Juliane. Henriette. Lisette.
Lisette. Vor allen Dingen,
meine lieben Mamsells, ehe ich Ihre kleine Streitigkeit schlichte, lassen Sie
uns ausmachen, welcher von Ihnen ich heute zugehöre. Sie wissen wohl, Ihre
Herrschaft über mich
ist umzechig. Denn weil es unmöglich sein soll, zweien Herren zu dienen,
So hat Ihr wohlweiser Papa - neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich! -so
hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbedächtig mich damit verschonen wollen, das
Unmögliche möglich zu machen. Er hat jede von Ihnen einen Tag um den
andern zu meiner hauptsächlichen Gebieterin gemacht; so daß ich den
einen Tag der sanften Juliane ehrbares Mädchen, und den andern der muntern
Henriette wilde Lisette sein muß. Aber jetzt, seitdem die fremden Herren
im Hause sind -
Henriette. Unsre Anbeter
meinst du -
Lisette. Ja, ja! Ihre
Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden Ehemänner sein werden - Seitdem,
sage ich, diese im Hause sind, geht alles drüber und drunter; ich werde
aus einer Hand in die andere geschmissen; und ach! unsere schöne Ordnung
liegt mit dem Nähzeuge, das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben,
unterm Nachttische. Hervor wieder damit! Ich muß wissen, woran ich mit
Ihnen bin, wenn ich ein unparteiisches Urteil fällen soll.
Henriette. Das wollen wir
bald ausrechnen.-Du besinnst dich doch wohl auf den letzten Feiertag, da dich
meine Schwester mit in die Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit
mir auf unser Vorwerk gefahren wärest? Du warst damals sehr strenge,
Juliane!-
Juliane. Ich habe doch wohl
nicht einer ehrlichen Seele einen vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?
Henriette. Lisette -
Lisette. Stille, Mamsell
Henriette! nicht aus der Schule geschwatzt, oder -
Henriette. Mädchen
drohe nicht! Du weißt wohl, ich habe ein gut Gewissen.
Lisette. Ich auch.-Doch
lassen Sie uns nicht das Hundertste ins Tausendste schwatzen.-Recht! an den
Feiertag will ich gedenken! Er war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den
Abend kam Theophan an.
Henriette. Und also, mit
Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute meine.
Juliane. Ohne Widerrede.
Lisette. Juchhei!
Mamsellchen. Ich bin also heute Ihre: Juchhei!
Juliane. Ist das dein
Lösungswort unter ihrer Fahne?
Lisette. Ohne weitre
Umstände: erzählen Sie mir nunmehr Ihre Streitigkeit.-Unterdessen
lege ich mein Gesicht in richterliche Falten.
Juliane. Streitigkeit? Eine
wichtige Streitigkeit? Ihr seid beide Schäkerinnen.-Ich will nichts mehr
davon hören.
Henriette. So? Du willst
keinen Richter erkennen? Ein klarer Beweis, daß du unrecht
hast.-Höre nur, Lisette! wir haben über unsre Anbeter gezankt. Ich
will die Dinger immer noch so nennen, mag doch zuletzt daraus werden, was da
will.
Lisette. Das dachte ich.
Über was könnten sich zwei gute Schwestern auch sonst zanken? Es ist
freilich verdrießlich, wenn man sein künftiges Haupt verachten
hört.
Henriette. Schwude!
Mädchen; du willst ganz auf die falsche Seite. Keine hat des andern
Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher, weil
eine des andern Anbeter - schon wieder Anbeter!-allzusehr erhob.
Lisette. Eine neue Art
Zanks! wahrhaftig, eine neue Art!
Henriette. Kannst du es
anders sagen, Juliane?
Juliane. Oh! verschone mich
doch damit.
Henriette. Hoffe auf kein
Verschonen, wenn du nicht widerrufst.-Sage, Lisette, hast du unsre
Männerchen schon einmal gegeneinander gehalten? Was dünkt dich?
Juliane macht ihren armen Theophan herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer
wäre.
Juliane. Unartige
Schwester! Wann habe ich dieses getan? Mußt du aus einer flüchtigen
Anmerkung, die du mir gar nicht hättest aufmutzen sollen, solche Folgen
ziehen?
Henriette. Ich seh, man
muß dich böse machen, wenn du mit der Sprache heraus sollst.-Eine
flüchtige Anmerkung nennst du es? Warum strittest du denn über ihre
Gründlichkeit?
