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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
IntraText CT - Text
Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft
Erster Abschnitt. Analytik der ästhetischen Urteilskraft
Zweites Buch Analytik des Erhabenen
Deduktion der reinen ästhetischen Urteile
§ 42 Vom intellektuellen Interesse am Schönen
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§ 42
Vom
intellektuellen
Interesse
am
Schönen
Es
geschah
in
gutmütiger
Absicht
, daß
diejenigen
,
welche
alle
Beschäftigungen
der
Menschen
, wozu diese die
innere
Naturanlage
antreibt
,
gerne
auf den
letzten
Zweck
der
Menschheit
,
nämlich
das
Moralisch-Gute
richten
wollten
, es
für
ein
Zeichen
eines
guten
moralischen
Charakters
hielten
, am
Schönen
überhaupt
ein
Interesse
zu
nehmen
. Ihnen ist aber nicht ohne
Grund
von
anderen
widersprochen
worden
, die sich auf die
Erfahrung
berufen
, daß
Virtuosen
des
Geschmacks
nicht allein
öfter
,
sondern
wohl
gar
gewöhnlich
,
eitel
,
eigensinnig
, und
verderblichen
Leidenschaften
ergeben
, vielleicht noch
weniger
wie
andere
auf den
Vorzug
der
Anhänglichkeit
an
sittliche
Grundsätze
Anspruch
machen
könnten
; und so
scheint
es, daß das
Gefühl
für
das
Schöne
, nicht allein (wie es auch
wirklich
ist) vom
moralischen
Gefühl
spezifisch
unterschieden
,
sondern
auch das
Interesse
,
welches
man damit
verbinden
kann, mit dem
moralischen
schwer
,
keinesweges
aber durch
innere
Affinität
,
vereinbar
sei
.
Ich
räume
nun zwar
gerne
ein, daß das
Interesse
am
Schönen
der
Kunst
(wozu ich auch den
künstlichen
Gebrauch
der
Naturschönheiten
zum
Putze
,
mithin
zur
Eitelkeit
,
rechne
)
gar
keinen
Beweis
einer dem
Moralisch-Guten
anhänglichen
, oder auch nur dazu
geneigten
Denkungsart
abgebe
.
Dagegen
aber
behaupte
ich, daß ein
unmittelbares
Interesse
an der
Schönheit
der
Natur
zu
nehmen
(nicht
bloß
Geschmack
haben, um sie zu
beurteilen
)
jederzeit
ein
Kennzeichen
einer
guten
Seele
sei
; und daß, wenn dieses
Interesse
habituell
ist, es
wenigstens
eine dem
moralischen
Gefühl
günstige
Gemütsstimmung
anzeige
, wenn es sich mit der
Beschauung
der
Natur
gerne
verbindet
. Man
muß
sich aber
wohl
erinnern
, daß ich hier
eigentlich
die
schönen
Formen
der
Natur
meine, die
Reize
dagegen
,
welche
sie so
reichlich
auch mit
jenen
zu
verbinden
pflegt
, noch zur
Seite
setze
, weil das
Interesse
daran zwar auch
unmittelbar
, aber doch
empirisch
ist.
Der,
welcher
einsam
(und ohne
Absicht
, seine
Bemerkungen
andern
mitteilen
zu
wollen
) die
schöne
Gestalt
einer
wilden
Blume
, eines
Vogels
, eines
Insekts
usw
.
betrachtet
, um sie zu
bewundern
, zu
lieben
und sie nicht
gerne
in der
Natur
überhaupt
vermissen
zu
wollen
, ob
ihm
gleich
dadurch
einiger
Schaden
geschähe
, viel
weniger
ein
Nutzen
daraus
für
ihn
hervorleuchtete
,
nimmt
ein
unmittelbares
und zwar
intellektuelles
Interesse
an der
Schönheit
der
Natur
.
D.i.
nicht allein ihr
Produkt
der
Form
nach,
sondern
auch das
Dasein
desselben
gefällt
ihm
, ohne daß ein
Sinnenreiz
daran
Anteil
hätte, oder er auch
irgendeinen
Zweck
damit
verbände
.
