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Pius XI
Mit brennender Sorge

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  • An die Getreuen aus dem Laienstande
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An die Getreuen aus dem Laienstande

 

46. Vor Unserem Auge steht die unübersehbare große Schar treuer Söhne und Töchter, denen das Leid der Kirche in Deutschland und ihr eigenes Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache Gottes, nichts von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe und Priester, nichts von ihrer freudigen Bereitschaft, auch in Zukunft, komme, was da wolle, dem treu zu bleiben, was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe erworben haben. Ihnen allen senden wir aus gerührtem Herzen Unsern Vatergruß.

47. Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die Treue hielten und sich nicht bereit fanden die Rechte preiszugeben, die ein feierliches Abkommen der Kirche ihnen nach Treu und Glauben gewährleistet hatte.

48. Ein besonders inniger Gruß ergeht an die katholischen Eltern. Ihre gottgegebenen Erzieherrechte und Erzieherpflichten stehen gerade im gegenwärtigen Augenblick im Mittelpunkt eines Kampfes, wie er schicksalsvoller kaum gedacht werden kann. Die Kirche Christi kann nicht erst anfangen zu trauern und zu klagen, wenn die Altäre verwüstet werden, wenn sakrilegische Hände die Gotteshäuser in Rauch und Flammen aufgehen lassen. Wenn man versucht, den Tabernakel der durch die Taufe geweihten Kinderseele durch eine christusfeindliche Erziehung zu entweihen, wenn aus diesem lebendigen Tempel Gottes die ewige Lampe des Christusglaubens herausgerissen und an ihre Statt das Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt werden soll, der mit dem Glauben des Kreuzes nichts mehr zu tun hat, dann ist die geistige Tempelschändung nahe, dann wird es für jeden bekennenden Christen Pflicht, seine Verantwortung von der der Gegenseite klar zu scheiden, sein Gewissen von jeder schuldhaften Mitwirkung an solchem Verhängnis und Verderbnis freizuhalten. Und je mehr die Gegner sich bemühen, ihre dunklen Absichten abzustreiten und zu beschönigen, um so mehr ist wachsames Mißtrauen am Platze und mißtrauische, durch bittere Erfahrung aufgerüttelte Wachsamkeit. Die formelle Aufrechthaltung eines, zudem von Unberufenen kontrollierten und gefesselten Religionsunterrichts im Rahmen einer Schule, die in andern Gesinnungsfächern planmäßig und gehässig derselben Religion entgegenarbeitet, kann niemals einen Rechtfertigungsgrund abgeben, um einer solchen, religiös zersetzenden Schulart die freiwillige Billigung eines gläubigen Christen einzutragen. Wir wissen, geliebte katholische Christen, daß von einer solchen Freiwilligkeit bei euch nicht die Rede sein kann. Wir wissen, daß eine freie und geheime Abstimmung unter euch gleichbedeutend wäre mit einem überwältigenden Plebiszit für die Bekenntnisschule. Und deshalb werden Wir auch in Zukunft nicht müde werden, den verantwortlichen Stellen die Rechtswidrigkeit der bisherigen Zwangsmaßnahmen, die Pflichtmäßigkeit der Zulassung einer freien Willensbildung freimütig vorzuhalten. Inzwischen vergeßt es nicht: Von dem gottgewollten Band der Verantwortung, das euch mit euren Kindern verknüpft, kann keine irdische Gewalt euch lösen. Niemand von denen, die euch heute in euren Erzieherrechten bedrängen und euch von euren Erzieherpflichten abzulösen vorgeben, wird an eurer Statt dem Ewigen Richter antworten können, wenn Er an euch die Frage richtet: Wo sind die, die ich dir gegeben? – Möge jeder von euch antworten können: „Keinen von denen, die Du mir gegeben hast, habe ich verloren“[37].

49. Ehrwürdige Brüder! Wir sind gewiß, daß die Worte, die Wir in entscheidungsvoller Stunde an Euch und durch Euch an die Katholiken des Deutschen Reiches richten, in den Herzen und in den Taten Unserer treuen Kinder das Echo finden werden, daß der liebenden Sorge des gemeinsamen Vaters entspricht. Wenn Wir etwas mit besonderer Inbrunst vom Herrn erflehen, dann ist es dies: daß Unsere Worte auch das Ohr und das Herz solcher erreichen und zum Nachdenken stimmen, die bereits begonnen haben, sich von den Lockungen und Drohungen derer einfangen zu lassen, die gegen Christus und Sein heiliges Evangelium stehen.

50. Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage der Wahrheit und zugleich der Liebe. Weder wollten Wir durch unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden an der mangelnden Aufklärung, noch durch unnötige Strenge an der Herzensverhärtung irgend eines von denen, die Unserer Hirtenverantwortung unterstehen und denen Unsere Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie zurzeit Wege des Irrtums und des Fremdseins wandeln. Mögen manche von ihnen, sich den Gepflogenheiten ihrer neuen Umgebung anpassend, für das verlassene Vaterhaus und den Vater selbst nur Worte der Untreue, des Undanks oder gar der Unbill haben, mögen sie vergessen, was sie hinter sich geworfen haben – der Tag wird kommen, wo das Grauen der Gottesferne und der seelischen Verwahrlosung über diesen heute verlorenen Söhnen zusammenschlagen, wo das Heimweh sie zurücktreiben wird zu dem „Gott, der ihre Jugend erfreute“[38], und zu der Kirche, deren Mutterhand sie den Weg zum himmlischen Vater gelehrt hat. Diese Stunde zu beschleunigen, ist der Gegenstand Unserer unaufhörlichen Gebete.

