SECHSTES KAPITEL
IN DER GEMEINSCHAFT DER KIRCHEN
»Die Sorge für alle Gemeinden« (2 Kor 11, 28)
55. In seinem Brief an die
Christen in Korinth ruft der Apostel Paulus all das in Erinnerung, was er
für das Evangelium erlitten hat: »Ich war oft auf Reisen,
gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber,
gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden,
gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet
auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete
Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst,
häufiges Fasten, Kälte und Blöße. Um von allem anderen zu
schweigen, weise ich noch auf den täglichen Andrang zu mir und die Sorge für
alle Gemeinden hin« (2 Kor 11, 26-28). Die Schlußfolgerung, zu der
er gelangt, ist eine leidenschaftliche Frage: »Wer leidet unter seiner
Schwachheit, ohne daß ich mit ihm leide? Wer kommt zu Fall, ohne
daß ich von Sorgen verzehrt werde?« (2 Kor 11, 29). Die gleiche
Frage stellt sich dem Gewissen eines jeden Bischofs als Mitglied des
Bischofskollegiums.
Daran erinnert ausdrücklich
das Zweite Vatikanische Konzil, wenn es feststellt, daß alle
Bischöfe als Mitglieder des Bischofskollegiums und als die durch
Einsetzung und Weisung Christi legitimen Nachfolger der Apostel angehalten
sind, ihre Sorge auf die ganze Kirche auszuweiten. »Alle Bischöfe
müssen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche
gemeinsame Disziplin fördern und schützen sowie die Gläubigen
anleiten zur Liebe zum ganzen mystischen Leibe Christi, besonders zu den armen
und leidenden Gliedern und zu jenen, die Verfolgung erdulden um der
Gerechtigkeit willen (vgl. Mt 5, 10). Endlich müssen sie alle
Bestrebungen fördern, die der ganzen Kirche gemeinsam sind, vor allem
dazu, daß der Glaube wachse und das Licht der vollen Wahrheit allen
Menschen aufgehe. Im übrigen aber gilt unverbrüchlich: Indem sie ihre
eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche recht leiten, tragen sie wirksam bei
zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der ja auch der Leib der Kirchen ist« .206
So kommt es, daß jeder
Bischof zugleich in Beziehung zu seiner Teilkirche und zur Universalkirche
steht. Derselbe Bischof, der ja sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit
der eigenen Teilkirche ist, ist ebenfalls das sichtbare Band der kirchlichen
Gemeinschaft zwischen seiner Teilkirche und der Gesamtkirche. Alle
Bischöfe residieren daher in ihren Teilkirchen über die ganze Welt
verteilt, bewahren aber zugleich die hierarchische Gemeinschaft mit dem
Oberhaupt des Bischofskollegiums und mit dem Kollegium selbst. Sie verleihen
somit der Katholizität der Kirche Festigkeit und Ausdruck und geben
zugleich ihrer Teilkirche das Merkmal der Katholizität. Jeder Bischof ist
deshalb so etwas wie ein Verbindungspunkt seiner Teilkirche mit der
Universalkirche und sichtbares Zeugnis der Gegenwart der einzigen Kirche
Christi in seiner Teilkirche. In der Gemeinschaft der Kirchen vertritt der
Bischof also seine Teilkirche, während er in dieser die kirchliche
Gemeinschaft darstellt. Mittels des bischöflichen Dienstamtes nehmen
nämlich die portiones Ecclesiae an der Gesamtheit der Una Sancta
teil, während diese – immer durch das Amt – in der einzelnen Ecclesiae
Portio gegenwärtig gesetzt wird.207
Die universale Dimension des
Bischofsamtes wird in vollem Umfang manifest und verwirklicht, wenn alle
Bischöfe in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Papst als Kollegium
handeln. Feierlich zu einem Ökumenischen Konzil versammelt oder in der Welt
verstreut, aber stets in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Papst, bilden sie
die Weiterführung des Apostelkollegiums.208 Jedoch
auch in anderen Formen arbeiten alle Bischöfe untereinander und mit dem
Papst zusammen in bonum totius Ecclesiæ; Dies geschieht vor allem,
damit das Evangelium in der ganzen Welt verkündigt werde und um den
mannigfachen Problemen zu begegnen, die die verschiedenen Teilkirchen
bedrängen. Gleichzeitig ist auch die Ausübung des Petrusamtes
für das Wohl der ganzen Kirche und jeder Teilkirche eine echte Hilfe –
ebenso wie auch das Handeln des Kollegiums als solches –, damit in den der
Hirtensorge der einzelnen Diözesanbischöfe anvertrauten Teilkirchen
die Einheit im Glauben und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin gewahrt
wird. In der Cathedra Petri finden die Bischöfe, sei es als einzelne oder
im Kollegium untereinander geeint, das beständige und sichtbare Prinzip
und Fundament der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft.209
Der Diözesanbischof im
Verhältnis zur höchsten Autorität
56. Das Zweite Vatikanische
Konzil lehrt, daß »den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel in
den ihnen anvertrauten Diözesen von selbst jede ordentliche,
eigenständige und unmittelbare Gewalt zusteht, die zur Ausübung ihres
Hirtenamtes erforderlich ist. Die Gewalt, die der Papst kraft seines Amtes hat,
sich selbst oder einer anderen Obrigkeit Fälle vorzubehalten, bleibt dabei
immer und in allem unangetastet« .210
In der Synodenaula wurde die
Frage aufgeworfen, ob das Verhältnis, das zwischen dem Bischof und der
höchsten kirchlichen Autorität besteht, nicht im Lichte des
Subsidiaritätsprinzips zu behandeln sei, insbesondere hinsichtlich der
Beziehungen zwischen Bischof und Römischer Kurie. Dabei bestand der
Wunsch, diese Beziehungen im Sinne einer Communio-Ekklesiologie unter
Achtung der jeweiligen Kompetenzen und demnach unter Verwirklichung einer
größeren Dezentralisation zu gestalten. Es ist auch gebeten worden,
über die Möglichkeit nachzudenken, dieses Prinzip auf das Leben der
Kirche anzuwenden, wobei auf jeden Fall der Tatsache Rechnung getragen werden
müsse, daß das konstitutive Prinzip für die Ausübung der
bischöflichen Gewalt die hierarchische Gemeinschaft der einzelnen Bischöfe
mit dem Papst und mit dem Bischofskollegium ist.
