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Franz Grillparzer Der Traum ein Leben IntraText CT - Text |
(Offener Platz in Samarkand. Die ersten Kulissen des Vorgrundes bilden eine zeltartige Estrade, deren hintere Vorhänge offen sind. Rechts ist ein Sofa von Kissen angebracht, nach oben mit einem Baldachin, nach rückwärts mit einer herabhängenden Draperie geziert. Daneben ein Tischchen. Gegenüber auf der linken Seite ein größerer Tisch, dunkelrotbehangen. Der Platz von außen ist mit Volk beiderlei Geschlechts besetzt. Jubelruf, kriegerische Musik, Truppenaufzüge.)
Volk.
Heil dem Sieger!--Heil dem König!
Rustan! Rustan!--Hoch Gülnare!
(Der König kommt, zu beiden Seiten Rustan und Gülnare an der Hand führend. Reichgekleidete Große hinter ihm. Sie gehen in dem Raume außer dem Zelte quer über die Bühne und auf der linken Seite ab.)
Zanga (durch das Volk
kommend, zu denen, die am Eingange des Zeltes stehen).
Platz da! Platz! Ich bin vom Hause!
(Er kommt nach vorn.)
Nun, bei Gott! Das geht
vortrefflich!
Unser Rustan wirkte Wunder!
Tritt hervor aus jenem Wald,
Und der Ruf der Tat durchschallt
Rings das Land
nach allen Seiten.
Nieder von den Bergen schreiten
Hirten, jetzt zum erstenmal,
Völker ohne Maß und Zahl,
Die sich sammeln, die sich scharen
Um den Retter in Gefahren.
Und der Feind, er steht verblüfft;
Ihm, der kam zu leichtem Krieg,
Dünkt der Rückzug jetzt schon Sieg.
Rasch wir nach, und weit und weiter!
Schon sind handgemein die Streiter.
Da sieht Rustan jenen Khan,
Der so überstolz getan,
Sprengt auf ihn,--zwar, wie mich
dünkt,
Ist das just der Punkt, der hinkt--
Rustan stürzt. Allein, was tut's!
Unsre Völker, hohen Muts,
Sehen bange Zweifel schweben
Ob des Führers teurem Leben,
Dringen nach, und--sahst du's nicht!
Bald kein Feind mehr im Gesicht.
Also sich's begeben hat;
Ich bin selbst das Zeitungsblatt,
Schwarz gekommen schon zur Erden,
Darf's nicht erst durch Lügen werden.
Da kommt Rustan mit dem König,
Tut schon vornehm, blickt schon stolz.
Ei, umgüldet's nur ein wenig,
Dünkt sich Edelstein das Holz.
(Der König und Rustan kommen.)
König.
Hörtest du? vernahmst du? sahst du?
Ihres Mundes freundlich Lächeln,
Ihrer Rede Sommerfächeln,
Fühltest du den Druck der Hand?
Ja, Gülnare, meine Tochter,
Sinnt nicht länger Widerstand.
Freude, Wonne, sondergleichen!
Ihre Hand will sie dir reichen;
Und was an des Todes Toren
Ich mir selber zugeschworen,
Und was Nacht bisher verhüllt,
Glänzend, herrlich wird's erfüllt.
Du, an meiner Tochter Seite,
Sitzest auf der Väter Thron,
Breitest aus in alle Weite
Mit der Kriegsdrommete Ton
(Dieses Landes) Macht und Ruhm,
Noch vor wenig kurzen Tagen
Stolzer Nachbarn Eigentum.
Und sie zittern und sie beben
Vor dem Dräun der starken Hand,
Und des Ruhmes Säulen heben
Hoch den Thron von Samarkand.
Sieh dies Land, es ist das deine,
Sieh mein Selbst, es folgt dem
Land;
Oh, des sel'gen Abends Scheine,
Da ich dich, den Retter fand!
(Er setzt sich.)
Ich bin müd, bringt
mir zu trinken,
Selbst die Freude schwächt die Kraft.
Alles scheint mir zuzuwinken:
Tu, was neu das Alte schafft.
Gebt mir Wein, die Zunge lechzet,
Und verschließt des Zeltes Hüllen.
Freuden, wie sie mich
erfüllen,
Hegt man gern bei sich allein.
(Zanga gibt den Auftrag. Man geht um Wein. Die Vorhänge des Zeltes fallen herab.)
Rustan.
Wenn auch das, was ich getan,
Voll und wirklich Lohn erheischet,
Doch so übermäß'ge Gunst--
König (aufstehend).
Laß du über dem Geschick,
Auszugleichen Wert und Glück!
Wär's Verdienst denn, wenn der Regen
Niederträuft auf unsre Flur?
Ist Verdienst es, wenn der Leu,
Reichbegabt und stark und frei
Hineilt auf des Wildes Spur;
Wenn die kreisende Natur
Aus der Gaben Reichtum spendet,
Achtlos, wer ihn zu sich wendet?
Auch der Zufall will sein Spiel.
Nimm, was dein; und scheint's zuviel,
Dieses als zuviel Erkennen
Macht dich wert, es dein zu nennen.
Eins nur ist noch zu bericht'gen:
Rustan, alle, die ich fragte
Nach den Eltern, die du nanntest,
Nach den Deinen, deiner Abkunft,
Niemand will die Namen kennen,
Und den Stamm, das Volk, den Ort.
Zanga.
Ist's doch auch ein kleines Völkchen,
Seiner Herden Zucht ergeben,
Und da sie nomadisch leben,
Kommt's heut an, zieht morgen fort.
