor er Vermittler des Wortes ist, zusammen mit
seinen Priestern und wie jeder Gläubige, ja wie die Kirche selbst,67
Hörer des Wortes sein. Er muß gleichsam »innerhalb«
des Wortes sein, um sich von ihm wie von einem Mutterschoß behüten
und nähren zu lassen. Mit dem heiligen Ignatius von Antiochien wiederholt
auch der Bischof: »Ich vertraue mich dem Evangelium an wie dem Fleisch
Christi« .68 Jeder Bischof soll sich daher immer jene
bekannte Mahnung des heiligen Hieronymus vergegenwärtigen, die auch vom
Zweiten Vatikanischen Konzil aufgegriffen wurde: »Die Schrift nicht kennen
heißt Christus nicht kennen« .69 Es gibt in der
Tat keinen Primat der Heiligkeit ohne das Hören auf das Wort Gottes, das
Leitbild und Nahrung der Heiligkeit ist.
Sich dem Wort Gottes
anzuvertrauen und es zu bewahren wie die Jungfrau Maria, die Virgo audiens,70
schließt den Gebrauch einiger Hilfen ein, die die Tradition
und die geistliche Erfahrung der Kirche stets angeraten haben. Es handelt sich
zuallererst um die häufige persönliche Lektüre und das
aufmerksame und eifrige Studium der Heiligen Schrift. Ein Bischof wäre
nach außen hin ein vergeblicher Prediger des Wortes, würde er es
nicht vorher von innen hören.71 Ohne den
häufigen Kontakt mit der Heiligen Schrift wäre ein Bischof ein wenig
glaubwürdiger Diener der Hoffnung, wenn es zutrifft, daß wir, wie
der heilige Paulus sagt, »durch Geduld und durch den Trost der Schrift
Hoffnung haben« (Röm 15, 4). Es ist also noch immer gültig,
was Origenes schrieb: »Das sind die beiden Tätigkeiten des Bischofs:
entweder von Gott lernen durch das Lesen und häufige Meditieren der
göttlichen Schriften oder das Volk lehren. Er soll jedoch das lehren, was
er selber von Gott gelernt hat« .72
Die Synode hat an die Bedeutung
der lectio und der meditatio des Wortes Gottes im Leben der
Hirten und in ihrem Amt im Dienst an der Gemeinschaft erinnert. Wie ich im
Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte dargelegt habe, »ist
es notwendig, daß das Hören des Wortes in der alten und noch immer
gültigen Tradition der lectio divina zu einer lebendigen Begegnung
wird, die uns im biblischen Text das lebendige Wort erfassen läßt,
das Fragen an uns stellt, Orientierung gibt und unser Dasein gestaltet« .73
Während der Meditation und der lectio öffnet sich
das Herz, welches das Wort schon empfangen hat, der kontemplativen Betrachtung
des Handelns Gottes und – als Folge davon – der Umkehr der Gedanken und des
Lebens zu ihm, einer Umkehr, die von der flehenden Bitte um seine Vergebung und
seine Gnade begleitet ist.
Sich nähren von der
Eucharistie
16. Wie das Ostergeheimnis im Zentrum
des Lebens und der Sendung des Guten Hirten steht, so steht auch die
Eucharistie im Zentrum des Lebens und der Sendung des Bischofs, wie eines jeden
Priesters.
In der täglichen Feier der
heiligen Messe bringt er sich selbst zusammen mit Christus dar. Wenn dann diese
Meßfeier in der Kathedrale oder in den anderen Kirchen, besonders den
Pfarrkirchen, mit der aktiven Teilnahme der Gläubigen stattfindet,
erscheint der Bischof unter den Augen aller als der, der er ist, nämlich
als Sacerdos et Pontifex, da er in der Person Christi und in der
Vollmacht seines Geistes handelt, und als der hiereus, der heilige
Priester, dem es obliegt, die heiligen Geheimnisse des Altars zu vollziehen,
die er durch die Predigt verkündet und erklärt.74
Die Liebe des Bischofs zur
Heiligen Eucharistie kommt auch zum Ausdruck, wenn er im Laufe des Tages einen
ausreichend großen Teil seiner Zeit der Anbetung vor dem Tabernakel
widmet. Hier öffnet der Bischof dem Herrn sein Herz, damit es ganz von der
Liebe durchdrungen und gestaltet werde, die am Kreuz von dem großen
Hirten der Schafe verströmt wurde, der für sie sein Blut vergossen
und sein Leben hingegeben hat. Zu ihm erhebt er auch sein Gebet, wobei er
ständig für die ihm anvertrauten Schafe Fürbitte hält.
Das Gebet und die
Stundenliturgie
17. Ein zweites von den
Synodenvätern empfohlenes Mittel ist das Gebet und ganz besonders jenes,
das mit der Feier der Stundenliturgie zum Herrn emporgesandt wird. Das
Stundengebet ist in besonderer Weise und immer Gebet der christlichen
Gemeinschaft im Namen Christi und unter der Leitung des Geistes.