Es ist aber
hiebei
merkwürdig
, daß, wenn man diesen
Liebhaber
des
Schönen
insgeheim
hintergangen
und
künstliche
Blumen
(die man den
natürlichen
ganz
ähnlich
verfertigen
kann) in die
Erde
gesteckt
, oder
künstlich
geschnitzte
Vögel
auf
Zweige
von
Bäumen
gesetzt
hätte, und er darauf den
Betrug
entdeckte
, das
unmittelbare
Interesse
, was er
vorher
daran
nahm
,
alsbald
verschwinden
, vielleicht aber ein
anderes
,
nämlich
das
Interesse
der
Eitelkeit
,
sein
Zimmer
für
fremde
Augen
damit
auszuschmücken
, an dessen
Stelle
sich
einfinden
würde
. Daß die
Natur
jene
Schönheit
hervorgebracht
hat: dieser
Gedanke
muß
die
Anschauung
und
Reflexion
begleiten
; und auf diesem
gründet
sich allein das
unmittelbare
Interesse
, was man daran
nimmt
. Sonst
bleibt
entweder ein
bloßes
Geschmacksurteil
ohne alles
Interesse
, oder nur ein mit einem
mittelbaren
,
nämlich
auf die
Gesellschaft
bezogenen
verbundenes
übrig
:
welches
letztere
keine
sichere
Anzeige
auf
moralisch-gute
Denkungsart
abgibt
.
Dieser
Vorzug
der
Naturschönheit
vor
der
Kunstschönheit
, wenn
jene
gleich
durch diese der
Form
nach sogar
übertroffen
würde
,
dennoch
allein ein
unmittelbares
Interesse
zu
erwecken
,
stimmt
mit der
geläuterten
und
gründlichen
Denkungsart
aller
Menschen
überein
, die ihr
sittliches
Gefühl
kultiviert
haben. Wenn ein Mann, der
Geschmack
genug hat, um über
Produkte
der
schönen
Kunst
mit der
größten
Richtigkeit
und
Feinheit
zu
urteilen
, das
Zimmer
gern
verläßt
, in
welchem
jene
, die
Eitelkeit
und
allenfalls
gesellschaftlichen
Freuden
unterhaltenden
,
Schönheiten
anzutreffen
sind, und sich zum
Schönen
der
Natur
wendet
, um hier
gleichsam
Wollust
für
seinen
Geist
in einem
Gedankengange
zu
finden
, den er sich
nie
völlig
entwickeln
kann; so werden wir diese seine
Wahl
selber
mit
Hochachtung
betrachten
, und in
ihm
eine
schöne
Seele
voraussetzen
, auf die kein
Kunstkenner
und
Liebhaber
, um des
Interesse
willen
, das er an seinen
Gegenständen
nimmt
,
Anspruch
machen
kann. - Was ist nun der
Unterschied
der so
verschiedenen
Schätzung
zweierlei
Objekte
, die im
Urteile
des
bloßen
Geschmacks
einander
kaum
den
Vorzug
streitig
machen
würden
?
Wir haben ein
Vermögen
der
bloß
ästhetischen
Urteilskraft
, ohne
Begriffe
über
Formen
zu
urteilen
, und an der
bloßen
Beurteilung
derselben
ein
Wohlgefallen
zu
finden
,
welches
wir
zugleich
jedermann
zur
Regel
machen
, ohne daß dieses
Urteil
sich auf einem
Interesse
gründet
, noch ein
solches
hervorbringt
. -
Andererseits
haben wir auch ein
Vermögen
einer
intellektuellen
Urteilskraft
,
für
bloße
Formen
praktischer
Maximen
(
sofern
sie sich zur
allgemeinen
Gesetzgebung
von selbst
qualifizieren
) ein
Wohlgefallen
a
priori
zu
bestimmen
,
welches
wir
jedermann
zum
Gesetze
machen
, ohne daß unser
Urteil
sich auf
irgendeinem
Interesse
gründet
, aber doch ein
solches
hervorbringt
. Die
Lust
oder
Unlust
im
ersteren
Urteile
heißt
die des
Geschmacks
, die
zweite
des
moralischen
Gefühls
.