Wie man weiß, wurde das
Subsidiaritätsprinzip von meinem Vorgänger seligen Angedenkens Pius
XI. für die bürgerliche Gesellschaft formuliert.211 Das
Zweite Vatikanische Konzil hat den Terminus »Subsidiarität« nie
gebraucht. Es hat jedoch zu einer Aufteilung unter den Organen der Kirche
ermutigt und dabei ein neues Nachdenken über die Theologie des Episkopats
in Gang gesetzt, die bei der konkreten Anwendung des
Kollegialitätsprinzips auf die kirchliche Gemeinschaft schon Früchte
trägt. Hinsichtlich der Ausübung der bischöflichen Gewalt haben
die Synodenväter jedoch gemeint, daß sich der Begriff der
Subsidiarität als zweideutig erweist. Sie haben darauf bestanden, das
Wesen der bischöflichen Autorität im Lichte des Communio-Prinzips
theologisch zu vertiefen.212
In der Synodenversammlung war
mehrmals vom Communio-Prinzip die Rede.213 Es
handelt sich hierbei um eine organische Gemeinschaft im Sinne des Bildes vom Leibe
Christi, von dem der Apostel Paulus spricht, wenn er die Aufgaben der
gegenseitigen Unterstützung und Ergänzung unter den verschiedenen
Gliedern des einen Leibes hervorhebt (vgl. 1 Kor 12, 12-31).
Wenn also der Rückgriff auf
das Communio-Prinzip korrekt und wirksam erfolgen soll, werden einige
Fixpunkte unvermeidlich sein. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen,
daß der Diözesanbischof in seiner Teilkirche die gesamte,
ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt besitzt, die zur
Ausübung seines Hirtendienstes erforderlich ist. Ihm kommt deshalb ein
eigener Bereich zur selbständigen Ausübung seiner Autorität zu,
der von der allgemeinen Gesetzgebung anerkannt und geschützt wird.214
Andererseits koexistiert die Gewalt des Bischofs mit der
höchsten Gewalt des Papstes, die ebenfalls bischöflich, ordentlich
und unmittelbar über alle Kirchen im einzelnen sowie ihre Gruppierungen
ist, über alle Hirten und Gläubigen.215
Ein anderer Fixpunkt ist zu
beachten: Die Einheit der Kirche gründet auf der Einheit des Episkopats,
der, um eins zu sein, eines Hauptes des Kollegiums bedarf. In analoger Weise
braucht die Kirche, um eins zu sein, eine Kirche als Haupt der Kirchen,
nämlich jene von Rom, deren Bischof, der Nachfolger Petri, das Oberhaupt
des Kollegiums ist.216 Damit also »die Teilkirche
voll Kirche sei, das heißt konkrete Präsenz der universalen Kirche
mit allen ihren Wesenselementen, und somit nach dem Bild der Gesamtkirche
gestaltet, muß in ihr als ureigenes Element die höchste
Autorität der Kirche gegenwärtig sein [...]. Der Primat des Bischofs
von Rom und das Bischofskollegium sind Wesenselemente der Gesamtkirche, ,,die
sich nicht aus der Partikularität der Kirchen ableiten'', die aber dennoch
auch jeder Teilkirche innerlich zu eigen sind [...] Die Tatsache, daß das
Amt des Petrusnachfolgers innerlich zum eigentlichen Kirche- sein jeder
Teilkirche gehört, ist notwendiger Ausdruck jenes schon erwähnten
Verhältnisses grundlegender gegenseitiger Innerlichkeit zwischen Gesamtkirche
und Teilkirchen« .217
Was das Merkmal der
Katholizität betrifft, verwirklicht sich die Kirche Christi
vollständig in jeder Teilkirche, die alle natürlichen und
übernatürlichen Mittel zur Erfüllung der Sendung empfängt,
die Gott der Kirche in der Welt aufgetragen hat. Unter diesen Mitteln befindet
sich auch die ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Amtsgewalt des
Bischofs, die für die Ausübung seines pastoralen Dienstes (munus
pastorale) erforderlich ist, deren Ausübung jedoch von Rechts wegen
oder aufgrund einer Anordnung des Papstes den allgemeinen Gesetzen und
Vorbehalten, der höchsten oder einer anderen kirchlichen Autorität
unterliegt.218
Die Befähigung zur
eigenberechtigten Amtsführung, zu der auch die Ausübung des authentischen
Lehramtes 219 zählt, das dem Bischof in seiner
Diözese wesensgemäß zusteht, hat ihren Ursprung in jener
mystischen Wirklichkeit der Kirche, die sicherstellt, daß in der
Teilkirche die Gesamtkirche immanent ist, welche auch die höchste Autorität
gegenwärtig macht, das heißt den Papst und das Bischofskollegium mit
ihrer höchsten, vollen, ordentlichen und unmittelbaren Amtsgewalt
über alle Gläubigen und Hirten.220
In Übereinstimmung mit der
Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils ist festzuhalten, daß die Aufgabe
des Lehrens (munus docendi) und die der Leitung (munus regendi) –
also auch die entsprechende Vollmacht des Lehramtes und des Leitungsamtes – in
der Teilkirche von jedem Diözesanbischof ausgeübt wird,
naturgemäß in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Oberhaupt des
Kollegiums und mit dem Kollegium selbst.221 Dies
schwächt die bischöfliche Autorität nicht; im Gegenteil, es
stärkt sie, insofern die Bande der hierarchischen Gemeinschaft, die den
Bischof an den Apostolischen Stuhl binden, eine notwendige Koordinierung
zwischen der Verantwortung des Diözesanbischofs und jener der obersten
Autorität erfordern, die vom Wesen der Kirche vorgegeben ist. Das
göttliche Recht selbst setzt der Ausübung der einen wie der anderen Grenzen.
Folglich wird die Gewalt der Bischöfe »von der obersten und
allgemeinen Gewalt nicht ausgeschaltet, sondern im Gegenteil bestätigt,
gestärkt und in Schutz genommen, weil der Heilige Geist die von Christus
dem Herrn in seiner Kirche festgesetzte Form der Leitung unverändert
bewahrt« .222
Daher hat Papst Paul VI. bei der
Eröffnung der dritten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils
treffend bemerkt: »Wie ihr, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
über die Erde verteilt seid, um der wahren Katholizität der Kirche
Bestand und Ausdruck zu verleihen, so habt ihr eine Mitte nötig, ein
Prinzip der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft; und dies findet ihr eben
in dieser Cathedra Petri. Ebenso bedürfen Wir immer eurer Nähe, um
dem Gesicht des Apostolischen Stuhls mehr und mehr seine Stattlichkeit, seine
menschliche und historische Wirklichkeit, ja sogar den Gleichklang mit seinem
Glauben, das Beispiel zur Erfüllung seiner Pflichten und den Trost in
seinen Drangsalen zu geben« .223
Die Realität der
Gemeinschaft, die allen innerkirchlichen Beziehungen zugrunde liegt 224
und die auch bei der Diskussion in der Synode hervorgehoben wurde,
stellt eine Wechselbeziehung zwischen dem Papst und den Bischöfen dar.
