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Johannes Paulus II
Pastores gregis

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  • SIEBENTES KAPITEL DER BISCHOF ANGESICHTS DER AKTUELLEN HERAUSFORDERUNGEN
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SIEBENTES KAPITEL

DER BISCHOF ANGESICHTS DER
AKTUELLEN HERAUSFORDERUNGEN

 »Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt« (Joh 16, 33)

66. In der Heiligen Schrift wird die Kirche mit einer Herde verglichen, »als deren künftigen Hirten Gott selbst sich vorherverkündigt hat. Wenngleich ihre Schafe von menschlichen Hirten geleitet werden, so werden sie dennoch immerfort von Christus, dem guten Hirten und dem Ersten der Hirten, geführt und genährt« .277  Ist es nicht Jesus selber, der seine Jünger als pusillus grex bezeichnet und sie auffordert, sich nicht zu fürchten, sondern Hoffnung zu hegen? (vgl. Lk 12, 32).

Diese Aufforderung an seine Jünger hat Jesus mehrmals wiederholt: »In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt!« (Joh 16, 33). Als er im Begriff war, zum Vater zurückzukehren, sagte er zu den Aposteln, nachdem er ihnen die Füße gewaschen hatte: »Euer Herz lasse sich nicht verwirren« , und fügte hinzu: »Ich bin der Weg [...]; niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Joh 14, 1- 6). Auf diesen Weg, der Christus ist, hat sich die kleine Herde, die Kirche, begeben, und er ist es, der Gute Hirt, der sie führt: »Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme« (Joh 10, 4).

Nach dem Bilde Jesu Christi und auf seinen Spuren geht auch der Bischof hinaus, um ihn der Welt zu verkündigen als den Retter des Menschen, jedes Menschen. Als Missionar des Evangeliums handelt er im Namen der Kirche, die in der Tugend der Menschlichkeit erfahren und den Menschen unserer Zeit nahe ist. Darum hat der Bischof, stark in der Radikalität des Evangeliums, auch die Pflicht, die falschen Anthropologien zu entlarven, die von ideologischen Prozessen erdrückten Werte herauszustellen und die Wahrheit kenntlich zu machen. Er weiß, daß er mit dem Apostel wiederholen kann: »Dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen« (1 Tim 4, 10).

Die Tätigkeit des Bischofs wird also von jener parresía gekennzeichnet sein, die Frucht des Wirkens des Geistes ist (vgl. Apg 4, 31). Während der Bischof über sich selbst hinausgeht, um Jesus Christus zu verkündigen, nimmt er vertrauensvoll und mutig seine Sendung auf, weil er tatsächlich factus pontifex, zur »Brücke« geworden ist, die zu jedem Menschen hinführt. In der Nachfolge Jesu, der sagt: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten« (Joh 10, 16), geht der Bischof mit der Leidenschaft des Hirten hinaus, um die Schafe zu suchen.

Der Bischof, Stifter von Gerechtigkeit und Frieden

67. Im Zusammenhang mit diesem missionarischen Charakter haben die Synodenväter auf den Bischof als einen Propheten der Gerechtigkeit hingewiesen. Der Krieg der Mächtigen gegen die Schwachen hat heute mehr als früher tiefgreifende Spaltungen zwischen Reichen und Armen aufgerissen. Die Zahl der Armen ist Legion! In einem ungerechten Wirtschaftssystem mit starken strukturellen Kontrasten verschlimmert sich mit jedem Tag die Lage der Menschen am Rande der Gesellschaft. In vielen Teilen der Erde herrscht heute Hunger, anderswo hingegen Überfluß. Die Opfer dieser dramatischen Mißverhältnisse sind vor allem die Armen, die Jugendlichen, die Flüchtlinge. Auch die Frau wird vielerorts in ihrer persönlichen Würde mißachtet, ist Opfer einer hedonistischen und materialistischen Kultur.