51. So wie andere Zeiten der Kirche wird auch diese der Vorbote neuen Aufstiegs und innerer Läuterung sein, wenn der Bekennerwille und die Leidensbereitschaft der Getreuen Christi groß genug sind, um der physischen Gewalt der Kirchenbedränger die Unbedingtheit eines innigen Glaubens, die Unverwüstlichkeit einer ewigkeitssicheren Hoffnung, die bezwingende Allgewalt einer tatstarken Liebe entgegenzustellen. Die heilige Fasten- und Osterzeit, die Verinnerlichung durch Buße predigt und des Christen Blick mehr noch als sonst auf das Kreuz, zugleich aber auch auf die Herrlichkeit des Auferstandenen richtet, sei für alle und jeden von euch freudig begrüßter und eifrig genutzter Anlaß, Sinn und Seele mit dem Helden-, dem Dulder-, dem Siegergeist zu erfüllen, der vom Kreuze Christi ausstrahlt. Dann, das sind Wir gewiß, werden die Feinde der Kirche, die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, daß sie zu früh gejubelt und zu voreilig nach der Grabschaufel gegriffen haben. Dann wird der Tag kommen, wo an Stelle verfrühter Siegeslieder der Christusfeinde aus dem Herzen und von den Lippen der Christustreuen das Te Deum der Befreiung zum Himmel steigen darf; ein Te Deum des Dankes an den Allerhöchsten; ein Te Deum der Freude darüber, daß das deutsche Volk auch in seinen heute irrenden Gliedern den Weg religiöser Heimkehr beschritten hat, daß es in leidgeläutertem Glauben sein Knie wieder beugt vor dem König der Zeit und Ewigkeit Jesus Christus, und daß es sich anschickt, im Kampf gegen die Verneiner und Vernichter des christlichen Abendlandes, in Harmonie mit allen Gutgesinnten anderer Völker, den Beruf zu erfüllen, den die Pläne des Ewigen ihm zuweisen.

52. Er, der Herz und Nieren durchforscht[39], ist Unser Zeuge, daß Wir keinen innigeren Wunsch haben als die Wiederherstellung eines wahren Friedens zwischen Kirche und Staat in Deutschland. Wenn aber – ohne unsere Schuld – der Friede nicht sein soll, dann wird die Kirche Gottes ihre Rechte und Freiheiten verteidigen im Namen des Allmächtigen, dessen Arm auch heute nicht verkürzt ist. Im Vertrauen auf Ihn „hören wir nicht auf zu beten und zu rufen“[40] für euch, die Kinder der Kirche, daß die Tage der Trübsal abgekürzt und ihr treu erfunden werdet am Tage der Prüfung; und auch für die Verfolger und Bedränger: der Vater alles Lichtes und aller Erbarmung möge ihnen eine Damaskusstunde der Erkenntnis schenken, für sich und alle die vielen, die mit ihnen geirrt haben und irren.

53. Mit diesem Flehgebet im Herzen und auf den Lippen erteilen Wir als Unterpfand göttlicher Hilfe, als Beistand in Euren schweren und verantwortungsvollen Entschließungen, als Stärkung im Kampf, als Trost im Leid Euch, den bischöflichen Hirten Eures treuen Volkes, den Priestern und Ordensleuten, den Laienaposteln der Katholischen Aktion und allen, allen Euren Diözesanen, nicht zuletzt den Kranken und Gefangenen, in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen.


Gegeben im Vatikan, am Passionssonntag, den 14. März 1937.

Pius PP. XI.

 

 

@@[1] 3 Joh 4,4.

@@[2] Vgl. 2 Petr 2,2.

@@[3] Mt 13, 25.

@@[4] Lk 22,32.

@@[5] Weish 8,1.

@@[6] Jes 40,15.

@@[7] Hebr 5,1.

@@[8] Tit 2,5.

@@[9] Mt 11,27.

@@[10] Joh 17,3.

@@[11] 1 Joh 2,23.

@@[12] Hebr 1,1-2.

@@[13] Apg 4,12.

@@[14] 1 Kor 3,11.

@@[15] Ps 2,4.

@@[16] 1 Tim 3,15.

@@[17] Mt 18,17.

@@[18] Lk 10,16.

@@[19] 1 Kor 9,27.

@@[20] Joh 3,8.

@@[21] Mt 3,9; Lk 3,8.

@@[22] Mt 4,10; Lk 4,8.

@@[23] Lk 12,9.

@@[24] Mt 16,18.

@@[25] Hebr 11,1.

@@[26] Röm 5,12.

@@[27] 1 Kor 1,23.

@@[28] 1 Joh 3,1.

