VIERTES KAPITEL
DIENER DER GNADE
DES HÖCHSTEN PRIESTERTUMS
»Geheiligte in Christus Jesus, berufen
als Heilige« (1
Kor 1, 2)
32. Während ich mich
anschicke, eine der ersten und grundlegenden Aufgaben des Bischofs,
nämlich den Dienst der Heiligung, zu behandeln, bin ich mit meinen
Gedanken bei den Worten, mit denen sich der Apostel Paulus an die
Gläubigen von Korinth wandte und ihnen das Geheimnis ihrer Berufung
gleichsam vor Augen stellte: »Geheiligte in Christus Jesus und berufen als
Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall
anrufen« (1 Kor 1, 2). Die Heiligung des Christen verwirklicht sich im
Bad der Taufe, sie wird gestärkt durch die Sakramente der Firmung und der
Versöhnung und genährt von der Eucharistie, dem kostbarsten Gut der
Kirche, dem Sakrament, von dem die Kirche immerfort als Volk Gottes, Leib
Christi und Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut wird.127
Diener dieser Heiligung, die sich
im Leben der Kirche ausbreitet, ist der Bischof vor allem durch die heilige
Liturgie. Von der Liturgie und insbesondere von der Eucharistiefeier
heißt es, daß sie »Höhepunkt und Quelle des Lebens der
Kirche« ist.128 Gewissermaßen findet diese
Feststellung ihre Bestätigung im liturgischen Dienst des Bischofs, der
sich als zentraler Vorgang in seinem Wirken darstellt, das der Heiligung des
Gottesvolkes gilt.
Daraus wird die Bedeutung des
liturgischen Lebens in der Teilkirche deutlich, in der der Bischof sein Amt der
Heiligung ausübt, wenn er das Wort Gottes verkündigt und predigt, das
Gebet für sein Volk und mit seinem Volk leitet und der Feier
der Sakramente vorsteht. Aus diesem Grund erkennt die dogmatische Konstitution
Lumen gentium dem Bischof einen schönen Titel zu, der dem Gebet zur
Bischofsweihe im byzantinischen Ritus entnommen ist, nämlich »Verwalter
der Gnade des höchsten Priestertums, vornehmlich in der Eucharistie,
die er selbst darbringt oder darbringen läßt und aus der die Kirche
immerfort lebt und wächst« .129
Zwischen dem Dienst der Heiligung
und den beiden anderen Ämtern, dem der Lehre und dem der Leitung, besteht
eine tiefe innerer Zusammenhang. Denn die Verkündigung ist auf die
Teilnahme am göttlichen Leben ausgerichtet, das vom zweifachen Tisch des
Wortes und der Eucharistie geschöpft wird. Es entfaltet sich und wird
deutlich im täglichen Leben der Gläubigen, da alle gerufen sind, das,
was sie im Glauben empfangen haben, in ihrem Verhalten zum Ausdruck zu bringen.130
Das Leitungsamt vollzieht sich, wie das des Guten Hirten Jesus, in
Aufgaben und Werken, deren Ziel es ist, in der Gemeinschaft der Gläubigen
die Lebensfülle in der Liebe zum Lobpreis der Heiligsten Dreifaltigkeit
und als Zeugnis für deren liebende Gegenwart in der Welt sichtbar werden
zu lassen.
Daher verwirklicht jeder Bischof
bei der Ausübung des Heiligungsdienstes (munus sanctificandi) das,
was das Lehramt (munus docendi) zum Ziel hat, und schöpft zugleich
die Gnade für das Leitungsamt (munus regendi), indem er sein
Verhalten dem Bild Christi, des Hohenpriesters, so nachbildet, daß alles
auf den Aufbau der Kirche und die Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit
hingeordnet ist.
Quell und Höhepunkt
des Lebens der Teilkirche
33. Der Bischof übt das Amt
der Heiligung durch die Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente, durch
das Gotteslob der Stundenliturgie, durch den Vorsitz bei den anderen heiligen
Riten und auch durch die Förderung des liturgischen Lebens und der echten
Volksfrömmigkeit aus. Unter allen vom Bischof geleiteten Feiern kommt jenen
eine besondere Bedeutung zu, aus welchen die Eigenart des Bischofsamtes als
Fülle des Priestertums hervorgeht. Es handelt sich speziell um die
Spendung des Sakramentes der Firmung, um die Erteilung der Heiligen Weihen, um
die festliche Feier der Eucharistie, in der der Bischof von seinem Presbyterium
und von den anderen Amtsträgern umgeben ist – wie zum Beispiel in der
Liturgie der Chrisam-Messe –, um die Weihe von Kirchen und Altären, um die
Jungfrauenweihe und um andere für das Leben der Teilkirche wichtige Riten.