Wenn nämlich einerseits der Bischof für den vollen Ausdruck seines
Dienstes und für die Begründung der Katholizität seiner Kirche
die ihm eigene Leitungsgewalt (munus regendi) in der hierarchischen
Gemeinschaft mit dem Papst und dem Bischofskollegium ausüben muß,
handelt andererseits der Papst als Oberhaupt des Kollegiums in Ausübung
seines Dienstes als oberster Hirte der Kirche (munus supremi Ecclesiae
pastoris) immer in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen, ja sogar
mit der ganzen Kirche.225 Wie der Bischof in der
kirchlichen Gemeinschaft nie alleine sondern fortwährend auf das Kollegium
und sein Haupt bezogen ist und von ihnen gestützt wird, so ist auch der
Papst nie allein, sondern immer in Beziehung zu den Bischöfen und wird von
ihnen gestützt. Dies ist ein weiterer Grund dafür, daß die
Ausübung der höchsten Amtsgewalt des Papstes die ordentliche,
eigenberechtigte und unmittelbare Vollmacht des Bischofs in seiner Teilkirche
nicht aufhebt, sondern sie bekräftigt, stärkt und geltend macht.
Die Besuche »ad limina
Apostolorum«
57. Ausdruck und zugleich Mittel
der Gemeinschaft unter den Bischöfen und der Cathedra Petri sind die
Besuche ad limina Apostolorum.226 Ein solches
Ereignis hat nämlich drei wesentliche Momente von je eigener Bedeutung.227
Vor allem verweist die Wallfahrt zu den Gräbern der
Apostelfürsten Petrus und Paulus auf den Bezug zu dem einen Glauben,
für den sie mit ihrem Martyrium Zeugnis ablegten.
Damit verbunden ist die Begegnung
mit dem Nachfolger Petri. Beim Ad limina-Besuch versammeln sich die
Bischöfe um ihn zu einem Austausch all jener Gaben, die der Heilige Geist
der Kirche geschenkt hat, sei es auf örtlicher Ebene und in der
Teilkirche, sei es auf Weltebene.228 Dabei vollzieht
sich nicht einfach ein Informationsaustausch, sondern vor allem eine
Bekräftigung und Festigung der Kollegialität (collegialis
confirmatio) im Leib der Kirche. Die Kollegialität bewirkt Einheit in
der Verschiedenheit und erzeugt eine Art »perichoresis« zwischen der
Gesamtkirche und den Teilkirchen, die man mit dem Blutkreislauf vergleichen
kann, der vom Herzen zu den Gliedern und von diesen wieder zum Herzen geht.229
Der von Christus ausgehende Lebensstrom vereinigt alle Teile, wie
der Saft vom Weinstock in die Reben dringt (vgl. Joh 15, 5). Das wird
besonders augenfällig in der Eucharistiefeier der Bischöfe mit dem
Papst. Jede Eucharistie wird in der Tat in Gemeinschaft mit dem eigenen
Bischof, mit dem Papst und mit dem Bischofskollegium gefeiert, und durch diese
mit den Gläubigen der Teilkirche und der ganzen Kirche. Auf diese Weise
ist die Universalkirche in der Teilkirche gegenwärtig, und diese ist mit
den anderen Teilkirchen in die Gemeinschaft der Gesamtkirche eingeordnet.
Seit den ersten Jahrhunderten ist
die Kirche von Rom, in der Petrus und Paulus ihr Glaubenszeugnis abgelegt
haben, der letztgültige Bezugspunkt für die Gemeinschaft. Aufgrund
ihrer herausragenden Stellung muß jede Teilkirche mit ihr in
Übereinstimmung sein, weil sie die letzte Gewähr der Unversehrtheit
der von den Aposteln überkommenen Tradition darstellt.230 Die
Kirche von Rom steht der universalen Gemeinschaft der Liebe vor.231
Sie schützt die legitime Vielfalt und wacht zugleich
darüber, daß die Besonderheit der Einheit nicht nur nicht schadet,
sondern ihr dient.232 All dies bringt die
Notwendigkeit der Gemeinschaft der verschiedenen Kirchen mit der Kirche von Rom
mit sich, damit sich alle in der Reinheit der Apostolischen Tradition und der
Einheit der kanonischen Disziplin für die Bewahrung des Glaubens, der
Sakramente und des konkreten Weges zur Heiligkeit wiederfinden können.
Diese Gemeinschaft unter den Kirchen kommt in der hierarchischen Gemeinschaft
der einzelnen Bischöfe mit dem Papst zum Ausdruck.233 Aus
der Gemeinschaft aller Bischöfe cum Petro et sub Petro, die sich in
der Liebe erfüllt, erwächst die Verpflichtung der Zusammenarbeit
aller mit dem Nachfolger Petri zum Wohl der gesamten Kirche und demnach auch
jeder Teilkirche. Der Ad limina-Besuch gilt gerade diesem Zweck.
Der dritte Aspekt der Ad
limina-Besuche besteht in der Begegnung mit den Verantwortlichen der
Dikasterien der Römischen Kurie: In der Unterredung mit ihnen erhalten die
Bischöfe direkte Kenntnis der Fragen, die im Kompetenzbereich der
einzelnen Dikasterien liegen, und werden so in die unterschiedlichen Themen der
gemeinsamen pastoralen Sorge eingeführt. In diesem Zusammenhang haben die
Synodenväter darum angesucht, die Beziehungen zwischen den Bischöfen
– einzeln oder in Bischofskonferenzen – und den Dikasterien der Römischen
Kurie im Sinne der gegenseitigen Kenntnis und des Vertrauens zu vermehren.234
Auf diese Weise wären die Dikasterien direkt über die
konkreten Probleme der Kirchen informiert und könnten ihren universalen
Dienst besser ausüben.
Zusammen mit dem
Fünfjahresbericht über den Status der Diözese 235 sind
ohne Zweifel die Ad-limina-Besuche wirksame Mittel zur Erfüllung
des Erfordernisses der gegenseitigen Kenntnis, die aus dieser realen
Gemeinschaft unter den Bischöfen und mit dem Papst erwächst. Der
Rombesuch der Bischöfe kann sogar eine gute Gelegenheit bieten, um
einerseits die Antwort auf die von ihnen den Dikasterien vorgelegten Fragen zu
beschleunigen und um andererseits – je nach ihrem Wunsch – eine individuelle
oder kollektive Konsultation im Hinblick auf die Vorbereitung von Dokumenten
von beträchtlicher allgemeiner Tragweite zu erleichtern. Überdies
können bei dieser Gelegenheit zweckmäßigerweise den
Bischöfen eventuell zur Veröffentlichung anstehende Dokumente
erläutert werden, die der Heilige Stuhl an die Kirche im ganzen oder an
ihre Teilkirchen im besonderen zu richten beabsichtigt.
