FÜNFTES KAPITEL
DAS PASTORALE LEITUNGSAMT
DES BISCHOFS
»Ich habe euch ein Beispiel gegeben« (Joh 13, 15)
42. Das Zweite Vatikanische
Konzil behandelt die Aufgabe der Bischöfe, die Familie Gottes zu leiten
sowie die beständige und tägliche Sorge für die Herde des Herrn
Jesus wahrzunehmen, und führt hierzu aus, daß sie sich bei der
Ausübung ihres Vater- und Hirtenamtes inmitten ihrer Gläubigen wie
jene verhalten sollen, »die dienen« . Dabei mögen sie immer das
Beispiel des Guten Hirten vor Augen haben, der nicht gekommen ist, um sich
bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben für seine Schafe
hinzugeben (vgl. Mt 20, 28; Mk 10, 45; Lk 22, 26-27;
Joh 10, 11).161
Dieses Bild von Jesus, dem
höchsten Vorbild des Bischofs, findet seinen beredten Ausdruck in der
Fußwaschung, von der im Johannesevangelium berichtet wird: »Es war
vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um
aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der
Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung [...] Er
stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem
Leinentuch. Dann goß er Wasser in eine Schüssel und begann, den
Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch
abzutrocknen, mit dem er umgürtet war [...] Als er ihnen die
Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen
hatte, sagte er zu ihnen: [...] Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch
ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe« (13, 1-15).
Betrachten wir nun Jesus,
während er diese Handlung vollzieht, die uns als ein Schlüssel zum
Verständnis seiner Person und seiner Sendung, seines Lebens und seines
Todes erscheint. Betrachten wir auch Jesu Liebe, die sich in die Tat, in
konkrete Handlungen umsetzt. Betrachten wir Jesus, der sich ganz und gar
entäußerte und wie ein Sklave wurde (vgl. Phil 2, 7). Er, der
Meister und Herr, dem der Vater alles in die Hand gegeben hatte, liebte uns bis
zur Vollendung, bis zur völligen Auslieferung an die Menschen in der
Hinnahme all dessen, was sie ihm später antun würden. Jene Handlung
Jesu ist eine Handlung der Liebe, die er im Zusammenhang mit der Einsetzung der
Eucharistie und in der klaren Perspektive seines Leidens und Sterbens
vollbracht hat. Diese Geste offenbart den Sinn der Menschwerdung Gottes, aber
noch mehr das Wesen Gottes selbst. Gott ist die Liebe. Deshalb hat er
Knechtsgestalt angenommen: Gott stellt sich in den Dienst des Menschen, um den
Menschen zur vollen Gemeinschaft mit ihm zu führen.
Wenn also der Meister und Herr
diese Züge trägt, dann kann der Sinn des Amtes und des Wesens dessen,
der wie die Zwölf dazu berufen ist, in die größte Vertrautheit
mit Jesus einzutreten, nur in der völligen, bedingungslosen
Verfügbarkeit gegenüber den anderen bestehen – sowohl gegenüber
denen, die schon zum Schafstall gehören, als auch gegenüber jenen,
die noch nicht dazu gehören (vgl. Joh 10, 16).
Die Vollmacht des
Hirtendienstes des Bischofs
43. Der Bischof ist im Namen
Christi als Hirte gesandt, um für einen bestimmten Teil des Gottesvolkes
Sorge zu tragen. Durch das Evangelium und durch die Eucharistie soll er ihn als
eine Realität der Gemeinschaft im Heiligen Geist wachsen lassen.162
Daraus leitet sich für den Bischof die Stellvertretung und
Leitung der ihm anvertrauten Kirche ab, zusammen mit der erforderlichen Gewalt
zur Ausübung seines im Sakrament empfangenen Hirtenamtes (munus pastorale)
als Teilhabe an der Weihe und Sendung Christi.163 Aufgrund
dessen »leiten die Bischöfe die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als
Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in
Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer
Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen, eingedenk, daß der
Größere werden soll wie der Geringere und der Vorsteher wie der
Diener (vgl. Lk 22, 26-27)« .164
Dieser Abschnitt aus dem Konzil
ist eine wunderbare Zusammenfassung der katholischen Lehre hinsichtlich des
pastoralen Leitungsamtes des Bischofs und wird auch im Ritus der Bischofsweihe
wiedergegeben: »Das Bischofsamt ist nicht zur persönlichen Ehre
gegeben, sondern es ist eine Aufgabe, und der Bischof ist nicht da, zu
herrschen, sondern zu dienen – wie der Herr geboten hat« .165 Hier
liegt das Grundprinzip, wonach in der Kirche, gemäß der Aussage des
heiligen Paulus, die Autorität den Aufbau des Gottesvolkes, nicht seine
Zerstörung zum Ziel hat (vgl. 2 Kor 10, 8). Der Aufbau der Herde
Christi in der Wahrheit und Heiligkeit verlangt seitens des Bischofs, wie in
der Synodenaula wiederholt gesagt wurde, einige besondere Eigenschaften: unter
anderem eine musterhafte Lebensführung, die Fähigkeit zu echten und
konstruktiven Beziehungen zu den Menschen, das Geschick, Zusammenarbeit
anzuregen und zu entfalten, Herzensgüte und Geduld, Verständnis und
Mitleid für die seelischen und leiblichen Nöte sowie Nachsicht und
Vergebungsbereitschaft. Es geht in der Tat darum, dem höchsten Vorbild,
Jesus, dem Guten Hirten, auf bestmögliche Weise Ausdruck zu verleihen.