Bei diesen Feiern tritt der Bischof in sichtbarer Weise als Vater und Hirt der
Gläubigen auf, als »Hoherpriester« seines Volkes (vgl. Hebr 10,
21), als Beter und als Lehrer des Gebetes, der sich für seine Brüder verwendet
und mit dem Volk selbst den Herrn anfleht und ihm dankt, während er den
Primat Gottes und seiner Herrlichkeit hervorhebt.
Bei diesen verschiedenen
Anlässen sprudelt die göttliche Gnade wie aus einer Quelle. Sie
durchdringt das ganze Leben der Kinder Gottes während ihres Erdenweges und
lenkt es auf seinen Höhepunkt und seine Vollendung in der himmlischen
Heimat hin. Das Amt der Heiligung ist daher von grundlegender Bedeutung
für die Ausbreitung der christlichen Hoffnung. Der Bischof verkündet
nicht nur durch die Predigt des Wortes die Verheißungen Gottes und steckt
die Wege der Zukunft ab, sondern ermutigt das Volk Gottes auf seinem irdischen
Pilgerweg. Durch die Feier der Sakramente, Unterpfand der künftigen
Herrlichkeit, läßt er es seine letzte Bestimmung – in Gemeinschaft
mit der Jungfrau Maria und mit den Heiligen – in der unerschütterlichen
Gewißheit des endgültigen Sieges Christi über Sünde und
Tod und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit vorauskosten.
Die Bedeutung der Kathedralkirche
34. Der Bischof übt sein Amt
der Heiligung zwar in der ganzen Diözese aus, doch der Brennpunkt seines
Wirkens ist die Kathedralkirche, die gleichsam die Mutterkirche und der
Mittelpunkt der Teilkirche ist, wo alles zusammenläuft.
Die Kathedrale ist
tatsächlich der Ort, wo der Bischof seine Cathedra hat, von der aus er
sein Volk durch die Verkündigung anleitet und es wachsen läßt
und wo er bei den Feiern der Hauptfeste des Kirchenjahres und der Sakramente
den Vorsitz innehat. Eigens dann, wenn ein Bischof auf der Cathedra Platz
genommen hat, zeigt er sich der Versammlung der Gläubigen gegenüber
als der, der in loco Dei Patris den Vorsitz führt. Wie ich bereits
in Erinnerung gerufen habe, darf sich deshalb gemäß einer uralten,
im Osten und im Westen gültigen Tradition nur der Bischof auf den
Bischofsstuhl setzen. Das Vorhandensein dieser Cathedra macht ja eben die
Kathedralkirche für das Presbyterium der Diözese und für das
ganze heilige Volk Gottes zum räumlichen und geistlichen Zentrum der
Einheit und der Gemeinschaft.
Nicht vergessen werden darf in
diesem Zusammenhang die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in bezug
darauf, daß »alle das liturgische Leben des Bistums, in dessen
Mittelpunkt der Bischof steht, besonders in der Kathedralkirche, aufs
höchste schätzen sollen; sie sollen überzeugt sein, daß
die Kirche auf eine vorzügliche Weise dann sichtbar wird, wenn das ganze
heilige Gottesvolk voll und tätig an denselben liturgischen Feiern,
besonders an derselben Eucharistiefeier, teilnimmt: in der Einheit des Gebetes
und an dem einen Altar und unter dem Vorsitz des Bischofs, der umgeben ist von
seinem Presbyterium und den Dienern des Altars« .131 In
der Kathedrale, wo sich der Höhepunkt des Lebens der Kirche vollzieht,
erfüllt sich daher auch die erhabenste und heiligste Handlung des munus
sanctificandi des Bischofs, die – wie die Liturgie selbst, bei der er den
Vorsitz hat – die Heiligung des Menschen, die kultische Verehrung und die
Verherrlichung Gottes einschließt.
Spezielle Anlässe für
dieses Sichtbarwerden des Geheimnisses der Kirche sind einige besondere
liturgische Feiern. Ich denke dabei an die jährliche Liturgie der
Chrisam-Messe, die als »eine besonders charakteristische Ausdrucksform
dieser priesterlichen Vollgewalt des Bischofs und ein Zeichen der engen
Verbundenheit der Priester mit ihm« 132 angesehen
werden muß. Während dieser Feier wird zusammen mit dem
Krankenöl und dem Öl für die Katechumenen das heilige Chrisam
geweiht, als sakramentales Zeichen des Heiles und des vollkommenen Lebens
für alle, die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren wurden.