Rustan.
Dann, o Herr, wenn erst das Was
Des Geschehnen klar und deutlich,
Forscht man viel noch hinterher
Um das Wie und um das Wer?
König.
Du hast recht! und wer auch immer,
Bist du immer doch derselbe,
Der mein Land, mein Volk befreit;
Der an jenem grausen Morgen
Meiner Tage Rest geborgen,
Dessen Mute, dessen Schlag
Jenes Untiers Grimm erlag.
Bist derselbe, und bist's nicht;
Und wenn nicht, mir so viel teurer,
Als mir teuer dies dein Selbst.
Wenn ich dich so vor mir sehe,
Hochgewachsen, stark und kühn,
Mit der hellen, klaren Stimme,
Freu ich doppelt mich und dreifach,
Daß du anders, als ich damals
In der Sinne wirrem Wanken,
Mehr ein Wahnbild der Gedanken,
Meines Retters Bild gesehn.
Du schienst damals klein und bleich,
Eingehüllt in braunen Mantel,
Und die Stimme scharf und schneidend--
(Man hört aus der Ferne Gemurmel von Stimmen, dazwischen klagend ausgestoßene Laute.)
König.
Welch Geräusch?--Seht zu, was ist.
Widerlich stört's
meine Rede,
Und dazwischen Klagetöne,
Fast wie jene--
(Zu Rustan.)
Warst du damals
Auch mit diesem ganz allein?
War kein dritter, war kein
andrer
Neben dir?
Rustan.
Nur er und ich.
König.
Eine Stimme, dumpf und schaurig,
Die ich früher schon gehört,
Sonst im Leben schon vernommen,
Schien da in mein Ohr zu kommen,
Wie ich lag von Angst betört.
Du standst damals--
Zanga.
Oben, oben, auf dem Felsen.
König.
Oben, recht! Je mehr ich sinne,
Um so widerlicher wird's.
Auf dem Felsen, klein und bleich,
Eingehüllt in braunen Mantel,
Und die Stimme--
(Die vorigen Klagelaute wiederholen sich.)
König.
Pfui des Lauts!
Schafft sie fort, die ekle Stimme,
Die Erinnerung mit ihr.
(Zanga geht ab.)
(Ein Diener hat Wein gebracht.)
König.
Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken!
Weg es waschen dieses Bild!
Was ich damals dumpf geträumt,
Lieblich hat's den Platz geräumt
Dem Erfreulichen, dem Wahren.
Wo sich Götter offenbaren,
Kündigt sie ein Schauder an,
Daß, wenn ein die Mächt'gen fahren,
Schon die Pforten aufgetan.
Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken!
Und noch diesen Abend sollen
Laute Zimbeln und Trommeten
Hoch von dieser Feste Türmen
Es in alle Lüfte stürmen,
Daß du Erbe mir und Sohn.
Ja, du Edler, ja, du Guter,
Schutzgeist, Lebensretter du,
Sieh dein Vater trinkt dir's zu!
(Indem er den Becher emporhebt und Rustan sich vor ihm auf ein Knie niederläßt, kommt Zanga eilig zurück; hart hinter ihm ein Kämmerling.)
König (einhaltend).
Was begab sich?
Zanga (zu Rustan leise).
Herr, nur Mut!
König.
Soll ich länger noch erwarten--?
Kämmerling.
Herr, die Stadt beinah in Aufruhr.
König (den Becher
abgebend).
Aufruhr? Torheit! Und warum?
Kämmerling.
Herr, die Wellen des Tschihun,
Die an unsern Mauern nagen,
Haben auf den flachen Sand
Eines Mannes Leib getragen,
Der durch Mord sein Ende fand.
König.
Laßt sie das dem Richter klagen!
Kämmerling.
Und der Mann, er ward erkannt
Als derselbige mit jenem,
Den, aus deiner Kämmrer Scharen,
Nie hat man den Grund erfahren,
Du vorlängst vom Hof verbannt.
König.
Wohl, ich weiß.--Doch diese Laute?
Schaurig, widrig, wirren Klanges--?
Kämmerling.
Herr, es ist sein alter Vater,
Den du kennst, der stumme Mann;
Eine Schrift in seinen Händen,
Fleht er um Gericht dich an.
König.
Wohl, es sei ihm, doch er schweige!
Rustan!
König.
Du kanntest nie
Jenen Mann, der nun getötet?
König.
Nun, nur Gutes.
Doch die Stimme, deren Klang
Damals mir zu Ohren drang,
Als du mich befreit beim Jagen,
Schien des Manns, der nun erschlagen.
Es kommt näher, wächst im Raum,
Wie ein halbvergeßner Traum.
Und wen klagt man an als Täter?
Kämmerling.
Wag ich's?
König.
Sprich!
Wen zeiht man des Mordes?
Kämmerling.
Dich!
König.
Mich? Ha Torheit und Verrat!
Nicht nur ein Sinn fehlt dem Alten,
Alle fehlen in der Tat.
(Die Vorhänge auseinanderschlagend.)
Komm herein, du Mann der
Torheit,
Stumm an Zunge, an Verstand,
Und beweise deine Klagen,
Oder stirb von meiner Hand!
(Der alte Kaleb, grau gekleidet, mit schwarzem Überwurf, weißem Bart und Haar, tritt, von Karkhan geleitet, eine Schrift emporhaltend, ein und wirft sich vor dem Könige nieder, wobei er, nach Art der Stummen, unartikulierte Laute ausstößt.)
König.
Nicht berühre meine Kleider,
Bis du Widerruf getan.