@@[29] Ps 13,1.

@@[30] Röm 2,14-15.

@@[31] Cicero de officiis 3, 30.

@@[32] Mt 19,17.

@@[33] Apg 5,41.

@@[34] Gal 1,9.

@@[35] Röm 12,21.

@@[36] 1 Kor 9,24-25.

@@[37] Joh 18,9.

@@[38] Ps 42,4.

@@[39] Ps 7,10.

@@[40] Kol 1,9.

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Enzyklika
QUADRAGESIMO ANNO

Seine Heiligkeit
Papst Pius XI. (1931)

An die Ehrwürdigen Brüder, Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und die anderen Oberhirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle leben, und an alle christgläubigen Katholiken des Erdkreises,

über die Gesellschaftliche Ordnung,

ihre Wiederherstellung und ihre Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft zum 40. Jahrestag des Rundschreibens Leo's XIII. "Rerum novarum"

Pius XI. Papst.

Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne
Gruß und Apostolischen Segen!

1. Vierzig Jahre sind verflossen, seit Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Leo XIII., sein herrliches Rundschreiben Rerum novarum ergehen ließ. In dankbarer Freude ergreift der ganze katholische Erdkreis diesen Anlaß, um das Gedenken verdientermaßen feierlich zu begehen.

2. Als Wegbereiter dieser einzigartigen Urkunde oberster Hirtensorge waren schon andere Rundschreiben Unseres Vorgängers vorausgegangen; über die Grundlage der menschlichen Gesellschaft, die Familie und das hl. Sakrament der Ehe1; über den Ursprung der Staatsgewalt2 und deren geordnete Beziehungen zur Kirche3; über die Hauptpflichten christlicher Staatsbürger4; sodann aber auch gegen den Sozialismus5 und eine falsche Freiheitslehre6, sowie andere mehr, aus denen Leos Geist bereits deutlich genug sprach. Das Rundschreiben Rerum novarum aber zeichnete sich dadurch vor allen übrigen aus, daß es die sichere Richtschnur zur glücklichen Lösung jener dornenvollen Frage um die menschliche Gesellschaft, die als die soziale Frage bekannt ist, gerade in dem Augenblick der Menschheit darbot, da es am meisten gelegen kam, ja sogar dringendst not tat.

Veranlassung

3. Gegen die Neige des 19. Jahrhunderts hatten ja die neue Wirtschaftsweise und die Industrialisierung bei einer ganzen Reihe von Völkern mehr und mehr zu einer Spaltung der Gesellschaft in zwei Klassen geführt: die eine Klasse, nur gering an Zahl, genoß fast allein alle Annehmlichkeiten, welche die neuzeitlichen Erfindungen so reichlich zu bieten vermochten; die andere Klasse dagegen, die ungeheuere Masse der Arbeiterschaft umfassend, litt unter dem Druck jammervoller Not, ohne sich trotz angestrengtesten Bemühens aus ihrer kläglichen Lage befreien zu können.

4. Mit dieser Lage der Dinge fanden sich jene leicht genug ab, die selber im Reichtum schwimmend in ihr einfach das Ergebnis naturnotwendiger Wirtschaftsgesetze erblickten und folgerecht alle Sorge um eine Linderung der Elendszustände einzig der Nächstenliebe zuweisen wollten - gerade als ob es Sache der Nächstenliebe wäre, die von der Gesetzgebung nur allzuoft geduldete, manchmal sogar gutgeheißene Verletzung der Gerechtigkeit mit ihrem Mantel zuzudecken. Knirschend dagegen ertrug die Arbeiterschaft diesen Stand der Dinge, unter dem ihr ein so hartes Los zufiel, und bäumte sich auf gegen ein so unerträgliches Joch. Unter dem Einfluß der Verhetzung erstrebte der eine Teil der Arbeiterschaft den völligen Umsturz der menschlichen Gesellschaft; aber auch bei dem andern Teil, der durch seine gediegene christliche Durchbildung gegen solche Verirrungen gefeit war, festigte sich die Überzeugung, daß ein tiefgreifender Wandel dringend und schleunig geboten sei.

5. Ganz gleich dachten nicht wenige jener katholischen Männer, Geistliche und Laien, die, von bewunderungswürdiger Nächstenliebe getrieben, schon lange der unverdienten Notlage des Proletariats abzuhelfen sich mühten. Auch sie vermochten sich nicht einzureden, daß eine so ungeheuerliche und so unbillige Ungleichheit in der Verteilung der zeitlichen Güter den Absichten des allweisen Schöpfers entsprechen sollte.

6. Sie alle suchten aufrichtig und ehrlich nach einem wirksamen Heilmittel für die jammervolle Störung der allgemeinen Ordnung sowie nach vorbeugenden Maßnahmen, um wenigstens eine noch ärgere Verschlimmerung hintanhalten zu können. Indes - so armselig ist nun einmal der Geistesflug selbst hochstehender Menschen - von den einen erfuhren sie als gefährliche Neuerer scharfe Ablehnung, von der anderen Seite fielen ihnen Mitarbeiter am gleichen edlen Werk. Deren Ansichten und Pläne aber in anderer Richtung gingen, hindernd in den Arm, so daß sie in dem Widerstreit der Meinungen schließlich nicht mehr wußten, welchen Weg sie einschlagen sollten.

