DRITTES KAPITEL
LEHRER DES GLAUBENS UND
HEROLD DES WORTES GOTTES
»Geht hinaus in die ganze Welt, und
verkündet das Evangelium« (Mk 16, 15)
26. Seinen Aposteln erteilt der
auferstandene Jesus den Auftrag, alle Völker »zu Jüngern zu machen«
und sie zu lehren, alles zu befolgen, was er selbst ihnen geboten hat. Der
Kirche, der Gemeinschaft der Jünger des gekreuzigten und auferstandenen
Herrn, wird also feierlich die Aufgabe übertragen, allen Geschöpfen
das Evangelium zu verkünden. Es ist eine Aufgabe, die bis ans Ende der
Zeiten andauern wird. Von jenem ersten Anfang her ist es nicht mehr
möglich, an eine Kirche ohne diesen Evangelisierungsauftrag zu denken. Das
Bewußtsein dafür hat der Apostel Paulus mit den bekannten Worten
bekundet: »Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich
mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn
ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9, 16).
Wenn die Pflicht zur
Verkündigung des Evangeliums der ganzen Kirche und jedem ihrer Glieder zu
eigen ist, so gilt das ganz besonders für die Bischöfe. Diese
übernehmen am Tag der heiligen Weihe, die sie in die Apostolische
Sukzession hineinstellt, als ihre hauptsächliche Aufgabe jene, das
Evangelium zu verkündigen, und es so zu verkündigen, daß
sie »in der Kraft des Geistes die Menschen zum Glauben rufen oder im
lebendigen Glauben stärken« .100
Die
Evangelisierungstätigkeit des Bischofs, deren Ziel es ist, die Menschen
zum Glauben zu führen oder sie im Glauben zu stärken, bildet einen
herausragenden Ausdruck seiner Vaterschaft. Er kann daher mit Paulus
wiederholen: »Hättet ihr nämlich auch ungezählte Erzieher
in Christus, so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich
durch das Evangelium euer Vater geworden« (1 Kor 4, 15). Eben durch
diese Dynamik, neues Leben gemäß dem Geist hervorzubringen, erweist
sich das Bischofsamt in der Welt als Zeichen der Hoffnung für die
Völker und für jeden Menschen.
Sehr passend haben deshalb die
Synodenväter daran erinnert, daß der Verkündigung Christi stets
der erste Platz zukommt und daß der Bischof durch sein Wort und durch das
Zeugnis seines Lebens der erste Verkünder des Evangeliums ist. Er
muß sich der Herausforderungen bewußt sein, die die
gegenwärtige Stunde mit sich bringt, und den Mut haben, sich diesen zu
stellen. Alle Bischöfe werden als Diener der Wahrheit diese ihre Aufgabe
kraftvoll und mit Vertrauen wahrnehmen.101
Christus im Herzen des
Evangeliums und des Menschen
27. Tatsächlich ragte in den
Beiträgen der Synodenväter das Thema der Verkündigung des
Evangeliums hervor. Sie haben wiederholt und auf verschiedenste Weise
festgehalten, daß der lebendige Mittelpunkt in der Verkündigung des
Evangeliums der für die Rettung aller Menschen gekreuzigte und
auferstandene Christus ist.102
Christus ist in der Tat das Herz
der Evangelisierung, deren Programm »letztlich in Christus selbst seine
Mitte findet. Ihn gilt es kennenzulernen, zu lieben und nachzuahmen, um in ihm
das Leben des Dreifaltigen Gottes zu leben und mit ihm der Geschichte eine neue
Gestalt zu geben, bis sie sich im himmlischen Jerusalem erfüllt. Das
Programm ändert sich nicht mit dem Wechsel der Zeiten und Kulturen, auch
wenn es für einen echten Dialog und eine wirksame Kommunikation die Zeit
und die Kultur berücksichtigt. Es ist unser Programm für das dritte
Jahrtausend« .103
Von Christus, dem Herzen des
Evangeliums, gehen alle anderen Glaubenswahrheiten aus, und von ihm erstrahlt
die Hoffnung für alle Menschen. Denn Christus ist das Licht, das jeden
Menschen erleuchtet, und jeder, der in ihm wiedergeboren wurde, empfängt
die Erstlingsgaben des Geistes, durch die er fähig wird, das neue Gesetz
der Liebe zu erfüllen.104
Der Bischof ist also kraft seiner
apostolischen Sendung dazu befähigt, sein Volk in das Herz des
Geheimnisses des Glaubens einzuführen, wo es der lebendigen Person Jesu
Christi begegnen kann. Die Gläubigen werden so begreifen, daß alle
christliche Erfahrung ihre Quelle und ihren unvergänglichen Bezugspunkt im
Pascha Jesu hat, des Siegers über Sünde und Tod.105
Die Verkündigung des Todes
und der Auferstehung des Herrn »muß folglich die prophetische
Verkündigung eines Jenseits enthalten, das eine tiefe, endgültige
Berufung des Menschen ist, die zugleich eine Fortsetzung und ein völliges
Übersteigen des jetzigen Zustandes darstellt: jenseits der Zeit und der
Geschichte, jenseits der Wirklichkeit dieser Welt, deren Gestalt vergeht [...]