Die bischöfliche Gewalt ist
eine echte Gewalt, die aber vom Licht des Guten Hirten erleuchtet und nach
seinem Vorbild gestaltet ist. Sie wird im Namen Christi ausgeübt und ist
eine »eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt, auch wenn ihr Vollzug
letztlich von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt wird und im
Hinblick auf den Nutzen der Kirche oder der Gläubigen mit bestimmten
Grenzen umschrieben werden kann. Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe
das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre
Untergebenen zu erlassen, zu urteilen und alles, was zur Ordnung des
Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln« .166 Der
Bischof ist also kraft des Amtes, das er erhalten hat, mit einer objektiven
rechtlichen Gewalt ausgestattet, die dazu bestimmt ist, sich in Vollmachtsakten
zu äußern, durch die das im Sakrament empfangene Leitungsamt (munus
pastorale) ausgeübt wird.
Die Leitungsgewalt des Bischofs
wird jedoch – daran gilt es auch in diesem Fall zu erinnern – pastoral wirksam
sein, wenn sie sich auf moralisches Ansehen stützt, das auf der Heiligkeit
seines Lebens beruht. Dies wird die Herzen bereit machen, das vom Bischof in
seiner Kirche verkündete Evangelium ebenso anzunehmen wie die
Vorschriften, die von ihm zum Wohl des Gottesvolkes erlassen wurden. Der
heilige Ambrosius mahnte daher: »Bei den Priestern suche man nichts
Ordinäres, nichts, was sie mit den Neigungen, Gewohnheiten und
Bräuchen der ungehobelten Masse gemein hätten. Die priesterliche
Würde erfordert eine Ernsthaftigkeit, die sich vom Getümmel
fernhält, ein strenges Leben und einen vortrefflichen Ruf« .167
Die Ausübung der
Autorität in der Kirche darf, eben weil es sich um eine aus dem Zeugnis
hervorgegangene Vollmacht handelt, nicht als etwas Unpersönliches und
Bürokratisches verstanden werden. In allem, was der Bischof sagt und tut,
muß die Autorität des Wortes und Handelns Christi offenbar werden.
Wenn dem Leben des Bischofs der Ruf der Heiligkeit, das heißt sein
Zeugnis für Glaube, Hoffnung und Liebe, fehlte, könnte seine Leitung
vom Gottesvolk kaum als Ausdruck der wirksamen Gegenwart Christi in seiner
Kirche angenommen werden.
Die Bischöfe stehen nach dem
Willen des Herrn im Dienste des apostolischen Charakters der Kirche und sind
mit der Macht des Geistes des Vaters, der lenkt und leitet (Spiritus
principalis), ausgestattet. Insofern sind sie nicht nur in der
Autorität und in der heiligen Vollmacht Nachfolger der Apostel, sondern
auch in der Gestalt des apostolischen Lebens, in den Leiden der Apostel
für die Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums, in der
liebevollen und barmherzigen Sorge für die ihnen anvertrauten Gläubigen,
in der Verteidigung der Schwachen, in der beständigen Zuwendung zum
Gottesvolk.
In der Synodenaula wurde darauf
hingewiesen, daß sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die
Ausübung der Autorität in der Kirche oft als mühsam erwiesen
hat. Auch wenn einige der ärgsten Schwierigkeiten überwunden
scheinen, hält diese Situation noch immer an. Daher stellt sich die Frage,
wie der notwendige Dienst der Autorität besser verstanden, angenommen und
erfüllt werden könne. Hierzu ergibt sich eine erste Antwort aus dem
Wesen der kirchlichen Autorität selbst: Sie ist Teilhabe an der Sendung
Christi, die in Demut, Hingabe und Dienst auszuüben ist – und muß
sich möglichst klar als solche erweisen.
Die Autorität des Bischofs
kommt nicht in Äußerlichkeiten zur Geltung, sondern in der Vertiefung
der theologischen, spirituellen und moralischen Bedeutung seines Amtes, das im
Charisma der Apostolizität gründet. Was in der Synodenaula über
die Ikone der Fußwaschung und die in diesem Zusammenhang festgestellte
Verbindung zwischen der Gestalt des Dieners und jener des Hirten gesagt wurde,
macht verständlich, daß das Bischofsamt dann wirklich eine Ehre ist,
wenn es Dienst ist. Jeder Bischof muß daher auf sich selbst das Wort Jesu
anwenden: »Ihr wißt, daß die, die als Herrscher gelten, ihre
Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die
Menschen mißbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer
bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der
Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist
nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben
hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mk 10, 42-45). Dieser
Worte des Herrn eingedenk, übt der Bischof mit dem Herzen des
demütigen Dieners und liebevollen Hirten, der seine Herde führt, sein
Hirtenamt aus, indem er die Ehre Gottes und das Heil der Seelen sucht (vgl.
Lk 22, 26-27). Wenn sie so gelebt wird, ist die Autorität des Bischofs
in der Tat eine in der Welt einzigartige Form der Leitung.
Es wurde bereits auf den Text von
Lumen gentium hingewiesen, wo es heißt, daß die Bischöfe
die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte
Christi »durch Rat, Zuspruch, Beispiel« 168 leiten.
Es besteht kein Widerspruch zu den nachfolgenden Worten, wenn das Konzil
hinzufügt, daß die Bischöfe zwar »durch Rat, Zuspruch,
Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht« 169 leiten.
Es handelt sich in der Tat um eine »heilige Vollmacht«, die im moralischen
Ansehen wurzelt, das den Bischof kraft der Heiligkeit seines Lebens
auszeichnet. Diese begünstigt die Annahme seiner gesamten
Leitungstätigkeit und macht sie wirksam.