Zu den feierlichsten Liturgien sind natürlich auch jene zu zählen,
bei denen die heiligen Weihen erteilt werden: der eigentliche und normale Ort
für die Feier dieser Riten ist die Kathedralkirche.133 Weitere
Anlässe, wie der Jahrestag der Kirchweihe der Kathedrale oder die Feste
der Diözesanpatrone, mögen hinzukommen.
Diese und andere Anlässe
sind, entsprechend dem liturgischen Kalender jeder einzelnen Diözese,
wertvolle Gelegenheiten, um die Bande der Gemeinschaft mit den Priestern, den
Personen des geweihten Lebens und den gläubigen Laien neu zu festigen und
unter allen Gliedern der Teilkirche die Impulse zur Mission anzuregen. Darum
hebt das Cœremoniale Episcoporum die Bedeutung der Kathedralkirche
und der liturgischen Feiern hervor, die zum Wohl und zum Vorbild der ganzen
Ortskirche in ihr abgehalten werden.134
Der Bischof, Leiter der
Liturgie als Glaubenspädagogik
35. Die Synodenväter wollten
unter den heutigen Umständen auf die Bedeutung des Amtes der Heiligung
aufmerksam machen, das in der Liturgie ausgeübt wird. Diese soll so
verlaufen, daß ihre didaktische und erzieherische Wirksamkeit zum Tragen
kommt.135 Das erfordert, daß die liturgischen
Feiern wirklich Epiphanie des Mysteriums sind. Sie werden daher das
Wesen des Gottesdienstes dadurch klar zum Ausdruck bringen müssen,
daß sie den unverfälschten Sinn der Kirche, die betet und die
göttlichen Geheimnisse feiert, widerspiegeln. Wenn an den liturgischen
Feiern alle gemäß den verschiedenen Ämtern in angemessener
Weise teilnehmen, wird es ihnen nicht am Glanz der Würde und
Schönheit fehlen.
Ich selbst wollte bei der
Ausübung meines Amtes den liturgischen Feiern sowohl in Rom wie auch
während meiner apostolischen Reisen in die verschiedenen Kontinente und
Nationen eine Priorität verleihen. Indem ich die Schönheit und
Würde der christlichen Liturgie in allen ihren Ausdrucksformen aufstrahlen
ließ, beabsichtigte ich, den echten Sinn der Heiligung des Namens Gottes
zu fördern, um das religiöse Empfinden der Gläubigen zu bilden
und es für die Transzendenz zu öffnen.
Ich fordere daher meine
Mitbrüder im Bischofsamt als Lehrer des Glaubens und Teilhaber am
höchsten Priestertum Christi auf, sich mit aller Kraft um die authentische
Förderung der Liturgie zu bemühen. Sie verlangt, daß in der Art
und Weise ihrer Feier klar die geoffenbarte Wahrheit verkündet, das
göttliche Leben getreu weitergegeben und das ureigene Wesen der Kirche
unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird. Alle sollen sich der Bedeutung der
heiligen Feiern der Geheimnisse des katholischen Glaubens bewußt sein.
Die Wahrheit des christlichen Glaubens und Lebens wird nicht nur durch Worte,
sondern auch durch die sakramentalen Zeichen und die Gesamtheit der
liturgischen Riten weitergegeben. Der alte Grundsatz von der engen Bindung der
lex credendi an die lex orandi ist in diesem Zusammenhang
wohlbekannt.136
Jeder Bischof soll daher
beispielhaft die Kunst des liturgischen Vorsitzes vollziehen und sich dabei des
tractare mysteria bewußt sein. Er soll auch ein tiefes theologales
Leben haben, das sein Verhalten bei jedem Kontakt mit dem heiligen Gottesvolk
inspiriert. Er soll dazu fähig sein, den übernatürlichen Sinn
der Worte, der Gebete und der Riten so zu vermitteln, daß alle in die
Teilnahme an den heiligen Geheimnissen einbezogen werden. Darüber hinaus
muß der Bischof durch eine konkrete und angemessene Förderung der
Liturgiepastoral in der Diözese gewährleisten, daß sich die
Seelsorger und das Volk ein richtiges Verständnis der Liturgie und eine
entsprechende Erfahrung aneignen, um die Gläubigen zu jener vollen,
bewußten, tätigen und fruchtbaren Teilnahme an den heiligen
Geheimnissen gelangen zu lassen, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil
gewünscht wurde.137
Auf diese Weise werden die
liturgischen Feiern – und besonders jene, bei denen der Bischof in seiner
Kathedrale den Vorsitz innehat – eine klare Verkündigung des Glaubens der
Kirche sein, vorzügliche Gelegenheiten, bei denen der Hirt den
Gläubigen das Geheimnis Christi vor Augen stellt und ihnen hilft, nach und
nach darin einzudringen, um daraus eine freudige Erfahrung zu machen, die dann
in Werken der Liebe zu bezeugen ist (vgl. Gal 5, 6).
