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Gotthold Ephraim Lessing
Minna von Barnhelm

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  • 4. Akt
    • 2. Szene
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2. Szene

(Riccaut de la Marliniere. Das Fräulein. Franziska.) Riccaut (noch innerhalb der Szene). Est-il permis, Monsieur le Major?

Franziska. Was ist das? Will das zu uns? (Gegen die Türe gehend.)

Riccaut. Parbleu! Ik bin unriktig.-Mais non - Ik bin nit unriktig - C'est sa chambre -

Franziska. Ganz gewiß, gnädiges Fräulein, glaubt dieser Herr, den Major von Tellheim noch hier zu finden.

Riccaut. Iß so!-Le Major de Tellheim; juste, ma belle enfant, c'est lui que je cherche. Ou est-il?

Franziska. Er wohnt nicht mehr hier.

Riccaut. Comment? nok vor vier un swansik Stund hier logier? Und logier nit mehr hier? Wo logier er denn?

Fräulein. (die auf ihn zukömmt). Mein Herr-Riccaut. Ah, Madame-Mademoiselle - Ihro Gnad verzeih -

Fräulein. Mein Herr, Ihre Irrung ist sehr zu vergeben und Ihre Verwunderung sehr natürlich. Der Herr Major hat die Güte gehabt, mir als einer Fremden, die nicht unterzukommen wußte, sein Zimmer zu überlassen.

Raccaut. Ah, voila de ses politesses! C'est un tres galant-homme que ce Major!

Fräulein. Wo er indes hingezogen - wahrhaftig, ich muß mich schämen, es nicht zu wissen.

Riccaut. Ihro Gnad nit wiß? C'est dommage; j'en suis fache.

Fräulein. Ich hätte mich allerdings darnach erkundigen sollen. Freilich werden ihn seine Freunde noch hier suchen.

Riccaut. Ik bin sehr von seine Freund, Ihro Gnad -

Fräulein. Franziska, wißt du es nicht?

Franziska. Nein, gnädiges Fräulein.

Riccaut. Ik hätt ihn zu sprek sehr notwendik. Ik komm ihm bringen eine Nouvelle, davon er sehr frölik sein wird.

Fräulein. Ich bedauere um so viel mehr.-Doch hoffe ich, vielleicht bald ihn zu sprechen. Ist es gleichviel, aus wessen Munde er diese gute Nachricht erfährt, so erbiete ich mich, mein Herr -

Riccaut. Ik versteh.-Mademoiselle parle francais? Mais sans doute; telle que je la vois!-La demande etait bien impolie; vous me pardonnerez, Mademoiselle. -

Fräulein. Mein Herr -

Riccaut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Ihro Gnad?

Fräulein. Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu sprechen suchen. Aber warum hier? Ich höre ja, daß Sie mich verstehen, mein Herr. Und ich, mein Herr, werde Sie gewiß auch verstehen; sprechen Sie, wie es Ihnen beliebt.

Riccaut. Gutt, gutt! Ik kann auk mik auf Deutsch explizier.-Sachez donc, Mademoiselle-Ihro Gnad soll also wiß, daß ik komm von die Tafel bei der Minister-Minister von - Minister von - wie heiß der Minister da drauß?-in der lange Straß?-auf die breite Platz? -

Fräulein. Ich bin hier noch völlig unbekannt.