Angesichts – und sehr oft inmitten – dieser Unrechtssituationen, die unvermeidlich Konflikten und dem Tod Tür und Tor öffnen, tritt der Bischof als Verteidiger der Rechte des nach dem Abbild Gottes und ihm ähnlich geschaffenen Menschen auf. Er verkündigt die Morallehre der Kirche in der Verteidigung des Rechtes auf Leben von der Empfängnis bis zu dessen natürlichem Ende; er verkündet ferner die auf dem Fundament des Evangeliums gegründete Soziallehre der Kirche; er nimmt sich die Verteidigung eines jeden zu Herzen, der schwach ist, indem er sich zur Stimme derer macht, die keine Stimme haben, um ihren Rechten Geltung zu verschaffen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Soziallehre der Kirche auch in den schwierigsten Situationen Hoffnung zu wecken vermag, denn wenn es keine Hoffnung für die Armen gibt, wird es für niemanden, auch nicht für die sogenannten Reichen, Hoffnung geben.

Die Bischöfe haben den Terrorismus und den Völkermord nachdrücklich verurteilt und ihre Stimme zugunsten derer erhoben, die über Ungerechtigkeiten klagen, die Verfolgungen erleiden, die arbeitslos sind, und für die Kinder, die auf verschiedene und stets sehr schlimme Weise gequält werden. Wie die heilige Kirche, die in der Welt das Sakrament der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit ist,278  so ist auch der Bischof Verteidiger und Vater der Armen; er ist in eifriger Sorge um die Gerechtigkeit und die Einhaltung der Menschenrechte, und er ist Hoffnungsträger.279

Das Wort der Synodenväter war gemeinsam mit dem meinem deutlich und hart. »Wir konnten uns während der Synode auch nicht den vielen anderen Leiden verschließen, die Mitmenschen in großem Ausmaß treffen [...] Ein grundsätzlicher sittlicher Wandel ist geboten [...] Zu lang unterschätzte, weitest verbreitete Notstände können die Bevölkerung ganzer Länder in die Verzweiflung treiben. Wie können wir dazu schweigen, daß nach wie vor unzählige Menschen in einer Zeit weiter verhungern oder in äußerster Armut leben müssen, in der Möglichkeiten zu einer besseren Verteilung der Ressourcen wie nie zuvor zur Verfügung stehen? Wir sind solidarisch mit den riesigen Strömen von Flüchtlingen und Einwanderern, die infolge von Krieg, politischer Unterdrückung oder wirtschaftlicher Benachteiligung ihre Heimat verlassen müssen, Arbeit suchen und sich nach Frieden sehnen. Zunahme von Malaria und AIDS, Analphabetismus, Zukunftslosigkeit für so viele Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben, Ausbeutung der Frauen, Pornographie, Intoleranz, Mißbrauch der Religion zur Unterdrückung der Menschen, Drogen- und Waffenhandel: Die Aufzählung ist unvollständig! Dennoch verlieren die Demütigen auch in der äußersten Not die Hoffnung nicht. Der Herr schaut auf sie und hilft ihnen: ,,Die Schwachen werden unterdrückt, die Armen seufzen. Darum spricht der Herr: Jetzt stehe ich auf, dem Verachteten bringe ich Heil'' (Ps 12, 6)« .280

Auf die soeben umrissene dramatische Lagebeschreibung folgen mit selbstverständlicher Dringlichkeit der Aufruf und die Verpflichtung zum Frieden. Denn die aus dem vergangenen Jahrhundert und aus dem ganzen Jahrtausend ererbten Konfliktherde sind noch immer aktiv. Und es fehlt auch nicht an lokalen Konflikten, die tiefe Risse zwischen den Kulturen und den Nationalitäten entstehen lassen. Und wie könnte man die religiösen Fundamentalismen verschweigen, die immer Feinde des Dialogs und des Friedens sind? In vielen Regionen der Welt gleicht die Erde einem Pulverfaß, das jeden Moment explodieren und enormes Leid über die Menschheitsfamilie bringen kann.

In dieser Situation verkündet die Kirche unablässig den Frieden Christi, der in der Bergpredigt diejenigen selig gepriesen hat, »die Frieden stiften« (Mt 5, 9). Der Friede ist eine universale Verantwortung, die sich in den tausend kleinen Handlungen des Alltagslebens äußert. Er wartet auf seine Propheten und seine Baumeister, die vor allem in den kirchlichen Gemeinschaften, deren Hirt der Bischof ist, nicht fehlen dürfen. Nach dem Vorbild Jesu, der gekommen ist, um den Unterdrückten die Freiheit zu verkünden und das Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4, 16-21), wird er immer sofort aufzeigen, daß die christliche Hoffnung eng mit dem eifrigen Bemühen um die ganzheitliche Förderung des Menschen und der Gesellschaft verbunden ist, wie dies die Soziallehre der Kirche vorträgt.