Die Bischofssynode
58. Entsprechend einer schon
gesicherten Erfahrung läßt jede Generalversammlung der Bischofsynode
– in gewisser Hinsicht als Ausdruck des Episkopats – auf eine besondere Art den
Geist der Gemeinschaft erkennen, der die Bischöfe mit dem Papst und die
Bischöfe untereinander vereint. Sie erlaubt, unter der Führung des
Heiligen Geistes ein vertieftes kirchliches Urteil zu den verschiedenen
Problemen abzugeben, die die Kirche bedrängen.236
Bekanntlich ergab sich
während des Konzils die Forderung, die Bischöfe sollten den Papst in
der Ausübung seines Amtes besser unterstützen können. Aus eben
dieser Überlegung heraus schuf mein Vorgänger seligen Angedenkens
Paul VI. die Bischofssynode 237 – wobei er freilich
nicht den Beitrag vergaß, den schon das Kardinalskollegium dem Papst
leistete. Mittels dieses neuen Organs konnte die kollegiale Herzlichkeit und
die Sorge der Bischöfe für das Wohl der gesamten Kirche wirksamer zum
Ausdruck gebracht werden.
Die vergangenen Jahre haben
gezeigt, daß die Bischöfe in der Einheit des Glaubens und der Liebe
mit ihrem Rat dem Papst in der Ausübung seines Apostolischen Dienstes
wertvolle Hilfe leisten können, und zwar sowohl hinsichtlich der Bewahrung
des Glaubens und der Sitten wie auch bezüglich der Beachtung der
kirchlichen Disziplin. Der Austausch von Kenntnissen über die Teilkirchen
ist in der Tat ein wertvolles Mittel zur Stärkung der Gemeinschaft,
vereinfacht er doch die Übereinstimmug der Entscheidungen, auch was
Lehrfragen anbelangt.238
Jede Generalversammlung der
Bischofssynode ist eine tiefe Erfahrung von Kirche, wenn sie auch in ihren
Verfahrensmodalitäten stets verbesserungsfähig bleibt.239
Die in der Synode versammelten Bischöfe vertreten vor allem
ihre eigenen Teilkirchen; sie berücksichtigen jedoch auch die
Beiträge der Bischofskonferenzen, von denen sie entsandt sind und deren
Stellungnahme zu den zu behandelnden Fragen sie vortragen. Sie bringen so
Wünsche des ganzen hierarchischen Leibes der Kirche und in gewisser Weise
jene des gesamten Gottesvolkes, dessen Hirten sie sind, zum Ausdruck.
Die Synode ist ein Ereignis, in
dem besonders sichtbar wird, daß der Nachfolger Petri bei der
Ausübung seines Amtes stets in Gemeinschaft mit den übrigen
Bischöfen und mit der ganzen Kirche steht.240 »Sache
der Bischossynode ist es« – legt diesbezüglich der Codex des kanonischen
Rechts fest – »über die Verhandlungsthemen zu beraten und
Wünsche zu äußern, nicht aber diese zu entscheiden und
über sie Dekrete zu erlassen, wenn nicht in bestimmten Fällen der
Papst ihr Entscheidungsgewalt übertragen hat; in diesem Fall ist es seine
Sache, die Entscheidungen der Synode in Kraft zu setzen« .241 Die
Tatsache, daß der Synode normalerweise beratende und nur in
Ausnahmefällen beschließende Funktion zukommt, mindert nicht ihre
Bedeutung. In der Kirche ist nämlich der Zweck eines jeden
Kollegialorgans, sei es beratend oder beschließend, immer auf die
Wahrheit oder auf das Wohl der Kirche ausgerichtet. Wenn es sich dann um die
Feststellung des gemeinsamen Glaubens handelt, wird der consensus Ecclesiae
nicht durch die Auszählung der Stimmen gewonnen, sondern ist Frucht des
Wirkens des Geistes, der die Seele der einzigen Kirche Christi ist.
Gerade weil die Synode im Dienst
der Wahrheit und der Kirche steht und damit die wahre Mitverantwortung seitens
des ganzen Episkopats in Einheit mit seinem Haupt in Bezug auf das Wohl der
Kirche zum Ausdruck bringt, nehmen die Bischöfe bei der Abgabe ihrer
beratenden oder beschließenden Voten gemeinsam mit den anderen
Mitgliedern der Synode, auf jeden Fall ihre Teilhabe an der Leitung der
Gesamtkirche wahr. Wie mein verehrter Vorgänger Paul VI., so habe auch ich
immer die Vorschläge und Stellungnahmen der Synodenväter
hochgeschätzt und sie in die Erarbeitung jenes Dokumentes einfließen
lassen, das die Ergebnisse der Synode zusammenfaßt, weshalb ich dieses
gerne als »nachsynodal« bezeichne.
Die Gemeinschaft unter den
Bischöfen und den Teilkirchen auf lokaler Ebene
59. Außer der
gesamtkirchlichen Ebene bestehen viele und verschiedene Formen, in denen die bischöfliche
Gemeinschaft und demnach die Sorge um alle Schwesterkirchen Ausdruck finden
kann und sich tatsächlich äußert. Die wechselseitigen
Beziehungen zwischen den Bischöfen gehen zudem weit über den
institutionellen Rahmen hinaus. Das lebendige Bewußtsein der kollegialen
Dimension des ihnen übertragenen Dienstes muß sie dazu bewegen,
untereinander, vor allem im Bereich der Bischofskonferenz, und zwar sowohl
innerhalb der Kirchenprovinz als auch der kirchlichen Region, vielfältige
Formen der sakramentalen Brüderlichkeit zu schaffen, die von gegenseitiger
Annahme und Wertschätzung bis zu unterschiedlichen Gesten des
Liebesdienstes und der konkreten Zusammenarbeit reichen.
Wie ich bereits früher
einmal ausgeführt habe, ist »auch was die Reform der Römischen
Kurie, die Organisation der Synoden und die Arbeitsweise der
Bischofskonferenzen betrifft, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil viel
geschehen. Aber es bleibt sicherlich noch viel zu tun, um die
Möglichkeiten dieser Instrumente der Gemeinschaft besser zum Ausdruck zu
bringen. Sind diese doch heute besonders notwendig, da man unverzüglich
und wirkungsvoll auf die Probleme antworten muß, mit denen sich die
Kirche in den sich überstürzenden Veränderungen unserer Zeit
auseinanderzusetzen hat« .242 Das neue Jahrhundert
muß uns alle mehr denn je bemüht sehen, die Bereiche und die Mittel
auszuwerten und zu entwickeln, die zur Sicherung der Gemeinschaft unter den
Bischöfen und den Kirchen dienen.
