Keine Umdeutung heiliger
Worte und Begriffe
26. Ein
besonders wachsames Auge, Ehrwürdige Brüder, werdet Ihr haben müssen, wenn
religiöse Grundbegriffe ihres Wesensinhaltes beraubt und in einem profanen
Sinne umgedeutet werden.
27.
Offenbarung im christlichen Sinn ist das Wort Gottes an die Menschen. Dieses
gleiche Wort zu gebrauchen für die „Einflüsterungen“ von Blut und Rasse, für
die Ausstrahlungen der Geschichte eines Volkes ist in jedem Fall verwirrend.
Solch falsche Münze verdient nicht, in den Sprachschatz eines gläubigen
Christen überzugehen.
28. Glauben
ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart hat und durch die
Kirche zu glauben vorstellt: „die feste Überzeugung vom Unsichtbaren“[25]. Das freudige und
stolze Vertrauen auf die Zukunft seines Volkes, das jedem teuer ist, bedeutet
etwas ganz anderes als der Glaube im religiösen Sinne. Das eine gegen das
andere auszuspielen, das eine durch das andere ersetzen wollen und daraufhin
verlangen, von dem überzeugten Christen als „gläubig“ anerkannt zu werden, ist
ein leeres Spiel mit Worten oder bewußte Grenzverwischung oder Schlimmeres.
29.
Unsterblichkeit im christlichen Sinn ist das Fortleben des Menschen nach dem
irdischen Tode als persönliches Einzelwesen – zum ewigen Lohn oder zur ewigen
Strafe. Wer mit dem Worte Unsterblichkeit nichts anderes bezeichnen will als
das kollektive Mitfortleben im Weiterbestand seines Volkes für eine unbestimmt
lange Zukunft im Diesseits, der verkehrt und verfälscht eine der
Grundwahrheiten des christlichen Glaubens, rührt an die Fundamente jeder
religiösen, eine sittliche Weltordnung fordernden Weltanschauung. Wenn er nicht
Christ sein will, sollte er wenigstens darauf verzichten, den Wortschatz seines
Unglaubens aus christlichem Begriffsgut zu bereichern.
30.
Erbsünde ist die erbliche, wenn auch nicht persönliche Schuld der Nachkommen
Adams, die in ihm gesündigt haben[26], Verlust der Gnade
und damit des ewigen Lebens, mit dem Hang zum Bösen, den jeder durch Gnade,
Buße, Kampf, sittliches Streben zurückdrängen und überwinden muß. Das Leiden
und Sterben des Gottessohnes hat die Welt vom Erbfluch der Sünde und des Todes
erlöst. Der Glaube an diese Wahrheiten, denen heute in Eurem Vaterlande der
billige Spott der Christusgegner gilt, gehört zum unveräußerlichen Bestand der
christlichen Religion.
31. Das
Kreuz Christi, mag auch schon sein bloßer Name vielen eine Torheit und ein
Ärgernis geworden sein[27], es bleibt für den
Christen das geheiligte Zeichen der Erlösung, die Standarte sittlicher Größe
und Kraft. In seinem Schatten leben wir. In seinem Kusse sterben wir. Auf
unserem Grabe soll es stehen als Künder unseres Glaubens, als Zeuge unserer dem
ewigen Licht zugewandten Hoffnung.
32. Demut
im Geiste des Evangeliums und Gebet um Gottes Gnadenhilfe sind mit
Selbstachtung, Selbstvertrauen und heldischem Sinn wohl vereinbar. Die Kirche
Christi, die zu allen Zeiten bis in die jüngste Gegenwart herein mehr Bekenner
und freiwillige Blutzeugen zählt als irgendwelche andere
Gesinnungsgemeinschaft, hat nicht nötig, von solcher Seite Belehrungen über
Heldengesinnung und Heldenleistung entgegenzunehmen. In seinem seichten Gerede
über christliche Demut als Selbstentwürdigung und unheldische Haltung spottet
der widerliche Hochmut dieser Neuerer seiner selbst.
33. Gnade
im uneigentlichen Sinne mag alles genannt werden, was dem Geschöpf vom Schöpfer
zukommt. Gnade im eigentlichen und christlichen Sinne des Wortes umfaßt jedoch
die übernatürlichen Erweise göttlicher Liebe, die Huld und das Wirken Gottes,
durch das Er den Menschen zu jener innersten Lebensgemeinschaft mit Sich
erhebt, die das Neue Testament Gotteskindschaft nennt. „Seht, wie große Liebe
uns der Vater erwiesen hat. Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es auch.“[28] Die Ablehnung
dieser übernatürlichen Gnadenerhebung aus angeblich deutscher Wesensart heraus
ist Irrtum, eine offene Kampfansage an eine Kernwahrheit des Christentums. Die
Gleichsetzung der übernatürlichen Gnade mit den Gaben der Natur ist Eingriff in
den durch die Religion geschaffenen und geweihten Wortschatz. Die Hirten und
Hüter des Volkes Gottes werden gut daran tun, diesem Raub am Heiligtum und
dieser Arbeit an der Verwirrung der Geister mit Wachsamkeit entgegenzuwirken.
|