7. In diesem geistigen Ringen nun, da der Meinungsstreit hin und her tobte und gelegentlich zu großer Schärfe aufflammte, richteten sich wie so oft zuvor aller Augen auf Petri Stuhl, auf diesen ehrwürdigen Hort der Wahrheit, von dem Worte des Heiles in die ganze Welt ausgehen. Ja, zu den Füßen des Stellvertreters Christi auf Erden strömten in nie gekannter Zahl führende Männer der Sozialwissenschaften, Arbeitgeber und schließlich Arbeiter zusammen; alle miteinander hatten das eine Anliegen, endlich den sicheren Weg gewiesen zu werden.

8. Reiflich erwog der Papst in seiner hohen Klugheit die Dinge mit sich allein und vor Gott; die erfahrensten Berater wurden zugezogen; nach allen Seiten ward jegliches ernst überdacht. Am Ende stand sein Entschluß fest: im Bewußtsein der heiligen Pflicht seines Apostolischen Amtes7, um durch längeres Schweigen auch nicht den Schein der Pflichtversäumnis auf sich zu laden8, wird er zur Kirche Christi, zur Menschheit sprechen, seines von Gott ihm aufgetragenen Lehramtes walten.

9. So erhob denn der Papst am 15. Mai 1891 seine lange erwartete Stimme. Von der Schwierigkeit der Aufgabe nicht erschreckt, vom Alter nicht gebeugt, nein, in hochaufgereckter Kraft wies er dem Menschengeschlecht zur Lösung der sozialen Frage neue Bahnen.

Gegenstand

10. Ihr alle, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, seid woffivertraut mit jener bewunderungswürdigen Lehre, die der unvergängliche Ruhm des Rundschreibens Rerum novarum ist. Voll Schmerz, einen so großen Teil der Menschheit unter jammervollen, kläglichen Verhältnissen in unwürdiger Lage erblicken zu müssen, nachdem die wirtschaftliche Entwicklung "den Arbeiter in seiner Vereinzelung schutzlos der Unmenschlichkeit der Arbeitsherren und dem Eigennutz eines zügellosen Wettbewerbs ausgeliefert" hatte9, macht der oberste Hirte die Sache der Arbeiterschaft zu der seinen. Dabei entlehnt er Hilfe weder von Liberalismus noch vom Sozialismus, da ersterer zur Lösung der sozialen Frage sich völlig unfähig erwiesen hatte, letzterer aber ein Heilmittel anempfahl, das schlimmer als das zu heilende Übel selbst die menschliche Gesellschaft nur noch näher an den Abgrund herangeführt hätte.

11. Aus eigenster Machtvollkommenheit und erfüllt von dem Bewußtsein, daß ihm an erster Stelle die Obhut der Religion und die Führung in alle dem, was eng mit ihr zusammenhängt, anvertraut ist, griff der Papst die Angelegenheit auf, in der "ohne Hilfe der Religion und der Kirche kein glücklicher Ausgang"10 abzusehen war. Einzig gestützt auf die unwandelbaren Grundsätze von Vernunft und Offenbarung beleuchtete er die "wechselseitigen Rechte und Pflichten der Besitzenden und der Enterbten, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer"11. Voll zuversichtlichen Mutes und redend "wie einer, der Macht hat"12, erläuterte und stellte er fest, was die Kirche, was der Staat, was die Beteiligten selbst zur Lösung der Frage beizutragen haben.

12. Nicht umsonst ließ der Papst sein apostolisches Wort ergehen. Voll Staunen lauschten ihm, mit Begeisterung nahmen es in sich auf nicht allein die getreuen Söhne der Kirche, sondern auch viele, die fernab von dem einen wahren Glauben im Irrtum wandeln, ja, mit wenigen Ausnahmen alte, die hinfort in gelehrter Forschung oder praktisch er, gesetzgeberischer Arbeit mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen sich befaßten.

13. Mit besonderer Freude aber griffen das päpstliche Rundschreiben die christlichen Arbeiter auf, die sich von der höchsten Autorität auf Erden verstanden und verteidigt sahen, sowie all jene hochherzigen Männer, die bei ihren unverdrossenen Bemühungen um die Hebung der Lage der Arbeiterschaft bis dahin kaum etwas anderes angetroffen hatten als eine allgemeine Interesselosigkeit, nicht ganz vereinzelt auch gehässige Verdächtigung, wenn nicht gar ausgesprochene Feindseligkeit. Mit Recht steht bei ihnen allen das Apostolische Schreiben in so hoher Verehrung, daß es bereits stehender Brauch geworden ist, allenthalben Jahr für Jahr auf die eine oder andere Art seiner dankbar zu gedenken.