Angesichts der Bedeutung der
richtigen Weitergabe des Glaubens in der heiligen Liturgie der Kirche darf es
der Bischof nicht versäumen, zum Wohl der Gläubigen fürsorglich
darüber zu wachen, daß die geltenden liturgischen Vorschriften
immer, von allen und überall eingehalten werden. Das schließt auch
eine entschlossene und rechtzeitige Korrektur der Mißbräuche und die
Beseitigung von Eigenmächtigkeiten im liturgischen Bereich ein. Der Bischof
soll, soweit es von ihm abhängt, oder in Zusammenarbeit mit den
Bischofskonferenzen und den zuständigen liturgischen Kommissionen, auch
darauf achten, daß bei Rundfunk- und Fernsehübertragungen die
gleiche Würde und Wahrheit der liturgischen Handlungen gewahrt bleibt.
Die zentrale Stellung des
Tages des Herrn und des Kirchenjahres
36. Das Leben und das Amt des
Bischofs müssen von der Gegenwart des Herrn in seinem Geheimnis gleichsam
durchdrungen sein. Die diözesanweite Verbreitung der Überzeugung von
der in geistlicher, katechetischer und pastoraler Hinsicht zentralen Stellung
der Liturgie hängt zum Großteil vom Beispiel des Bischofs ab.
Im Mittelpunkt dieses seines
Dienstes steht die Feier des Paschamysteriums Christi am Tag des Herrn, dem
Sonntag. Wie ich öfters wiederholt und erst unlängst gesagt habe,
muß der Feier des Sonntags und der Eucharistiefeier an diesem Tag ihr
zentraler Charakter zurückgegeben werden, um in unserer Zeit ein starkes
Zeichen christlicher Identität zu setzen. Der Sonntag ist ein Tag, der
als »besonderer Tag des Glaubens, als Tag des auferstandenen Herrn und des
Geschenkes des Geistes, als wöchentliches Ostern« 138 wahrgenommen
werden muß.
Die Anwesenheit des Bischofs, der
am Sonntag – der auch der Tag der Kirche ist – in seiner Kathedrale oder in den
Pfarreien der Diözese die Eucharistiefeier leitet, kann für das
Gottesvolk auf seinem Pilgerweg ein beispielhaftes Zeichen der Treue zum
Geheimnis der Auferstehung und ein Grund zur Hoffnung sein – Sonntag für
Sonntag, bis zum achten Tag des ewigen Pascha, an dem die Sonne nicht
untergeht.139
Im Laufe des liturgischen Jahres
läßt die Kirche das ganze Mysterium Christi von der Menschwerdung
und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur hoffnungsvollen
Erwartung der glorreichen Wiederkunft des Herrn wieder lebendig werden.140
Besondere Aufmerksamkeit wird der Bischof natürlich auf die
Vorbereitung und Feier des Ostertriduums verwenden, das mit der feierlichen
Osternacht und seiner Fortführung in den fünfzig Tagen nach Ostern
das Herzstück des ganzen liturgischen Jahres ist.