Bei möglichen und leider nicht seltenen Situationen bewaffneter Konflikte muß der Bischof auch dann, wenn er das Volk auffordert, seine Rechte geltend zu machen, immer warnend darauf hinweisen, daß ein Christ auf jeden Fall die Pflicht hat, auf Rache zu verzichten und sich der Vergebung und der Liebe gegenüber den Feinden zu öffnen.281  Denn es gibt keine Gerechtigkeit ohne Vergebung. So schwer es auch fällt, die Feststellung zu akzeptieren, erscheint sie für jeden vernünftigen Menschen selbstverständlich: echter Friede wird nur durch Vergebung möglich.282

Der interreligiöse Dialog, vor allem zugunsten des Friedens in der Welt

68. Wie ich bei mehreren Anlässen wiederholt habe, soll der Dialog zwischen den Religionen im Dienst des Friedens zwischen den Völkern stehen. Die religiösen Traditionen verfügen tatsächlich über die notwendigen Hilfsmittel, um die Zerrissenheit zu überwinden und gegenseitige Freundschaft und Achtung zwischen den Völkern zu fördern. Von der Synode ging der Appell aus, die Bischöfe sollten zusammen mit den Repräsentanten der Völker Begegnungen fördern, um über die Konflikte und Kriege, die die Welt zerreißen, gewissenhaft nachzudenken und auf diese Weise gangbare Wege für ein gemeinsames Bemühen um Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden zu ermitteln.

Die Synodenväter haben die Bedeutung des interreligiösen Dialogs hinsichtlich des Friedens nachdrücklich hervorgehoben und die Bischöfe gebeten, sich in diesem Sinne in den jeweiligen Diözesen einzusetzen. Neue Wege zum Frieden lassen sich finden, wenn wir auf der Religionsfreiheit bestehen, von der das Zweite Vatikanische Konzil in der Erklärung Dignitatis humanae gesprochen hat, sowie auch durch die Erziehungsarbeit zum Nutzen der jungen Generationen und durch den korrekten Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel.283

Die Perspektive des interreligiösen Dialogs ist jedoch mit Sicherheit umfassender, und deshalb haben die Synodenväter betont, daß der Dialog Teil der Neuevangelisierung ist – vor allem in der heutigen Zeit, in der weit mehr als in der Vergangenheit Angehörige verschiedener Religionen in denselben Regionen, in denselben Städten, am Arbeitsplatz und im Alltag zusammenleben. Der interreligiöse Dialog ist daher eine Forderung, die vom täglichen Leben vieler christlicher Familien ausgeht, und auch deshalb müssen ihm die Bischöfe als Lehre des Glaubens und Hirten des Gottesvolkes gebührende Beachtung schenken.

Aus dem Kontext des Zusammenlebens mit Menschen anderer Religionszugehörigkeit erwächst den Christen eine besondere Verpflichtung, die Einmaligkeit und Universalität des Heilsmysteriums Jesu Christi und die daraus folgende Notwendigkeit der Kirche als Heilswerkzeug für die ganze Menschheit zu bezeugen. »Diese Glaubenswahrheit nimmt nichts von der Tatsache weg, daß die Kirche die Religionen der Welt mit aufrichtiger Ehrfurcht betrachtet, schließt aber zugleich radikal jene Mentalität des Indifferentismus aus, die durchdrungen ist von einem religiösen Relativismus, der zur Annahme führt, daß ,,eine Religion gleich viel gilt wie die andere''« .284  Es ist somit klar, daß der interreligiöse Dialog niemals die Botschaft und die Verkündigung des Glaubens ersetzen kann, die den vorrangigen Zweck der Predigt, der Katechese und der Mission der Kirche darstellen.

