Theophan. Juliane.
Henriette. Lisette.
Henriette (springt dem
Theophan entgegen). Kommen Sie doch, Theophan, kommen Sie!-Können Sie wohl
glauben, daß ich Ihre Partei gegen meine Schwester habe halten
müssen? Bewundern Sie meine Uneigennützigkeit. Ich habe Sie bis in
den Himmel erhoben, da ich doch weiß, daß ich Sie nicht bekomme, sondern
daß Sie für meine Schwester bestimmt sind, die Ihren Wert nicht
kennet. Denken Sie nur, sie behauptet, daß Sie keine so schöne
Person vorstellten, als Adrast. Ich weiß nicht, wie sie das behaupten
kann. Ich sehe doch den Adrast mit den Augen einer Verliebten an, das ist, ich
mache mir ihn noch zehnmal schöner, als er ist, und gleichwohl geben Sie
ihm, meines Bedünkens, nichts nach. Sie spricht zwar, auf der Seite des
Geistes hätten Sie mehr Vorzüge; aber was wissen wir Frauenzimmer
denn vom Geiste?
Juliane. Die
Schwätzerin! Sie kennen sie, Theophan: glauben Sie ihr nicht.
Theophan. Ich ihr nicht
glauben, schönste Juliane? Warum wollen Sie mich nicht in der
glücklichen Überzeugung lassen, daß Sie so vorteilhaft von mir
gesprochen haben?-Ich danke Ihnen, angenehmste Henriette, für Ihre Verteidigung;
ich danke Ihnen umsovielmehr, je stärker ich selbst überführet
bin, daß Sie eine schlechte Sache haben verteidigen müssen. Allein -
Henriette. Oh! Theophan,
von Ihnen verlange ich es nicht, daß Sie mir recht geben sollen. Es ist
eine andere gewisse Person -
Juliane. Lassen Sie dieser
andern Person Gerechtigkeit widerfahren, Theophan. Sie werden, hoffe ich, meine
Gesinnungen kennen -
Theophan. Gehen Sie nicht
mit mir, als mit einem Fremden um, liebste Juliane. Brauchen Sie keine
Einlenkungen; ich würde bei jeder nähern Bestimmung verlieren.-Bei
den Büchern, in einer engen staubigten Studierstube, vergißt man des
Körpers sehr leicht; und Sie wissen, der Körper muß ebensowohl
bearbeitet werden, als die Seele, wenn beide diejenigen Vollkommenheiten erhalten
sollen, deren sie fähig sind. Adrast ist in der großen Welt erzogen
worden; er hat alles, was bei derselben beliebt macht -
Henriette. Und wenn es auch
Fehler sein sollten. -
Theophan. Wenigstens habe
ich diese Anmerkung nicht machen wollen.- Aber nur Geduld! ein großer
Verstand kann diesen Fehlern nicht immer ergeben sein. Adrast wird das Kleine
derselben endlich einsehen, welches sich nur allzusehr durch das Leere
verrät, das sie in unsern Herzen zurücklassen. Ich bin seiner Umkehr
so gewiß, daß ich ihn schon im voraus darum liebe.-Wie
glücklich werden Sie mit ihm leben, glückliche Henriette!
Henriette. So edel spricht
Adrast niemals von Ihnen, Theophan. -
Juliane. Abermals eine
recht garstige Anmerkung, meine liebe Schwester.-Was suchst du damit, daß
du dem Theophan dieses sagst? Es ist allezeit besser, wenn man es nicht
weiß, wer von uns übel spricht. Die Kenntnis unserer Verleumder
wirkt auch in dem großmütigsten Herzen eine Art von Entfernung gegen
sie, die ihre Aussöhnung mit der beleidigten Person nur noch schwerer
macht.
Theophan. Sie
entzücken mich, Juliane. Aber fürchten Sie nichts! Eben darin soll
über kurz oder lang mein Triumph bestehen, daß ich den mich jetzt
verachtenden Adrast besser von mir zu urteilen gezwungen habe. Würde ich
aber nicht diesen ganzen Triumph zernichten, wenn ich selbst einigen Groll
gegen ihn fassen wollte? Noch hat er sich nicht die Mühe genommen, mich
näher kennenzulernen. Vielleicht, daß ich ein Mittel finde, ihn dazu
zu vermögen.-Lassen Sie uns nur jetzt davon abbrechen; und erlauben Sie,
daß ich einen meiner nächsten Blutsfreunde bei Ihnen anmelden darf,
der sich ein Vergnügen daraus gemacht hat, mich hier zu überraschen.
-
Juliane. Einen
Anverwandten?
Henriette. Und wer ist es?
Theophan. Araspe.
Juliane. Araspe?
Henriette. Ei! das ist ja
vortrefflich! Wo ist er denn?
Theophan. Er war eben
abgestiegen, und hat mir versprochen, unverzüglich nachzufolgen.
Henriette. Weiß es
der Papa schon?
Theophan. Ich glaube nicht.
Juliane. Und die
Großmama?
Henriette. Komm, Schwesterchen!
diese fröhliche Nachricht müssen wir ihnen zuerst bringen.-Du bist
doch nicht böse auf mich?
Juliane. Wer kann auf dich
böse sein, Schmeichlerin? Komm nur!
Theophan. Erlauben Sie,
daß ich ihn hier erwarte.
Henriette. Bringen Sie ihn
aber nur bald. Hören Sie!
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