14. Von dieser allgemeinen Übereinstimmung machten einige eine Ausnahme, deren sich eine gewisse Beunruhigung bemächtigte. In der Tat fand die hochherzige und hochsinnige Lehre des Papstes, die für die Welt etwas Unerhörtes war, auch bei Katholiken hier und da eine zweideutige und vereinzelt sogar eine ablehnende Aufnahme. In zu kühnem Ansturm hat Leo XIII. die Götzen des Liberalismus gestürzt, zu rücksichtslos mit eingerosteten Vorurteilen aufgeräumt, zu unverhofft zukünftige Entwicklungen vorweggenommen. Da mußten doch die Saumseligen ihre Herzen gegen die Aufnahme einer so unerhört neuen Sozialphilosophie sperren und die zaghaften Gemüter vor dem Aufstieg zu so schwindelnder Höhe zurückschrecken. Ja, nicht einmal solche fehlten, die die strahlende Lichtfülle zwar bewunderten, aber das Ganze nur als ein traumhaftes Wunschbild ansahen, das sich niemals in die Wirklichkeit überführen lasse.

Inhalt und Zweck vorliegenden Schreibens

15. Die Vierzigjahrfeier des päpstlichen Rundschreibens, die allerorts und in allen Kreisen, besonders aber von den aus der ganzen Welt nach dieser heiligen Stadt zur Feier zusammenströmenden katholischen Arbeitern mit großer Begeisterung begangen wird, bietet Uns daher erwünschten Anlaß, das Wort zu ergreifen. Wir wollen die segensreichen Früchte des Leoninischen Rundschreibens für die Katholische Kirche wie für die ganze menschliche Gesellschaft rückblickend überschauen (I), alsdann des großen Meisters Gesellschafts- und Wirtschaltslehre gegenüber gewissen Erörterungen, die sich daran geknüpft haben, zweifelsfrei klarstellen sowie in einigen Stücken ihre Ansätze weiter entfalten (II), endlich mit der Wirtschaft von heute ins Gericht gehen und über den Sozialismus das Urteil sprechen, um die wahre Ursache der gegenwärtigen Störung der gesellschaftlichen Ordnung aufzudecken und damit zugleich den einzigen Weg zur Heilung aufzuzeigen, nämlich die sittliche Erneuerung aus christlichem Geiste (III). Damit haben Wir die drei Hauptteile dieses Unseres Rundschreibens bezeichnet.

I.

Die segensreichen Wirkungen von "Rerum novarum".

16. Um also mit dem erstgenannten zu beginnen, dürfen Wir nicht unterlassen, der Mahnung des hl. Ambrosius folgend, der da sagt: "Keine Pflicht geht über die Dankespflicht"13, überschwenglichen Dank Gott dem Allmächtigen und Allgütigen zu sagen für die reichen Segnungen, die Kirche und Welt durch Leos xll1. Rundschreiben zuteil geworden sind. Wollten Wir auch nur im Überfluge dieser Segnungen Erwähnung tun, so hätten Wir nicht viel weniger als eine Gesamtdarstellung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten 40 Jahren zu geben. Unter drei Hauptgesichtspunkten lassen sie sich indes knapp zusammenfassen, entsprechend den drei Seiten, deren Mitwirkung der Papst zu seinem großen Erneuerungswerk erwartete.

1. Kirche

17. An erster Stelle die Mitwirkung der Kirche betreffend, hatte Leo XIII. ausgeführt: "Die Kirche schöpft aus der Frohbotschaft die Lehren, die den Streit, wenn nicht völlig beizulegen, so doch zu entgiften und zu mildern vermögen; sie ist es ebenfalls, die durch ihre Weisungen nicht nur den Verstand zu belehren, sondern die gesamte sittliche Lebensführung des Menschen zu ordnen sich angelegen sein läßt; sie trifft zur Hebung der Lage der Enterbten vielfältige, ersprießliche Veranstaltungen"14.

Lehre

18. Diesen ihren kostbaren Schatz hat die Kirche fürwahr nicht in der Truhe verborgen gehalten; vielmehr teilte sie in reicher Fülle davon aus zur allgemeinen und so notwendigen Befriedung. Ohne Unterlaß haben Leo XIII. selbst wie seine Nachfolger die Gesellschafts- und Wirtschaftslehre des Rundschreibens Rerum novarum in Wort und Schrift verkündet, immer wieder eingeschärft und in zweckmäßiger Anpassung an die Sach- und Zeiterfordernisse dem Bedürfnis entsprechend angewandt; stets im Geiste väterlicher Fürsorge und in unerschrockener Erfüllung ihrer Hirtenpfllicht, sich vor allem der Armen und Hilflosen anzunehmen15. Desgleichen taten so viele Bischöfe, die sich unermüdlich angelegen sein ließen, diese Lehre auszulegen, in ihr Verständnis einzuführen und die Anwendung auf die örtlich verschiedenen Verhältnisse zu geben, nach dem Sinn und nach den Weisungen des HI. Stuhles16.

19. Kein Wunder denn, daß unter Führung und Leitung der Kirche eine große Zahl gelehrter Männer aus dem Priester und Laienstande den zeitgemäßen Ausbau der Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaft entschlossen in Angriff nahm, wobei sie vor allem das Bestreben leitete, der ewig alten und ewig jungen, stets unwandelbaren Kirchenlehre die Heilmittel für die immer wechselnden Zeitbedürfnisse zu entnehmen.