Das Gebet ist in sich für
einen Bischof eine besondere Pflicht, ebenso für all jene, die »das
Geschenk der Berufung zu einem Leben besonderer Weihe empfangen haben: Das
Gebet macht sie auf Grund seines Wesens bereiter für die kontemplative
Erfahrung« .75 Der Bischof selbst darf nicht
vergessen, daß er Nachfolger jener Apostel ist, die vor allem deshalb von
Christus eingesetzt wurden, »weil er sie bei sich haben wollte« (Mk
3, 14), und die zu Beginn ihrer Sendung eine feierliche Erklärung abgaben,
die ein Lebensprogramm ist: »Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am
Wort bleiben« (Apg 6, 4). Es wird dem Bischof also nur dann gelingen,
ein Lehrmeister im Beten zu sein, wenn er auf seine persönliche Erfahrung
des Dialogs mit Gott zählen kann. Er muß sich in jedem Augenblick
mit den Worten des Psalmisten an Gott wenden können: »Ich warte auf
dein Wort« (Ps 119, 114). Gerade aus dem Gebet wird er jene Hoffnung schöpfen
können, mit der er die Gläubigen gleichsam anstecken soll. Das Gebet
ist nämlich der bevorzugte Platz, an dem sich die Hoffnung zum Ausdruck
bringt und Nahrung findet, da es – nach einem Wort des heiligen Thomas von
Aquin – das »Sprachrohr der Hoffnung« 76 ist.
Das persönliche Gebet des
Bischofs soll in ganz besonderer Weise ein typisch »apostolisches« Gebet
sein, das heißt ein Gebet, das dem Vater als Fürbitte für alle
Anliegen des ihm anvertrauten Volkes vorgelegt wird. Im Pontificale Romanum
lautet vor der Auflegung der Hände die letzte in der Reihe der Pflichten
des zum Bischofsamt Erwählten: »Bist du bereit, für das Heil des
Volkes unablässig zum allmächtigen Gott zu beten und das
hohepriesterliche Amt untadelig auszuüben?« 77 Ganz
besonders betet der Bischof um die Heiligkeit seiner Priester, um Berufungen
zum Priesteramt und zum Ordensleben, auf daß das Feuer des
missionarischen und apostolischen Einsatzes in der Kirche immer stärker
brenne.
Hinsichtlich des Stundengebetes,
das den gesamten Tagesablauf durch das Lob Gottes heiligen und ihm Orientierung
geben soll, kann man die großartigen Formulierungen des Zweiten
Vatikanischen Konzils nicht unbeachtet lassen: »Wenn nun die Priester und
andere kraft kirchlicher Ordnung Beauftragte oder die Christgläubigen, die
zusammen mit dem Priester in einer approbierten Form beten, diesen wunderbaren
Lobgesang recht vollziehen, dann ist dies wahrhaft die Stimme der Braut, die
zum Bräutigam spricht, ja es ist das Gebet, das Christus vereint mit
seinem Leibe an seinen Vater richtet. Alle, die das vollbringen, erfüllen
eine der Kirche obliegende Pflicht und haben zugleich Anteil an der
höchsten Ehre der Braut Christi; denn indem sie Gott das Lob darbringen,
stehen sie im Namen der Mutter Kirche vor dem Throne Gottes« .78 Mein
Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Paul VI., schrieb über das
Stundengebet, daß es ein »Gebet der Ortskirche« sei, in
dem »das wahre Wesen der betenden Kirche« zum Ausdruck komme.79
In der consecratio temporis, die das Stundengebet
vollzieht, erfüllt sich jene laus perennis, die Vorwegnahme und
vorausdeutende Darstellung der himmlischen Liturgie sowie Band der Vereinigung
mit den Engeln und den Heiligen ist, die den Namen Gottes in Ewigkeit preisen.
Ein Bischof erweist und verwirklicht sich also in dem Maße als Mann der
Hoffnung, wie er sich in die eschatologische Dynamik des Gebetes der Psalmen
einbringt. In den Psalmen erklingt die Vox sponsae, die Stimme der
Braut, die den Bräutigam anruft.
Jeder Bischof betet daher mit seinem
Volk und für sein Volk. Er erfährt jedoch auch Erbauung und
Hilfe durch das Gebet seiner Gläubigen, der Priester und Diakone, der
Personen des geweihten Lebens und der Laien eines jeden Alters. In ihrer Mitte
ist der Bischof Erzieher zum Gebet und Förderer des Gebetes. Er vermittelt
nicht nur das, was er in seinen Betrachtungen erwogen hat, sondern
eröffnet den Christen den Weg der Kontemplation. Der bekannte Leitsatz vom
contemplata aliis tradere wird auf diese Weise zu einem contemplationem
aliis tradere.
Der Weg der evangelischen
Räte und der Seligpreisungen
18. Allen seinen Jüngern,
besonders denjenigen, die ihm schon während ihres irdischen Lebens nach
Art der Apostel aus nächster Nähe folgen wollen, zeigt der Herr den
Weg der evangelischen Räte. Sie sind ein Geschenk der Dreifaltigkeit an
die Kirche und darüber hinaus im Glaubenden ein Abglanz des trinitarischen
Lebens.80 Dies sind sie auf besondere Weise im
Bischof, der als Nachfolger der Apostel gerufen ist, Christus auf dem Weg der
Vollkommenheit der Liebe nachzufolgen. Dafür ist er geweiht, wie Jesus
geweiht ist. Sein Leben bedeutet radikale Abhängigkeit von Jesus und vor
der Kirche und der Welt völlige Transparenz auf Jesus hin. Im Leben des Bischofs
muß das Leben Jesu aufscheinen und somit sein Gehorsam gegenüber dem
Vater bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2, 8), seine keusche
und jungfäuliche Liebe, seine Armut, die absolute Freiheit von den
weltlichen Gütern darstellt.