Zanga (leise).
Herr, was dünkt euch?
Zanga.
Diesen Mann sah ich schon früher.
Gleicht er nicht--?
Rustan.
Ob auch! Wem immer!
Laß uns hören, was er bringt.
König (dem der Alte
eine Schrift emporgereicht hat).
Was soll ich mit diesen Zeilen?
Zorn quillt mir im Auge heiß.
Karkhan.
Seinem Hause nah verwandt.
König.
Nun, so sprich, was dir bekannt.
Karkhan.
Was man sagt, nicht was ich meine.
Jenen Toten, dir bewußt,
Fanden wir im Abendscheine,
Einen Dolch in seiner Brust.
Und der Dolch--er war der deine.
Hier ist mein Dolch.
Karkhan.
Jenen Dolch, den du beim Jagen
Pflegtest in dem Gurt zu tragen,
Und auch trugst zu jener Zeit,
Da ein Wunder dich befreit.
König (zu Rustan
tretend, halblaut).
Rustan, dir gab ich den Dolch,
Der im Wahnwitz der Gefahr
Meiner Hand entfallen war.
Bring ihn her! Gib mir ihn wieder!
Du entfärbst dich?--Rustan! Rustan!
Jener Mann, den sie beschrieben,
Ward durch mich vom Hof vertrieben,
Weil sein Trachten, frech gesinnt,
Sich erhob zu meinem Kind.
Also denn dein Nebenbuhler!
Rustan! Rustan! Und die Stimme,
Die von jenem Felsen sprach,
Und nun auftaucht, hell und wach,
Sie glich jenes Mannes Stimme,
Der nur jetzt des Mörders Grimme,
Unbekanntem Tod erlag.
Rustan, gib den Stahl mir wieder.
(Laut.)
War's ein Dolch mit grünen Steinen?
Karkhan.
Mit Smaragden reich besetzt;
Tief im Busen eingetrieben,
Wo er graß zusammenhielt
Den durchnäßten braunen Mantel.
König.
Braunen Mantel?--Stand am Felsen
Bleich und hager--du standst seitwärts.
Oben er, und schoß--Wer traf?
Rustan, Rustan!--Sprich nicht jetzt!
Nicht ein Wort, das dich gereuet.
Ich will hin, den Toten sehn,
Du magst nach dem Dolche gehn.
Alter, folg! und folget ihr!
Auf! zerstreue diese Wolke!
Denn Rechtfert'gung schulden wir,
Ich, der Fürst, dem ganzen Volke,
Du, der Sohn und Bürger, mir.
(Er geht, von Kaleb und seinem Gefolge begleitet ab.)
Rustan.
Das fragst du mich?
Du, der sonst so überreichlich
Mittel wußte, Kniffe, Ränke,
Der mich bis hierher geleitet;
Losgerissen von der Heimat,
Mich die Würfel hieß ergreifen
Zu des Glückes falschem Spiel?
Dessen Zunge Schmeichellaut
Ich, ein Törichter, vertraut;
Der mit Lügen und mit Leugnen
Mich verlockt, mir anzueignen,
Was ein anderer getan;
Abgelockt mich von der Bahn,
Von der ebenen, geraden,
Von des Ruhmes goldnen Pfaden.
Zanga.
Ebnen Pfaden? Schöner Wahn!
Ach, verzeiht zu hohen Gnaden,
Fast kommt mir ein Lachen an:
Wackre Faust und schlichter Geist
Fördern auch und bringen weiter,
Etwa zu 'ner Fahne Reiter,
Einer Hauptmannsstell' zumeist,
Läßt mit halbzerschoßnen Knochen
Magre Gnadensuppen kochen.
Aber wen es höher treibt,
Auf zu Glückes reichern Spenden,
Wenn auch der im Fußweg bleibt,
Mag er nur die Schritte wenden.
Ich stellt' Euch mit einem Ruck,
Sei's im Guten, sei's im Schlimmen,
Auf des Berges höchsten Hang,
Dessen Mitte zu erklimmen
Ihr gebraucht ein Leben lang.
Rustan.
Und nun gähnt der Untergang!
Zanga.
Pah! und was ist auch verloren?
Wenn Ihr nicht die Schlange schlugt,
Habt Ihr doch den Feind geschlagen,
Allen ihren künft'gen Tagen
Heil gebracht und Sicherheit.
Habt Ihr nicht das Heer für Euch?
Flüchtet Euch in ihre Reihen,
Die Euch kühn gefolgt im Streit;
Mag dann dieser König dräuen,
Und wer weiß, wer noch gebeut.
Herr, nur Mut! Dort seh ich zwei
Von den Führern unsers Heeres.
Wie sie lauern! wie sie spähn!
Bleibt nur hier und harrt der Dinge,
Ich will mal sie prüfen gehn.
(Er geht nach dem Hintergrunde auf den Halbkreis von Menschen zu, die dort zurückgeblieben sind.)
Rustan.
Folg ich ihm? benütz ich eilend
Die Gelegenheit der Flucht?
Schändlich! Niedrig! Greulich! Greulich!
Nicht daß ich den Mann erschlug.
Hab ich ihm den Tod gegeben,
War's, verteidigend mein Leben,
War's, weil jener Brücke Pfad,
Schmal und gleitend wohl genug,
Einen nur von beiden trug.
War's, weil er mit gift'gem Hohn
Lauernd seine Tat versteckte,
Und die Hand erst nach dem Lohn,
Dem bereits gegebnen, streckte.
War es, weil--muß ich's denn sagen
Er und ich zwei Häupter tragen,
Und dies Land nur eine Kron'.