Alles Handeln des Bischofs in
seinem eigenen pastoralen Dienst ist immer ein Handeln innerhalb des
Kollegiums. Ob es sich nun um den Dienst am Wort Gottes oder um die Leitung
der eigenen Teilkirche handelt, oder auch um eine in mitbrüderlichem
Einvernehmen getroffene Entscheidung bezüglich der anderen Teilkirchen der
selben Bischofskonferenz, in der Kirchenprovinz oder in der Region, es bleibt
immer ein Handeln im Kollegium, weil es unter Wahrung der Gemeinschaft
mit allen anderen Bischöfen und mit dem Oberhaupt des Kollegiums
geschieht, wobei auch die eigene pastorale Verantwortung wahrgenommen wird. All
dies gründet dann nicht schon in nützlicher menschlicher
Koordination, sondern vielmehr in einer Mitsorge um die anderen Kirchen, die
daher rührt, daß jeder Bischof in eine Körperschaft oder
Kollegium eingefügt und einbezogen ist. Tatsächlich ist ein jeder
Bischof gleichzeitig, wenn auch auf verschiedene Weise, verantwortlich für
die Teilkirche, für die benachbarten Schwesterkirchen und für die
Gesamtkirche.
Angemessenerweise haben daher die
Synodenväter bekräftigt: »Weil sie in Gemeinschaft miteinander
leben, sollen die Bischöfe die Schwierigkeiten und die Leiden ihrer
Mitbrüder im Episkopat wie ihre eigenen verspüren. Damit diese
Gemeinschaft gefestigt und immer stärker wird, sollen die einzelnen
Bischöfe und die jeweiligen Bischofskonferenzen aufmerksam die
Möglichkeit untersuchen, die ihren Kirchen zur Verfügung steht, um
den ärmeren Kirchen zu helfen« .243 Wir wissen,
daß eine derartige Armut sowohl in einem großen Mangel an Priestern
oder anderen seelsorglichen Kräften, als auch in einem besorgniserregenden
Fehlen von materiellen Mitteln bestehen kann. Im einen wie im anderen Fall
leidet darunter die Verkündigung des Evangeliums. Deshalb mache ich mir
auf der Linie dessen, was schon das Zweite Vatikanische Konzil einprägte,244
den Gedanken der Synodenväter zu eigen, welche die Beziehungen
brüderlicher Solidarität zwischen den Kirchen der ersten
Evangelisation und den sogenannten »jungen Kirchen« zu fördern
wünschten, was sich – auch durch Gründung von »Partnerschaften«
– im Austausch von Erfahrungen und pastoralen Vorhaben sowie finanzieller
Hilfen konkretisieren soll. So erscheint die Kirche wahrhaft als »Familie
Gottes« , in der die Stärkeren die Schwächeren zum Wohl aller stützen.245
Auf diese Weise verwirklicht sich
in der Gemeinschaft der Kirchen die Gemeinschaft der Bischöfe, die sich
ebenso in der liebevollen Zuwendung gegenüber jenen Hirten
äußert, die mehr als ihre Mitbrüder und vor allem unter den ortsbedingten
Verhältnissen zu leiden hatten oder immer noch leiden, weil sie meist die
Leiden ihrer Gläubigen teilen. Eine weitere Gruppe von Hirten, die auf
Grund ihrer wachsenden Anzahl eine besondere Aufmerksamkeit verdient, bilden
die emeritierten Bischöfe. In der Liturgie zum Abschluß der X.
Vollversammlung habe ich zusammen mit den Synodenvätern öfters an sie
gedacht. Die ganze Kirche hat eine große Wertschätzung für
diese geliebten Brüder, die wichtige Mitglieder des Bischofskollegiums
bleiben. Sie dankt ihnen für den seelsorglichen Dienst, den sie geleistet
haben und immer noch leisten, indem sie ihre Weisheit und ihre Erfahrung der
Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Die zuständige Autorität
möge es nicht versäumen, dieses persönliche spirituelle Erbe zu
nützen, das auch einen kostbaren Teil der Erinnerung der Kirchen, die sie
über Jahre geleitet haben, darstellt. Es müssen alle Anstrengungen
unternommen werden, um ihnen Lebensbedingungen, frei von geistlichen und
wirtschaftlichen Sorgen, in der von ihnen vernünftigerweise gewünschten
Umgebung zu gewährleisten. Außerdem möge man erkunden, wie sie
ihre Erfahrungen in den verschiedenen Gremien der Bischofskonferenzen einsetzen
können.246
Die katholischen Ostkirchen
60. Unter demselben Blickwinkel
der Gemeinschaft der Bischöfe untereinander und zwischen den Kirchen haben
die Synodenväter eine ganz besondere Aufmerksamkeit den katholischen
Ostkirchen gewidmet, indem sie die altehrwürdigen Reichtümer ihrer
Tradition in Betracht zogen, die einen lebendigen Schatz bilden, der mit den
analogen Formen der lateinischen Kirche koexistiert. Beide zusammen beleuchten
klarer die katholische Einheit des heiligen Gottesvolkes.247
Es besteht kein Zweifel
darüber, daß den katholischen Ostkirchen aufgrund ihrer spirituellen,
geschichtlichen, theologischen, liturgischen und disziplinären Nähe
zu den orthodoxen Kirchen und den anderen orientalischen Kirchen, die noch
nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, eine ganz
besondere Rolle vor allem zur Förderung der Einheit der Christen des
Ostens zukommt. Sie sind dazu berufen, dies wie alle Kirchen durch das Gebet
und ein vorbildliches christliches Leben zu verwirklichen. Außerdem sind
sie aufgerufen, ihre Treue zu den alten östlichen Traditionen als ihren
spezifischen Beitrag zu leisten.248
Die Patriarchalkirchen und
ihre Synode
61. Unter den spezifischen
Einrichtungen der katholischen Ostkirchen ragen die Patriarchalkirchen heraus.
Sie gehören zu jenen Gruppen von Kirchen, die, wie das Zweite Vatikanische
Konzil 249 feststellt, sich durch göttliche
Vorsehung im Laufe der Zeit organisch herausgebildet haben und sich sowohl
einer eigenen Disziplin und eigener liturgischer Gebräuche wie auch eines
gemeinsamen theologischen und spirituellen Erbes erfreuen, wobei sie immer die
Einheit des Glaubens und der einzigen göttlichen Verfassung der
Universalkirche bewahrten. Ihre besondere Würde besteht darin, daß
sie gleichsam als Mütter im Glauben andere Kirchen hervorgebracht haben,
die wie ihre Töchter sind und daher bis in unsere Zeiten herauf durch ein
engeres Band der Liebe im sakramentalen Leben und im gegenseitigen Respekt der
Rechte und Pflichten an sie gebunden sind.
