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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
IntraText CT - Text
Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft
Erster Abschnitt. Analytik der ästhetischen Urteilskraft
Zweites Buch Analytik des Erhabenen
Deduktion der reinen ästhetischen Urteile
§ 40 Vom Geschmacke als einer Art von sensus communis
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§ 40
Vom
Geschmacke
als einer
Art
von
sensus
communis
Man
gibt
oft
der
Urteilskraft
, wenn nicht sowohl ihre
Reflexion
als
vielmehr
bloß
das
Resultat
derselben
bemerklich
ist, den
Namen
eines
Sinnes
, und
redet
von einem
Wahrheitssinne
, von einem
Sinne
für
Anständigkeit
,
Gerechtigkeit
usw
.; ob man zwar
weiß
,
wenigstens
billig
wissen
sollte
, daß es nicht ein
Sinn
ist, in
welchem
diese
Begriffe
ihren
Sitz
haben
können
, noch
weniger
, daß dieser zu einem
Ausspruche
allgemeiner
Regeln
die
mindeste
Fähigkeit
habe:
sondern
daß uns von
Wahrheit
,
Schicklichkeit
,
Schönheit
oder
Gerechtigkeit
nie
eine
Vorstellung
dieser
Art
in
Gedanken
kommen
könnte
, wenn wir uns nicht über die
Sinne
zu
höhern
Erkenntnisvermögen
erheben
könnten
. Der
gemeine
Menschenverstand
, den man, als
bloß
gesunden
(noch nicht
kultivierten
)
Verstand
,
für
das
geringste
ansieht
, dessen man nur immer sich von dem,
welcher
auf den
Namen
eines
Menschen
Anspruch
macht
,
gewärtigen
kann, hat daher auch die
kränkende
Ehre
, mit dem
Namen
des
Gemeinsinnes
(
sensus
communis
)
belegt
zu werden; und zwar so, daß man unter dem
Worte
gemein
(nicht
bloß
in unserer
Sprache
, die hierin
wirklich
eine
Zweideutigkeit
enthält
,
sondern
auch in
mancher
andern
) so viel als das
vulgäre
, was man
allenthalben
antrifft
,
versteht
,
welches
zu
besitzen
schlechterdings
kein
Verdienst
oder
Vorzug
ist.
Unter dem
sensus
communis
aber
muß
man die
Idee
eines
gemeinschaftlichen
Sinnes
,
d.i.
eines
Beurteilungsvermögens
verstehen
,
welches
in seiner
Reflexion
auf die
Vorstellungsart
jedes
andern
in
Gedanken
(
a
priori
)
Rücksicht
nimmt
, um
gleichsam
an die
gesamte
Menschenvernunft
sein
Urteil
zu
halten
, und
dadurch
der
Illusion
zu
entgehen
, die aus
subjektiven
Privatbedingungen
,
welche
leicht
für
objektiv
gehalten
werden
könnten
, auf das
Urteil
nachteiligen
Einfluß
haben
würde
. Dieses
geschieht
nun
dadurch
, daß man
sein
Urteil
an anderer, nicht sowohl
wirkliche
als
vielmehr
bloß
mögliche
Urteile
hält
, und sich in die
Stelle
jedes
andern
versetzt
,
indem
man
bloß
von den
Beschränkungen
, die unserer
eigenen
Beurteilung
zufälligerweise
anhängen
,
abstrahiert
:
welches
wiederum
dadurch
bewirkt
wird, daß man das, was in dem
Vorstellungszustande
Materie
d.i.
