1. Die letzten Päpste und die Heilige Schrift.
1. Die Sorge für die biblischen Studien
4 Die erste und vornehmlichste
Sorge Leos XIII. war es, die Lehre von der Wahrheit der heiligen Bücher darzulegen
und gegen Einwände zu verteidigen. Mit ernsten Worten erklärte er daher, dass
keinerlei Irrtum vorliege, wenn
sich der biblische Schriftsteller, wie der engelgleiche Lehrer sagt4, beim Reden über Naturvorgänge
„an das hält, was von den Sinnen wahrgenommen wird“, und in „einer Art
bildlicher Rede spricht oder so, wie der gewöhnliche Brauch es damals mit sich
brachte und das alltägliche Leben auch heute noch in vielen Dingen es mit sich
bringt, auch bei ganz gebildeten Leuten“. „Die biblischen Schriftsteller, oder
besser der Heilige Geist, Der durch sie sprach, wollten ja, wie der heilige
Augustin sagt5, die Menschen nicht
über das innerste Wesen der sinnenfälligen Dinge belehren, was für das
Seelenheil von keinem Nutzen gewesen wäre.“6
Diesen Grundsatz „übertrage man nützlicherweise auch auf die verwandten
Wissensgebiete, besonders auf die Geschichte, d.h. „in ganz ähnlicher Weise
widerlege man die falschen Behauptungen der Gegner“ und „verteidige die
geschichtliche Glaubwürdigkeit der heiligen Schrift gegen deren Angriffe“7. Ebensowenig dürfe man es dem
biblischen Schriftsteller als Irrtum
anrechnen, wenn von den Schreibern „beim Abschreiben der Handschriften etwas
weniger richtig wiedergegeben worden sei“, oder „wenn der eigentliche Sinn
einer Stelle zweifelhaft bleibe“. Endlich sei es ganz unzulässig, die
„Inspiration bloß auf einige Teile der Heiligen Schrift zu beschränken oder
zuzugeben, der heilige Schriftsteller selbst habe geirrt“, denn „die göttliche
Inspiration schließt nicht nur jeden Irrtum
aus, sondern die Verwerfung und der Ausschluß der Irrtums sind ihr so wesentlich notwendig, wie es wesentlich
notwendig ist, dass Gott, die höchste Wahrheit, nicht der Urheber eines Irrtum ist. Das ist der alte und
beständige Glaube der Kirche“8.
Über den Schatz der Heiligen Schrift
5 Diese Lehre, die Unser
Vorgänger Leo XIII. mit so gewichtigem Ernst dargelegt hat, legen auch Wir
kraft Unserer Autorität vor und dringen darauf, dass sie von allen gewissenhaft
festgehalten wird. Wir bestimmen ferner, dass den Mahnungen und Anregungen, die
Leo XIII. für seine Zeit mit großer Weisheit beigefügt hat, auch heute ebenso
eifrig Folge geleistet wird. Die Vorurteile des allenthalben verbreiteten Rationalismus, besonders aber die
Schriftdenkmäler des Altertums, die überall im Orient ausgegraben und erforscht
wurden, brachten nämlich neue,, nicht geringe Schwierigkeiten mit sich. Um nun
die herrliche Quelle der Offenbarung zum Besten der Herde des Herrn sicherer
und reicherer fließen, vor allem aber, um sie in keiner Weise antasten zu
lassen, wünschte Unser Vorgänger aus gewissenhafter Sorge für sein
apostolisches Amt dringend, „es sollten eine größere Zahl Gelehrter den Schutz
der Heiligen Schrift in gehöriger Weise übernehmen und dauernd leisten; vor
allem aber sollten diejenigen, die Gottes Gnade zum Priesterstand berufen habe,
Tag für Tag, wie es recht und billig sei, mehr Sorge und Fleiß darauf verwenden,
die heiligen Bücher zu lesen, zu betrachten und zu erklären“9.
Bibelschule in Jerusalem. Die Bibelkommission
6 Aus diesen
Erwägungen heraus hatte der Papst schon früher die Schule für die biblischen
Schulen gelobt und gutgeheißen, die der Generalobere des Dominikanerordens an
der St. Stephans-Kirche in Jerusalem gegründet hatte; „durch sie“, so äußerte
er sich, „hat die Bibelwissenschaft schon beträchtliche Förderung erfahren und
erhofft deren noch größere“10. Aus dem gleichen Grund fügte er in seinem letzten
Lebensjahre noch eine andere Maßnahme hinzu, wodurch diese im Rundschreiben
„Providentissimus Deus“ so angelegentlich empfohlenen Studien immer mehr
vervollkommnet und möglichst sicher gefördert werden sollten: durch das
Apostolische Schreiben „Vigilantiae“ vom 30. Oktober 1902 setzte er einen aus
bedeutenden Gelehrten bestehenden Ausschuß, eine sogenannte Kommission, ein,
„deren Aufgabe es sein sollte, mit allen Mitteln dafür wirksam zu sorgen, dass
der Heiligen Schrift überall bei den Katholiken die von den Zeitverhältnissen
geforderte sorgfältige Behandlung zuteil werde und von ihr nicht nur jeder
Hauch des Irrtums, sondern auch
jegliche allzu freie Ansicht ferngehalten werde“11. Diesen
Ausschuß haben auch wir, nach dem Beispiel unserer Vorgänger, durch die Tat
bestätigt und gefördert und uns, wie es früher öfters geschehen ist, seiner
bedient, um den Erklärern der Heiligen Bücher die heilsamen Regeln der
katholischen Exegese ins Gedächtnis zu rufen, die die heiligen Väter, die
Kirchenlehrer und die Päpste überliefert haben12.