Auf diese Weise können die
Bischöfe durch ihr Beispiel nicht nur jene leiten, die in der Kirche zur
Nachfolge Christi im geweihten Leben berufen sind, sondern auch die Priester,
denen die Radikalität der Heiligkeit entsprechend dem Geist der evangelischen
Räte ebenso nahegelegt wird. Diese Radikalität betrifft im
übrigen alle Gläubigen, auch die Laien, weil »sie ein
grundlegender und unverzichtbarer Anspruch ist, der aus dem Anruf Christi
erwächst, ihm aufgrund der vom Geist bewirkten innigen Verbundenheit mit
ihm zu folgen und ihn nachzuahmen« .81
Schließlich sollen die
Gläubigen im Antlitz des Bischofs jene Eigenschaften betrachten
können, die Geschenk der Gnade sind und in den Seligpreisungen gleichsam das
Selbstbildnis Christi darstellen: den Ausdruck der Armut, der Milde und der
Leidenschaft für die Gerechtigkeit; das barmherzige Angesicht des Vaters
und des friedlichen und Frieden stiftenden Menschen; das Antlitz der Reinheit
dessen, der unablässig und ausschließlich auf Gott schaut. Die
Gläubigen sollen in ihrem Bischof auch das Angesicht dessen sehen
können, der das Mitleid Jesu mit den Betrübten nachlebt; und manchmal
– wie es in der Geschichte und noch heute vorkommt – das von innerer Kraft und
Freude erfüllte Angesicht dessen, der um der Wahrheit des Evangeliums
willen verfolgt wird.
Die Tugend des Gehorsams
19. Durch die Aneignung dieser
sehr menschlichen Züge Jesu wird der Bischof auch zum Vorbild und
Förderer einer Spiritualität der Gemeinschaft. Diese ist darauf
angelegt, mit Wachsamkeit und Sorgfalt die Kirche so aufzubauen, daß
alles, Worte und Werke, im Zeichen kindlicher, in Christus und im Heiligen
Geist vollzogener Fügsamkeit unter dem liebevollen Plan des Vaters geschehe.
Als Lehrer der Heiligkeit und als Diener der Heiligung seines Volkes ist der
Bischof in der Tat gerufen, den Willen des Vaters treu zu erfüllen. Der
Gehorsam des Bischofs muß so gelebt werden, daß er als Vorbild –
anders könnte es ja gar nicht sein – den Gehorsam Christi selbst hat, der
mehrmals bekräftigt hat, vom Himmel herabgekommen zu sein, nicht um seinen
Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 6,
38; 8, 29; Phil 2, 7-8).
Unterwegs auf den Spuren Christi
gehorcht der Bischof dem Evangelium und der Tradition der Kirche; er versteht,
die Zeichen der Zeit zu deuten und die Stimme des Heiligen Geistes im
petrinischen Amt und in der Kollegialität der Bischöfe zu erkennen.
Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis habe ich den
apostolischen, gemeinschaftlichen und pastoralen Charakter des priesterlichen
Gehorsams beleuchtet.82 Diese Eigenschaften finden
sich ganz offensichtlich in noch markanterer Weise im Gehorsam des Bischofs.
Die Fülle des Weihesakraments, die er empfangen hat, stellt ihn in der Tat
in eine besondere Beziehung zum Nachfolger Petri, zu den Mitgliedern des
Bischofskollegiums und zu seiner Teilkirche selbst. Er muß sich in die
Pflicht genommen fühlen, diese Beziehungen zum Papst und zu den Mitbrüdern
im Bischofsamt in einem engen Band der Einheit und Zusammenarbeit intensiv zu
leben. Auf diese Weise antwortet er auf den göttlichen Plan, der die
Apostel um Petrus untrennbar vereinen wollte. Diese hierarchische Gemeinschaft
des Bischofs mit dem Papst bestärkt seine Fähigkeit, kraft des
empfangenen Weiheamtes Jesus Christus, das unsichtbare Haupt der ganzen Kirche,
zu vergegenwärtigen.
Dem apostolischen Aspekt des
Gehorsams kann sich jener gemeinschaftliche nur anschließen, insofern das
Bischofsamt von seiner Natur her »eins und ungeteilt« 83 ist.
Aufgrund dieser Gemeinschaftlichkeit ist der Bischof berufen, seinen Gehorsam
unter Überwindung jeder individualistischen Versuchung und unter Annahme
der Bürde der Sorge um das Wohl der ganzen Kirche innerhalb der Sendung
des Bischofskollegiums zu leben.