Pastoraler Leitungsstil und
diözesane Gemeinschaft
44. Die gelebte kirchliche
Gemeinschaft soll den Bischof zu einem pastoralen Stil führen, der der
Mitarbeit aller immer offener gegenübersteht. Es besteht eine Art
Kreislauf zwischen dem, was der Bischof mit persönlicher Verantwortung zum
Wohl der seiner Sorge anvertrauten Kirche zu entscheiden hat, und dem Beitrag,
den die Gläubigen ihm mittels der beratenden Organe wie
Diözesansynode, Priesterrat, Bischofsrat und Pastoralrat leisten
können.170
Die Synodenväter haben es
nicht versäumt, auf die Modalitäten der Ausübung der
bischöflichen Leitung Bezug zu nehmen, durch welche die pastorale
Tätigkeit in der Diözese organisiert wird.171 Denn
die Teilkirche steht nicht nur in Beziehung zum dreifachen Amt des Bischofs (munus
episcopale), sondern auch zum dreifachen – prophetischen, priesterlichen
und königlichen – Amt des ganzen Gottesvolkes. Alle Gläubigen haben
kraft der Taufe in der ihnen eigenen Weise an dem dreifachen munus Christi
Anteil. Ihre wirkliche Gleichheit in der Würde und in der Tätigkeit
sorgt dafür, daß alle zur Mitwirkung am Aufbau des Leibes Christi
berufen sind, folglich zur Verwirklichung der Sendung, die Gott der Kirche in
der Welt anvertraut hat – jeder gemäß seiner eigenen Stellung und
seiner eigenen Aufgaben.172
Jede Art von Differenzierung
zwischen den Gläubigen aufgrund der verschiedenen Charismen, Aufgaben und
Ämter ist auf den Dienst an den anderen Gliedern des Gottesvolkes
hingeordnet. Die ontologisch-funktionale Differenzierung, die den Bischof
aufgrund der Fülle des empfangenen Weihesakraments den anderen Gläubigen »gegenüber«
stellt, ist ein Sein für die anderen Gläubigen, das ihn nicht
aus seinem Sein mit ihnen entwurzelt.
Die Kirche ist eine organische
Gemeinschaft, die sich in der Koordinierung der verschiedenen Charismen,
Ämter und Dienste im Hinblick auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles,
des Heils nämlich, verwirklicht. Der Bischof ist für die
Verwirklichung dieser Einheit in der Verschiedenheit verantwortlich. Dabei
muß er, wie bei der Synodenversammlung gesagt wurde, das Zusammenwirken
der verschiedenen Beteiligten so fördern, daß es möglich ist,
miteinander den gemeinsamen Weg des Glaubens und der Sendung zu beschreiten.173
Dazu muß man allerdings
hinzufügen, daß sich das Dienstamt des Bischofs keineswegs auf die
Aufgabe eines einfachen Moderators beschränken läßt. Das
munus episcopale schließt seiner Natur nach das klare und
unmißverständliche Recht und die Pflicht zur Leitung ein, worin auch
die Komponente der Rechtsprechung inbegriffen ist. Die Bischöfe sind
öffentliche Zeugen, und ihre potestas testandi fidem erreicht in
der potestas iudicandi ihre Fülle: Der Bischof ist nicht nur
berufen, den Glauben zu bezeugen, sondern auch die
Glaubensäußerungen der seiner Hirtensorge anvertrauten
Gläubigen zu beurteilen und zu maßregeln. In der Erfüllung
dieser seiner Aufgabe wird er alles mögliche unternehmen, um den Konsens
seiner Gläubigen herbeizufühen, aber schließlich muß er
wissen, die Verantwortung für seine Entscheidungen auf sich zu nehmen, die
seinem pastoralen Gewissen notwendig erscheinen – besorgt vor allem um das
künftige Gericht Gottes.
Die kirchliche Gemeinschaft in
ihrer organischen Verfaßtheit ruft den Bischof zur persönlichen
Verantwortung, setzt aber auch die Beteiligung aller Kategorien von
Gläubigen voraus, insofern sie für das Wohl der Teilkirche, die sie
selbst bilden, mitverantwortlich sind. Was die Authentizität dieser
organischen Gemeinschaft garantiert, ist das Wirken des Heiligen Geistes, der
sowohl in der persönlichen Verantwortung des Bischofs als auch in der
Beteiligung der Gläubigen an dieser Verantwortung am Werk ist. Weil der
Heilige Geist die Gleichheit aller Gläubigen durch die Taufe, wie auch die
Verschiedenheit jedes einzelnen in Charismen und Ämtern begründet,
ist er in der Lage, die Gemeinschaft wirksam zu verwirklichen. Auf der
Grundlage dieser Prinzipien werden die Diözesansynoden, deren
kirchenrechtliche Gestalt in den Kanones 460-468 des Codex des kanonischen
Rechtes festgelegt und dann von der Interdikasteriellen Instruktion vom
19. März 1997 präzisiert worden ist,174 geleitet.
An den Inhalt dieser Normen müssen sich auch die anderen diözesanen
Versammlungen halten, denen der Bischof vorsteht, wobei er niemals von seiner
spezifischen Verantwortung absehen darf.
Wenn in der Taufe jeder Christ
durch die Ausgießung des Heiligen Geistes die Liebe Gottes empfängt,
so empfängt der Bischof – wie die Synodenversammlung zu Recht erwähnt
hat – durch das Weihesakrament in seinem Herzen die Hirtenliebe Christi. Diese
Hirtenliebe ist auf die Schaffung der Gemeinschaft ausgerichtet.175
Ehe der Bischof diese gemeinschaftsorientierte Liebe in konkretes
Handeln umsetzt, muß er sich bemühen, durch ein echtes geistliches
Leben diese Liebe im eigenen Herzen und im Herzen der Kirche gegenwärtig
werden zu lassen.