Das liturgische Jahr mit seiner
zyklischen Abfolge kann für eine pastorale Planung des Lebens der
Diözese rund um das Mysterium Christi in Erwartung seiner Wiederkunft in
Herrlichkeit in geeigneter Weise erschlossen werden. Auf diesem Glaubensweg
hilft der Kirche das Gedenken an die selige Jungfrau Maria, die »im Himmel
schon mit Leib und Seele verherrlicht, [...] auch hier auf Erden [...] als
Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk
voranleuchtet« .141 Es ist eine Hoffnung, die sich
auch aus dem Gedächtnis der Märtyrer und der anderen Heiligen
nährt, »die, durch Gottes vielfältige Gnade zur Vollkommenheit
geführt, das ewige Heil bereits erlangt haben, Gott im Himmel das
vollkommene Lob singen und Fürsprache für uns einlegen« .142
Der Bischof, Diener der
Eucharistiefeier
37. Die Herzmitte des munus
sanctificandi des Bischofs ist die Eucharistie, die er selbst darbringt
oder darbringen läßt und in der sein Amt als »Verwalter« oder
Diener der Gnade des höchsten Priestertums besonders deutlich zutage
tritt.143
Vor allem als Hauptzelebrant der
Eucharistiefeier trägt der Bischof zum Aufbau der Kirche bei, dem
Geheimnis von Gemeinschaft und Sendung. Denn die Eucharistie ist das
wesentliche Lebensprinzip nicht nur der einfachen Gläubigen, sondern eben
der Gemeinschaft in Christus. Die durch die Verkündigung des Evangeliums
zusammengeführten Gläubigen bilden Gemeinden, in denen die Kirche
Christi wirklich gegenwärtig ist. Das wird bei der Feier des
eucharistischen Opfers in einzigartiger Weise offenkundig.144 Die
diesbezügliche Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist
bekannt: »In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen
Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener ,,Einheit des
mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann''. In diesen Gemeinden,
auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus
gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und
apostolische Kirche geeint wird. Denn ,,nichts anderes wirkt die Teilhabe an
Leib und Blut Christi, als daß wir in das übergehen, was wir
empfangen''« .145
Aus der Eucharistiefeier,
die »Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation« 146 ist,
entspringt auch das ganze missionarische Engagement der Kirche, das darauf
ausgerichtet ist, durch das Zeugnis des Lebens anderen das im Glauben gelebte
Geheimnis deutlich zu machen.
Unter all den Obliegenheiten des
Hirtenamtes des Bischofs ist die Verpflichtung zur Feier der Eucharistie die
dringendste und wichtigste. Zu einer seiner Hauptaufgaben gehört es auch,
dafür zu sorgen, daß die Gläubigen die Möglichkeit haben,
zum Tisch des Herrn zu kommen, vor allem am Sonntag, dem Tag, an dem, wie ich
schon sagte, die Kirche als Gemeinschaft und Familie der Kinder Gottes rund um
ihre Priester ihre besondere christliche Identität findet.147
Es kommt allerdings vor,
daß manchenorts wegen des Priestermangels oder aus anderen
schwerwiegenden und zeitlich fortdauernden Gründen nicht mit angemessener
Regelmäßigkeit für die Eucharistiefeier gesorgt werden kann.
Das erhöht die Verpflichtung des Bischofs als Vater der Familie der
Gläubigen und Diener der Gnade, immer sorgfältig die
tatsächlichen Bedürfnisse und den Ernst der jeweiligen Situation zu
erkennen und richtig zu beurteilen. Es wird notwendigerweise eine kluge
Verteilung der zum Presbyterium gehörenden Geistlichen vorgenommen werden
müssen, so daß auch bei solchen oder ähnlichen Notlagen die
Gemeinden nicht zu lange ohne Eucharistiefeier bleiben.
In Ermangelung der heiligen Messe
wird der Bischof der Gemeinde, die gleichwohl immer in Erwartung der Fülle
der Begegnung mit Christus in der Feier des Ostergeheimnisses verweilt,
zumindest an den Sonn- und Festtagen die Teilnahme an einer Feier besonderer
Art ermöglichen. In diesem Fall werden die Gläubigen bei
sonntäglichen Gottesdiensten, wie sie in Abwesenheit eines Priesters unter
dem Vorsitz verantwortlicher Leiter vorgesehen sind, die Gabe der
Wortverkündigung und der heiligen Kommunion empfangen können.148
Der Bischof als
Verantwortlicher für die christliche Initiation
38. Unter den gegenwärtigen
Verhältnissen in Kirche und Welt erweist sich nicht nur in den jungen
Kirchen, sondern auch in den Ländern, wo das Christentum seit
Jahrhunderten fest etabliert ist, die Wiederherstellung der großartigen
Tradition der christlichen Initiationsordnung, vor allem für die
Erwachsenen, als von der Vorsehung bestimmt. Es war dies eine weise und
nützliche Verfügung des Zweiten Vatikanischen Konzils,149
das auf diese Weise vielen Männern und Frauen einen Weg zur
Begegnung mit Christus und mit der Kirche anbieten wollte: Menschen, die, von
der Gnade des Geistes ergriffen, begierig darauf sind, mit dem Mysterium des
Heiles in dem für uns gestorbenen und auferstandenen Christus eine enge
Beziehung einzugehen.