Es geschah. Allein, wenn nicht,
Ständ', genüber seiner Tücke,
Jetzt ich auf der Schauerbrücke,
Es geschähe jetzt, wie da.
Doch, daß nach durchfochtnem Krieg,
Da mein Stern zum Scheitel stieg,
Ich, verklagt, soll Antwort geben
Über ein so niedrig Leben,
Dafür tröstet mich kein Sieg.
Oh, hätt' ich, o hätt' ich nimmer
Dich verlassen, heimisch Dach,
Und den Taumelpfad betreten,
Dem sich Sorgen winden nach.
Hätt' ich nie des Äußern Schimmer
Mit des Innern Wert bezahlt,
Und das Gaukelbild der Hoffnung
Fern auf Nebelgrund gemalt.
Wär' ich heimisch dort geblieben,
Wo ein Richter noch das Herz,
Wo kein Trachten ohne Lieben,
Kein Versagen ohne Schmerz!
Ha, und doch! zurück es lassen,
Was mir anbeut das Geschick?
Diese Stadt mit lauten Gassen,
Eines Reiches fürstlich Glück?
Wornach heiß mein Wunsch getrachtet,
Leibhaft, wirklich, schau ich's an
Und beim Griff der Hand umnachtet
Mich ein gaukelhafter Wahn?
Standen nicht der Vorzeit Helden
Oft auf gleicher Zweifelbahn?
Tu's! ließ Geist und Mut sich hören;
Tu's nicht! rief das Herz sie an;
Und sie ließen sich betören,
Um den Zaudrer war's getan;
Oder taten's, und wir schwören
Nun bei dem, was sie getan.
Ich will harren, ich will bleiben,
Gähnte weit des Todes Schlund;
Und wer's wagt, mich zu vertreiben,
Stehe fest auf seinem Grund.
(In einer Öffnung des Halbkreises, den die in der Ferne stehenden Menschen bilden, wird Zanga sichtbar.)
Zanga (kommt nach vorn, von
einem graugekleideten alten Weibe gefolgt, das einen Becher trägt).
Fort, du Hexe!
Die Alte.
Zanga, komm! gib's deinem Herrn!
Die Alte.
Böser Diener!
Sorgst du nicht um deinen Herrn?
Rustan.
Was ist das?
Zanga.
Weiß ich es selber?
Sie verfolgt mich mit dem Becher,
Nennt's ein Mittel, nennt's Arznei.
Die Alte.
Wohl Arznei! Du böser Diener!
Nimm es nur, gib's deinem
Herrn!
Die Alte.
Ich mich selbst, mein
schöner Herr!
Du bist krank; sieh, das erfuhr ich--
Die Alte.
Ei, Sohn! Bedenklich krank!
Wie glimmt wild dein dunkles Auge,
Wie zuckt gichterisch der Mund!
Gib die Hand mir, reich den Arm,
Und ich deute dir dein Fieber.
Die Alte.
Wohl krank! (ansteckend)
krank!
Einer starb schon, der dir nahte,
Draußen liegt er auf dem Sand.
Und der König fürchtet auch wohl,
Daß dein Übel ihn ergreife,
Darum harrt er, weilt mit Vorsatz,
Will dir Zeit, mein Söhnlein, geben,
Zu entweichen, zu entfliehn.
Die Alte.
Nun! Nur nicht verzagt!
Sieh, mein Sohn, hier ist ein Mittel,
Sieh den glimmernd schäum'gen Saft.
Kaum benetzt er deine Lippen,
Sinkt die Brandung ebbend nieder,
Lösen sich die müden Glieder,
Schweigt der Schmerz, erlischt der Tag,
Zürne dann, wer zürnen mag!
Die Alte.
Ei, ich seh wohl,
Dich erschreckt des Trankes Anblick,
Weil er gar so brausend zischt.
Ei, das gibt sich, ei, das legt sich,
Wie Begeisterung der Jugend.
Auch, mein Sohn, in Wein gegossen,
Wirkt ein Tropfen wie das Ganze.
Hier steht Wein. Ha, und der Becher,
Sieh! wie gleicht er hier dem meinen.
Nun, ich mische dir den Trank.
(Sie nähert sich dem Tischchen neben dem Ruhebette, auf dem des Königs Becher steht.)
Rustan (sie anfassend).
Halt!--Und Zanga!--Laß den Vorhang
Laß des Zeltes Vorhang nieder!
(Zanga zieht den Vorhang, er schließt sich.)
Die Alte.
Hi, hi, hi! Warum den Vorhang?
Warum Decken denn und Hüllen,
Wenn wir Rechtes nur erfüllen?
Ei, du möchtest wohl den Trank,
Aber auch, daß man dich zwänge!
Ei, ich zwinge niemand, Sohn!
Bietend reich ich meine Gaben,
Wer sie nimmt, der mag sie haben.
Und so stell ich hin den Becher,
Der dich reizt, und der dich schreckt.
Wird dein Übel, Söhnlein, schlimmer,
Weißt du, was dir Heilung weckt.
Doch nicht bloß an dich gebunden,
Andern auch hilft dieser Trank,
Macht die Kranken schnell gesunden,
Die Gesunden freilich krank.
(Sie hat den Becher auf den links stehenden Tisch gestellt.)
Nun, mein Söhnlein,
Gott befohlen!
Ohne Abschied, ohne Dank!
(der mit gesenktem Haupte
sinnend im Vorgrunde gestanden, fährt jetzt empor und faßt die Alte
an).