Die Institution des Patriarchats
ist innerhalb der Kirche sehr alt. Sie ist bereits auf dem ersten
Ökumenischen Konzil von Nizäa bezeugt und hat auf den ersten
Ökumenischen Konzilien Anerkennung gefunden. Bis heute bildet sie die
traditionelle Form der Leitung in den Ostkirchen.250 Ihrem
Ursprung nach und gemäß ihrer besonderen Struktur verdankt sie sich
kirchlicher Errichtung. Eben deswegen hat das Zweite Vatikanische Konzil den
Wunsch geäußert, daß, »wo es nötig ist, neue
Patriarchate gegründet werden.
Ihre Errichtung ist dem
Ökumenischen Konzil oder dem Bischof von Rom vorbehalten« .251
Wer auch immer also in den Ostkirchen eine
überbischöfliche und überregionale Gewalt ausübt – wie die
Patriarchen und die Synoden der Patriarchalkirchen –, hat Anteil an der
höchsten Autorität, die der Nachfolger Petri über die ganze
Kirche innehat. Diese seine Gewalt übt er unter Beachtung des Primats des
Bischofs von Rom 252 und darüber hinaus auch des
Amtes der einzelnen Bischöfe aus, ohne in ihren Kompetenzbereich
einzudringen oder die freie Ausübung ihrer eigenen Aufgaben zu
beschränken.
Die Beziehungen zwischen den
Bischöfen einer Patriarchalkirche und dem Patriarchen, der seinerseits der
Bischof der patriarchalen Eparchie ist, entfalten sich auf der Grundlage der
schon in der Antike festgelegten Canones Apostolorum: »Die
Bischöfe jeder einzelnen Nation müssen wissen, wer unter ihnen der
erste ist und sollen ihn als ihr Haupt ansehen und nichts Wichtiges ohne seine
Zustimmung tun. Jeder beschäftige sich mit nichts anderem als mit dem, was
seinen Bezirk und die von diesem abhängigen Gebiete betrifft. Aber auch
der Erste unternehme nichts ohne die Einwilligung aller; so wird die
Einmütigkeit herrschen, und Gott verherrlicht werden durch Christus im
Heiligen Geist« .253 Dieser Kanon bringt die antike
Praxis der Synodalität in den Ostkirchen zum Ausdruck. Zugleich legt er
deren theologische Grundlage und ihre doxologische Bedeutung dar, da
nämlich klar festgehalten wird, daß das synodale Handeln der
Bischöfe in Einmütigkeit dem Dreieinen Gott Verehrung und
Verherrlichung erweist.
Im synodalen Leben der
Patriarchalkirchen muß also eine wirksame Umsetzung der kollegialen
Dimension des bischöflichen Dienstes erkannt werden. Alle erlaubt
geweihten Bischöfe nehmen an der Synode ihrer Patriarchalkirche als Hirten
eines Teils des Gottesvolkes teil. Die Rolle des Ersten, das heißt des
Patriarchen, jedoch wird als ein auf seine Weise konstituierendes Element des
kollegialen Handelns anerkannt. Es gibt nämlich keine kollegiale Handlung
ohne einen als solchen anerkannten »Ersten«. Die Synodalität
ihrerseits aber hebt nicht auf, noch verringert sie die rechtmäßige
Autonomie eines jeden Bischofs in der Leitung seiner eigenen Kirche. Sie
bekräftigt hingegen die kollegiale Gesinnung der Bischöfe, die für
alle Teilkirchen innerhalb des Patriarchates mitverantwortlich sind.
Der Patriarchalsynode wird echte
Leitungsgewalt zuerkannt. Sie wählt nämlich den Patriarchen und die
Bischöfe für die Ämter innerhalb des Territoriums der
Patriarchalkirche, wie auch die Kandidaten zum Episkopat für die
Ämter außerhalb der Grenzen der Patriarchalkirche, die dem Papst zur
Ernennung vorgeschlagen werden müssen.254 Außer
der Zustimmung und der Stellungnahme, die für die Gültigkeit
bestimmter Akte im Kompetenzbereich des Patriarchen notwendig sind, obliegt es
der Synode, Gesetze zu erlassen, die innerhalb – und im Falle von liturgischen
Gesetzen auch außerhalb – der Grenzen der Patriarchalkirche gültig
sind.255 Die Synode ist – vorbehaltlich der
Zuständigkeit des Heiligen Stuhls – die oberste Gerichtsinstanz innerhalb
der Grenzen der Patriarchalkirche selbst.256 Für
die Durchführung der wichtigsten Angelegenheiten, insbesondere jener
hinsichtlich der Aktualisierung der Apostolatsformen und –arten sowie der
kirchlichen Disziplin, bedienen sich der Patriarch und auch die
Patriarchalsynode der beratenden Mitarbeit des Patriarchatskonvents, welcher
der Patriarch mindestens alle fünf Jahre einberuft.257
Die Organisation der Metropolien
und der Kirchenprovinzen
62. Eine konkrete Weise der
Förderung der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen und der
Solidarität unter den Kirchen besteht darin, der sehr alten Institution
der Kirchenprovinzen wieder Lebenskraft zu verleihen, in denen die Metropoliten
Organ und Symbol sowohl der Brüderlichkeit unter den Bischöfen der
Provinz als auch ihrer Gemeinschaft mit dem Papst sind.258 Wegen
der Ähnlichkeit der Probleme, die die einzelnen Bischöfe
bedrängen, und aufgrund der begrenzten Zahl, die eine bessere und
wirkungsvollere Verständigung erlaubt, wird eine gemeinsame
Seelsorgsarbeit in den Versammlungen der Bischöfe derselben Kirchenprovinz
und vor allem in den Provinzialkonzilien sicher besser geplant werden
können.
Wo man für das gemeinsame
Wohl die Errichtung kirchlicher Regionen für angebracht hält, wird
eine ähnliche Funktion von den Versammlungen der Bischöfe derselben
Region oder jedenfalls von Plenarkonzilien ausgeübt werden können.
Diesbezüglich ist der vom Zweiten Vatikanischen Konzil
geäußerte Wunsch zu bekräftigen, »daß die
ehrwürdigen Einrichtungen der Synoden und Konzilien mit neuer Kraft
aufblühen; dadurch soll besser und wirksamer für das Wachstum des
Glaubens und die Erhaltung der Disziplin in den verschiedenen Kirchen,
entsprechend den Gegebenheiten der Zeit, gesorgt werden« .259 In
diesen Einrichtungen können die Bischöfe in ihrem Handeln nicht nur
die Gemeinschaft untereinander, sondern auch jene mit allen Gliederungen des
ihnen anvertrauten Teils des Volkes Gottes zum Ausdruck bringen; diese
Gliederungen sind von Rechts wegen auf den Konzilien vertreten.