Wenn die Gemeinschaft das Wesen
der Kirche ausdrückt, dann ist es normal, daß die Spiritualität
der Gemeinschaft dahin strebt, sich sowohl im persönlichen wie im
gemeinschaftlichen Bereich zu äußern, indem sie immer neue Formen
der Teilnahme und Mitverantwortung in den verschiedenen Kategorien von
Gläubigen weckt. Der Bischof wird sich daher bemühen, in seiner
Teilkirche Strukturen der Gemeinschaft und der Teilnahme anzuregen, die es
erlauben, auf den Heiligen Geist, der in den Gläubigen lebt und spricht, zu
hören, um sie dann anzuleiten, alles in die Tat umzusetzen, wozu derselbe
Heilige Geist im Hinblick auf das wahre Wohl der Kirche rät.
Die Gliederungen der
Teilkirche
45. Viele Beiträge der
Synodenväter haben auf diverse Bereiche und Momente des Lebens der
Diözese Bezug genommen. So wurde gebührende Aufmerksamkeit der
Diözesankurie gewidmet, einer Struktur, derer sich der Bischof bedient, um
seine Hirtenliebe in ihren verschiedenen Aspekten zum Ausdruck zu bringen.176
Insbesondere wurde auf die Notwendigkeit verwiesen, die
wirtschaftliche Verwaltung der Diözese Personen anzuvertrauen, die nicht
nur rechtschaffen, sondern auch kompetent sind, so daß diese als Vorbild
an Transparenz für alle anderen entsprechenden kirchlichen Einrichtungen
hingestellt werden kann. Wenn in der Diözese eine Spiritualität der
Gemeinschaft herrscht, wird man nicht umhin können, den armen Pfarreien
und Gemeinden besondere Beachtung zu schenken und außerdem das
mögliche zu tun, um einen Teil der wirtschaftlichen Mittel den
bedürftigsten Kirchen, besonders in den Missions- und
Migrationsländern, bereitzustellen.177
Die Synodenväter hielten es
dennoch für angezeigt, ihre Aufmerksamkeit auf die Pfarrgemeinde zu
lenken, und erinnerten daran, daß der Bischof der Hauptverantwortliche
für diese Gemeinschaft ist, die unter allen in einer Diözese
vorhandenen Gemeinschaften hervorragt: Ihr muß er daher vor allem seine
Sorge zuwenden.178 Die Pfarrgemeinde bleibt in der Tat
– wie mehrmals festgehalten wurde – noch immer der wesentliche Kern im
täglichen Leben der Diözese.
Der Pastoralbesuch
46. Gerade unter dieser
Blickrichtung tritt die Bedeutung des Pastoralbesuchs hervor, der eine echte
Gnadenzeit und einen besonderen, ja einzigartigen Augenblick hinsichtlich der
Begegnung und des Dialogs des Bischofs mit den Gläubigen darstellt.179
Bischof Bartolomeu dos Martires, den ich selbst wenige Tage nach
Abschluß der Synode seliggesprochen habe, definiert in seinem, vom heiligen
Karl Borromäus sehr geschätzten, klassischen Werk Stimulus
Pastorum den Pastoralbesuch quasi anima episcopalis regiminis und
beschreibt ihn als eine Ausweitung der geistlichen Gegenwart des Bischofs unter
seinen Gläubigen.180
Bei seinem Pastoralbesuch in der
Pfarrei soll der Bischof die Prüfung der Verwaltungsfragen anderen
Beauftragten überlassen und der Begegnung mit den Menschen, angefangen
beim Pfarrer und den anderen Priestern, Vorrang geben. Das ist die Gelegenheit,
bei der er für sein Volk den Dienst des Wortes, der Heiligung und der
pastoralen Leitung aus nächster Nähe ausübt, weil er mit den
Ängsten und Sorgen, den Freuden und Erwartungen der Menschen in
unmittelbare Berührung kommt und an alle eine Einladung zur Hoffnung
richten kann. Hier vor allem hat der Bischof den direkten Kontakt mit den
ärmsten Menschen, mit den Alten und Kranken. Wenn der Pastoralbesuch so
durchgeführt wird, erweist er sich als das, was er ist: ein Zeichen der
Gegenwart des Herrn, der sein Volk in Frieden besucht.
Der Bischof mit seinem
Presbyterium
47. Nicht ohne Grund bezeichnet
das Konzilsdekret Christus Dominus in seiner Beschreibung der Teilkirche
diese als Gemeinschaft von Gläubigen, die der Hirtensorge des Bischofs »cum
co- operatione presbyterii« 181 anvertraut ist. In
der Tat besteht zwischen dem Bischof und den Priestern eine communio
sacramentalis – kraft des Amtspriestertums oder hierarchischen
Priestertums, das Teilhabe an dem einen Priestertum Christi ist, und, wenn auch
in unterschiedlichem Grad, kraft des einen kirchlichen Weiheamtes und der einen
apostolischen Sendung.