Juliane. Du hast doch
närrische Ausdrücke! Fingst du nicht den ganzen Handel selbst an? Ich
glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln würde, wenn ich deinen Adrast den
wohlgemachtesten Mann nennte, den ich jemals gesehen hätte. Du
hättest mir für meine Gesinnungen danken, nicht aber widersprechen
sollen.
Henriette. Sieh, wie
wunderlich du bist! Was war mein Widerspruch anders, als ein Dank? Und wie
konnte ich mich
nachdrücklicher bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf
deinen Theophan zurückschob?-
Lisette. Sie hat recht!
Juliane. Nein, sie hat
nicht recht. Denn eben dieses verdroß mich. Muß sie auf einen so kindischen
Fuß mit mir umgehen? Sahe sie mich
nicht dadurch für ein kleines spielendes Mädchen an, das zu ihr
gesagt hätte: Deine Puppe ist die schönste; und dem sie also, um es
nicht böse zu machen, antworten müßte: Nein, deine ist die
schönste?
Lisette. Nun hat sie recht!
Henriette. Oh! geh, du bist
eine artige Richterin. Hast du schon vergessen, daß du mir heute
angehörst?
Lisette. Desto schärfer
eben werde ich gegen Sie sein, damit ich nicht parteiisch lasse.
Juliane. Glaube mir nur,
daß ich bessere Eigenschaften an einer Mannsperson zu schätzen
weiß, als seine Gestalt. Und es ist genug, daß ich diese bessern
Eigenschaften an dem Theophan finde. Sein Geist - -
Henriette. Von dem ist ja
nicht die Rede. Jetzt kömmt es auf den Körper an, und dieser ist an
dem Theophan schöner, du magst sagen, was du willst. Adrast ist besser
gewachsen: gut; er hat einen schönern Fuß: ich habe nichts dawider.
Aber laß uns auf das Gesicht kommen.-
Juliane. So stückweise
habe ich mich nicht eingelassen.
Henriette. Das ist eben
dein Fehler.-Was für ein Stolz, was für eine Verachtung aller andern
blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene! Du wirst es Adel nennen; aber machst
du es dadurch schön? Umsonst sind seine Gesichtszüge noch so
regelmäßig: sein Eigensinn, seine Lust zum Spotten hat eine gewisse
Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen recht häßlich
läßt. Aber ich will sie ihm gewiß herausbringen: laß nur
die Flitterwochen erst vorbei sein.-Dein Theophan hingegen hat das
liebenswürdigste Gesicht von der Welt. Es herrscht eine Freundlichkeit
darin, die sich niemals verleugnet.-
Juliane. Sage mir doch nur
nichts, was ich ebensogut bemerkt habe, als du. Allein eben diese seine
Freundlichkeit ist nicht sowohl das Eigentum seines Gesichts, als die Folge
seiner innern Ruhe. Die Schönheit der Seele bringt auch in einen
ungestalteten Körper Reize; so wie ihre Häßlichkeit dem
vortrefflichsten Baue und den schönsten Gliedern desselben, ich weiß
nicht was eindrückt, das einen unzuerklärenden Verdruß
erwecket. Wenn Adrast eben der fromme Mann wäre, der Theophan ist; wenn
seine Seele von ebenso göttlichen Strahlen der Wahrheit, die er sich mit Gewalt
zu verkennen bestrebet, erleuchtet wäre: so würde er ein Engel unter
den Menschen sein; da er jetzt kaum ein Mensch unter den Menschen ist. Zürne
nicht, Henriette, daß ich so verächtlich von ihm rede. Wenn er in gute Hände
fällt, kann er noch alles das werden, was er jetzt nicht ist, weil er es
nie hat sein wollen. Seine Begriffe von der Ehre, von der natürlichen
Billigkeit sind vortrefflich.-
Henriette (spöttisch).
Oh! du machst ihn auch gar zu sehr herunter.- Aber im Ernste, kann ich nicht
sagen, daß du mich
nunmehr für das kleine spielende Mädchen ansiehst? Ich mag ja nicht
von dir seinetwegen zufriedengestellt sein. Er ist, wie er ist, und lange gut
für mich.
Du sprachst von guten Händen, in die er fallen müßte, wenn noch
was aus ihm werden sollte. Da er in meine nunmehr gefallen ist, wird er wohl
nicht anders werden. Mich
nach ihm zu richten, wird mein einziger Kunstgriff sein, uns das Leben
erträglich zu machen. Nur die verdrießlichen Gesichter muß er
ablegen; und da werde ich ihm die Gesichter deines Theophans zum Muster
vorschlagen.
Juliane. Schon wieder
Theophan, und seine freundlichen Gesichter?
Lisette. Stille! Mamsell -
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