Riccaut. Nun, die Minister von der Kriegsdepartement.-Da haben ik zu Mittag gespeisen - ik speisen a l'ordinaire bei ihm - und da iß man gekommen reden auf der Major Tellheim; et le ministre m'a dit en confidence, car Son Excellence est de mes amis, et il n'y a point de mysteres entre nous - Se. Exzellenz, will ik sag, haben mir vertrau, daß die Sak von unserm Major sei auf den Point zu enden und gutt zu enden. Er habe gemakt ein Rapport an den Könik, und der Könik habe darauf resolvier, tout-a-fait en faveur du Major.-Monsieur, m'a dit Son Excellence, vous comprenez bien, que tout depend de la maniere, dont on fait envisager les choses au roi, et vous me connaissez. Cela fait un tres joli garcon que ce Tellheim, et ne sais-je pas que vous l'aimez? Les amis de mes amis sont aussi les miens. Il coute un peu cher au roi ce Tellheim, mais est-ce que l'on sert les rois pour rien? Il faut s'entr'aider en ce monde; et quand il s'agit de pertes, que ce soit le roi, qui en fasse, et non pas un honnete-homme de nous autres. Voila le principe, dont je ne me depars jamais.-Was sag Ihro Gnad hierzu? Nit wahr, das iß ein brav Mann? Ah que Son Excellence a le coer bien place! Er hat mir au reste versiker, wenn der Major nit schon bekommen habe une Lettre de la main-eine Könikliken Handbrief, daß er heut infailliblement müsse bekommen einen.

Fräulein. Gewiß, mein Herr, diese Nachricht wird dem Major von Tellheim höchst angenehm sein. Ich wünschte nur, ihm den Freund zugleich mit Namen nennen zu können, der so viel Anteil an seinem Glücke nimmt -

Riccaut. Mein Namen wünscht Ihro Gnad?-Vous voyez en moi - Ihro Gnad seh in mik le Chevalier Riccaut de la Marliniere, Seigneur de Pret-au-val, de la branche de Prensd'or.-Ihro Gnad? steh verwundert, mik aus so ein groß, groß Familie zu hören, qui est veritablement du sang Royal.-Il faut le dire; je suis sans doute le cadet le plus avantureux, que la maison a jamais eu.-Ik dien von meiner elfte Jahr. Ein Affaire d'honneur makte mik fliehen. Darauf haben ik gedienet Sr. Papstliken Eilikheit, der Republik St. Marino, der Kron Polen und den Staaten-General, bis ik endlik bin worden gezogen hierher. Ah, Mademoiselle, que je voudrais n'avoir jamais vu ce pays-la! Hätte man mik gelaß im Dienst von den Staaten-General, so müßt ik nun sein aufs wenikst Oberst. Aber so hier immer und ewik Capitaine geblieben, und nun gar sein ein abgedankte Capitaine -

Fräulein. Das ist viel Unglück.

Riccaut. Qui, Mademoiselle, me voila reforme, et par-la mis sur le pave!

Fräulein. Ich beklage sehr.

Riccaut. Vous etes bien bonne, Mademoiselle.-Nein, man kenn sik hier nit auf den Verdienst. Einen Mann wie mik su reformir! Einen Mann, der sik nok dasu in diesem Dienst hat rouinir!-Ik haben dabei sugesetzt mehr als swansik tausend Livres. Was hab ik nun? Tranchons le mot; je n'ai pas le sou, et me voila exactement vis-a-vis du rien. -

Fräulein. Es tut mir ungemein leid.

Riccaut. Vous etes bien bonne, Mademoiselle. Aber wie man pfleg su sagen: ein jeder Unglück schlepp nak sik seine Bruder; qu'un malheur ne vient jamais seul: so mit mir arrivir. Was ein Honnete-homme von mein Extraction kann anders haben für Ressource als das Spiel? Nun hab ik immer gespielen mit Glück, solang ik hatte nit vonnöten der Glück. Nun ik ihr hätte vonnöten, Mademoiselle, je joue avec un guignon, qui surpasse toute croyance. Seit funfsehn Tag iß vergangen keine, wo sie mik nit hab gesprenkt. Nok gestern hab sie mik gesprenkt dreimal. Je sais bien, qu'il y avait quelque chose de plus que le jeu. Car parmi mes pontes se trouvaient certaines dames - Ik will niks weiter sag. Man muß sein galant gegen die Damen. Sie haben auk mik heut invitir, mir su geben revanche; mais-vous m'entendez, Mademoiselle.-Man muß erst wiß, wovon leben, ehe man haben kann, wovon su spielen -

Fräulein. Ich will nicht hoffen, mein Herr -

Riccaut. Vous etes bien bonne, Mademoiselle -

Fräulein. (nimmt die Franziska beiseite). Franziska, der Mann dauert mich im Ernste. Ob er mir es wohl übelnehmen würde, wenn ich ihm etwas anböte?