Die Priester – unter ihnen
besonders die Pfarrer – sind also die engsten Mitarbeiter am Dienstamt des
Bischofs. Die Synodenväter haben die Empfehlungen und Aufforderungen
bezüglich der besonderen Eigenart der Beziehungen zwischen dem Bischof und
seinen Priestern, die schon in den Konzilsdokumenten stehen und zuletzt in dem
Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis 182 wieder
aufgenommen worden sind, erneut ausgesprochen. Der Bischof soll immer
versuchen, mit seinen Priestern als Vater und Bruder umzugehen, der sie liebt,
sie anhört, sie annimmt, sie zurechtweist, sie tröstet, ihre
Mitarbeit sucht und sich, soweit es ihm möglich ist, für ihr
menschliches, geistliches, priesterlich- dienstliches und wirtschaftliches Wohl
einsetzt.183
Die besondere Zuneigung des
Bischofs seinen Priestern gegenüber äußert sich als
väterliche und brüderliche Begleitung in den wesentlichen Abschnitten
ihres Lebens im Priesteramt, angefangen bei den ersten Schritten im pastoralen
Dienst. Grundlegend bleibt die ständige Weiterbildung der Priester, die
für alle gleichsam eine »Berufung in der Berufung« darstellt, weil
sie in ihren verschiedenen und einander ergänzenden Dimensionen dem
Priester helfen will, in Wesen und Handeln Priester nach der Art Jesu zu sein.
Zu den Hauptpflichten jedes
Diözesanbischofs gehört die geistliche Sorge für sein
Presbyterium: »Die Geste des Priesters, der am Tag seiner Weihe seine
Hände in die des Bischofs legt und diesem ,,Ehrfurcht und Gehorsam eines
Sohnes'' bekundet, könnte auf den ersten Blick als einseitige Geste
erscheinen. In Wirklichkeit aber verpflichtet sie beide: den Priester und den
Bischof. Der junge Priester trifft die Entscheidung, sich dem Bischof
anzuvertrauen, und der Bischof seinerseits verpflichtet sich, diese Hände
zu behüten« .184
Bei zwei weiteren Anlässen,
so möchte ich hinzufügen, kann sich der Priester von seinem Bischof
mit Recht ein Zeichen besonderer Nähe erwarten. Der erste Anlaß ist
gegeben, wenn ihm eine pastorale Aufgabe übertragen wird: Das kann, wie im
Fall eines kurz zuvor geweihten Priesters, zum ersten Mal sein, oder es kann
sich um einen Amtswechsel oder um die Übertragung eines neuen pastoralen
Auftrags handeln. Die Übertragung einer pastoralen Aufgabe ist für
den Bischof selbst ein bedeutsamer Anlaß zu väterlicher
Verantwortung gegenüber einem seiner Priester. Der heilige Hieronymus
findet Worte, die sich treffend auf diese Situation anwenden
lassen: »Dieselbe Beziehung, die zwischen Aaron und seinen Söhnen
bestand, besteht, wie wir wissen, zwischen dem Bischof und seinen Priestern:
ein Herr, ein Tempel, eins sei auch das Dienstamt. [...] Ist die Ehre eines Vaters
nicht der weise Sohn? Der Bischof freue sich über sein Urteil, wenn er
solche Priester für Christus ausgewählt hat« .185
Der andere Anlaß ist
gegeben, wenn ein Priester wegen seines fortgeschrittenen Alters die
tatsächliche pastorale Leitung einer Gemeinde oder den Auftrag der
direkten Verantwortung niederlegt. Unter diesen und ähnlichen
Umständen ist der Bischof verpflichtet, dafür zu sorgen, daß
dem Priester die Dankbarkeit der Teilkirche für den bis dahin geleisteten
apostolischen Einsatz zuteil wird, und er auf die Besonderheit seiner neuen
Stellung innerhalb des Presbyteriums der Diözese hingewiesen wird: Er
behält nämlich die Möglichkeit, ja sieht sie sogar erhöht,
durch das beispielhafte Zeugnis eines ausdauernderen Gebetes und die
großzügige Bereitstellung der erworbenen Erfahrung für die
jüngeren Mitbrüder zum Aufbau der Kirche beizutragen. Die Priester
schließlich, die sich wegen einer schweren Krankheit oder einer anderen
Form anhaltender Schwäche in derselben Lage befinden, soll der Bischof seine
brüderliche Nähe spüren lassen und ihnen helfen, die
Überzeugung lebendig zu halten, »daß sie weiterhin aktive Glieder
für den Aufbau der Kirche sind, auch und gerade kraft ihres Einswerdens
mit Jesus Christus als dem Leidenden und mit so vielen anderen Brüdern und
Schwestern, die in der Kirche am Leidensweg des Herrn teilhaben« .186
Der Bischof soll auch mit dem
Gebet und mit tatkräftigem Erbarmen jenen Priestern nachgehen, die aus
irgendeinem Grund ihre Berufung und ihre Treue zum Ruf des Herrn in Frage
gestellt und ihre Verpflichtungen irgendwie vernachlässigt haben.187
Schließlich soll er nicht
versäumen, die Zeichen heroischer Tugenden zu prüfen, die eventuell
unter den Diözesanpriestern zu erkennen gewesen waren; und falls er es
für angebracht hält, soll er deren öffentliche Anerkennung
anstreben, indem er die notwendigen Schritte zur Einleitung des
Heiligsprechungsverfahrens veranlaßt.188
Die Ausbildung der
Priesteramtskandidaten
48. In Vertiefung des Themas des
priesterlichen Dienstes wandten die Synodenväter ihre Aufmerksamkeit im
besonderen der Ausbildung der Kandidaten für das Priesteramt zu, die im
Seminar erfolgt.189 Die Ausbildung der Priester stellt
mit allem, was sie an Gebet, Hingabe und Mühe einschließt, für
den Bischof eine Sorge von erstrangiger Bedeutung dar. Wohl wissend, daß
das Seminar eines der kostbarsten Güter der Diözese ist, haben die
Synodenväter diesen Punkt eingehend behandelt und die unbestreitbare
Notwendigkeit des Priesterseminars betont, ohne jedoch die Bedeutung zu
vernachlässigen, die auch das Kleine Seminar für die Weitergabe der
christlichen Werte im Hinblick auf die Nachfolge Christi hat.190
Jeder Bischof soll daher seine
Bemühung vor allem dadurch zum Ausdruck bringen, daß er die Erzieher
der künftigen Priester mit größter Sorgfalt auswählt und
die zweckmäßigsten und geeignetsten Formen für deren notwendige
Ausbildung festlegt, damit sie den Dienst in einem für das Leben der
christlichen Gemeinschaft so grundlegenden Bereich erfüllen können.