Durch den Weg der christlichen
Initiation werden die Katechumenen allmählich und in Übereinstimmung
mit dem Ursprung, der Entwicklung und dem Wachstum des natürlichen Lebens
in die Kenntnis des Geheimnisses Christi und der Kirche eingeführt. Denn
nachdem die Gläubigen in der Taufe wiedergeboren und zu Teilhabern am
königlichen Priestertum geworden sind, werden sie durch die Firmung, deren
ordentlicher Spender der Bischof ist, gestärkt und empfangen so eine
besondere Ausgießung der Gaben des Geistes. Wenn sie dann an der
Eucharistie teilnehmen, werden sie mit der Speise des ewigen Lebens
genährt und voll in die Kirche, den mystischen Leib Christi,
eingegliedert. Auf diese Weise sind die Gläubigen »aufgrund dieser
Sakramente der Initiation ins Christentum imstande, immer mehr und immer besser
die Schätze des göttlichen Lebens auszukosten und voranzuschreiten
bis zur Erlangung der Vollkommenheit in der Liebe« .150
Unter Berücksichtigung der
heutigen Lebensumstände sollen die Bischöfe die Bestimmungen des Ritus
der Aufnahme Erwachsener in die Kirche umsetzen. Es soll ihnen deswegen ein
Herzensanliegen sein, daß in jeder Diözese die notwendigen
Strukturen und Mitarbeiter in der Seelsorge vorhanden sind, um die
möglichst würdige und wirksame Umsetzung der Bestimmungen und der
liturgischen, katechetischen und pastoralen Disziplin der christlichen
Initation – den Erfordernissen unserer Zeit angepaßt – zu
gewährleisten.
Wegen seines Charakters der
allmählichen Einführung in das Geheimnis Christi und der Kirche –
Geheimnis, das in jeder Teilkirche lebt und wirksam ist –, macht der Weg der
christlichen Initiation das Zugegensein und den Dienst des
Diözesanbischofs erforderlich. Das gilt besonders in der Hauptphase des
Weges, das heißt bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Firmung
und der Eucharistie, die in der Regel in der Osternacht erfolgt.
Aufgabe des Bischofs ist es auch,
alles den Kirchengesetzen entsprechend zu regeln, was sich auf die christliche
Initiation von Kindern und Jugendlichen bezieht. Er muß deren angemessene
katechetische Vorbereitung und ihre stufenweise Einbindung in das Leben der
Gemeinde festlegen. Er wird auch darüber wachen müssen, daß
etwaige Abschnitte des Katechumenats oder der Wiederaufnahme und
Bestärkung der Wege der christlichen Initiation oder der Annäherung
an Gläubige, die sich von dem normalen Glaubensleben der Gemeinde entfernt
haben, gemäß den Normen der Kirche und in vollem Einklang mit dem
Leben der Pfarrgemeinden in der Diözese verlaufen.
Was schließlich das
Sakrament der Firmung betrifft, soll der Bischof als der ordentliche Spender
dafür sorgen, daß normalerweise er selber dieses Sakrament spendet.
Seine Anwesenheit inmitten der Pfarrei, die wegen des Taufbeckens und des
Altars für die Eucharistie der übliche Ausgangspunkt des christlichen
Initiationsweges ist, erinnert eindrucksvoll an das Pfingstgeheimnis und
erweist sich als äußerst nützlich, um die Bande der kirchlichen
Gemeinschaft zwischen Hirt und Gläubigen zu festigen.
Die Verantwortung des
Bischofs in der Bußdisziplin
39. Die Synodenväter haben
in ihren Beiträgen der Bußdisziplin besondere Aufmerksamkeit
gewidmet, indem sie deren Bedeutung herausstellten und daran erinnerten,
daß die Bischöfe als Nachfolger der Apostel besondere Sorge auf die
Pastoral und Disziplin des Bußsakramentes verwenden müssen. Mit
Freude habe ich vernommen, daß alles, was meine tiefste Überzeugung
ist, von ihnen bestätigt wurde, daß nämlich diesem Sakrament
der Kirche, Quelle der Versöhnung, des Friedens und der Freude für
uns alle, die wir das Erbarmen des Herrn und die Heilung der Wunden der
Sünde nötig haben, die höchste pastorale Sorge gelten muß.