Franziska. Der sieht mir nicht darnach aus.

Fräulein. Gut!-Mein Herr, ich höre - daß Sie spielen, daß Sie Bank machen; ohne Zweifel an Orten, wo etwas zu gewinnen ist. Ich muß Ihnen bekennen, daß ich - gleichfalls das Spiel sehr liebe -

Riccaut. Tant mieux, Mademoiselle, tant mieux! Tous les gens d'esprit aiment le jeu a la fureur.

Fräulein. Daß ich sehr gern gewinne; sehr gern mein Geld mit einem Mann wage, der - zu spielen weiß.-Wären Sie wohl geneigt, mein Herr, mich in Gesellschaft zu nehmen? mir einen Anteil an Ihrer Bank zu gönnen?

Riccaut. Comment, Mademoiselle, vous voulez etre de moitie avec moi? De tout mon coeur.

Fräulein. Vors erste nur mit einer Kleinigkeit - (Geht und langt Geld aus ihrer Schatulle.)

Riccaut. Ah, Mademoiselle, que vous etes charmante! -

Fräulein. Hier habe ich, was ich ohnlängst gewonnen, nur zehn Pistolen - ich muß mich zwar schämen, so wenig -

Riccaut. Donnez toujours, Mademoiselle, donnez. (Nimmt es.)

Fräulein. Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr, sehr ansehnlich ist -

Riccaut. Jawohl, sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll sein dafür interessir bei meiner Bank auf ein Dreiteil, pour le tiers. Swar auf ein Dreiteil sollen sein - etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß man es nehmen nit so genau. Ik gratulir mik, su kommen dadurk in liaison mit Ihro Gnad, et de ce moment je recommence a bien augurer de ma fortune.

Fräulein. Ich kann aber nicht dabei sein, wenn Sie spielen, mein Herr.

Riccaut. Was brauk Ihro Gnad dabei su sein? Wir andern Spieler sind ehrlike Leut untereinander.

Fräulein. Wenn wir glücklich sind, mein Herr, so werden Sie mir meinen Anteil schon bringen. Sind wir aber unglücklich -

Riccaut. So komm ik holen Rekruten. Nit wahr, Ihro Gnad?

Fräulein. Auf die Länge dürften die Rekruten fehlen. Verteidigen Sie unser Geld daher ja wohl, mein Herr.

Riccaut. Wofür seh mik Ihro Gnad an? Für ein Einfalspinse? für ein dumme Teuf?

Fräulein. Verzeihen Sie mir -

Riccaut. Je suis des bons, Mademoiselle. Savez-vous ce que cela veut dire? Ik bin von die Ausgelernt -

Fräulein. Aber doch wohl, mein Herr -

Riccaut. Je sais monter un coup -

Fräulein. (verwundernd). Sollten Sie?

Riccaut. Je file la carte avec une adresse -

Fräulein. Nimmermehr!

Riccaut. Je fais sauter la coupe avec une dexterite -

Fräulein. Sie werden doch nicht, mein Herr? -

Riccaut. Was nit? Ihro Gnade, was nit? Donnez-moi un pigeonneau a plumer, et -

Fräulein. Falsch spielen? betrügen?

Riccaut. Comment, Mademoiselle? Vous appellez cela betrügen? Corriger la fortune, l'enchainer sous ses doigts, etre sur de son fait, das nenn die Deutsch betrügen? Betrügen! Oh, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für ein plump Sprak!

Fräulein. Nein, mein Herr, wenn Sie so denken -

Riccaut. Laissez-moi faire, Mademoiselle, und sein Sie ruhik! Was gehn Sie an, wie ik spiel?-Gnug, morgen entweder sehn mik wieder Ihro Gnad mit hundert Pistol, oder seh mik wieder gar nit-Votre tres-humble, Mademoiselle, votre tres-humble - (Eilends ab.)

Fräulein. (die ihm mit Erstaunen und Verdruß nachsieht). Ich wünsche das letzte, mein Herr, das letzte!




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