Der Bischof soll nicht versäumen, das Seminar häufig zu besuchen,
auch dann, wenn besondere Umstände ihn zusammen mit anderen Bischöfen
zu der in nicht wenigen Fällen notwendigen und sogar vorzuziehenden
Entscheidung für ein interdiözesanes Priesterseminar veranlaßt
haben.191 Das persönliche und tiefergehende
Kennenlernen der Priesteramtskandidaten in der eigenen Teilkirche ist ein
Element, auf das der Bischof nicht verzichten kann. Aufgrund dieser direkten Kontakte
wird er sich darum bemühen zu gewährleisten, daß in den
Seminaren reife und ausgeglichene Persönlichkeiten herangebildet werden,
die zur Herstellung solider menschlicher und seelsorglicher Beziehungen
fähig, theologisch fundiert und im geistlichen Leben gefestigt sind und
die die Kirche lieben. Desgleichen wird er sich darum bemühen, Initiativen
wirtschaftlicher Art zur Unterstützung und Hilfe der jungen Kandidaten zum
Priesteramt anzuregen und zu fördern.
Es liegt jedoch auf der Hand,
daß die Kraft, die Berufungen weckt und formt, vor allem das Gebet ist.
Die Priesterberufe brauchen ein weitverzweigtes Netz von Fürsprechern
beim »Herrn der Ernte« . Je mehr man das Problem der Berufung zum
Gegenstand des Gebetes macht, um so mehr wird das Gebet dem Erwählten
helfen, die Stimme dessen, der ihn ruft, zu hören.
Wenn der Zeitpunkt der Erteilung
der heiligen Weihen gekommen ist, wird jeder Bischof das erforderliche
Skrutinium vornehmen.192 In diesem Zusammenhang wird
der Bischof, der sich seiner großen Verantwortung bei der Spendung der
Priesterweihe bewußt ist, Kandidaten, die aus einer anderen Diözese
oder aus einem Ordensinstitut kommen, erst nach einer sorgfältigen
Ermittlung und einer umfangreichen Konsultation nach Maßgabe des Rechts
in seine Diözese aufnehmen.193
Der Bischof und die
Ständigen Diakone
49. Als Spender der heiligen
Weihen haben die Bischöfe auch direkte Verantwortung für die
Ständigen Diakone, welche die Synodenversammlung als echte Gabe Gottes zur
Verkündigung des Evangeliums, zur Unterweisung der christlichen Gemeinden
und zur Förderung des Dienstes der Liebe in der Familie Gottes anerkennt.194
Jeder Bischof soll sich deshalb
sehr um diese Berufungen kümmern, für deren Beurteilung und Ausbildung
er der Letztverantwortliche ist. Auch wenn er diese Verantwortung normalerweise
durch Mitarbeiter seines engsten Vertrauens, die den Anordnungen des Heiligen
Stuhls entsprechend zu handeln verpflichtet sind, wahrnehmen muß,195
wird er im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen, alle, die
sich auf den Diakonat vorbereiten, persönlich kennenzulernen. Nachdem er
sie geweiht hat, wird er weiterhin für sie ein echter Vater sein: Er wird
sie zur Liebe zum Leib und Blut Christi, dessen Diener sie sind, und zur Liebe
zur heiligen Kirche ermutigen, der zu dienen sie auf sich genommen haben; die
Verheirateten unter ihnen wird er zu einem vorbildlichen Familienleben
ermahnen.
Die Sorge des Bischofs
gegenüber den Personen des geweihten Lebens
50. Das Nachsynodale Apostolische
Schreiben Vita consecrata hat bereits die Bedeutung des gottgeweihten Lebens im Dienst des Bischofs
herausgestellt. Unter Hinweis auf jenen Text haben die Väter während
dieser letzten Synode daran erinnert, daß in der Gemeinschaft der Kirche
der Bischof die besondere Berufung und Sendung des geweihten Lebens, das
ständig und fest zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche gehört,196
schätzen und fördern müsse. Auch in der Teilkirche
erfüllt das geweihte Leben die Aufgabe einer beispielhaften
charismatischen Präsenz und Sendung. Der Bischof wird daher aufmerksam
prüfen, ob es unter den Personen des geweihten Lebens, die in der
Diözese gelebt haben, Zeugnisse heroischer Tugendübung gegeben hat,
und wird, wenn er es für angebracht hält, den
Heiligsprechungsprozeß in Gang bringen.
In seiner aufmerksamen Sorge
gegenüber allen Formen des gottgeweihten Lebens – einer Fürsorge, die
sich in Ermutigung und Wachsamkeit äußert – soll der Bischof dem
kontemplativen Leben einen besonderen Platz einräumen. Die Ordensleute
sollen ihrerseits die pastoralen Weisungen des Bischofs von Herzen annehmen und
so eine volle Gemeinschaft mit dem Leben und der Sendung der Teilkirche, in der
sie wohnen, anstreben. Denn der Bischof ist der Verantwortliche für die
apostolische Arbeit in der Diözese: Mit ihm müssen die
Ordensmänner und Ordensfrauen zusammenarbeiten, um durch ihre Anwesenheit
und ihren Dienst die kirchliche Gemeinschaft zu bereichern. In diesem
Zusammenhang muß das Dokument Mutuae relationes und das, was das
geltende Recht besagt, berücksichtigt werden.