Halt! und nimm zurück den Becher,
Nimm zurück ihn, deinen Trank!
(Er ergreift den auf dem Tischchen rechts stehenden Becher und drückt ihn der Alten in die Hand.)
Die Alte.
Hi, hi, hi! Hast dich
vergriffen!
Dort steht er, der edle Trank.
Das hier ist ja Saft der Trauben.
(Sie trinkt.)
Wie das labt--wie das erquickt!
Leer und aus!--Nu, dir zum
Heile!
Und den Becher mir zum Lohn.
(Sie steckt den Becher in ihr Gewand.)
Wohlgemut, mein teurer
Sohn.
Nicht die Hand vors Aug' geschlagen!
Was dir kommt, das mußt du tragen,
Eine Leiche, auf dem Thron.
Bist nun deines Schicksals Meister,
Sprichst ein Wort im Rat der Geister,
Trägst dein eigen Los davon.
Horch! man kommt. Nun, ich will gehen.
Unbesorgt! Sie sehn mich nicht.
Ob gleich alle zu mir flehen,
Scheut doch jeder mein Gesicht.
Sieh dort offen eine Spalte
In des Zeltes dünner Wand,
Raums genug für eine Alte.
Nun, mein Sohn, die Zukunft walte!
Glück, Entschlossenheit, Verstand!
(Sie hinkt nach der rechten Seite des Zeltes und zieht sich hinter die Umhänge des dort stehenden Ruhebettes zurück, blickt noch einmal, die Vorhänge aufhebend, hervor und wird dann nicht mehr gesehen.)
Rustan.
Sieh! wo kam sie hin, die Alte?
Zanga.
Herr, ich weiß nicht.
Sie entschwand.
War's dort durch des Umhangs Spalte,
War's--mir bleibt es unerkannt.
Rustan.
Schweig, und gib das Tuch.
(Auf ein dunkelrotes Tuch zeigend, das Zanga lose um den Hals geschlungen trägt.)
Rustan.
Wohl, das Tuch--so!--und nun stille!
(Er hat das dunkelrote Tuch
über den gleichbehangenen Tisch links und den darauf stehenden Becher
gebreitet und steht in banger Erwartung.)
(Die Vorhänge des Zeltes tun sich auf. Der König tritt ein, hinter
ihm Kaleb, Karkhan und zwei Begleiter.)
König.
Du noch hier?
König.
Nun, ich dachte dich entfernt.
Geht, ihr andern.
(Zu Kaleb.)
Du nur bleib!
(Das Gefolge entfernt sich, die Vorhänge des Zeltes werden geschlossen.)
König (der einem der
Abgehenden den braunen Mantel und den Dolch abgenommen hat, die dieser trug,
den Mantel auf den Boden hinwerfend).
Rustan! kennst du diesen Mantel?
Diesen Mantel, diesen Dolch?
Rustan.
Schlecht versteh ich mich auf Kleider;
Doch auf Waffen gut, du weißt's.
König.
Nun denn: kennst du diese Waffe?
Rustan.
Wohl; es ist derselbe Dolch,
Den du einst verlorst beim Jagen.
König.
Ich verlor? Den ich dir gab.
Rustan.
Ja, nachdem du ihn verloren,
Und ich ihn gefunden, Herr;
Wie ihn wohl ein andrer fand,
Als ich selbst ihn drauf verloren.
König.
Und tat
Jener andre das Verbrechen,
Das laut aufmahnt, es zu rächen?
Rustan.
Laß mich Herr, von dem nur sprechen,
Was ich selber tat und weiß.
Rustan.
Herr, ich sagt' es:
Schlecht versteh ich mich auf Kleider.
König.
Doch die Züge jenes Toten,
Sie sind auch des Mannes Züge,
Der mich auf der Jagd befreit.
Rustan.
Du warst damals kaum bei Sinnen,
Erst nur hast du's selbst bekannt.
König (die Schrift
emporhaltend, die ihm Der alte Kaleb gab).
Und die Schrift hier sagt so vieles,
Zeigt, wie dem so graß Verblichnen
Hohes Unrecht ich getan.
Rustan.
Tatst du dem Verblichnen unrecht,
Tu nicht Gleiches dem Lebend'gen.
Was soll mir die tote Schrift?
Laß dir meine Taten sprechen!
Wer schlug jene blut'ge Schlacht,
Die dir Heil und Sieg gebracht?
Wer befestigte die Krone,
Halb von einem Feind geraubt,
Wieder dir auf deinem Haupt?
Dankst du's nicht, wenn du noch dräust,
Dem Bedrohten, mir, zumeist?
Ha, ich find es wohl bequem,
Dadurch sich den Dank zu sparen,
Daß dem Retter, daß wir dem,
Durch den Heil uns widerfahren,
Häufen auf des Vorwurfs Last;
Den Berechtigten, mit Lachen,
Zum Verpflichteten uns machen.
König, mir gib erst mein Recht!
Was geschehn an jenem Knecht,
Laß uns künftig sehn und rächen.
Jetzt erst halte dein Versprechen,
Gib, was du mir zugesagt!
König.
Halt! Was damals ich versprach,
Zogen andre Gründe nach!
Wer mein Höchstes sein will sehn,
Muß, ein Reiner, vor mir stehn.
Reine dich vor meiner Macht!
Noch hat niemand es erfahren,
Was dich drücket für Verdacht;
Zeit geb ich dir diese Nacht
Mit dir selbst zu Rat zu sitzen,
Was dir frommen mag und nützen.