Empfindung
ist, so viel
möglich
wegläßt
, und
lediglich
auf die
formalen
Eigentümlichkeiten
seiner
Vorstellung
, oder seines
Vorstellungszustandes
, acht hat. Nun
scheint
diese
Operation
der
Reflexion
vielleicht
allzu
künstlich
zu
sein
, um sie dem
Vermögen
,
welches
wir den
gemeinen
Sinn
nennen
,
beizulegen
; allein sie
sieht
auch nur so aus, wenn man sie in
abstrakten
Formeln
ausdrückt
; an sich ist nichts
natürlicher
, als von
Reiz
und
Rührung
zu
abstrahieren
, wenn man ein
Urteil
sucht
,
welches
zur
allgemeinen
Regel
dienen
soll
.
Folgende
Maximen
des
gemeinen
Menschenverstandes
gehören
zwar nicht
hieher
, als
Teile
der
Geschmackskritik
,
können
aber doch zur
Erläuterung
ihrer
Grundsätze
dienen
. Es sind
folgende
: 1.
Selbstdenken
; 2.An der
Stelle
jedes
andern
denken
; 3.
Jederzeit
mit sich selbst
einstimmig
denken
. Die
erste
ist die
Maxime
der
vorurteilfreien
, die
zweite
der
erweiterten
, die
dritte
der
konsequenten
Denkungsart
. Die
erste
ist die
Maxime
einer
niemals
passiven
Vernunft
. Der
Hang
zur
letztern
,
mithin
zur
Heteronomie
der
Vernunft
,
heißt
das
Vorurteil
; und das
größte
unter
allen
ist, sich die
Natur
Regeln
,
welche
der
Verstand
ihr durch
sein
eigenes
wesentliches
Gesetz
zum
Grunde
legt
, als nicht
unterworfen
vorzustellen
:
d.i.
der
Aberglaube
.
Befreiung
vom
Aberglauben
heißt
Aufklärung
13
; weil,
obschon
diese
Benennung
auch der
Befreiung
von
Vorurteilen
überhaupt
zukommt
,
jener
doch
vorzugsweise
(in
sensu
eminenti
) ein
Vorurteil
genannt
zu werden
verdient
,
indem
die
Blindheit
,
worin
der
Aberglaube
versetzt
, ja sie
wohl
gar
als
Obliegenheit
fordert
, das
Bedürfnis
von
andern
geleitet
zu werden,
mithin
den
Zustand
einer
passiven
Vernunft
vorzüglich
kenntlich
macht
. Was die
zweite
Maxime
der
Denkungsart
betrifft
, so sind wir sonst
wohl
gewohnt
,
denjenigen
eingeschränkt
(
borniert
, das
Gegenteil
von
erweitert
) zu
nennen
, dessen
Talente
zu
keinem
großen
Gebrauche
(
vornehmlich
dem
intensiven
)
zulangen
. Allein hier ist nicht die
Rede
vom
Vermögen
des
Erkenntnisses
,
sondern
von der
Denkungsart
, einen
zweckmäßigen
Gebrauch
davon zu
machen
:
welche
, so
klein
auch der
Umfang
und der
Grad
sei
,
wohin
die
Naturgabe
des
Menschen
reicht
,
dennoch
einen Mann von
erweiterter
Denkungsart
anzeigt
, wenn er sich über die
subjektiven
Privatbedingungen
des
Urteils
,
wozwischen
so viele
andere
wie
eingeklammert
sind,
wegsetzt
, und aus einem
allgemeinen
Standpunkte
(den er
dadurch
nur
bestimmen
kann, daß er sich in den
Standpunkt
anderer
versetzt
) über
sein
eigenes
Urteil
reflektiert
. Die
dritte
Maxime
,
nämlich
die der
konsequenten
Denkungsart
, ist am
schwersten
zu
erreichen
, und kann auch nur durch die
Verbindung
beider
ersten
, und nach einer zur
Fertigung
gewordenen
öfteren
Befolgung
derselben
,
erreicht
werden. Man kann
sagen
: die
erste
dieser
Maximen
ist die
Maxime
des
Verstandes
, die
zweite
der
Urteilskraft
, die
dritte
der
Vernunft
.-
Ich
nehme
den durch diese
Episode
verlassenen
Faden
wieder auf, und
sage
: daß der
Geschmack
mit
mehrerem
Rechte
sensus
communis
genannt
werden
könne
, als der
gesunde
Verstand
; und daß die
ästhetische
Urteilskraft
eher
als die
intellektuelle
den
Namen
eines
gemeinschaftlichen
Sinnes
14
führen
könne
, wenn man ja das
Wort
Sinn
von einer
Wirkung
der
bloßen
Reflexion
auf das
Gemüt
brauchen
will:
denn
da
versteht
man unter
Sinn
das
Gefühl
der
Lust
. Man
könnte
sogar den
Geschmack
durch das
Beurteilungsvermögen
desjenigen
, was unser
Gefühl
an einer
gegebenen
Vorstellung
ohne
Vermittelung
eines
Begriffs
allgemein
mitteilbar
macht
,
definieren
.