Als Vorbild im Hören soll
der Bischof gleichfalls aufmerksam sein, durch Gebet und Unterscheidung den
Willen Gottes in dem, was der Geist der Kirche sagt, zu erfassen. In
Ausübung seiner Autorität im Sinne des Evangeliums muß er mit
seinen Mitarbeitern und den Gläubigen in Dialog zu treten wissen, um das
gegenseitige Einvernehmen wirksam wachsen zu lassen.84 Dies
wird ihm erlauben, auf seelsorgliche Weise die Würde und Verantwortung
jedes einzelnen Gliedes des Volkes Gottes zu schätzen, indem er mit
Ausgeglichenheit und Gelassenheit den Unternehmungsgeist eines jeden
fördert. Denn die Gläubigen müssen unterstützt werden im
Wachstum eines verantwortlichen Gehorsams, der sie auf pastoraler Ebene aktiv
werden läßt.85 In diese Hinsicht hat die
Aufforderung des heiligen Ignatius von Antiochien an Polykarp bleibende
Gültigkeit: »Nichts geschehe ohne deine Zustimmung, du aber unternimm
nichts ohne Gott« .86
Der Geist und die Praxis
der Armut des Bischofs
20. Im Zeichen kollegialen
Einklangs haben die Synodenväter den Appell aufgegriffen, den ich im
Eröffnungsgottesdienst an die Synode gerichtet habe, nämlich die
Seligpreisung der Armut im Evangelium als eine der unabdingbaren
Voraussetzungen für eine fruchtbare Erfüllung des bischöflichen
Dienstes in der heutigen Situation anzuerkennen. Auch bei dieser Gelegenheit
wurde in der Versammlung der Bischöfe die Gestalt des Herrn Christus klar hervorgehoben, »der
das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte« und der auch
die Kirche, an erster Stelle mit ihren Bischöfen, einlädt, »den
gleichen Weg einzuschlagen, um die Früchte des Heils den Menschen
mitzuteilen« .87
Daher muß der Bischof, der
authentischer Zeuge und Diener des Evangeliums der Hoffnung sein will, ein
vir pauper sein. Das verlangt sein Zeugnis für den armen Christus, zu
dem er verpflichtet ist; das verlangt auch die Sorge der Kirche für die
Armen, denen Vorzug gebührt. Die Entscheidung des Bischofs, sein Dienstamt
in Armut zu leben, trägt entscheidend dazu bei, aus der Kirche
das »Zuhause der Armen« zu machen.
Diese Entscheidung versetzt den
Bischof außerdem in eine Lage innerer Freiheit bei der Ausübung
seines Amtes, die ihm erlaubt, die Früchte des Heils wirksam zu
vermitteln. Die bischöfliche Autorität muß mit einer
unermüdlichen Hochherzigkeit und mit einer unerschöpflichen
Freigebigkeit geübt werden. Das verlangt von seiten des Bischofs ein volles
Vertrauen in die Vorsehung des himmlischen Vaters, eine großzügige
Gütergemeinschaft, einen enthaltsamen Lebensstil und eine dauernde
persönliche Umkehr. Nur auf diesem Weg wird er fähig sein, an den
Ängsten und Schmerzen des Gottesvolkes teilzunehmen, das er nicht nur
leiten und nähren soll, sondern mit dem er solidarisch sein muß,
indem er mit ihm die Probleme teilt und zur Stärkung der Hoffnung
beiträgt.
Er wird diesen Dienst mit
Effizienz erfüllen, wenn er ein einfaches, nüchternes und zugleich
aktives und weitherziges Leben führt und diejenigen, die in unserer
Gesellschaft an letzter Stelle stehen, nicht ausgrenzt, sondern in die Mitte
der christlichen Gemeinde stellt.88 Gleichsam ohne es
sich bewußt zu werden, wird er die »Phantasie der Liebe«
fördern, die eher die Fähigkeit, brüderliches Teilen zu leben,
hervorheben wird als die Effizienz der geleisteten Hilfe. Denn, wie die
Apostelgeschichte ausführlich bezeugt, entfachte in der Kirche zur Zeit
der Apostel die Armut der einen die Solidarität der anderen, mit dem
überraschenden Ergebnis, daß »es keinen unter ihnen gab, der
Not litt« (4, 34). Die Kirche ist der Welt, die von Problemen des Hungers und
der Ungleichheiten unter den Völkern belagert wird, diese Prophetie
schuldig. In dieser Perspektive des Teilens und der Einfachheit verwaltet der
Bischof die Güter der Kirche wie ein »bonus pater familias« und
wacht darüber, daß sie gemäß der eigentlichen Ziele der
Kirche eingesetzt werden: Gottesdienst, Unterhalt der Amtsträger,
Apostolatswerke, karitative Initiativen für Arme.
Procurator pauperum ist seit jeher ein Titel der Hirten der
Kirche gewesen und soll das konkret auch heute sein, um die Botschaft des
Evangeliums von Jesus Christus gegenwärtig und beredt zu machen als
Grundlage der Hoffnung aller, besonders aber derjenigen, die allein von Gott
ein würdigeres Leben und eine bessere Zukunft erwarten können.
