Lisidor. Adrast.
Lisidor. Da haben wir's!
Schon wieder allein, Adrast? Sagen Sie mir, müssen die Philosophen so zu
Winkel kriechen? Ich wollte doch lieber sonst was sein - Und, wenn ich recht
gehört habe, so sprachen Sie ja wohl gar mit sich
selber? Nu, nu! es ist schon wahr: ihr Herren Grillenfänger könnt
freilich mit niemand Klügerm reden, als mit euch selber. Aber gleichwohl
ist unsereiner auch kein Katzenkopf. Ich schwatze eins mit, es mag sein, von
was es will.
Adrast. Verzeihen Sie -
Lisidor. Je, mit Seinem
Verzeihen! Er hat mir ja noch nichts zuwider getan - Ich
habe gern, wenn die Leute lustig sind. Und ich will kein ehrlicher Mann sein,
wenn ich mir nicht eine rechte Freude darauf eingebildet habe, den Wildfang,
wie sie Ihn sonst zu Hause nannten, zu meinem Schwiegersohne zu haben. Freilich
ist Er seitdem groß gewachsen; Er ist auf Reisen gewesen; Er hat Land und
Leute gesehen. Aber, daß Er so gar sehr verändert würde
wiedergekommen sein, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Da geht
Er nun, und spintisiert von dem, was ist - und was nicht ist,-von dem, was sein
könnte, und wenn es sein könnte, warum es wieder nicht sein
könnte;-von der Notwendigkeit, der halben und ganzen, der notwendigen
Notwendigkeit, und der nicht notwendigen Notwendigkeit;-von den A-A-wie
heißen die kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herumfliegen?
von den A-A-Sage doch, Adrast -
Adrast. Von den Atomis,
wollen Sie sagen.
Lisidor. Ja, ja, von den
Atomis, von den Atomis. So heißen sie, weil man ihrer ein ganz Tausend
mit einem Atem hinunterschlucken kann.
Adrast. Ha! ha! ha!
Lisidor. Er lacht, Adrast?
Ja, mein gutes Bürschchen, du mußt nicht glauben, daß ich von den
Sachen ganz und gar nichts verstehe. Ich habe euch, Ihn und den Theophan, ja
oft genug darüber zanken hören. Ich behalte mir das Beste. Wenn ihr
euch in den Haaren liegt, so fische ich im trüben. Da fällt manche
Brocke ab, die keiner von euch brauchen kann, und die ist für mich. Ihr dürft
deswegen nicht neidisch auf mich sein; denn
ich bereichere mich
nicht von einem allein. Das nehme ich von dir, mein lieber Adrast; und das vom
Theophan; und aus allen dem mache ich mir hernach ein Ganzes -
Adrast. Das vortrefflich
ungeheuer sein muß.
Lisidor. Wieso?
Adrast. Sie verbinden Tag
und Nacht, wenn Sie meine mit Theophans Gedanken verbinden.
Lisidor. Je nu! so wird
eine angenehme Dämmerung daraus.-Und überhaupt ist es nicht einmal
wahr, daß ihr so sehr voneinander unterschieden wäret. Einbildungen!
Einbildungen! Wie vielmal habe ich nicht allen beiden zugleich recht gegeben? Ich
bin es nur allzuwohl überzeugt, daß alle ehrliche Leute einerlei
glauben.
Adrast. Sollten! sollten!
das ist wahr.
Lisidor. Nun da sehe man!
was ist nun das wieder für ein Unterscheid? Glauben, oder glauben sollen:
es kömmt auf eines heraus. Wer kann alle Worte so abzirkeln?-Und ich wette
was, wenn ihr nur erst werdet Schwäger sein, kein Ei wird dem andern
ähnlicher sein können.-
Adrast. Als ich dem
Theophan, und er mir?
Lisidor. Gewiß. Noch
wißt ihr nicht, was das heißt, miteinander verwandt sein. Der
Verwandtschaft wegen wird der einen Daumen breit, und der einen Daumen breit
nachgeben. Und einen Daumen breit, und wieder einen Daumen breit, das macht
zwei Daumen breit; und zwei Daumen breit - ich bin ein Schelm, wenn ihr die
auseinander seid.- Nichts aber könnte mich in der Welt wohl so
vergnügen, als daß meine Töchter so vortrefflich für euch
passen. Die Juliane ist eine geborne Priesterfrau; und
Henriette - in ganz Deutschland muß kein Mädchen zu finden sein, das
sich für Ihn, Adrast, besser schickte. Hübsch, munter, fix; sie
singt, sie tanzt, sie spielt; kurz, sie ist meine leibhafte Tochter. Juliane
dargegen ist die liebe, heilige Einfalt.
Adrast. Juliane? Sagen Sie
das nicht. Ihre Vollkommenheiten fallen vielleicht nur weniger in die Augen.
Ihre Schönheit blendet nicht; aber sie geht ans Herz. Man läßt
sich gern von ihren stillen Reizen fesseln, und man biegt sich mit Bedacht in
ihr Joch, das uns andere in einer fröhlichen Unbesonnenheit
überwerfen müssen. Sie redet wenig; aber auch ihr geringstes Wort hat
Vernunft.
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Es ist wahr:
Henriette weiß sich frei und witzig auszudrücken. Würde es aber
Juliane nicht auch können, wenn sie nur wollte, und wenn sie nicht
Wahrheit und Empfindung jenem prahlenden Schimmer vorzöge? Alle Tugenden
scheinen sich in ihrer Seele verbunden zu haben -
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Es sei ferne,
daß ich Henrietten irgend eine Tugend absprechen sollte. Aber es gibt ein
gewisses Äußeres, welches sie schwerlich vermuten ließe, wenn
man nicht andre Gründe für sie hätte. Julianens gesetzte Anmut,
ihre ungezwungene Bescheidenheit, ihre ruhige Freude, ihre -
Lisidor. Und Henriettens?
Adrast. Henriettens wilde
Annehmlichkeiten, ihre wohl lassende Dreustigkeit, ihre fröhlichen
Entzückungen stechen mit den gründlichen Eigenschaften ihrer
Schwester vortrefflich ab. Aber Juliane gewinnt dabei -
Lisidor. Und Henriette?
Adrast. Verlieret dabei
nichts. Nur daß Juliane -
Lisidor. Ho! ho! Herr Adrast, ich will doch nicht hoffen, daß Sie auch
an der Narrheit krank liegen, welche die Leute nur das für gut und
schön erkennen läßt, was sie nicht bekommen können. Wer Henker hat Sie denn gedungen,
Julianen zu loben?
Adrast. Fallen Sie auf
nichts Widriges. Ich habe bloß zeigen wollen, daß mich die Liebe
für meine Henriette gegen die Vorzüge ihrer Schwester nicht blind
mache.
Lisidor. Nu, nu! wenn das
ist, so mag es hingehen. Sie ist auch gewiß ein gutes Kind, die Juliane.
Sie ist der Augapfel ihrer Großmutter. Und das gute, alte Weib hat
tausendmal gesagt, die Freude über ihr Julchen erhielte sie noch am Leben.
Adrast. Ach!
Lisidor. Das war ja gar
geseufzt. Was Geier ficht Ihn an? Pfui! Ein junger gesunder Mann, der alle
Viertelstunden eine Frau nehmen will, wird seufzen? Spare Er Sein Seufzen, bis
Er die Frau hat!
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