20. So entstand im Lichte und unter der Wegleite des Leoninischen Rundschreibens wirklich eine katholische Gesellschaftswissenschaft ,1 deren weiterer Ausgestaltung und Bereicherung mit unverdrossener Hingabe jene erlesenen Männer obliegen, den Wir den Ehrennamen "Helfer der Kirche" gaben. Auch sie vergraben ihre Wissenschaft nicht, sondern stellen sie hinein in den Lärm und Kampf des Tages. Beispielshalber nennen Wir nur: mit ebenso großem Nutzen wie Zulauf veranstaltete Lehrgänge an Katholischen Universitäten, Akademien, Seminarien; soziale Tagungen und "Wochen" in großer Zahl und mit schönen Erfolgen; Studienvereinigungen; endlich zweckentsprechende, gediegene Schriften aller Art für die verschiedensten Leserkreise.

21. Doch damit sind die Auswirkungen des päpstlichen Schriftstücks noch keineswegs erschöpft. Allmählich und unauffällig gewann die Lehre des Rundschreibens Rerurn novarum Einfluß auch in solchen Kreisen, die von der kirchlichen Einheit getrennt die Oberhoheit der Kirche nicht anerkennen. In der Tat sind die katholischen Sozialprinzipien mit der Zeit Gemeingut des Menschengeschlechts geworden. So haben wir die Freude, die ewigen Wahrheiten, die Unser glorreicher Vorgänger hoheitsvoll verkündet hatte, nicht bloß in nichtkatholischen Zeitschriften und Büchern, sondern auch in den gesetzgeberischen Körperschaften und in Gerichtsverhandlungen immer wieder anrufen und verfechten zu hören.

22. Ja, als nach dem Weltkriege die Staatsmänner der führenden Mächte den Frieden auf eine grundlegende Neuschaffung der gesellschaftlichen Verhältnisse gründen wollten, erwiesen sich mehrere der zu einer gerechten und billigen Regelung des Arbeitsverhältnisses aufgestellten Leitsätze so auffallend mit den Lehren und Weisungen Leos XIII. in Übereinstimmung, daß sie gerade mit bewußter Absicht aus diesen als ihrer Quelle abgeleitet erscheinen möchten. Fürwahr, das Rundschreiben Rerum novarum ist eine Urkunde, denkwürdig für alle Zeiten, wirklich nach dem Worte des Isaias ein "ragendes Wahrzeichen für die Völker"17.

Anwendung

23. Während nun in weiterer Ausstrahlung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit die Kenntnis der Lehre Leos XIII. in die weitesten Kreise drang, blieb auch die nutzbare Anwendung nicht zurück. Ganz besonders galt diese im Geiste tätigen Wohlwollens mit Eifer aufgenommene Arbeit der Emporführung jener Klasse der menschlichen Gesellschaft, die, obwohl im Zuge der neuzeitlichen wirtschaftlichen Entwicklung an Zahl ungeheuer angewachsen, dennoch ihre rechte Eingliederung in diese Gesellschaft und daher auch die ihr gebührende Achtung und Wertung noch nicht gefunden hatte, nämlich der Arbeiterklasse. Unverzüglich lud der Klerus, den Bischöfen nacheifernd, zu seinen sonstigen Seelsorgspflichten auch noch ein gewaltiges Maß volksbildnerischer und volkserzieherischer Arbeit auf seine Schultern, eine Arbeit, die sich gerade seelsorgerlich als überaus dankbar erwies. Die in beharrlich aufgewandter Mühe erreichte Durchbildung und Durchdringung der Arbeiterschaft mit christlichem Geist trug überdies in besonderem Maße dazu bei, den christlichen Arbeitern das wahre Bewußtsein ihres Wertes und ihrer Würde zu geben und sie instand zu setzen, in klarer Erkenntnis ihrer besonderen Rechte und Pflichten in Ehren und Treuen mit Erfolg den Weg sozialen und ökonomischen Aufstiegs zu beschreiten, ja auf diesem Wege sich selbst in Führung zu setzen.

24. Der nächste Schritt galt der umfassenderen Sicherung einer gehobeneren Lebenshaltung. Nicht allein, daß Wohlfahrtseinrichtungen und Wohltätigkeitsanstalten in Befolgung des päpstlichen Aufrufs in großer Zahl und Mannigfaltigkeit entstanden. Dazu kommt das aufblühende Vereinigungswesen: allerorts bildeten sich Tag für Tag zu wechselseitiger Nächstenhilfe und Selbsthilfe Vereinigungen der Arbeiter, der Handwerker, des Landvolkes, der Lohn und Gehaltsempfänger aller Kategorien stets an der Hand der Kirche, sehr oft unter priesterlicher Initiative.