Die Evangelisierung enthält somit auch die Verkündigung einer
Hoffnung auf die Verheißungen, die von Gott im Neuen Bund in Jesus
Christus gegeben worden sind« .106
Der Bischof, Hörer und
Bewahrer des Wortes
28. Indem es den von der
Überlieferung der Kirche vorgezeichneten Weg fortsetzt, erklärt das
Zweite Vatikanische Konzil, daß das den Bischöfen eigene Lehramt
darin besteht, den Glauben heilig zu bewahren und mutig zu verkünden.107
Unter diesem Gesichtspunkt
enthüllt sich in seinem ganzen Bedeutungsreichtum der im römischen
Ritus der Bischofsweihe vorgesehene Gestus, bei dem das geöffnete
Evangeliar über das Haupt des Erwählten gehalten wird: Damit soll
einerseits zum Ausdruck gebracht werden, daß das Wort den Dienst des Bischofs
umfängt und behütet, und andererseits, daß das Leben des
Bischofs ganz dem Wort Gottes unterworfen sein muß in der täglichen
Hingabe an die Verkündigung des Evangeliums in geduldiger Belehrung (vgl.
2 Tim 4). Auch die Synodenväter haben mehrmals daran erinnert,
daß es der Bischof ist, der das Wort Gottes liebevoll bewahrt und mutig
verteidigt, indem er von seiner Heilsbotschaft Zeugnis gibt. Tatsächlich
geht der Sinn des bischöflichen munus docendi aus dem Wesen dessen
hervor, was bewahrt werden soll, nämlich der Schatz des Glaubens.
Unser Herr Christus hat seiner
Kirche in der Heiligen Schrift beider Testamente und in der Tradition den einen
Schatz der göttlichen Offenbarung anvertraut, der gleichsam ein Spiegel
ist, »in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer
irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von
Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist« .108 Dies
ist im Gang der Jahrhunderte bis heute geschehen: Wenn die verschiedenen
Gemeinden im Wechsel der Zeiten das immer neue und wirkungsvolle Wort annahmen,
haben sie folgsam auf die Stimme des Heiligen Geistes gehört und sich
bemüht, es in den aktuellen Zeitumständen der verschiedenen
geschichtlichen Epochen lebendig und wirksam werden zu lassen. So ist das überlieferte
Wort, die Tradition, immer bewußter zum Wort des Lebens geworden.