Die
Geschicklichkeit
der
Menschen
sich ihre
Gedanken
mitzuteilen
,
erfordert
auch ein
Verhältnis
der
Einbildungskraft
und des
Verstandes
, um den
Begriffen
Anschauungen
und diesen
wiederum
Begriffe
zuzugesellen
, die in ein
Erkenntnis
zusammenfließen
; aber
alsdann
ist die
Zusammenstimmung
beider
Gemütskräfte
gesetzlich
, unter dem
Zwange
bestimmter
Begriffe
. Nur
da
, wo
Einbildungskraft
in ihrer
Freiheit
den
Verstand
erweckt
, und dieser ohne
Begriffe
die
Einbildungskraft
in ein
regelmäßiges
Spiel
versetzt
:
da
teilt
sich die
Vorstellung
, nicht als
Gedanke
,
sondern
als
inneres
Gefühl
eines
zweckmäßigen
Zustandes
des
Gemüts
, mit.
Der
Geschmack
ist also das
Vermögen
, die
Mitteilbarkeit
der
Gefühle
,
welche
mit
gegebener
Vorstellung
(ohne
Vermittelung
eines
Begriffs
)
verbunden
sind,
a
priori
zu
beurteilen
.
Wenn man
annehmen
dürfte
, daß die
bloße
allgemeine
Mitteilbarkeit
seines
Gefühls
an sich schon ein
Interesse
für
uns bei sich
führen
müsse
(
welches
man aber aus der
Beschaffenheit
einer
bloß
reflektierenden
Urteilskraft
zu
schließen
nicht
berechtigt
ist); so
würde
man sich
erklären
können
, woher das
Gefühl
im
Geschmacksurteile
gleichsam
als
Pflicht
jedermann
zugemutet
werde
.
13
Man
sieht
bald
, daß
Aufklärung
zwar in
Thesi
leicht
, in
Hypothesi
aber eine
schwere
und
langsam
auszuführende
Sache
sei
; weil mit seiner
Vernunft
nicht
passiv
,
sondern
jederzeit
sich selbst
gesetzgebend
zu
sein
, zwar etwas
ganz
Leichtes
für
den
Menschen
ist, der nur seinem
wesentlichen
Zwecke
angemessen
sein
will, und das, was über seinen
Verstand
ist, nicht zu
wissen
verlangt
; aber,
da
die
Bestrebung
zum
letzteren
kaum
zu
verhüten
ist, und es an
andern
,
welche
diese
Wißbegierde
befriedigen
zu
können
mit
vieler
Zuversicht
versprechen
,
nie
fehlen
wird: so
muß
das
bloß
Negative
(
welches
die
eigentliche
Aufklärung
ausmacht
) in der
Denkungsart
(
zumal
der
öffentlichen
) zu
erhalten
, oder
herzustellen
, sehr
schwer
sein
.
14
Man
könnte
den
Geschmack
durch
sensus
communis
aestheticus
, den
gemeinen
Menschenverstand
durch
sensus
communis
logicus
bezeichnen
.
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