2. Staat

25. Zum Zweiten, die Staatsgewalt betreffend, setzte sich Leo XIII. über die von der liberalen Staatslehre aufgerichteten Schranken kurzerhand hinweg. Dieser Staatsauffassung, die im Staat nur den Wächter der Rechtsordnung erblicken will, setzte Leo unbeirrt die Lehre vom Rechts und Wohlfahrtsstaat entgegen: durch richtige Gestaltung der gesamten gesetzlichen und sachlichen Einrichtungen müßten allgemeine Wohlfahrt wie auch Wohlfahrt der einzelnen als natürliches Ergebnis der Verfassung und Verwaltung des Staates sich einstellen'8. Der Initiative des einzelnen Staatsbürgers und der Familie sei gewiß der gebührende Spielraum zu lassen; dieser finde aber seine Grenze am Gemeinwohl und am Rechte anderer. Der Staatsgewalt obliege der Machtvolle Schutz des Gesamtvolkes und aller seiner Glieder; bei der Erfüllung dieser seiner Rechtsschutzaufgabe habe der Staat in besonderer Weise auf die Rechte der Schwachen und Mittellosen Bedacht zu nehmen. "Bedürfen doch die besitzenden Kreise, selber stark genug, sich zu schützen, weniger des staatlichen Schutzes; die Masse der Enterbten dagegen, aller eigenen Hilfsmittel entblößt, sieht sich ganz auf die Hilfe des Staates angewiesen. Der Lohnarbeiterschaft, dieser Hauptmasse der Enterbten, schuldet der Staat daher ein ganz besonderes Maß von Obsorge und Fürsorge."19

26. Es soll nicht verkannt werden, daß verschiedene Staatsregierungen bereits vor dem Rundschreiben Leos XIII. das eine oder andere zugunsten der Arbeiterschaft in Abhilfe der dringendsten Notstände und der schreiendsten Unbill unternommen hatten. Aber erst nachdem das Apostolische Hirtenwort vom Lehrstuhle Petri aus seinen Weg über die ganze Welt hin genommen hatte, gingen die Staatsmänner, beseelt von einem tieferen Verständnis ihres staatsmännischen Berufes, an die Einleitung einer umfassenderen Sozialpolitik.

27. Der Liberalismus, der so lange ein wirksames Eingreifen der Staatsgewalt hintanzuhalten vermocht hatte, war aus dem Sattel gehoben. Jetzt nahmen die Völker, dem Aufruf des Rundschreibens Rerum novarum folgend, eine energische Sozialpolitik selber in die Hand. Hervorragende katholische Männer nahmen Veranlassung, sich ihren Regierungen für Aufgaben dieser Art zur Verfügung zu stellen. Oft genug waren gerade sie die wärmsten Befürworter dieser neuen Politik in den gesetzgebenden Versammlungen; ja, nicht selten sind Diener des Heiligtums, die ganz in Leos Gedankenwelt leben, die Ausarbeiter und Einbringer solcher Gesetzesvorlagen gewesen, deren Verabschiedung und Vollzug sie dann weiter mit aller Kraft betrieben.

28. Diese unablässigen und unermüdlichen Bemühungen brachten schließlich ein neues, dem vorigen Geschlecht noch gänzlich unbekanntes Rechtsgebiet zur Entwicklung: das Arbeitsrecht, das den Schutz der Menschen und Christenwürde des Arbeiters zum Gegenstand hat: Leben, Gesundheit, Kräfte, Familie, Heim, Arbeitsstätte, Arbeitslohn. Betriebsgefahren, kurz alles, was den Arbeiter und seine Lebensverhältnisse betrifft, zieht das Arbeitsrecht in seinen Kreis, unter besonderer Berücksichtigung der Frauen und Kinderarbeit. Atmen auch nicht alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen vollkommen den Geist Leos XIII., so bestehen doch unverkennbar starke Anklänge an sein Rundschreiben Rerum novarum, dem es in hervorragendem Maße zu danken ist, wenn seither die Lage der Arbeiterschaft eine Wendung zum Besseren erfahren hat.

3. Selbsthilfe

29. An dritter Stelle endlich wies die Weisheit des Papstes Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf den Weg der Selbsthilfe, "durch solche Veranstaltungen nämlich, durch die der Hilfsbedürftige geeignete Hilfe findet und die beiden gesellschaftlichen Gruppen einander näher gebracht werden"20. Den ersten Platz unter diesen Einrichtungen wies Leo den Vereinigungen zu, die sich entweder aus Arbeitern allein oder aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zugleich zusammensetzen. Eingehende Ausführungen widmet der Papst ihrer Erläuterung und Empfehlung; ihr Wesen, ihre Aufgabe, ihr Nutzen, ihre Rechte und Pflichten, ihre Verfassung werden von ihm mit tiefem Verständnis dargelegt.

30. Gerade dieses Lehrstück erwies sich als überaus zeitgemäß und angebracht: waren doch damals in verschiedenen Staaten die herrschenden Kreise, noch ganz erfüllt von den liberalen Ideen, derartigen Vereinigungen wenig günstig gesinnt oder verfolgten sie sogar offen. Während ähnliche Vereinigungen anderer Volksschichten auf keinerlei Schwierigkeiten stießen und ohne weiteres den staatlichen Rechtsschutz genossen, versagte man in himmelschreiender Ungerechtigkeit gerade denen das Koalitionsrecht, die seiner zum Schutz gegen übermächtigen Druck am dringendsten bedurften. Ja, es gab selbst Katholiken, die die ersten Koalitionsversuche der Arbeiter sehr unfreundlich ansahen, ja in ihnen mehr oder weniger sozialistische oder revolutionäre Umtriebe erblicken wollten.