Währenddessen wurde die Aufgabe seiner Verkündigung und seiner
Bewahrung unter der Leitung und dem Beistand des Geistes der Wahrheit
fortschreitend verwirklicht als ununterbrochene Übermittlung von allem,
was die Kirche ist, und von allem, was sie glaubt.109
Diese Tradition, die ihren
Ursprung von den Aposteln herleitet, schreitet im Leben der Kirche fort, wie
das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat. In ähnlicher Weise wächst
und entfaltet sich das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte,
so daß im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner
Verwirklichung und in seinem Bekenntnis einer einzigartiger Einklang zwischen
Bischöfen und Gläubigen herrscht.110 Auf der
Suche nach der Treue zu dem Geist, der in der Kirche spricht, begegnen sich die
Gläubigen und die Hirten und festigen jene tiefen Glaubensbande, die
gleichsam das erste Moment des sensus fidei darstellen. Es ist
nützlich, diesbezüglich noch einmal die Worte des Zweiten
Vatikanischen Konzils zu hören: »Die Gesamtheit der Gläubigen,
welche die Salbung vom Heiligen Geist haben (vgl. 1 Joh 2, 10. 27), kann
im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch
den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn
sie ,,von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien'' ihre
allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten
äußert« .111
Darum ist das Leben der
Kirche und das Leben in der Kirche für jeden Bischof die
Voraussetzung für die Ausübung seines Lehramtes. Ein Bischof findet
seine Identität und seinen Platz innerhalb der Gemeinschaft der
Jünger des Herrn, in der er die Gabe des göttlichen Lebens und die
erste Unterweisung im Glauben empfangen hat. Jeder Bischof muß, besonders
wenn er von seinem Bischofsstuhl aus vor der Versammlung der Gläubigen
sein Amt als Lehrer in der Kirche ausübt, mit dem heiligen Augustinus
wiederholen können: »Von diesem Platz aus sind wir für euch
Lehrer; aber unter dem einen Lehrer sind wir in dieser Schule alle zusammen
Mitschüler« .112 In der Kirche, der Schule des
lebendigen Gottes, sind alle, Bischöfe und Gläubige, Mitschüler,
und alle bedürfen der Unterweisung durch den Geist.
Tatsächlich sind die Orte
zahlreich, von denen aus der Geist seine innere Belehrung erteilt:
zunächst das Herz jedes einzelnen und dann das Leben der verschiedenen
Teilkirchen, in denen die vielfältigen Bedürfnisse der Menschen und
der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften sichtbar werden und sich in
bekannten, aber auch in anderen, neuen Sprachen bemerkbar machen.
Der Geist verschafft sich noch
immer Gehör, während er in der Kirche unterschiedliche Formen von
Charismen und Diensten weckt. Gewiß auch aus diesem Grund waren in der
Synodenaula mehrmals Stimmen zu hören, die den Bischof nach dem Vorbild
des Guten Hirten, der seine Schafe kennt und jedes bei seinem Namen ruft, zur
direkten Begegnung und zum persönlichen Kontakt mit den Gläubigen
aufforderten, die in den seiner Hirtensorge anvertrauten Gemeinden leben. Denn
die häufige Begegnung des Bischofs vornehmlich mit seinen Priestern und
dann mit den Diakonen, mit den Ordensleuten und ihren Kommunitäten, mit
den gläubigen Laien, einzeln und in den verschiedenen Gruppierungen, hat
große Bedeutung für die Ausübung eines wirksamen Dienstes
inmitten des Volkes Gottes.
Der authentische und
autoritative Dienst am Wort
29. Mit der Bischofsweihe hat
jeder Bischof die grundlegende Sendung empfangen, mit Vollmacht das Wort zu verkünden.
Denn jeder Bischof ist kraft der heiligen Weihe authentischer Lehrer, der dem
ihm anvertrauten Volk den Glauben verkündet, der angenommen und im
sittlichen Leben umgesetzt werden muß. Das heißt, die Bischöfe
sind mit der Autorität Christi selbst ausgerüstet, und das ist der
fundamentale Grund, weswegen »die Bischöfe, wenn sie in Gemeinschaft
mit dem römischen Bischof lehren, von allen als Zeugen der göttlichen
und katholischen Wahrheit zu verehren sind. Die Gläubigen aber müssen
mit einem im Namen Christi vorgetragenen Urteil ihres Bischofs in Glaubens- und
Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem
Gehorsam anhangen« .113 In diesem Dienst an der
Wahrheit steht jeder Bischof der Gemeinde gegenüber, insofern er für
die Gemeinde da ist, der er seine pastorale Sorge zuwendet und für die er
eindringlich sein Gebet zu Gott erhebt.