Angeregt und ermahnt durch das Beispiel der Hirten sollen die ganze Kirche und
die Teilkirchen jene »vorrangige Option für die Armen« wahrmachen,
die ich als Programm für das dritte Jahrtausend empfohlen habe.89
In Keuschheit einer Kirche
dienen, die Christi Reinheit widerspiegelt
21. »Trag diesen Ring als
Zeichen deiner Treue. Denn in unverbrüchlicher Treue sollst du die Braut
Christi, die heilige Kirche, vor jedem Schaden bewahren« .90 Mit
diesen Worten, die bei der Bischofsweihe gesprochen werden, wird der Bischof
aufgefordert, sich der Verpflichtung, die er übernimmt, bewußt zu
werden, nämlich an sich die jungfräuliche Liebe Christi für alle
seine Gläubigen widerzuspiegeln. Er ist vor allem aufgerufen, zwischen den
Gläubigen gegenseitige Beziehungen zu wecken, die von jener Achtung und
Wertschätzung inspiriert sind, wie sie sich für eine Familie geziemen,
wo die Liebe entsprechend der Mahnung des Apostels Petrus gedeiht: »Darum
hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben. Ihr seid neu geboren
worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen:
aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt« (1 Petr 1, 22-23).
Während er mit seinem
Beispiel und seinem Wort die Christen auffordert, sich selbst als lebendiges
und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt (vgl. Röm
12, 1), erinnert er alle daran, daß »die Gestalt dieser Welt
vergeht« (1 Kor 7, 31), und daß es daher notwendig ist,
in »Erwartung der seligen Hoffnung« auf das Erscheinen der Herrlichkeit
Christi (vgl. Tit 2, 13) zu leben. In seiner pastoralen Sorge ist er
besonders denen mit väterlicher Zuneigung nahe, die das Ordensleben im
Bekenntnis der evangelischen Räte ergriffen haben und der Kirche ihren
wertvollen Dienst darbieten. Er unterstützt und ermutigt sodann die
Priester, die von göttlicher Gnade berufen aus freien Stücken die
Verpflichtung zum Zölibat um des Himmelreiches willen auf sich genommen
haben, indem er ihnen und sich selbst die evangeliumsgemäßen und
geistlichen Beweggründe dieser in höchstem Grade für den Dienst
am Volk Gottes bedeutsamen Entscheidung ins Gedächtnis ruft. Für die
Kirche und die Welt von heute stellt das Zeugnis der keuschen Liebe auf der
einen Seite eine Art spirituelle Therapie für die Menschheit dar, auf der
anderen Seite einen Protest gegen die Vergötzung des Sexualtriebes.
Im gegenwärtigen sozialen
Umfeld muß der Bischof seiner Herde und vor allem seinen Priestern in
väterlicher Aufmerksamkeit auf ihre aszetischen und spirituellen
Schwierigkeiten besonders nahe sein. Er hat ihnen den geeigneten Halt zu geben,
um die Treue zur Berufung und zu den Erfordernissen einer beispielhaften
Heiligkeit des Lebens in der Ausübung des Dienstamtes in ihnen zu
fördern. In Fällen schwerwiegender Mängel aber und mehr noch in
Fällen von Vergehen, die dem Zeugnis selbst des Evangeliums schaden
zufügen, besonders wenn dies von Amtsträgern der Kirche geschieht, muß
der Bischof stark und entschlossen, gerecht und sachlich sein. Er ist gehalten
gemäß den vorgeschriebenen kanonischen Normen sofort einzuschreiten:
sowohl zur Zurechtweisung und zum geistlichen Wohl des Amtsträgers als
auch zur Behebung des Ärgernisses und zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit
wie auch hinsichtlich des Schutzes und der Hilfe für die Opfer.
Mit seinem Wort, mit wachem und
väterlichen Handeln erfüllt der Bischof die Verpflichtung, der Welt
die Wahrheit einer heiligen und reinen Kirche in ihren Dienern und ihren
Gläubigen darzubieten. Wenn der Bischof so handelt, geht er seiner Herde
voran, wie es Christus, der Bräutigam, getan hat, der sein Leben für
uns hingegeben und allen das Beispiel einer reinen und jungfräulichen und
daher auch fruchtbaren und universalen Liebe hinterlassen hat.
Wegbereiter einer
Spiritualität der Gemeinschaft und der Sendung
22. Im Apostolischen Schreiben
Novo millennio ineunte habe ich die Notwendigkeit herausgestellt, »die
Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft zu machen« .91 Der
Anstoß hat ein breites Echo gefunden und wurde in der Synodenversammlung
wieder aufgegriffen. Selbstverständlich hat der Bischof auf seinem
geistlichen Weg als erster die Aufgabe, sich zum Förderer und Animator
einer Spiritualität der Gemeinschaft zu machen. Dies tut er, indem er sich
unermüdlich darum bemüht, sie überall dort, wo menschliche und
christliche Formung stattfindet, zu einem grundsätzlichen
Erziehungsprinzip zu machen: in der Pfarrgemeinde, in den katholischen
Vereinen, in den kirchlichen Bewegungen, in den katholischen Schulen, in der
Jugendarbeit. In besonderer Weise wird sich der Bischof darum kümmern
müssen, daß die Spiritualität der Gemeinschaft dort Fuß
faßt, wo die künftigen Priester ausgebildet werden, also in den Priesterseminaren
wie auch in den Noviziaten der Orden, in den Ordenshäusern, an den
theologischen Instituten und Fakultäten.