Zusammenschluß der Arbeiter

31. Darin liegt die einzigartige Bedeutung der von Leo kraft seiner obersten Lehrgewalt verkündeten Grundsätze, daß sie diese Widerstände zu brechen, diese Bedenken zu zerstreuen vermocht haben; sodann aber darin, daß sie den christlichen Arbeitern nicht allein den Anstoß gaben zur Gründung eines vielseitigen Vereinigungswesens auf beruflicher Grundlage, sondern ihnen zugleich auch die geeignete Anleitung dazu boten. Zahllose Arbeiter wurden so in ihrer guten Gesinnung bestärkt und ,wirksam gefeit gegen die Lockungen der sozialistischen Organisationen, die es wagten, sich als die einzigen anzupreisen, die in wirksamer Weise für die Interessen der Enterbten und Ausgebeuteten einträten.

32. Besonders glücklich war jene Anweisung des Rundschreibens Rerum novarum, wonach "Verfassung und Leitung die Arbeitervereinigungen zu möglichst tauglichen Werkzeugen für den ihnen vorgesetzten Zweck machen müssen. Dieser Zweck aber besteht in der größtmöglichen Förderung der Mitglieder an Leib und Seele wie an äußeren Gütern". Offenkundig aber sei "die religiös-sittliche Vervollkommnung als das Hauptziel ins Auge zu fassen und nach ihm die ganze Gebarung der Vereinigungen auszurichten". Denn "sind die Vereinssatzungen auf die Religion als ihre feste Grundlage gestellt, dann ist der Weg leicht zu einer Regelung der wechselseitigen Beziehungen der Mitglieder, die ein friedvolles Zusammenleben und allgemeine Wohlfahrt sichert"21.

33. Die Gründung solcher Vereinigungen betrieben allenthalben Geistliche und Laien, denen es darum ging, das ganze Programm des Papstes ohne Abstriche durchzuführen, mit einem alten Lobes würdigen Eifer. So haben denn diese Vereinigungen echt christliche Arbeiter gebildet, die, gleich hervorragend in beruflicher Tüchtigkeit und religiöser Gewissenhaftigkeit, es verstanden, ihre nachdrücklichste wirtschaftliche Interessenvertretung und den entschiedenen Kampf um ihr Recht stets in Einklang zu halten mit dem strengsten Sinn für Gerechtigkeit und dem aufrichtigen Willen zur Zusammenarbeit mit den anderen gesellschaftlichen Gruppen zu dem Ziele der Erneuerung der Gesellschaft im christlichen Geiste.

34. Zur Durchführung der Anregungen und Anordnungen Leos XIII. schlug man den örtlichen Verhältnissen entsprechend verschiedene Wege ein. In einzelnen Ländern ließ man eine und dieselbe Organisation sämtliche vom Papste vorgezeichneten Aufgaben übernehmen; anderwärts, wo die Umstände dies nahelegten oder notwendig machten, gelangte man zu einer Aufgabenteilung derart, daß eigene Verbände die Interessenvertretung auf dem Arbeitsmarkt übernahmen, andere Vereinigungen sich den Aufgaben wirtschaftlicher Selbsthilfe zuwandten, während wiederum besondere Vereine sich völlig auf das religiös-sittliche Aufgabengebiet und damit zusammenhängende Zielsetzungen verlegten.

35. Letzteren Weg schlug man namentlich dort ein, wo entweder die Landesgesetze oder bestimmte wirtschaftliche Umstände oder jene beklagenswerte Gespaltenheit in den Überzeugungen und Gesinnungen, unter der die heutige Gesellschaft weithin zu leiden hat, sowie die zwingende Not, gegen den Ansturm der Mächte des Umsturzes mit vereintem Einsatz aller Kräfte sich zur Wehr zu setzen, der Gründung rein katholischer Gewerkschaften unübersteigliche Hindernisse entgegenstellten. Unter solchen Umständen ergibt sich für die Katholiken die augenscheinliche Notwendigkeit, gemischten Gewerkschaften anzugehören, - immer jedoch vorausgesetzt, daß diese sich vorbehaltlos zu Recht und Gerechtigkeit bekennen und ihren katholischen Mitgliedern die volle Freiheit gewährleisten, sich in allem nach ihrem Gewissen zu richten und den Weisungen der Kirche zu folgen. Den Bischöfen steht es zu, der Zugehörigkeit katholischer Arbeiter zu solchen Gewerkschaften ihre Billigung zu erteilen, wenn sie nach Lage der Dinge deren Notwendigkeit und religiöse Unbedenklichkeit für gegeben erachten. Dabei gelten die Grundsätze wie auch die Sicherungen, die Unser Vorgänger sel. Anged. Pius X. anbefohlen hat22. Die vornehmste und bedeutsamste dieser Sicherungen ist dasChristoph Overkott und Michael Olteanu

 




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