Aber bricht der Morgen an,
Ohne daß du's dargetan,
Samml' ich einen andern Rat
Aus den Besten meines Heeres;
Der soll sitzen und entscheiden,
Wer im Recht ist von uns beiden.
(Er wendet sich von ihm; zu Kaleb.)
Alter, komm! Ich will nun
lesen
Deine Schrift, so weit sie geht.
Was dein armer Sohn gewesen,
Zeigt sie deutlich--nur zu spät.
Doch erst geh nach Licht
und Wein.
Es wird dunkel, und mich dürstet.
Hier ließ ich, da erst ich ging,
Stehen einen vollen Becher,
Einen Becher Freudenwein.
Sog ihn denn der Boden ein?
Zwar, die Freude ist vergangen,
Und verging denn auch der Wein?
(Rustan hat ergrimmt das über dem Becher auf dem Tische links ausgebreitete Tuch hinweggerissen.)
König.
Doch, dort steht er. Wie er blinkt,
Freundlich mir entgegenwinkt!
Ach, was ist seitdem vergangen,
Seit mein Mund an dir gehangen!
Zanga, geh nach Licht!
Du, Alter,
Bring mir her dort jenen Becher,
Jenen frohen, holden Wein!
Ach, vielleicht, daß von dem Glück,
Das in mir, als ich getrunken,
In den Kelch ein Hauch gesunken,
Und er gibt ihn nun zurück.
Bring den Becher, bring den Wein!
(Er hat sich auf das Sofa gestreckt. Der alte Kaleb geht nach dem Becher auf dem Tisch links. Da er ihn bereits ergriffen, fällt ihm Rustan in den Arm.)
König.
Und warum?
Rustan.
Nicht aus dieses Mannes Hand,
Der durch schlau erdachte Lügen
Ab mir deine Gunst gewandt,
Und der töten kann, wie lügen;
Nicht aus dieses Mannes Hand!
König.
Ruhig sei du nur zur Stund'!
Was er sprach,
(Die Schrift in seiner Hand haltend.)
was hier geschrieben,
Ist dem Wahren treu geblieben,
Wahrheit sprach sein stummer Mund.
Und so nehm ich mit Vertrauen
Das Gefäß aus seiner Hand.
Wer wird allen denn mißtrauen,
Weil ein einz'ger nicht bestand?
Rustan.
Wohl denn! sei's zum Glück gewandt!
(Er läßt den Alten los, der den Becher dem Könige bringt.)
König.
Rustan, sieh hier diesen Becher,
Den ich erst dir zugetrunken,
Erst als Erben und als Sohn,
Sieh, ich halt ihn jetzt noch immer
Mit versöhnlichem Gemüt.
Dünkt es gut dir, aufzuklären,
Was geschehn, was du getan;--
Zwar nicht mehr als Sohn und Erbe,
Da reicht Höhres nur hinan;--
Doch mit Zeichen meiner Gnade,
Mit Geschenken reich geschmückt,
Sollst du ziehen deine Pfade,
Wie kein Sterblicher beglückt.
Laß den Frieden uns erneuen!
(Den Becher emporhebend.)
Rustan (vor sich hin).
Prosit!--Wen's zuerst gereut!
(Er wendet sich ab.)
(Da der König im Begriffe ist zu trinken, öffnen sich die
Vorhänge des Zeltes und Zaziga tritt ein; hinter ihm Diener mit Lichtern
und Wein.)
König.
Setzt die Lichter auf den Tisch,
Und geht hin zu meiner Tochter;
Ich will hier des Abends Kühle
Noch ein Stündchen mir genießen.
Erst zu Nacht erwartet mich!
Aber fort mit den Gefäßen!
Hier ja steht mein Freudenwein.
(Er trinkt.)
Nie ja trank ich so
gewürzten,
Feurig-starken, schäum'gen, dunkeln;
Jugendähnlich gleitet er
Durch die abgespannten Fibern
Und die Luft im Raum erzittert
Von dem sprühend geist'gen Duft.
Köstlich! labend!
(Er trinkt.)
Zanga.
Die Führer auch des Heeres
Sind gewonnen, Euch zu Dienste.
Über Undank murren sie,
Harren Eurer.
König.
Geht ihr andern! Kaleb, bleib!
Laß uns sehen diese
Schrift,
Die zerstreuten einzlen Blätter,
Die dein Sohn aus der Verbannung,
Nebst der Schutzschrift, die wir lasen,
Schrieb dem tiefgekränkten Vater.
Hier stehn Namen, die ich kenne.
Horch! und--schweig! sagt' ich beinah,
Doch du schweigst ja jetzt und immer.
(Rustan ist, den übrigen folgend, bis zu des Zeltes Ausgang gekommen, dort bleibt er stehen und tut, lauschend, einige Schritte zurück. Der König liegt lesend auf dem Sofa, an dessen Seite der alte Kaleb, auf den Knien niedergekauert, zuhört. Die Lichter auf dem Tische erhellen die Gruppe. Der übrige Teil der Bühne ist dunkel.)
Der König (liest).
"An den Quellen des Wahia
Leb ich einsam, ein Verbannter,
Nah des alten Massud Hause."
Also schreibt dein armer Sohn
In dem ersten seiner Blätter.
"Sah dort Mirza, seine Tochter,
Sie, die einz'ge, die vergleichbar,
Nahe mindstens kommt Gülnaren,
Meines Herrn erlauchter Tochter."
Wohl erlaucht! Hättst du's bedacht,
Dein Geschick wär' leicht und milde.
(Weiterlesend.)
"Rustan, Rustan,
wilder Jäger!