Die wesentlichen Punkte dieser
Förderung der Spiritualität der Gemeinschaft habe ich im genannten
Apostolischen Schreiben zusammenfassend angeführt. Hier soll es
genügen hinzuzufügen, daß ein Bischof besonders innerhalb
seiner Priesterschaft sowie auch unter den Diakonen, den Ordensmännern und
Ordensfrauen dazu ermutigen soll. Er wird das im persönlichen
Gespräch und in der Begegnung, aber auch bei den gemeinschaftlichen
Treffen tun. Er wird nicht versäumen, für solche Treffen in seiner
Teilkirche besondere Gelegenheiten zu ermöglichen, bei denen die
Bereitschaft wächst, auf den Geist zu hören, »der zu den
Gemeinden spricht« (Offb 2, 7.11 et al.). Solche Gelegenheiten sind
Einkehrtage, geistliche Exerzitien sowie Spiritualitätstage, wie auch der
kluge Gebrauch der neuen Kommunikationsmittel, wenn sich dies im Sinne einer
größeren Wirksamkeit als günstig erweist.
Eine Spiritualität der Gemeinschaft
zu pflegen, heißt für einen Bischof auch, die Gemeinschaft mit dem
Papst und mit den anderen Brüdern im Bischofsamt, besonders innerhalb
derselben Bischofskonferenz und Kirchenprovinz zu fördern. Auch in diesem
Fall wird ein Bischof – nicht zuletzt, um die Gefahr der Einsamkeit und der
Entmutigung angesichts des Übermaßes und der
Ünverhältnismäßigheit der Probleme zu überwinden –
über das Gebet hinaus gern auf die Freundschaft und auf die brüderliche
Gemeinschaft mit seinen Brüdern im Bischofsamt zurückgreifen.
Die Gemeinschaft, deren Quelle
und Vorbild die Dreifaltigkeit ist, kommt immer in der Sendung zum Ausdruck.
Die Sendung ist die Frucht und die logische Folge der Gemeinschaft. Man
fördert die Dynamik der Gemeinschaft, wenn man sich den Horizonten und
Dringlichkeiten der Sendung öffnet und dabei immer das Zeugnis der Einheit
gewährleistet, damit die Welt glaubt, und die Räume der Liebe
erweitert, damit alle zur trinitarischen Gemeinschaft gelangen, von der sie
herkommen und für die sie bestimmt sind. Je intensiver die Gemeinschaft
ist, um so mehr wird die Sendung gefördert. Dies gilt besonders, wenn sie
in der Armut der Liebe gelebt wird, die in der Fähigkeit besteht, auf jede
Person, Gruppe oder Kultur allein mit der Kraft des Kreuzes zuzugehen, spes
unica und erhabenstes Zeugnis der Liebe Gottes, die sich auch als Liebe
universaler Brüderlichkeit erweist.
Weiterführung im
Alltag
23. Der geistliche Realismus
veranlaßt uns zuzugeben, daß der Bischof gefordert ist, seine Berufung
zur Heiligkeit unter äußeren und inneren Schwierigkeiten, eigenen
Schwächen und denen anderer, unter täglich neuen unvorhergesehenen
Umständen und in einem Kontext persönlicher und institutioneller
Probleme zu leben. Ein Zeuge dieser Dauersituation im Leben der Bischöfe
ist der heilige Gregor der Große, wenn er leidvoll
feststellt: »Seitdem ich aber die Schultern unter die Last des Hirtenamtes
beugen muß, kann sich mein Geist nicht mehr völlig gesammelt auf
sich selbst besinnen, weil er sich teilen und auf vieles richten muß.
Bald muß ich mich um die Angelegenheiten der Kirche, bald die der
Klöster kümmern, oft über das Leben und das Tun einzelner
Menschen nachdenken... Ist aber der Geist gespalten und zerrissen und gezwungen,
so viele und wichtige Dinge zu bedenken, wann soll er sich dann auf sich selbst
zurückziehen, um sich für die Predigt zu sammeln, wenn er sich dem
Dienst der Wortverkündigung nicht entziehen will... Die Lebensführung
des Wächters muß daher sowohl erhaben als auch umsichtig sein« .92
Um die Zentrifugalkräfte,
die seine innere Einheit zu zerbrechen suchen, auszugleichen, muß der
Bischof einen gelassenen Lebensstil pflegen, der das mentale, psychologische
und affektive Gleichgewicht begünstigt und ihn dazu befähigt, sich zu
öffnen, um die Menschen und ihre Fragen in eines Haltung echter
Anteilnahme an ihren verschiedenen frohen und traurigen Situationen anzunehmen.