Die offene und unzweideutige Aussage, daß das Heil des Menschen von der von Christus gewirkten Erlösung abhängt, behindert nicht den Dialog mit den anderen Religionen. Aus der Perspektive des Bekenntnisses der christlichen Hoffnung soll man sodann nicht vergessen, daß gerade sie die Grundlage für den interreligiösen Dialog bildet. Denn, wie es in der Konzilserklärung Nostra aetate heißt, »sind ja alle Völker eine einzige Gemeinschaft. Sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen, bis die Erwählten vereint sein werden in der Heiligen Stadt, deren Licht die Herrlichkeit Gottes sein wird; werden doch alle Völker in seinem Lichte wandeln« .285

Das bürgerliche, soziale und wirtschaftliche Leben

69. Im pastoralen Wirken des Bischofs darf die besondere Aufmerksamkeit für das Bedürfnis nach Liebe und Gerechtigkeit nicht fehlen, das den sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen der ärmsten, verlassenen, mißhandelten Menschen entspringt, in denen der Glaubende ebenfalls besondere Abbilder Jesu sieht. Ihre Präsenz in den kirchlichen und bürgerlichen Gemeinden ist eine Bewährungsprobe für die Echtheit unseres christlichen Glaubens.

Ein Wort möchte ich dem komplexen Phänomen der sogenannten Globalisierung widmen, die eines der Merkmale der heutigen Welt darstellt. Es gibt in der Tat eine »Globalisierung« der Wirtschaft, der Finanzen und auch der Kultur, die sich als Auswirkung der rapiden Fortschritte im Zusammenhang mit den Technologien im Bereich der Informatik fortschreitend durchsetzt. Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, erfordert die Globalisierung eine sorgfältige Unterscheidung, um ihre positiven und negativen Aspekte und die verschiedenen Folgen festzustellen, die daraus für die Kirche und für die ganze Menschheit entstehen können. Bei dieser Aufgabe ist der Beitrag der Bischöfe sehr wichtig, die stets an die Dringlichkeit erinnern sollen, eine Globalisierung in der Liebe, ohne Ausgrenzung, zu erreichen. Diesbezüglich haben auch die Synodenväter an die Verpflichtung erinnert, eine »Globalisierung der Liebe« zu fördern, und haben in diesem Zusammenhang die Probleme bedacht, die den Erlaß der Schulden im Ausland betreffen, welche die Wirtschaft ganzer Völker gefährden und deren sozialen und politischen Fortschritt hemmen.286

Ohne hier eine so ernste Problematik erneut aufzugreifen, wiederhole ich lediglich einige grundlegende, bereits an anderer Stelle dargelegte Punkte: Die Vision der Kirche zu diesem Thema kennt drei wesentliche, zusammengehörende Bezugspunkte, nämlich die Würde der menschlichen Person, die Solidarität und die Subsidiarität. Daher muß »die wirtschaftliche Globalisierung im Lichte der Grundsätze sozialer Gerechtigkeit analysiert werden, wobei sowohl die vorrangige Option für die Armen, die befähigt werden sollen, sich in einer globalisierten Wirtschaft zu schützen, als auch die Erfordernisse des internationalen Gemeinwohls zu beachten sind« .287  Wenn die Globalisierung in die Dynamik der Solidarität eingebunden ist, wirkt sie nicht mehr ausgrenzend. Die Globalisierung der Solidarität ist ja in der Tat die direkte Konsequenz jener universalen Liebe, die die Seele des Evangeliums ist.

Die Achtung der Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung

70. Die Synodenväter haben auch an die sittlichen Aspekte der ökologischen Frage erinnert.288  In der Tat bezieht sich der tiefe Sinn des Aufrufes zur Globalisierung der Solidarität auch, und zwar dringend, auf die Frage der Bewahrung der Schöpfung und der Ressourcen der Erde. Das »Seufzen der Schöpfung« , das der Apostel erwähnt (vgl. Röm 8, 22), scheint sich heute in umgekehrter Sicht zu ereignen, da es sich nicht mehr um eine eschatologische Spannung in Erwartung des Offenbarwerdens der Söhne Gottes (vgl. Röm 8, 19), sondern um einen Todeskrampf handelt, der den Menschen selbst zu ergreifen trachtet, um ihn zu zerstören.