Pius
X.: Die akademischen Grade,
Studienordnung
für die Seminarien. Päpstliches Bibelinstitut
7 An dieser Stelle
scheint es nicht unangebracht zu sein, dankbar in Erinnerung zu bringen, was
unsere Vorgänger in der Folgezeit an besonders nützlichen Maßnahmen zum
gleichen Zweck beigetragen haben, Maßnahmen, die man Ergänzungen oder Früchte
der glücklichen Initiative Leos XIII. nennen könnte. Pius’ X. Absicht war es,
„ein wirksames Mittel zu schaffen, wodurch eine reiche Zahl von Lehrern
bereitgestellt würde, die mit anerkannter, ernster und gründlicher
Gelehrsamkeit in den katholischen Schulen die Heilige Schrift erklären“. Daher
schuf er „die akademischen Grade des Lizentiates und des Doktorates in der
Bibelwissenschaft, die von der Bibelkommission erteilt werden sollten“13. Weiterhin
wollte er erreichen, dass die künftigen Priester nicht nur selbst über eine
genaue Kenntnis der Bedeutung, der Eigenart und der Lehre der Bibel verfügten,
sondern dass sie den Dienst des Wortes Gottes auch richtig und geschickt
versehen und die von Gott inspirierten Bücher gegen die Einwürfe verteidigen
könnten. Daher erließ er eine Bestimmung über die in den Klerikalseminarien zu
beobachtende Studienordnung für die biblischen Fächer14. Endlich
wollt er, „dass in der Stadt Rom ein Mittelpunkt des höheren Bibelstudiums
bestehe, um in möglichst wirksamer Weise die Bibelwissenschaft und die zu
dieser gehörigen Studien nach dem Geiste der Katholischen Kirche zu fördern“.
So gründete er das Päpstliche Bibelinstitut, das er der Sorge der Gesellschaft
Jesu anvertraute und „mit Lehrkanzeln für die höheren Fächer und mit allen
Hilfsmitteln der biblischen Ausbildung ausgestattet“ wissen wollte, und gab
dafür die Anordnungen und Vorschriften, eine Gründung, bei der er, seinen
eigenen Worten gemäß, einen heilsamen und fruchtbaren Gedanken Leos XIII. zur
Ausführung brachte.15
Pius XI.: Verpflichtung zur Erwerbung der akademischen Grade
8 Alle diese
Maßnahmen und Einrichtungen vervollkommnete dann Unser unmittelbarer Vorgänger
Pius XI. seligen Gedenkens. So bestimmte er unter anderem, es dürfe „niemand in
den Seminarien die biblischen Fächer vortragen, wenn er nicht besondere Studien
in diesem Fach gemacht und bei der Bibelkommission oder dem Bibelinstitut
rechtmäßig die akademischen Grade erworben“ hätte. Diese Grade sollten die
gleichen Rechte und Wirkungen haben, wie die rechtmäßig erworbenen Grade in der
Theologie oder im Kirchenrecht. Ebenso ordnete er an, es dürfe keinem ein
Benefizium verliehen werden, das kirchenrechtlich die Verpflichtung mit sich
bringe, dem Volk die Heilige Schrift zu erklären, wenn er nicht, außer den
übrigen Erfordernissen, das Lizentiat oder das Doktorrat in der
Bibelwissenschaft besitze. Gleichzeitig ermahnt er die Generaloberen der Orden
und religiösen Genossenschaften und ebenso die Bischöfe der ganzen katholischen
Welt, die Fähigsten ihrer Alumnen zum Besuch der Vorlesungen und zur Erwerbung
der akademischen Grade an das Päpstliche Bibelinstitut zu schicken. Diese
Aufforderung bekräftigte er durch sein eigenes Beispiel und stiftete freigebig
zu diesem Zweck einen jährlichen Beitrag16.
Die Abtei vom heiligen Hieronymus für die Revision der Vulgata
9 Unter Billigung und
Gutheißung Pius´X. war im Jahre 1907 „den Benediktinern der Auftrag erteilt
worden, Forschungen und Studien zu unternehmen, auf die sich einen Neuausgabe
der lateinischen Bibelübersetzung, der sogenannten Vulgata, stützen könne“17. Dieses
„arbeitsvolle und schwierige Unternehmen“, das viel Zeit und große Kosten
verlangt, hatte inzwischen seinen großen Nutzen erwiesen durch die ausgezeichneten
Bände, die bereits erschienen waren. Um es nun sicher und fest zu begründen,
errichtete Pius XI. in Rom das Kloster des heiligen Hieronymus, das sich dieser
Arbeit ausschließlich widmen soll, und stattete es reichlich mit einer
Bibliothek und mit anderen Forschungsmitteln aus18.
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