Jeder Bischof gibt also das, was
er gehört und aus dem Herzen der Kirche empfangen hat, seinen Brüdern
zurück, für die er wie der Gute Hirt Sorge tragen muß. Der sensus
fidei erreicht in ihm seine Vollständigkeit. Das Zweite Vatikanische
Konzil lehrt nämlich: »Durch jenen Glaubenssinn, der vom Geist der
Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der
Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das
Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt (vgl. 1
Thess 2, 13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud
3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer
in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an« .114 Es
ist also ein Wort, das innerhalb der Gemeinde und ihr gegenüber nicht mehr
einfach das Wort des Bischofs als Privatperson ist, sondern das Wort des
Hirten, der den Glauben bestätigt, um das Geheimnis Gottes versammelt und
Leben hervorbringt.
Die Gläubigen brauchen das
Wort ihres Bischofs, sie brauchen die Bestätigung und die Läuterung
ihres Glaubens. Die Synodenversammlung hat ihrerseits dieses Bedürfnis
dadurch unterstrichen, daß sie einige spezifische Bereiche hervorhob, wo
das besonders spürbar ist. Einen dieser Bereiche stellt das kerygma, die
Erstverkündigung dar, die immer notwendig ist, um den Glaubensgehorsam zu
wecken, die sich aber gerade in der von religiöser Gleichgültigkeit
und Unwissenheit so vieler Christen gekennzeichneten Situation der heutigen
Zeit als noch dringender erweist.115 Auch im Bereich
der Katechese ist offensichtlich der Bischof der Katechet schlechthin. Die
markante Rolle heiliger und großer Bischöfe, deren katechetische
Texte noch heute voll Bewunderung konsultiert werden, ermutigt uns zu betonen,
daß es die stets aktuelle Aufgabe des Bischofs ist, die oberste Leitung
der Katechese zu übernehmen. Bei dieser Aufgabe soll er es nicht versäumen,
auf den Katechismus der Katholischen Kirche zu verweisen.
Es gilt daher noch immer, was ich
im Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae geschrieben
habe: »Ihr [Bischöfe] habt in euren Kirchen eine besondere Sendung;
ihr seid dort die für die Katechese zuallererst Verantwortlichen« .116
Deshalb ist es Pflicht jedes Bischofs, in seiner Teilkirche die
effektive Priorität einer aktiven und wirksamen Katechese zu
gewährleisten. Ja, er muß selber seine Sorge um die Katechese durch direktes
Eingreifen wahrnehmen, das darauf abzielt, eine echte Liebe für die
Katechese zu wekken und zu pflegen.117
Im Wissen um seine Verantwortung
im Bereich der Weitergabe des Glaubens und der Glaubenserziehung muß sich
jeder Bischof dafür einsetzen, daß ein ähnlicher Eifer bei
allen vorhanden ist, die aufgrund ihrer Berufung und Sendung zur Weitergabe des
Glaubens bestellt sind. Es handelt sich um die Priester und Diakone, um die
Gläubigen des geweihten Lebens, um die Familienväter und
-mütter, um die pastoralen Mitarbeiter und insbesondere die Katecheten
sowie auch um die Dozenten für Theologie und kirchliche Wissenschaften und
die Lehrer für katholischen Religionsunterricht.118 Deshalb
soll sich der Bischof sowohl um ihre grundlegende Ausbildung als auch um ihre
ständige Fortbildung kümmern.