Gerade wegen der Teilnahme von
Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien, wenngleich nur mit beratender
Stimme, kommt in den Partikularkonzilien nicht nur die Gemeinschaft zwischen
den Bischöfen, sondern auch die Gemeinschaft unter den Teilkirchen
unmittelbar zum Ausdruck. Außerdem erfordern die Partikularkonzilien als
feierlicher Moment kirchlichen Lebens sorgfältige Überlegungen in der
Vorbereitung, die alle Kategorien von Gläubigen einbezieht, um so diese
Konzilien zu einem geeigneten Ort für die wichtigsten Entscheidungen –
speziell für jene bezüglich des Glaubens – zu machen. Der Platz der
Partikularkonzilien kann daher nicht von den Bischofskonferenzen eingenommen
werden, wie dies das Zweite Vatikanische Konzil selbst präzisiert,
während es den Wunsch äußert, daß die Partikularkonzilien
mit neuer Kraft aufblühen. Die Bischofskonferenzen können dagegen ein
nützliches Instrument zur Vorbereitung von Plenarkonzilien sein.260
Die Bischofskonferenzen
63. Mit all dem wird durchaus
nicht beabsichtigt, die Bedeutung und den Nutzen der Bischofskonferenzen zu
verschweigen, die im letzten Konzil ihre institutionelle Gestalt gefunden haben,
welche im Codex des kanonischen Rechtes und im jüngsten Motu proprio
Apostolos suos 261 eine weitere Päzisierung
erfahren hat. Analoge Einrichtungen sind in den katholischen Ostkirchen die
Konvente der Hierarchen mehrerer Kirchen sui iuris, wie sie vom
Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen vorgesehen sind: »Durch die
einander mitgeteilte Einsicht aufgrund von Wissen und Erfahrung sowie durch die
gemeinsame Beratung soll ein heiliges Zusammenwirken für das gemeinsame
Wohl der Kirchen erreicht werden, wodurch das einheitliche Handeln
begünstigt, gemeinsame Werke unterstützt, das Gut der Religion
leichter gefördert und die kirchliche Disziplin wirksamer bewahrt wird« .262
Diese Versammlungen der
Bischöfe sind, wie es auch die Synodenväter äußerten,
heute ein wirksames Instrument, um den kollegialen Geist der Bischöfe
auszudrücken und auf praktische Weise umzusetzen. Daher sind die
Bischofskonferenzen letztlich in ihrer ganzen Leistungsfähigkeit zur
Geltung zu bringen.263 Diese haben sich
nämlich »in bemerkenswerter Weise zum bevorzugten Organ der
Bischöfe eines Landes oder eines bestimmten Gebietes entwickelt, um den
Meinungsaustausch, der gegenseitigen Beratung und der Zusammenarbeit zum Wohl
der ganzen Kirche zu dienen: ,,Sie sind in diesen Jahren eine konkrete,
lebendige und wirksame Wirklichkeit in allen Teilen der Welt geworden''. Ihre
Bedeutung wird dadurch deutlich, daß sie tatkräftig zur Einheit
unter den Bischöfen und damit zur Einheit der Kirche beitragen, weil sie
ein sehr wertvolles Instrument zur Festigung der kirchlichen Gemeinschaft sind«
.264
Da nur Bischöfe und all
jene, die den Diözesanbischöfen rechtlich gleichgestellt sind, auch
wenn sie nicht mit der Bischofswürde ausgezeichnet sind, Mitglieder der
Bischofskonferenzen sind,265 bildet im Unterscheid zu
den Partikularkonzilien unmittelbar die kollegiale Dimension der Verantwortung
in der bischöflichen Leitung das theologische Fundament dieser
Versammlungen. Die Gemeinschaft zwischen den Kirchen ist dies nur indirekt.
Da die Bischofskonferenzen auf
jeden Fall ein beständiges, regelmäßig zusammentretendes Organ
darstellen, kommt ihnen eine wirksame Rolle zu, wenn diese im Hinblick auf jene
Aufgabe, welche die einzelnen Bischöfe nach göttlichem Recht in ihrer
Teilkirche ausüben, als unterstützend verstanden wird. Auf Ebene der
einzelnen Teilkirche weidet nämlich der Bischof im Namen des Herrn die ihm
anvertraute Herde als eigenberechtigter, ordentlicher und unmittelbare Hirte.
Sein Handeln ist unbedingt persönlich, nicht kollegial, auch wenn es vom
gemeinschaftlichen Geist beseelt ist. Auf Ebene der Gruppierungen von
Teilkirchen nach geographischen Kriterien (Nation, Region, etc.) üben die
ihnen vorstehenden Bischöfe ihre Hirtensorge nicht gemeinsam mit
kollegialen Akten gleich denen des Bischofskollegiums aus, das ja als
theologisches Subjekt unteilbar ist.266 Deshalb
üben die in derselben Bischofskonferenz versammelten Bischöfe nur
einige der Aufgaben, die aus ihrem Hirtenamt (munus pastorale)
hervorgehen, gemeinsam für das Wohl ihrer Gläubigen aus – innerhalb
der Grenzen der ihnen von Rechts wegen oder durch ein Mandat des Heiligen
Stuhls verliehenen Zuständigkeiten.267
Sicherlich erfordern die
mitgliederstärkeren Bischofskonferenzen eine umfassende Organisation, um
ihren Dienst zugunsten der einzelnen Bischöfe, die sie bilden, und
folglich zugunsten der einzelnen Kirchen zu erfüllen. Auf jeden Fall
ist »die Bürokratisierung der zwischen den Vollversammlungen
tätigen Ämter und Kommissionen zu vermeiden« .268 Die
Bischofskonferenzen sind nämlich »mit ihren Kommissionen und
Büros dazu da, den Bischöfen zu helfen und nicht dazu, ihren Platz
einzunehmen« ,269 und noch weniger, um eine
Zwischenstruktur zwischen dem Heiligen Stuhl und den einzelnen Bischöfen
zu bilden. Die Bischofskonferenzen können dem Heiligen Stuhl wirksame
Hilfe anbieten, indem sie ihre Meinung zu spezifischen Problemen allgemeinerer
Natur äußern.270
Sodann bringen die Bischofskonferenzen
den kollegialen Geist, der die Bischöfe eint, zum Ausdruck und
verwirklichen ihn – und folglich die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen
Kirchen –, indem sie untereinander, besonders zwischen den benachbarten
Kirchen, enge Beziehungen auf der Suche nach dem höheren Wohl
knüpfen.271 Dies kann auf verschiedene Weise
verwirklicht werden: durch Beratungsgremien, Symposien oder
Zusammenschlüsse. Von beachtenswerter Bedeutung sind insbesondere die
konti- nentalen Zusammenkünfte der Bischöfe, denen jedoch niemals die
Zuständigkeiten zukommen, die den Bischofskonferenzen zuerkannt werden.