Hier zeigt sich das Umweltproblem tatsächlich in seiner gefährlichsten und perversesten Form. Denn »das tiefgreifendste und schwerwiegendste Zeichen dafür, daß der ökologischen Frage moralische Implikationen innewohnen, besteht aber im Mangel an Achtung vor dem Leben, den man in vielen die Umwelt belastenden Verhaltensweisen antrifft. Oft gewinnen Produktionsgründe die Oberhand über die Würde des Arbeiters, und wirtschaftliche Interessen kommen vor dem Wohl der einzelnen Personen, wenn nicht sogar vor dem ganzer Bevölkerungsgruppen. In solchen Fällen ist die Verschmutzung oder die Zerstörung der Umwelt Frucht einer verkürzten und unnatürlichen Sicht, die bisweilen eine echte und direkte Mißachtung des Menschen darstellt« .289

Es ist offensichtlich, daß nicht nur die Ökologie der Umwelt – die also auf den Schutz des Lebensraumes der verschiedenen Lebewesen acht gibt –, sondern auch die Humanökologie auf dem Spiel steht, die das Grundgut des Lebens in allen seinen Erscheinungsformen schützen und für die künftigen Generationen eine Umwelt bereiten soll, die dem Plan des Schöpfers möglichst nahe kommt. Es bedarf daher einer ökologischen Umkehr, zu der die Bischöfe dadurch ihren Beitrag leisten sollen, daß sie das richtige Verhältnis des Menschen zur Natur darlegen. Im Lichte der Lehre über Gottvater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, handelt es sich dabei um ein »Dienstverhältnis« : der Mensch wurde nämlich als Diener des Schöpfers zum Mittelpunkt der Schöpfung gemacht.

Der Dienst des Bischofs im Hinblick auf die Gesundheit

71. Die Sorge um den Menschen drängt den Bischof, Jesus, den wahren, von Mitleid und Erbarmen erfüllten »barmherzigen Samariter« , nachzuahmen, der sich des Menschen ohne Unterschiede annimmt. Der Gesundheitsschutz nimmt unter den heutigen Herausforderungen einen wichtigen Platz ein. Leider sind in den verschiedenen Teilen der Welt noch immer viele Arten von Krankheiten verbreitet, und obwohl die menschliche Wissenschaft bei der Suche nach neuen Lösungen oder nach Hilfen, um den Krankheiten besser begegnen zu können, hervorragende Fortschritte macht, treten immer neue Situationen auf, in denen die physische und psychische Gesundheit bedroht wird.

Jeder Bischof ist aufgerufen, im Bereich seiner Diözese mit Hilfe qualifizierter Personen darauf hinzuwirken, daß das »Evangelium des Lebens« unverkürzt verkündet wird. Das Bemühen um eine Humanisierung der Medizin und die Krankenbetreuung durch Christen, die dem Leidenden ihre fürsorgliche Nähe beweisen, rufen im Herzen eines jeden die Gestalt Jesu, des Arztes für Leib und Seele, wach. Er hat es nicht unterlassen, unter die Anweisungen, die er seinen Aposteln gegeben hat, auch die Aufforderung zur Heilung der Kranken aufzunehmen (vgl. Mt 10, 8).290  Daher verdient die Organisation und Förderung einer angemessenen Seelsorge für die im Gesundheitswesen tätigen Personen wirklich Vorrang im Herzen eines Bischofs.

Die Synodenväter haben es als besonders dringend empfunden, ihrer Sorge um die Förderung einer echten »Kultur des Lebens« in der modernen Gesellschaft deutlich Ausdruck zu verleihen: »Was uns aber als Hirten vielleicht am meisten bedrückt, ist die Verachtung des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod und der Zerfall der Familie. Das Nein der Kirche zu Abtreibung und Euthanasie ist ein Ja zum Leben, zur grundsätzlichen Güte der Schöpfung, ein Ja, das jeden Menschen im Heiligtum seines Gewissens ansprechen kann, ein Ja zur Familie, der ersten Keimzelle der Hoffnung, an der Gott seine Freude hat und die er dazu beruft, Hauskirche zu werden« .291

Die pastorale Sorge des Bischofs gegenüber den Migranten

72. Die Bevölkerungsbewegungen haben heute ganz neue Ausmaße angenommen und treten als Massenbewegungen auf, die eine immense Zahl von Menschen umfassen. Viele dieser Leute sind infolge bewaffneter Konflikte, wirtschaftlicher Notstände, politischer, ethnischer und sozialer Zusammenstöße oder Naturkatastrophen aus ihrem Land ausgewandert oder geflüchtet. All diese Formen der Migration, so unterschiedlich sie auch sein mögen, stellen unsere Gemeinden im Zusammenhang mit pastoralen Fragen wie der Evangelisierung und dem interreligiösen Dialog vor ernste Probleme.