Auch die Pflege der eigenen Gesundheit in ihren verschiedenen Dimensionen
stellt für einen Bischof einen Akt der Liebe gegenüber den
Gläubigen dar und bietet Gewähr für größere Offenheit
und Verfügbarkeit für die Eingebungen des Geistes. Bekannt sind die
diesbezüglichen Empfehlungen des heiligen Karl Borromäus, einer
leuchtenden Bischofsgestalt, in der Ansprache, die er auf seiner letzten Synode
hielt: »Bist du in der Seelsorge tätig? Vernachlässige
darüber nicht die Sorge für dich selbst und sei anderen
gegenüber nicht so freigebig, daß für dich selbst nichts
übrigbleibt. Du mußt zwar an die Seelen denken, deren Hirt du bist,
aber nicht so, daß du dich selbst vergißt« .93
Der Bischof wird daher darauf
achten, mit Ausgewogenheit an die Fülle seiner Verpflichtungen
heranzugehen und sie untereinander in Einklang zu bringen: die Feier der
heiligen Geheimnisse und das persönliche Gebet, das persönliche
Studium und die pastorale Planung, die Sammlung und die nötige Ruhe. Durch
diese Hilfen für sein geistliches Leben gestärkt, wird er durch die
Erfahrung der Tiefe der Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit, die ihn erwählt
und geweiht hat, den Frieden des Herzens finden. In der Gnade, die Gott ihm
zusichert, wird er jeden Tag seinen Dienst in gewissenhafter Beachtung der
Bedürfnisse der Kirche und der Welt als Zeuge der Hoffnung erfüllen
können.
Die Fortbildung des
Bischofs
24. In engem Zusammenhang mit der
Verpflichtung des Bischofs, unermüdlich auf dem Weg der Heiligkeit
voranzuschreiten und eine christozentrische und kirchliche Spiritualität
zu leben, hat die Synodenversammlung auch die Forderung nach einer
ständigen Weiterbildung erhoben. Diese stete Weiterbildung, die für
alle Gläubigen notwendig ist – wie bei den vorangegangenen Synoden
unterstrichen und in den nachfolgenden Apostolischen Schreiben Christifideles
Laici, Pastores dabo vobis und Vita consecrata nochmals
bekräftigt wurde –, muß besonders für den Bischof als
unverzichtbar angesehen werden, da er die Verantwortung für den
gemeinsamen Fortschritt und den einträchtigen Weg in der Kirche
trägt.
Wie für die Priester und die
Personen des geweihten Lebens ist auch für einen Bischof die ständige
Weiterbildung ein seiner Berufung und Sendung innewohnendes Erfordernis. Denn
dank ihrer ist es möglich, die neuen Impulse zu erkennen, mit denen Gott
die anfängliche Berufung präzisiert und aktualisiert. Auch der
Apostel Petrus vernimmt nach dem »Folge mir nach!« der ersten Begegnung
mit Christus (vgl. Mt 4, 19) dieselbe Aufforderung vom Auferstandenen
nochmals, der, bevor er die Erde verläßt, ihm die Mühen und
Leiden des künftigen Amtes voraussagt und hinzufügt: »Folge mir
nach!« (Joh 21, 22). »Es gibt also ein ,,folge mir nach'', das das
Leben und die Sendung des Apostels begleitet. Es ist ein ,,folge mir nach'',
das den Aufruf zur Treue und den Anspruch auf sie bis in den Tod bezeugt, ein
,,folge mir nach'', das eine sequela Christi bis zur totalen
Selbsthingabe im Martyrium bedeuten kann« .94 Es geht
offensichtlich nicht nur darum, eine angemessene Aktualisierung zu vollziehen,
wie sie von einer realistischen Kenntnis der Situation der Kirche und der Welt
gefordert wird, um auf diese Weise dem Bischof zu ermöglichen, sich mit
offenem Verstand und mitleidsvollem Herzen in die Gegenwart einzufügen. Zu
diesem guten Motiv für eine aktualisierte ständige Weiterbildung kommen
anthropologische Beweggründe hinzu, die sich daraus ableiten, daß
das Leben selbst ein unablässiger Weg zur Reife ist, sowie theologische
Motivationsgründe, die tief mit der sakramentalen Wurzel
zusammenhängen: Der Bischof muß nämlich »das
,,Mysterium'', das er in sich trägt, zum Wohl der Kirche und der
Menschheit mit wachsamer Liebe behüten« .95
Um sich regelmäßig auf
dem laufenden zu halten, besonders über Themen von großer Bedeutung,
bedarf es längerer Zeiten des Zuhörens, der Gemeinschaft und des
Dialogs mit erfahrenen Personen – Bischöfen, Priestern, Ordensmännern
und Ordensfrauen, Laien – in einem Austausch von pastoralen Erfahrungen,
theoretischen Kenntnissen und spirituellen Quellen, die eine echte
persönliche Bereicherung sicherstellen. Zu diesem Zweck haben die
Synodenväter die Nützlichkeit spezieller Fortbildungskurse für
die Bischöfe unterstrichen, wie die jährlichen Zusammenkünfte,
die von der Kongregation für die Bischöfe oder jener für die
Evangelisierung der Völker für die neu ernannten Bischöfe
veranstaltet werden. Desgleichen wurde der Wunsch ausgesprochen, daß von
den Patriarchalsynoden, von den nationalen und regionalen Bischofskonferenzen
als auch von den kontinentalen Bischofsversammlungen Studientage,
Fortbildungskurse und auch Exerzitien für die Bischöfe ausgerichtet
werden mögen.
