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Gotthold Ephraim Lessing Minna von Barnhelm IntraText CT - Text |
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5. Szene(Das Fräulein. Franziska. v. Tellheim.) Fräulein. (im Heraustreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde). Der Wagen ist doch vor der Türe, Franziska?-Meinen Fächer! Tellheim. (auf sie zu). Wohin, mein Fräulein? Fräulein. (mit einer affektierten Kälte). Aus, Herr Major.-Ich errate, warum Sie sich nochmals herbemühet haben: mir auch meinen Ring wieder zurückzugeben.-Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franziska einzuhändigen.-Franziska, nimm dem Herrn Major den Ring ab! -Ich habe keine Zeit zu verlieren. (Will fort.) Tellheim. (der ihr vortritt). Mein Fräulein!-Ah, was habe ich erfahren, mein Fräulein! Ich war so vieler Liebe nicht wert. Fräulein. So, Franziska? Du hast dem Herrn Major - Franziska. Alles entdeckt. Tellheim. Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein. Ich bin kein Verräter. Sie haben um mich in den Augen der Welt viel verloren, aber nicht in den meinen. In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen Verlust gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen allzu nachteiligen Eindruck auf mich machen; Sie wollten mir ihn vors erste verbergen. Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen. Es entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten. Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie fanden mich selbst unglücklich; und Sie wollten Unglück nicht mit Unglück häufen. Sie konnten nicht vermuten, wie sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaussetzen würde. Fräulein. Alles recht gut, Herr Major! Aber es ist nun einmal geschehen. Ich habe Sie Ihrer Verbindlichkeit erlassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes - Tellheim. In nichts gewilliget!-Vielmehr halte ich mich jetzt für gebundener als jemals.-Sie sind die Meinige, Minna, auf ewig die Meinige. (Zieht den Ring heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweiten Male, das Unterpfand meiner Treue - Fräulein. Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring? Tellheim. Ja, liebste Minna, ja! Fräulein. Was muten Sie mir zu? diesen Ring? Tellheim. Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich und glücklich waren. Sie sind nicht mehr glücklich, aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe.-Erlauben Sie, liebste Minna!- (Ergreift ihre Hand, um ihr den Ring anzustecken.) Fräulein. Wie? mit Gewalt, Herr Major?-Nein, da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen Ring wieder anzunehmen!-Meinen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt?-Oh, Sie sehen ja wohl (auf ihren Ring zeigend), daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgibt? - Franziska. Wenn er es noch nicht merkt! - Tellheim. (indem er die Hand des Fräuleins fahren läßt). Was ist das?-Ich sehe das Fräulein von Barnhelm, aber ich höre es nicht.-Sie zieren sich, mein Fräulein.-Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche. Fräulein. (in ihrem wahren Tone). Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr, Major? Tellheim. Es hat mir weh getan. Fräulein. (gerührt). Das sollte es nicht, Tellheim.-Verzeihen Sie mir, Tellheim. Tellheim. Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir, daß Sie wieder zu sich kommen, mein Fräulein, daß Sie mich noch lieben, Minna. - Franziska. (herausplatzend). Bald wäre der Spaß auch zu weit gegangen. - Fräulein. (gebieterisch). Ohne dich in unser Spiel zu mengen, Franziska, wenn ich bitten darf! Franziska. (beiseite und betroffen). Noch nicht genug? Fräulein. Ja, mein Herr, es wäre weibliche Eitelkeit, mich kalt und höhnisch zu stellen. Weg damit! Sie verdienen es, mich ebenso wahrhaft zu finden, als Sie selbst sind.-Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch, aber demohngeachtet - Tellheim. Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter! (Ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken.) Fräulein. (die ihre Hand zurückzieht). Demohngeachtet - um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr geschehen lassen; nimmermehr!-Wo denken Sie hin, Herr Major?-Ich meinte, Sie hätten an Ihrem eigenen Unglücke genug.- Sie müssen hierbleiben; Sie müssen sich die allervollständigste Genugtuung - ertrotzen. Ich weiß in der Geschwindigkeit kein ander Wort.-Ertrotzen - und sollte Sie auch das äußerste Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren! Tellheim. So dacht' ich, so sprach ich, als ich nicht wußte, was ich dachte und sprach. Ärgernis und verbissene Wut hatten meine ganze Seele umnebelt; die Liebe selbst in dem vollesten Glanze des Glückes konnte sich darin nicht Tag schaffen. Aber sie sendet ihre Tochter, das Mitleid, die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet und alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet. Der Trieb der Selbsterhaltung erwacht, da ich etwas Kostbarers zu erhalten habe als mich und es durch mich zu erhalten habe. Lassen Sie mich, mein Fräulein, das Wort Mitleid nicht beleidigen. Von der unschuldigen Ursache unsers Unglücks können wir es ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland. Durch mich, in mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner Seele. Lassen Sie mich keine Zukunft denken, wo ich mich selbst hassen müßte. -Nein, nichts soll mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, nichts als Verachtung entgegensetzen. Ist dieses Land die Welt? Geht hier allein die Sonne auf? Wo darf ich nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir verweigern? Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns an nichts fehlen.-Ich habe einen Freund, der mich gern unterstützet. |
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