Es ist daher angebracht, daß man sich in den Diözesen um die Einrichtung pastoraler Strukturen bemüht, die für die Aufnahme und geeignete seelsorgliche Betreuung dieser Menschen, entsprechend der unterschiedlichen Lage, in der sie sich jeweils befinden, vorgesehen sind. Es gilt auch, die Zusammenarbeit zwischen Nachbardiözesen zu fördern, um einen effizienteren und kompetenteren Dienst zu gewährleisten; gleichzeitig soll auch für die Ausbildung besonders hochherziger und zu diesem anspruchsvollen Dienst bereiter Priester und Laienmitarbeiter gesorgt werden, vor allem auch in bezug auf die Probleme rechtlicher Natur, die bei der Eingliederung der Migranten in die neue Gesellschaftsordnung auftreten können.292

In diesem Zusammenhang haben die Synodenväter aus den katholischen Ostkirchen das Problem der Abwanderung der Gläubigen ihrer Gemeinden wieder aufgeworfen; es geht hier um ein in mancher Hinsicht neues Problem, das schwerwiegende Konsequenzen im konkreten Leben zeitigt. Es führt nämlich dazu, daß eine sehr erhebliche Anzahl von Gläubigen, die aus den katholischen Ostkirchen stammen, nunmehr außerhalb der Ursprungsländer und der Diözesen ostkirchlicher Hierarchien ihren gewöhnlichen und festen Wohnsitz haben. Es handelt sich begreiflicherweise um eine Situation, die tagtäglich die Verantwortung der Bischöfe herausfordert.

Darum hat auch die Bischofssynode eine gründlichere Untersuchung über die Möglichkeiten für notwendig erachtet, mit denen die katholischen Kirchen östlicher wie westlicher Tradition angemessene und geeignete pastorale Strukturen festlegen können, die in der Lage sind, den Bedürfnissen dieser in der »Diaspora« - Situation lebenden Gläubigen entgegenzukommen.293  Auf jeden Fall bleibt es die Pflicht der Ortsbischöfe, auch wenn sie einem anderen Ritus angehören, für diese Gläubigen des orientalischen Ritus wahre Väter zu sein und ihnen in der Seelsorge die Wahrung der spezifischen religiösen und kulturellen Werte zu garantieren, in die sie hineingeboren wurden und in denen sie ihre erste christliche Formung erhalten haben.

Das sind nur einige Bereiche, in denen das christliche Zeugnis und der Dienst des Bischofs mit besonderer Dringlichkeit auf den Plan gerufen werden. Die Übernahme von Verantwortung gegenüber der Welt, ihren Problemen, ihren Herausforderungen und ihren Erwartungen gehört zum Auftrag der Verkündigung des Evangeliums der Hoffnung. Denn immer steht die Zukunft des Menschen als ,,Wesen der Hoffnung'' auf dem Spiel.

Es ist leicht verständlich, daß sich bei der Häufung von Herausforderungen, denen die Hoffnung ausgesetzt ist, die Versuchung zu Skeptizismus und Mißtrauen einstellt. Doch der Christ weiß, daß er auch den schwierigsten Situationen entgegentreten kann, weil das Fundament seiner Hoffnung auf dem Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung des Herrn beruht. Nur daraus läßt sich die Kraft schöpfen, um sich bleibend in den Dienst Gottes zu stellen, der die Rettung und die vollständige Befreiung des Menschen will.




277 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 6.



278 Vgl. ebd., 1.



279 Vgl. Propositiones 54-55.



280 Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft (26. Oktober 2001), 10-11: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5.



281 Vgl. Propositio 55.



282 Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 2002 (8. Dezember 2001), 8: AAS 94 (2002), 137.



283 Vgl. Propositiones 61; 62.



284 Kongregation fÜr die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Iesus (6. August 2000), 22: AAS 92 (2000), 763.



285 II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 1.



286 Vgl. Propositio 56.



287 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in America (22. Januar 1999), 55: AAS (91 (1999), 790-791.



288 Vgl. Propositio 56.



289 Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990 (8. Dezember 1989), 7: AAS 82 (1990), 150.



290 Vgl. Propositio 57.



291 Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft (26. Oktober 2001), 12: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5.



292 Vgl. Propositio 58.



293  Vgl. Propositio 23.






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