Als Hauptverantwortlichem
für die Bußdisziplin in seiner Teilkirche obliegt dem Bischof
zuallererst die Aufgabe der kerygmatischen Aufforderung zu Umkehr und
Buße. Es ist seine Pflicht, mit evangeliumsgemäßer Freiheit
das traurige und zerstörerische Vorhandensein der Sünde im Leben der
Menschen und in der Geschichte der Gemeinden aufzuzeigen. Gleichzeitig
muß er das unergründliche Geheimnis der Barmherzigkeit verkünden,
die Gott uns im Kreuz und in der Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus und
in der Ausgießung des Geistes zur Vergebung der Sünden geschenkt
hat. Diese Botschaft, die auch Einladung zur Versöhnung und Hinweis auf
die Hoffnung ist, bildet das Herzstück des Evangeliums. Es ist die erste
Verkündigung der Apostel am Pfingsttag, eine Verkündigung, in der
sich der Sinn der Heilsgnade selbst, die uns durch die Sakramente vermittelt
wird, offenbart.
Der Bischof soll auf passende
Weise ein vorbildlicher Diener des Bußsakramentes sein und es selbst
häufig und pflichtgetreu in Anspruch nehmen. Unablässig soll er seine
Priester dazu ermahnen, dem bei der Priesterweihe empfangenen Dienst der
Versöhnung große Wertschätzung entgegenzubringen. Dabei wird er
sie ermutigen, diesen Dienst mit Hochherzigkeit und Sinn für das
Übernatürliche auszuüben, indem sie den Vater nachahmen, der
diejenigen, die in das Vaterhaus zurückkehren, aufnimmt, wie auch
Christus, den Guten Hirten, der das verirrte Schaf auf seinen Schultern
trägt.151
Die Verantwortung des Bischofs
erstreckt sich auch auf die Pflicht, darauf zu achten, daß die
Inanspruchnahme der Generalabsolution nicht außerhalb der geltenden
Rechtsnormen erfolgt. In diesem Zusammenhang habe ich im Motu proprio Misericordia
Dei unterstrichen, daß die Bischöfe die Pflicht haben, auf die
geltende Regelung hinzuweisen, nach welcher das persönliche und
vollständige Bekenntnis und die Absolution den einzigen ordentlichen Weg
bilden, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde
bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Allein physische
oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis;
in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden.
Der Bischof soll es daher nicht versäumen, alle, denen von Amts wegen die
Seelsorge aufgetragen ist, an ihre Pflicht zu erinnern, den Gläubigen die
Gelegenheit zu bieten, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.152
Er soll auch nachprüfen lassen, ob den Gläubigen
tatsächlich größtmögliche Erleichterungen gewährt
werden, um beichten zu können.
In Anbetracht der im Lichte der
Tradition und des Lehramtes der Kirche bestehenden engen Verbindung zwischen
dem Sakrament der Versöhnung und der Teilnahme an der Eucharistie ist es
heute immer dringender geboten, das Gewissen der Gläubigen dahingehend zu
bilden, daß sie auf würdige und fruchtbringende Weise am
eucharistischen Mahl teilnehmen, indem sie es im Zustand der Gnade empfangen.153
Außerdem ist es
nützlich, daran zu erinnern, daß dem Bischofs ebenso die Aufgabe
zukommt, auf angemessene Weise und durch eine umsichtige Auswahl geeigneter
Priester – unter Beachtung der jüngsten Dokumente des Heiligen Stuhls 154
– die Disziplin festzusetzen, die die Leitung bei der
Durchführung von Exorzismen und bei Heilungsgottesdiensten regelt.
Aufmerksamkeit
gegenüber der Volksfrömmigkeit
40. Die Synodenväter haben
die Bedeutung der Volksfrömmigkeit bei der Weitergabe und Entwicklung des
Glaubens betont. Die Volksfrömmigkeit birgt nämlich, wie mein
Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Paul VI., gesagt hat, sowohl Gott wie
den Brüdern gegenüber wertvolle Reichtümer,155 so
daß sie einen wahren Schatz an Spiritualität im Leben der
christlichen Gemeinschaft darstellt.
Auch in unserer Zeit, in der ein
verbreiteter Durst nach Spiritualität festzustellen ist, der vielfach
Menschen dazu verleitet, sich religiösen Sekten oder anderen Formen eines
nebulösen Spiritualismus anzuschließen, sind die Bischöfe dazu aufgerufen,
den Wert und die Formen echter Volksfrömmigkeit zu erkennen und zu
fördern.