Der besonderen Aufmerksamkeit
wurden die Institute diözesanen Rechts empfohlen, vor allem jene, die sich
in ernsten Schwierigkeiten befinden: Ihnen soll der Bischof seine besondere
väterliche Sorge zuwenden. Im Zuge der Approbation neuer, in seiner
Diözese entstandener Institute wird der Bischof schließlich darauf
achten, den Weisungen und Vorschriften des Apostolischen Schreibens Vita
consecrata und den anderen Instruktionen der zuständigen Dikasterien
des Heiligen Stuhls entsprechend vorzugehen.197
Die Laien in der
Hirtensorge des Bischofs
51. An den Laien, die die
Mehrheit des Gottesvolkes bilden, soll die missionarische Kraft der Taufe
sichtbar werden. Dazu brauchen sie die Unterstützung, die Ermutigung und
die Hilfe ihrer Bischöfe, die sie dazu anleiten sollen, ihr Apostolat
gemäß ihrem eigenen Weltcharakter zu gestalten, während sie aus
der Gnade der Sakramente der Taufe und der Firmung schöpfen. Es wird
deshalb nötig sein, spezifische Ausbildungsgänge zu fördern,
welche die Laien dazu befähigen, in der Kirche Verantwortung zu
übernehmen: nicht nur in den verschiedenen Diensten zur Belebung von
Liturgie, Katechese, katholischem Religionsunterricht an den Schulen usw.,
sondern darüber hinaus innerhalb der Strukturen der Mitwirkung auf
Diözesan- und Pfarrebene.
Aufgabe vor allem der Laien – und
dazu sollen sie ermutigt werden – ist die Evangelisierung der Kulturen, die
Einbringung der Kraft des Evangeliums in den Bereich der Familie, der Arbeit,
der Massenmedien, des Sportes, der Freizeit und die christliche Belebung der
Gesellschaftsordnung und des öffentlichen Lebens auf nationaler wie
internationaler Ebene. Aufgrund ihrer Stellung in der Welt sind die
Laienchristen tatsächlich in der Lage, einen großen Einfluß
auf ihre Umgebung auszuüben, indem sie vielen Männern und Frauen die
Perspektiven und die Horizonte der Hoffnung erweitern. Andererseits sind die
Laien, so sehr sie auch aufgrund ihrer Lebensentscheidung mit den zeitlichen
Dingen beschäftigt sind, dazu aufgerufen, entsprechend ihrem besonderen
Weltcharakter in den jeweiligen Arbeitsbereichen über ihre Hoffnung
Rechenschaft abzulegen (vgl. 1 Petr 3, 15), während sie im
Herzen »die Erwartung der neuen Erde« 198 hegen.
Die Bischöfe ihrerseits sollen den Laien nahe sein, die, weil sie mitten
in die komplexen Probleme der Welt einbezogen sind, der Verwirrung und dem Leid
besonders ausgesetzt sind. Die Bischöfe sollen sie unterstützen,
damit sie Christen mit starker Hoffnung sind, fest verankert in der
Gewißheit, daß der Herr immer an der Seite seiner Kinder ist.
Beachtung verdient auch die
Bedeutung des in Vereinigungen ausgeübten Laienapostolates; das gilt
sowohl für die bewährten traditionellen Formen als auch für das
von den neuen kirchlichen Bewegungen getragene Laienapostolat. Alle diese
Vereinigungen bereichern die Kirche, bedürfen aber immer des
Unterscheidungsvermögens, das zum Dienst des Bischofs gehört. Denn
seiner Hirtenaufgabe obliegt es, die Komplementarität zwischen Bewegungen
unterschiedlicher Inspiration zu fördern, indem er über ihre Entwicklung
und über die theologische und spirituelle Ausbildung ihrer Leiter, sowie
über die Einbeziehung der neuen Gruppen in die Diözesangemeinschaft
und in die Pfarreien, von denen sie sich nicht lösen dürfen, wacht.199
Der Bischof wird auch zu erreichen versuchen, daß die
Laienverbände die Berufungspastoral in der Diözese unterstützen,
indem sie die Annahme aller Berufungen, besonders jener zum Weiheamt, zum
gottgeweihten Leben und zum Einsatz in der Mission, fördern.200
Die Sorge des Bischofs
gegenüber der Familie
52. Viele Synodenväter haben
ihre Stimme zugunsten der Familie erhoben, die mit Recht »Hauskirche«
heißt, ein für die Gegenwart des Herrn Jesus offener Raum und ein
Heiligtum des Lebens. Die auf das Sakrament der Ehe gegründete Familie
erscheint als Gemeinschaft von vorrangiger Bedeutung, da in ihr sowohl die
Eheleute wie ihre Kinder ihre Berufung leben und sich in der Liebe
vervollkommnen. Die christliche Familie – so wurde bei der Synode unterstrichen
– ist eine apostolische Gemeinschaft, die für die Mission offen ist.201
Es ist Aufgabe des Bischofs, auf
die Unterstützung und Verteidigung der Werte der Ehe in der Gesellschaft
durch gerechte politische und ökonomische Entscheidungen hinzuwirken.
Innerhalb der christlichen Gemeinschaft soll er es ferner nicht versäumen,
die Ehevorbereitung der Verlobten, die Begleitung junger Ehepaare und die
Bildung von Familien-Gruppen zu fördern, die die Familienpastoral
unterstützen und nicht zuletzt in der Lage sein sollen, Familien in
Schwierigkeiten zu helfen. Die Nähe des Bischofs zu den Eheleuten und
ihren Kindern, auch durch verschiedene diözesane Initiativen, wird
für sie verläßliche Ermutigung sein.