Diese Treffen sind von großer Hilfe, um jene Zusammenarbeit zwischen den
Bischofskonferenzen der verschiedenen Länder anzuregen, die sich in dieser
Zeit der »Globalisierung« als besonders notwendig erweist, um den
Herausforderungen zu begegnen und eine echte »Globalisierung der
Solidarität« zu verwirklichen.272
Die Einheit der Kirche und
der ökumenische Dialog
64. Das Gebet unseres Herrn Jesus
Christus um die Einheit unter seinen Jüngern (ut unum sint: Joh
17, 21) stellt für jeden Bischof einen dringenden Aufruf an eine
präzise apostolische Pflicht dar. Man darf sich diese Einheit nicht als
die Frucht unserer Bemühungen erwarten; sie ist hauptsächlich die
Gabe der Heiligsten Dreifaltigkeit an die Kirche. Dies entbindet die Christen
jedoch nicht davon, jede Anstrengung zu unternehmen, beginnend beim Gebet, um
den Weg zur vollen Einheit zu beschleunigen. Indem die Kirche auf die Gebete
und den Willen des Herrn sowie auf seine Hingabe am Kreuz zur Sammlung der
versprengten Söhne (vgl. Joh 11, 52) antwortet, fühlt sie sich
in unumkehrbarer Weise zum ökumenischen Dialog verpflichtet. Man muß
also auf dem Weg des Dialogs in der Wahrheit und in der Liebe beharrlich
weitergehen.
Viele Synodenväter haben an
die besondere Berufung erinnert, daß jeder Bischof diesen Dialog in
seiner Diözese zu fördern und in veritate e caritate (vgl.
Eph 4, 15) zu entfalten hat. Das Ärgernis der Trennung zwischen den
Christen wird nämlich von allen als ein der christlichen Hoffnung
widersprechendes Signal empfunden. Die konkreten Formen zu dieser
Förderung des ökumenischen Dialogs sind dann in der besseren
gegenseitigen Kenntnis zwischen der Katholischen Kirche und den anderen Kirchen
und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit ihr
stehen, benannt worden; ferner in Zusammenkünften und geeigneten
Initiativen und vor allem im Zeugnis der Liebe. In der Tat gibt es eine
Ökumene des alltäglichen Lebens, die in gegenseitiger Annahme, im
Zuhören und in der Zusammenarbeit besteht und die eine einzigartige
Wirksamkeit besitzt.
Andererseits haben die
Synodenväter auch vor dem Risiko wenig überlegter Gesten – Zeichen
eines »ungeduldigen Ökumenismus« – gewarnt, die dem laufenden Weg zur
vollen Einheit Schaden zufügen können. Es ist daher sehr wichtig,
daß von allen die rechten Prinzipien des ökumenischen Dialogs
angenommen und in die Tat umgesetzt werden, als auch daß man auf diesen
Prinzipien besteht: in den Seminaren mit den Priesteramtskandidaten, in den
Pfarreien und innerhalb der kirchlichen Strukturen. Das innere Leben der Kirche
muß ein Zeugnis der Einheit im Respekt und in der Öffnung immer
weiterer Räume bieten, in denen die verschiedenen theologischen,
spirituellen, liturgischen und disziplinären Traditionen Aufnahme finden
und ihre großen Reichtümer entfalten mögen.273
Der missionarische Geist im
bischöflichen Dienstamt
65. Als Glieder des
Bischofskollegiums sind die Bischöfe nicht nur für eine Diözese,
sondern für das Heil aller Menschen geweiht.274 Diese
im Zweiten Vatikanischen Konzil dargelegte Lehre ist von den Synodenvätern
in Erinnerung gerufen worden, um hervorzuheben, daß sich jeder Bischof
der missionarischen Natur seines eigenen Hirtenamtes bewußt sein
muß. All sein seelsorgliches Wirken muß demnach von missionarischem
Geist gekennzeichnet sein, um im Bewußtsein der Gläubigen das brennende
Verlangen nach der Verbreitung des Evangeliums zu wecken und zu bewahren. Daher
ist es Aufgabe des Bischofs, in der eigenen Diözese missionarische
Aktivitäten und Initiativen – auch unter wirtschaftlich-finanzieller
Rücksicht – anzuregen, zu fördern und zu leiten.275
Nicht weniger wichtig ist es
sodann, wie auf der Synode bestätigt wurde, die missionarische Dimension
in der eigenen Teilkirche – entsprechend den unterschiedlichen Situationen –
durch die Förderung grundlegender Werte wie der Anerkennung des Nächsten,
der Achtung der Verschiedenheit der Kulturen und der gesunden Wechselbeziehung
zwischen den verschiedenen Kulturen zu bestärken. Der vermehrt
multikulturelle Charakter der Städte und der Gesellschaft wiederum – vor
allem als Folge der internationalen Migrationen – führt zu neuen
Situationen, aus denen eine besondere missionarische Herausforderung
erwächst.
In der Synodenaula gab es auch
Wortmeldungen, die einige Fragen hinsichtlich der Beziehungen zwischen den
Diözesanbischöfen und den missionarischen Ordensgemeinschaften
hervorhoben und die Notwendigkeit eines vertieften Nachdenkens darüber
unterstrichen. Zugleich ist der große Beitrag an Erfahrung gewürdigt
worden, den eine Teilkirche durch diese Ordensgemeinschaften selbst empfangen
kann, um das missionarische Bsewußtsein unter den Gläubigen lebendig
zu halten.
In diesem seinem Eifer möge
sich der Bischof als ein Diener und Zeuge der Hoffnung erweisen. Die Mission
ist nämlich ohne Zweifel der genaue Gradmesser für den Glauben an
Christus und an seine Liebe zu uns: 276 Sie
drängt den Menschen aller Zeiten zu einem neuen Leben, das von der
Hoffnung beseelt wird. Denn in der Verkündigung des Auferstandenen stellen
die Christen denjenigen vor, der eine neue Ära der Geschichte einleitet;
sie rufen der Welt die gute Nachricht eines ganzheitlichen und universalen
Heiles zu, das in sich das Unterpfand einer neuen Welt enthält, in welcher
der Schmerz und die Ungerechtigkeit der Freude und der Schönheit Platz
machen werden. Zu Beginn eines neuen Millenniums, wenn sich das
Bewußtsein der Universalität des Heils geschärft hat und man
erfährt, daß die Verkündigung des Evangeliums täglich
erneuert werden muß, ergeht von der Synodenversammlung die Aufforderung,
den missionarischen Einsatz nicht zu verringern, vielmehr ihn auf eine immer
intensivere missionarische Zusammenarbeit auszudehnen.
|