Immer noch aktuell bleibt, was im
Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi geschrieben
steht: »Allen, die der Herr zu Leitern kirchlicher Gemeinschaften bestellt
hat, muß die pastorale Liebe die Normen des Verhaltens gegenüber
dieser Haltung eingeben, die reich und gefährdet zugleich ist. Vor allem
muß man einfühlsam genug sein, ihre innere Vielfalt und ihre
unleugbaren Werte erkennen zu können, und bereit sein, dabei zu helfen,
daß gefährliches Abweichen vom Weg vermieden wird. Gut ausgerichtet,
kann die Volksfrömmigkeit mehr und mehr für viele Menschen zu einer
echten Begegnung mit Gott in Jesus Christus werden« .156
Es gilt also, diese
Religiosität zu lenken, während man gegebenenfalls ihre
Ausdrucksformen den Grundsätzen des christlichen Glaubens und Lebens
entsprechend läutert. Die Gläubigen sollen durch die
Volksfrömmigkeit zur persönlichen Begegnung mit Christus, zur Gemeinschaft
mit der Seligen Jungfrau Maria und mit den Heiligen geführt werden; das
geschieht insbesondere durch das Hören des Wortes Gottes, durch die
Hinwendung zum Gebet, durch die Teilnahme am sakramentalen Leben, durch das
Zeugnis der Liebe und durch Werke der Barmherzigkeit.157
Für eine umfassendere
Betrachtung dieses Themas und für eine Reihe wertvoller theologischer,
pastoraler und spiritueller Empfehlungen möchte ich auf die von diesem
Apostolischen Stuhl herausgegebenen Dokumente verweisen; dort wird daran erinnert,
daß alle Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit in einer Diözese
unter der Verantwortung des Bischofs stehen. Ihm steht es zu, sie zu ordnen,
sie in ihrer Hilfsfunktion zu einem christlichen Leben für die
Gläubigen zu fördern und sie dort, wo es notwendig ist, zu läutern
und nach dem Evangelium zu formen.158
Die Förderung der
Heiligkeit aller Gläubigen
41. Die Heiligkeit des
Gottesvolkes, auf die der Heiligungsdienst des Bischofs hingeordnet ist, ist
Geschenk der göttlichen Gnade und Ausdruck des Primats Gottes im Leben der
Kirche. Der Bischof muß daher in seinem Dienst unermüdlich eine
wahre und wirkliche Pastoral und Pädagogik der Heiligkeit fördern, um
so das Programm zu verwirklichen, das im fünften Kapitel der Konstitution Lumen
gentium über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit aufgestellt wurde.
Dieses Programm habe ich selbst
zum Beginn des dritten Jahrtausends der ganzen Kirche als pastorale
Priorität und als Ergebnis des großen Jubiläums der
Menschwerdung vorgelegt.159 Denn die Heiligkeit ist
auch heute noch ein Zeichen der Zeit, ein Beweis für die Wahrheit des
Christentums, die in seinen besten Vertretern aufleuchtet, sowohl in denen, die
in großer Zahl zur Ehre der Altäre erhoben worden sind, als auch in
jenen noch viel zahlreicheren, die im Verborgenen die Geschichte der Menschen
durch die demütige und fröhliche Heiligkeit des Alltags befruchtet
haben und weiterhin befruchten. In der Tat, auch in unserer Zeit fehlt es nicht
an wertvollen Zeugnissen von Formen persönlicher und gemeinschaftlicher
Heiligkeit, die für alle, auch für die jungen Generationen, ein
Zeichen der Hoffnung sind.
Um also das Zeugnis der
Heiligkeit hervortreten zu lassen, fordere ich meine Brüder im Bischofsamt
auf, die Zeichen der Heiligkeit und der heroischen Tugenden, die auch heute
noch auftreten, zu sammeln und bekanntzugeben, besonders dann, wenn sie
gläubige Laien ihrer Diözesen, vor allem christliche Eheleute,
betreffen. Wo es sich dann als opportun erweist, ermuntere ich sie, die
diesbezüglichen Selig- oder Heiligsprechungsprozesse anzuregen und zu
fördern.160 Das kann für alle ein
Hoffnungszeichen sein und für den Weg des Gottesvolkes ein Grund zur
Ermutigung, vor der Welt Zeugnis zu geben von der ständigen Gegenwart der
Gnade im Gefüge der menschlichen Geschichte.
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