Warum quälst du deine Liebe,
Suchst auf unbetretnen Pfaden
Ein noch zweifelhaft Geschick?"
(Die hintern Vorhänge werden durchsichtig und zeigen in heller Beleuchtung Mirza mit in dem Schoße liegenden Händen vor der Hütte ihres Vaters sitzend. Vor ihr steht ein Greis, in Gestalt und Kleidung ganz dem alten Kaleb ähnlich. Er hält eine kleine Harfe im Arm. Rustan, der zusammenfahrend einige Schritte zurückgewichen ist, macht, mit beiden Händen auf die beiden Greise zeigend, ihre Ähnlichkeit bemerkbar.)
König (lesend).
"Schau, sie kommt dir ja entgegen,
Sorgt um dich mit frommen Blick,
Kehr zurück auf deinen
Wegen,
Wenn nicht hier, wo ist das Glück?"
(Die Erscheinung verschwindet.)
König.
Wer ist hier?
Rustan (vortretend).
Ich, mein Fürst.
König.
Und was führt her dich?
Rustan.
Nennen hört' ich meinen Namen,
Und ich glaubte, Herr, du riefst.
König.
Nicht nach dir; doch rief ich Rustan;
War's ein andrer gleich, der fern wohnt
An den Quellen des Wahia.
Doch, da hier, magst du nur bleiben.
Manches steht wohl hier geschrieben,
Das du deuten kannst und sollst.
Der König (liest
weiter).
"Rustan, Rustan! wilder Jäger"--
(Einhaltend.)
Wird's mir dunkel doch und
wirre!
Alter, rück die Leuchte näher,
Schlummer, scheint's, trübt meinen Blick.
Noch ein Schluck.
(Er trinkt.)
(Er liest.)
"Rustan, Rustan,
wilder Jäger,
Kehr zurück auf deinen Pfaden!
Was ist Ruhm, der Größe Glück?
Sieh auf mich! Weil ich getrachtet
Nach zu Hohem, nach Verbotnem,
Irr ich hier in dieser Wüste,
Freigestellt das nackte Leben
Jedes Meuchelmörders Dolch."
(Die Wand des Zeltes wird von neuen durchscheinend. Es zeigt sich, hell beleuchtet, der Mann vom Felsen. Der braune Mantel hängt nachschleppend über die rechte Schulter. An der linken entblößtem Brust nagt eine Natter, die er in der Hand hält.)
König (liest).
"Und wenn ich ihn auch zermalme,
Wie der Hirt die Schlange tritt,
Bin ich minder tot?"
(Der Mann vom Felsen macht eine Bewegung mit der Hand, als wollte er die Schlange nach Rustan schleudern.)
Rustan
(niederstürzend).
Entsetzen!
(Die Erscheinung verschwindet.)
König.
Was ist hier?
(Die Umhänge des Ruhebettes zurückschlagend.)
Rustan am Boden?
Was geschah? Sieh, Alter, hin!
(Der alte Kaleb nähert sich dem Hingesunkenen.)
Rustan (sich
emporrichtend).
Ist er fort? Ha, Zauberkünste!
Und doch nur der Sinne Traum.
Kommst du immer, wenn's zu
spät?
Immer, wenn's bereits geschehen?
Sieh den Becher halb geleert,
Ganz erfüllt schon mein Geschick.
König.
Mir wird schwül, mein Innres brennt.
Aufwärts bäumen sieh die Fluten,
Alle Tropfen meines Blutes.
Böser Trank.--Was war im Becher?
Rustan! Rustan! Was im Becher?
Rustan (bebend).
Herr, weiß ich's?
König.
Und das Gefäß!
Was nur trübte meine Augen?
Das ist nicht derselbe Becher!
Fremde Zeichen stehen drauf,
Sinnlos wilde, wirre Zeichen.
Wo mein Becher? Rustan, Rustan!
Rustan (in die Knie
sinkend).
Herr, weiß ich's?
Die Alte (kommt hinter den
Umhängen des Ruhebettes hervor. Sie rollt den mitgenommenen Becher mit dem
Fuße vor sich her, dem Vorgrunde zu).
Hi, hi, hi!
Lauf mein Rädchen,
Spinn dein Fädchen!
Nun und nie!
Hi, hi!
(Sie verschwindet hinter
den Vorhängen.)
(Rustan hat sich bemüht den rollenden Becher aufzuhalten und unter dem am
Boden liegenden Mantel zu verbergen.)
König.
Welch Geräusch?--Das ist mein Becher;
Dieser hier ein unterschobner.
(Er ist vom Bette aufgestanden.)
Rustan, Rustan! Heil'ge
Götter!
Ist denn niemand hier? Kein Helfer?
Alter, komm, sei du mir Stütze!
(Zu Rustan, der noch immer mit dem Becher beschäftigt ist.)
Ha, umsonst verhüllst
du es!
Ewig sichtbar dein Verbrechen!
Alter, hilf! Ach, ich vergehe!
Hört denn niemand? Eilt nach Ärzten!
Rettung! Beistand! Rache! Hilfe!
(Er sinkt am Eingange des Zeltes den dort Entgegenkommenden in die Arme. Die Vorhänge schließen sich über der Gruppe.)
Rustan (nachdem er einige
Male nach dem vor ihm liegenden Becher gegriffen hat, ihn endlich fassend).
Endlich! Endlich!--Ha, und dort!
(Er hebt auch den zweiten neben dem Ruhebette liegenden Becher auf, die Becher in beiden Händen wechselweise betrachtend.)
Eins und eins!
(Mit den Augen am Boden suchend.)