Besonders nützlich ist auch
für diese seine Pflicht der offene Dialog und die Zusammenarbeit mit den
Theologen, denen es obliegt, den unergründlichen Reichtum des Mysteriums
Christi mit geeigneten Methoden zu vertiefen. Mögen es die Bischöfe
nicht versäumen, den Theologen wie auch den Schulen und akademischen
Lehranstalten, an denen diese tätig sind, Ermutigung und
Unterstützung zu bieten, damit sie ihre Arbeit als Dienst am Volk Gottes
in Treue zur Tradition und mit Achtsamkeit gegenüber den Erfordernissen
der Geschichte erfüllen.119 Wenn immer es
angebracht ist, sollen die Bischöfe mit Standhaftigkeit die Einheit und
Unversehrtheit des Glaubens verteidigen und hierbei mit Vollmacht beurteilen,
was dem Wort Gottes mehr oder weniger entspricht.120
Die Synodenväter haben die
Aufmerksamkeit der Bischöfe auch auf ihre lehramtliche Verantwortung im
Bereich der Moral gelenkt. Die von der Kirche aufgestellten Vorschriften
spiegeln die göttlichen Gebote wider, die ihre Zusammenfassung und ihre
Krönung im Liebesgebot des Evangeliums finden. Das Ziel, das jede
göttliche Vorschrift anstrebt, ist das höchste Wohl des Menschen.
Auch heute gilt die Empfehlung aus dem Buch Deuteronomium: »Ihr sollt nur
auf dem Weg gehen, den der Herr, euer Gott, euch vorgeschrieben hat, damit ihr
Leben habt und es euch gut geht« (5, 33). Man darf zudem nicht vergessen,
daß die Zehn Gebote fest in der menschlichen Natur selbst verwurzelt sind
und daß darum die Werte, die sie verteidigen, universale Gültigkeit
besitzen. Das gilt besonders für das menschliche Leben, das von seiner
Empfängnis bis zu seinem Ende durch den natürlichen Tod verteidigt
werden muß, die Freiheit der Menschen und Völker, die soziale
Gerechtigkeit und die Strukturen zu deren Durchsetzung.121
Der bischöfliche
Dienst für die Inkulturation des Evangeliums
30. Die Evangelisierung der
Kultur und die Inkulturation des Evangeliums sind ein wesentlicher Bestandteil
der Neuevangelisierung und somit eine Aufgabe gerade des Bischofsamtes.
Diesbezüglich griff die Synode einige meiner früheren
Äußerungen auf und wiederholte: »Ein Glaube, der nicht zur
Kultur wird, ist kein voll akzeptierter, ganzheitlich durchdachter und getreu
ins Leben umgesetzter Glaube« .122
Es handelt sich in Wirklichkeit
um eine alte und stets neue Aufgabe, die ihren Ursprung im Geheimnis der
Inkarnation hat und ihren Grund in der dem Evangelium innewohnenden
Fähigkeit, in jeder Kultur Wurzeln zu schlagen, ihr Form zu geben und sie
zu fördern, sie zu läutern und sie für die Fülle von
Wahrheit und Leben zu öffnen, die in Christus Jesus Wirklichkeit geworden
ist. Große Aufmerksamkeit wurde diesem Thema während der Kontinentalsynoden
geschenkt, von denen wertvolle Hinweise kamen. Ich selbst habe mich bei
mehreren Gelegenheiten damit befaßt.
Jeder Bischof wird daher in
Anbetracht der auf dem Gebiet seiner Teilkirche vorhandenen Kulturwerte eifrig
darum bemüht sein, daß das Evangelium unversehrt und unverkürzt
verkündet wird, um das Herz der Menschen und die Bräuche der
Völker zu formen. Eine wertvolle Hilfe in diesem Unterfangen der
Evangelisierung wird für ihn der Beitrag der Theologen sein, ebenso wie
der Beitrag der Fachleute bei der Bewertung des kulturellen,
künstlerischen und historischen Erbes der Diözese: Dies betrifft
sowohl die alte wie die neue Evangelisierung und stellt ein wirksames
pastorales Instrument dar.123
Von großer Bedeutung
für die Verkündigung des Evangeliums auf jedem »neuen Areopag« und
für die Weitergabe des Glaubens sind ebenfalls die sozialen
Kommunikationsmittel. Auch diesen galt die Aufmerksamkeit der
Synodenväter, die die Bischöfe zu einer größeren
Zusammenarbeit zwischen den Bischofskonferenzen sowohl auf nationaler wie auf
internationaler Ebene ermutigt haben, damit sich daraus eine qualifiziertere
Tätigkeit auf diesem heiklen und wertvollen Gebiet des sozialen Lebens
ergebe.124
Wo es um die Verkündigung
des Evangeliums geht, ist es in der Tat wichtig, sich außer um deren
Rechtgläubigkeit auch um eine einprägsame Präsentation zu
kümmern, die dem Hören und der Aufnahme der Verkündigung
förderlich ist. Dies schließt offensichtlich die Verpflichtung ein,
besonders in den Seminaren einen angemessenen Zeitraum für die Ausbildung
der Priesteramtskandidaten im Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel
einzuplanen, damit die zur Evangelisation Berufenen gute Verkündiger und
gute Kommunikatoren werden.