Bezüglich der
Erziehungsaufgaben der Familie haben die Synodenväter den Wert der
katholischen Schulen für die ganzheitliche Bildung der jungen
Generationen, für die Inkulturation des Glaubens und für den Dialog
zwischen den verschiedenen Kulturen einhellig anerkannt. Deshalb muß der
Bischof die Arbeit der katholischen Schulen unterstützen und fördern;
dort, wo es noch keine solchen Schulen gibt, soll er sich für ihr
Entstehen einsetzen und, soweit es ihm möglich ist, die zivilen
Institutionen auffordern, eine tatsächliche Freiheit des Unterrichts im
Land zu fördern.202
Die Jugendlichen, eine
pastorale Priorität in Hinblick auf die Zukunft
53. Der Bischof, Hirt und Vater
der christlichen Gemeinde, soll sich besonders um die Evangelisierung und geistliche
Begleitung der Jugendlichen kümmern. Der Dienst an der Hoffnung kommt
nicht umhin, zusammen mit jenen, denen die Zukunft anvertraut ist – eben mit
den Jugendlichen – die Zukunft aufzubauen. Als »Wächter des Morgens«
erwarten die Jugendlichen den Anbruch einer neuen Welt. Die Erfahrung der
Weltjugendtage, welche die Bischöfe aus tiefstem Herzen fördern,
zeigt uns, wie groß die Zahl der Jugendlichen ist, die bereit sind, sich
in der Kirche und in der Welt zu engagieren, wenn ihnen eine echte Verantwortung
angetragen und eine unverkürzte christliche Bildung angeboten wird.
Indem ich mich zum Sprachrohr der
Synodenväter mache, richte ich aus dieser Sicht an die Personen des
gottgeweihten Lebens in den vielen Instituten, die im Bereich der Bildung und Erziehung
von Kindern und Jugendlichen tätig sind, einen besonderen Aufruf, sich von
den augenblicklichen Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen und ihre
verdienstvolle Arbeit nicht aufzugeben, sondern sie zu intensivieren und dabei
ihre Anstrengungen immer besser einzubringen.203
Die jungen Menschen sollen durch
eine persönliche Beziehung zu ihren Hirten und Erziehern Anstoß zum
Wachsen in der Liebe erhalten und zu einem großherzigen Leben erzogen
werden, das sie bereitwillig in den Dienst der anderen, vor allem der
Notleidenden und Kranken, stellen. Auf diese Weise wird es leichter sein, mit
ihnen auch über die anderen christlichen Tugenden, besonders die
Keuschheit, zu sprechen. Auf diesem Weg werden sie begreifen lernen, daß
ein Leben »schön« ist, wenn es nach dem Vorbild Jesu hingegeben wird.
So werden sie sowohl im Hinblick auf die Ehe, auf das Weiheamt oder auf das
gottgeweihte Leben verantwortungsvolle, endgültige Entscheidungen treffen
können.
Die Berufungspastoral
54. Entscheidend ist die
Förderung einer Kultur der Berufungen im weitesten Sinne: Man muß
nämlich die jungen Menschen zur Entdeckung des Lebens selbst als Berufung
heranführen. Es wird also nötig sein, daß der Bischof an die
Familien, an die Pfarrgemeinden und an die Schulen appelliert, damit sie den
Kindern und Jugendlichen helfen, Gottes Plan für ihr Leben zu entdecken
und den Ruf zur Heiligkeit, den Gott ursprünglich an jeden richtet,
anzunehmen.204
Sehr wichtig ist in diesem
Zusammenhang, in der gesamten Seelsorgstätigkeit die Dimension der
Berufung zu stärken. Deshalb hat der Bischof dafür zu sorgen,
daß die Jugendseelsorge und Berufungspastoral Priestern und Personen
übertragen wird, die fähig sind, durch Begeisterung und durch das
Beispiel ihres Lebens die Liebe zu Jesus weiterzugeben. Ihre Aufgabe wird es
sein, die Jugendlichen durch eine persönliche Beziehung der Freundschaft
und, wenn möglich, der geistlichen Führung zu begleiten, um ihnen zu
helfen, die Zeichen der Berufung durch Gott zu erfassen und in der Gnade der
Sakramente und im Gebetsleben, das vor allem ein Hören auf Gott ist, der
spricht, die Kraft zu suchen, ihnen zu entsprechen.
Das sind einige der Bereiche, in
denen jeder Bischof sein Leitungsamt ausübt und gegenüber dem ihm anvertrauten
Teil des Gottesvolkes die pastorale Liebe, die ihn beseelt, zum Ausdruck
bringt. Eine der charakteristischen Formen dieser Liebe ist das
Mitfühlen nach dem Vorbild Christi, des Hohenpriesters, der mit den
menschlichen Schwächen mitfühlen konnte, da er selbst in allem wie
wir in Versuchung geführt worden war, auch wenn er im Unterschied zu uns
nicht gesündigt hat (vgl. Hebr 4, 15). Dieses Mitgefühl ist
immer mit der Verantwortung verbunden, die der Bischof gegenüber Gott und
der Kirche übernommen hat. So verwirklicht er die am Tag seiner
Bischofsweihe übernommenen Versprechen und Verpflichtungen, als er aus
freien Stücken seine Zustimmung zur Forderung der Kirche gab: sich mit
väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes anzunehmen und es auf dem Weg
des Heils zu führen; im Namen des Herrn den Armen, den Kranken und allen
Trost- und Hilfsbedürftigen gegenüber immer gastfreundlich und
barmherzig zu sein und wie der Gute Hirte auf die Suche nach den verirrten
Schafen zu gehen, um sie in den Schafstall Christi zurückzuführen.205
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