Es wird angebracht sein,
daß der Vorsitz der Bischofskonferenz die Aufgabe annimmt, für die
Vorbereitung und Durchführung solcher Fortbildungsprogramme zu sorgen. Sie
soll die Bischöfe zur Teilnahme an diesen Kursen ermutigen, damit auch auf
diese Weise eine größere Gemeinschaft unter den Bischöfen im
Hinblick auf eine bessere pastorale Wirksamkeit in den einzelnen Diözesen
erreicht wird.96
Eines wird auf jeden Fall
deutlich: Wie das Leben der Kirche, so sind auch die Art des Handelns, die
pastoralen Initiativen und die Formen des Dienstes des Bischofs in Entwicklung
begriffen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich eine Anpassung
gemäß den Bestimmungen des Codex des kanonischen Rechtes und mit Bezug
auf die neuen Herausforderungen als auch an die neuen Formen des Engagements
der Kirche in der Gesellschaft als notwendig. In diesem Zusammenhang hat die
Synodenversammlung vorgeschlagen, das von der Kongregation für die
Bischöfe bereits am 22. Februar 1973 veröffentlichte Direktorium Ecclesiae
imago zu überarbeiten und es an die gewandelten Anforderungen der Zeit
anzupassen, sowie an die Veränderungen, die in der Kirche und im
seelsorglichen Alltag stattgefunden haben.97
Das Beispiel heiliger
Bischöfe
25. In ihrem Leben und in ihrem
Amt, auf dem geistlichen Weg und bei dem Bemühen, ihre apostolische Arbeit
anzupassen, erfahren die Bischöfe stets Trost durch das Vorbild heiliger
Bischöfe. Ich selbst habe in der Predigt bei der Eucharistiefeier zum
Abschluß der Synode das Vorbild während des letzten Jahrhunderts
heiliggesprochener Bischöfe als Zeugnis einer Gnade des Geistes
angeführt, an der es der Kirche niemals gefehlt hat und niemals fehlen
wird.98
Die Geschichte der Kirche,
angefangen bei den Aposteln, kennt eine wirklich große Zahl von
Bischöfen, deren Lehre und Heiligkeit in der Lage sind, dem geistlichen
Weg auch der Bischöfe des dritten Jahrtausends Erleuchtung und
Orientierung zu geben. Die glorreichen Zeugnisse der großen Bischöfe
der ersten Jahrhunderte der Kirche, der Stifter der Teilkirchen, der Bekenner
des Glaubens und der Märtyrer, die in Zeiten der Verfolgung ihr Leben
für Christus hingegeben haben, bleiben gleichsam leuchtende Bezugspunkte,
auf welche die Bischöfe unserer Zeit blicken können, um daraus
Hinweise und Anregungen für ihren Dienst am Evangelium zu beziehen.
Viele sind besonders vorbildlich
in der Übung der Tugend der Hoffnung gewesen, wenn sie in schweren Zeiten
ihr Volk wieder aufgerichtet, nach Zeiten der Verfolgung und Katastrophen die
Kirchen neu aufgebaut, Hospize zur Aufnahme von Pilgern und Armen errichtet,
Spitäler zur Pflege von Kranken und Alten eröffnet haben. Viele
andere Bischöfe waren erleuchtete Führer, die neue Wege für ihr
Volk eröffnet haben. Während sie in schweren Zeiten den Blick auf den
gekreuzigten und auferstandenen Christus, unsere Hoffnung, gerichtet hielten,
gaben sie positive und kreative Antworten auf die Herausforderungen des
Augenblicks. Am Beginn des dritten Jahrtausends gibt es immer noch solche
Hirten, die eine Geschichte zu erzählen haben, die von einem fest im Kreuz
verankerten Glauben geschrieben wurde. Es sind Hirten, die wissen, die
menschlichen Sehnsüchte und Bestrebungen zu erfassen, anzunehmen, im Licht
des Evangeliums zu läutern und zu deuten, und die daher zusammen mit dem
ihnen anvertrauten Volk auch eine Geschichte aufzubauen haben.
Jede Teilkirche wird sich also
darum kümmern, ihre heiligen Bischöfe zu feiern, und wird auch an die
Bischöfe erinnern, die wegen ihres heiligen Lebens und ihrer erleuchteten
Lehren im Volk ein besonderes Erbe an Bewunderung und Liebe hinterlassen haben.
Sie sind die geistlichen Wächter, die vom Himmel herab den Weg der
pilgernden Kirche in der Welt leiten. Auch damit die Erinnerung an die Treue
der in der Ausübung ihres Dienstes herausragenden Bischöfe immer
bewahrt bleibe, hat die Synodenversammlung empfohlen, daß sich die
Teilkirchen, oder von Fall zu Fall die Bischofskonferenzen, dafür
einsetzen, durch aktualisierte Biographien die Gläubigen mit diesen
Gestalten bekanntzumachen, und wenn angebracht, die Angemessenheit der
Einleitung eines Heiligsprechungsverfahrens zu prüfen.99
Das Zeugnis eines voll
verwirklichten geistlichen und apostolischen Lebens bleibt auch heute der
großartige Beweis für die Kraft des Evangeliums bei der Verwandlung
der Menschen und der Gemeinden, indem es die Heiligkeit Gottes in die Welt und
in die Geschichte eindringen läßt. Auch das ist ein Grund zur
Hoffnung, besonders für die jungen Generationen, die von der Kirche
anregende Vorschläge erwarten, an denen sie sich in ihrem Einsatz für
die Erneuerung der Gesellschaft unserer Zeit in Christus inspirieren lassen
können.
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