Predigen durch Wort und
Beispiel
31. Der Dienst des Bischofs als
Verkünder des Evangeliums und Bewahrer des Glaubens im Volk Gottes
wäre nicht vollständig dargestellt, würde der Hinweis auf die
Verpflichtung zur persönlichen Glaubwürdigkeit fehlen: Seine Lehrtätigkeit
setzt sich im Zeugnis und im Beispiel eines echten Glaubenslebens fort.
Würde der Bischof, der mit einer im Namen Jesu Christi ausgeübten
Autorität 125 das in der Gemeinde gehörte
Wort lehrt, selber nicht leben, was er lehrt, gäbe er der Gemeinde selbst
eine widersprüchliche Botschaft.
Es erscheint somit klar,
daß sämtliche Aktivitäten des Bischofs auf die
Verkündigung des Evangeliums, »eine Kraft Gottes, die jeden rettet,
der glaubt« (Röm 1, 16), ausgerichtet sein müssen. Seine
wesentliche Aufgabe ist es, dem Volk Gottes dabei zu helfen, dem Wort der
Offenbarung Glaubensgehorsam entgegenzubringen (vgl. Röm 1, 5) und
die Lehre Christi vollständig anzunehmen. Man könnte sagen, im
Bischof verbinden sich Sendung und Leben in einer Weise, daß man dabei
nicht mehr an zwei verschiedene Dinge denken darf: Wir Bischöfe sind
unsere Sendung. Erfüllten wir sie nicht, wären wir nicht mehr wir
selbst. Im Zeugnis unseres Glaubens wird unser Leben zum sichtbaren Zeichen der
Gegenwart Christi in unseren Gemeinden.
Das Lebenszeugnis wird für
den Bischof gleichsam ein neuer Ausweis von Autorität, der sich an die in
der Weihe empfangene objektive Gegebenheit annähert. So tritt an die Seite
der Autorität das Ansehen. Beides ist nötig. Denn aus dem einen
ersteht die objektive Forderung, daß die Gläubigen an der
authentischen Lehre des Bischofs festhalten; der zweite Aspekt erleichtert es
ihnen, Vertrauen in die Botschaft zu setzen. Ich möchte in diesem
Zusammenhang anführen, was ein großer Bischof der antiken Kirche, der
heilige Hilarius von Poitiers, geschrieben hat: »Der selige Apostel
Paulus, der das Idealbild eines zukünftigen Bischofs definieren und durch
seine Lehren einen völlig neuen Kirchenmann formen wollte, erklärte,
was bei ihm sozusagen das Maximum an Vollkommenheit wäre. Er sagte,
daß der Bischof eine sichere, mit dem Lehramt übereinstimmende Lehre
bekennen müsse, um zur gesunden Lehre auffordern und die Gegner widerlegen
zu können. [...] Einerseits wird ein Diener von untadeligem Leben, wenn er
nicht gebildet ist, höchstens sich selbst von Nutzen sein; andererseits
wird ein gebildeter Diener ohne Autorität in seiner Lehre sein, wenn sich
sein Leben nicht als untadelig erweist« .126
Der Apostel Paulus gebraucht
folgende Worte, um die zu befolgende Verhaltensweise festzulegen: »Gib
selbst ein Beispiel durch gute Werke. Lehre die Wahrheit unverfälscht und
mit Würde, mit gesunden, unanfechtbaren Worten; so wird der Gegner
beschämt und kann nichts Schlechtes über uns sagen« (Tit 2,
7-8).
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