Wo ist der zweite?
Eins und eins! Der zweite, wo?
Wo der andre, andre Becher?
(Er sinkt erschöpft mit dem Haupt gegen das Ruhebette.)
Zanga (kommt).
Herr! ach, alles ist verloren!
Zanga.
In den Armen drauß der Seinen
Liegt der alte Fürst vergehend.
Seine Lippen stammeln Worte,
Er enthüllt wohl, was geschehn,
Was hier vorging, spricht er aus.
Rustan (den Tisch neben dem
Sofa von der Stelle rückend).
Fort den Tisch hier und das Bette!
Dort hinaus entkam die Alte;
Da hinaus entflieh auch ich.
Zanga.
Fruchtlos, denn hier grenzt die Halle
An des Schlosses innre Räume;
Hier im Wege feste Mauern,
Dort verwehrt's ein tobend Volk.
Rustan.
Hier hinaus! Mit meinen Zähnen
Will ich an der Mauer brechen,
Hier mit diesen meinen Armen
Einen Rettungsweg zur Flucht.
Zanga.
All umsonst! Denn horch! man kommt.
Rustan.
Nun, so halt bereit dein Messer,
Und wenn sie mich greifen, Zanga,
Stoß von rückwärts mir's in Leib.
Hörst du wohl? von rückwärts, Zanga,
Und wenn alles erst verloren.
(Er steht, auf Zanga
gestützt, mit vorhängendem Haupte.)
(Die Vorhänge des Zeltes teilen sich nach beiden Seiten. Die Stadt ist vom
Monde hell beleuchtet. Volk erfüllt den äußern Raum.)
Gülnare (von ihren
Frauen gefolgt, kommt von der linken Seite und eilt nach dem Vorgrunde).
Hier ist der, den ich genannt!
Rustan.
Zanga! Deinen Dolch! Gib Waffen!
Gülnare.
Herr, zu dir gehn meine Schritte.
Tot im Staube liegt mein Vater,
Und die wutentbrannten Mörder--
Rustan.
Wer? Wer sah's? Wer weiß? Weiß ich's?
Gülnare (fortfahrend).
Jener greise, stumme Mann,
Der, den Tod des Sohnes rächend,
Ausgestreckt die frevle Hand
Nach des edlen Fürsten Leben,
Seine Helfer und Genossen
Ruhen nicht, bis sie dem Vater
Mich, die Tochter, nachgesandt.
Zwar, der Frevler ist gefangen,
Aber mächtig sind die Seinen,
Man befreit ihn, er kehrt wieder,
Und vollendet sein Geschäft.
Rustan.
Zanga! Zanga! Spricht sie? Hör ich?
Gülnare (kniend).
Herr, o stoß mich nicht zurück!
Deinen Namen auf den Lippen,
Starb der gute, alte Vater,
Gleich, als wollt' er seine Liebe,
Sein Vertraun auf deinen Beistand
Noch im Abschied von dem Leben
Mir als letzte Erbschaft geben.
"Rustan", sprach er,
und verschied.
Und so fleh ich denn im Staube:
Nimm die Einsame, Verlaßne,
Einst bestimmt zu nähern Banden,
Nimm sie auf in deinen Schutz!
(Trompeten.)
Gülnare (aufstehend).
Hörst du? Auch das Heer in Aufruhr.
Es rückt an auf diese Mauern.
Deinen Namen nennen sie,
Ihren Führer, dich, als Herrn.
Und das Volk schart sich zu ihnen,
Alle gegen mich gerichtet,
Ohne deinen, deinen Schutz.
(Von der linken Seite, außer den Vorhängen, bringen einige Gewaffnete den alten Kaleb.)
Gülnare.
Siehst du dort den grauen Mörder?
Wie er funkelt, wie er glüht!
Weh!
Zanga (die Hand an den
Säbel gelegt).
Auf ihn! Haut ihn in Stücke!
(Von der rechten Seite, aus dem Hintergrunde, ziehen in Reihen bewaffnete Krieger und schwenken sich gegen die Mitte zu halb auf.)
Gülnare.
Dort das Heer! Ich bin verloren!
Rustan (gegen Zanga und die
Bewaffneten, die den alten Kaleb bedrohen).
Halt!
(Gegen die Reihen der Krieger.)
Und ihr!
(Auf Kaleb.)
Was er verbrochen,
Ob er schuldig, ob er's nicht,
Übergebt ihn meiner Obhut
Und bestellet ein Gericht.
(Gegen das Heer.)
Und ihr andern, wackre
Krieger,
Aber schuldig jetzt--gleich mir!
(Er wirft sich vor Gülnaren nieder.)
Werft, gleich mir, euch hin
im Staube.
Eure Herrscherin steht hier!
(Die vordersten des Heeres knien, die übrigen senken die Lanzen.)
Gülnare.
Habe Dank!--Euch sei verziehen!
Allzu glücklich, als
Empörer,
Daß, was ihr mit Trotz begehrt,
Eure Fürstin frei gewährt.
(Man hat den Turban des Königs gebracht und die Krone davon abgelöst.)
Dieses Landes
Herrscherschmuck,
Er bleibt mein, ich geb ihn niemand,
Sollte Tod mich
übereilen,
Niemand, keinem, auch nicht dir!
Geben nie--wohl aber teilen!
(Sie hebt die Krone in der Rechten hoch empor, während Rustan mit den Zeichen wilder Verzweiflung die Stirne gegen den Boden drückt.)
Das Volk.
Hoch Gülnare, unsre Fürstin!
Hoch Gülnare, Rustan! Rustan!