Da
es aber die
Vernunft
auch
interessiert
, daß die
Ideen
(
für
die sie im
moralischen
Gefühle
ein
unmittelbares
Interesse
bewirkt
) auch
objektive
Realität
haben,
d.i.
daß die
Natur
wenigstens
eine
Spur
zeige
, oder einen
Wink
gebe
, sie
enthalte
in sich
irgendeinen
Grund
, eine
gesetzmäßige
Übereinstimmung
ihrer
Produkte
zu unserm von allem
Interesse
unabhängigen
Wohlgefallen
(
welches
wir
a
priori
für
jedermann
als
Gesetz
erkennen
, ohne dieses auf
Beweisen
gründen
zu
können
)
anzunehmen
: so
muß
die
Vernunft
an jeder
Äußerung
der
Natur
von einer dieser
ähnlichen
Übereinstimmung
ein
Interesse
nehmen
;
folglich
kann das
Gemüt
über die
Schönheit
der
Natur
nicht
nachdenken
, ohne sich dabei
zugleich
interessiert
zu
finden
. Dieses
Interesse
aber ist der
Verwandtschaft
nach
moralisch
; und der,
welcher
es im
Schönen
der
Natur
nimmt
, kann es nur
sofern
an demselben
nehmen
, als er
vorher
schon
sein
Interesse
am
Sittlich-Guten
wohlgegründet
hat. Wen also die
Schönheit
der
Natur
unmittelbar
interessiert
, bei dem hat man
Ursache
,
wenigstens
eine
Anlage
zu
guter
moralischer
Gesinnung
zu
vermuten
.
Man wird
sagen
: diese
Deutung
ästhetischer
Urteile
auf
Verwandtschaft
mit dem
moralischen
Gefühl
sehe
gar
zu
studiert
aus, um sie
für
die
wahre
Auslegung
der
Chiffreschrift
zu
halten
,
wodurch
die
Natur
in ihren
schönen
Formen
figürlich
zu uns
spricht
. Allein
erstlich
ist dieses
unmittelbare
Interesse
am
Schönen
Tier
Natur
wirklich
nicht
gemein
,
sondern
nur denen eigen, deren
Denkungsart
entweder zum
Guten
schon
ausgebildet
, oder dieser
Ausbildung
vorzüglich
empfänglich
ist; und dann
führt
die
Analogie
zwischen dem
reinen
Geschmacksurteile
,
welches
, ohne von
irgendeinem
Interesse
abzuhängen
, ein
Wohlgefallen
fühlen
läßt
; und es
zugleich
a
priori
als der
Menschheit
überhaupt
anständig
vorstellt
, und dem
moralischen
Urteile
,
welches
ebendasselbe
aus
Begriffen
tut, auch ohne
deutliches
,
subtiles
und
vorsätzliches
Nachdenken
, auf ein
gleichmäßiges
unmittelbares
Interesse
an dem
Gegenstande
des
ersteren
, so wie an dem des
letzteren
: nur daß
jenes
ein
freies
, dieses ein auf
objektive
Gesetze
gegründetes
Interesse
ist. Dazu
kommt
noch die
Bewunderung
der
Natur
, die sich an ihren
schönen
Produkten
als
Kunst
, nicht
bloß
durch
Zufall
,
sondern
gleichsam
absichtlich
, nach
gesetzmäßiger
Anordnung
und als
Zweckmäßigkeit
ohne
Zweck
,
zeigt
:
welchen
letzteren
,
da
wir
ihn
äußerlich
nirgend
antreffen
, wir
natürlicherweise
in uns selbst, und zwar in
demjenigen
, was den
letzten
Zweck
unseres
Daseins
ausmacht
,
nämlich
der
moralischen
Bestimmung
,
suchen
(von
welcher
Nachfrage
nach dem
Grunde
der
Möglichkeit
einer
solchen
Naturzweckmäßigkeit
aber
allererst
in der
Teleologie
die
Rede
sein
wird).
Daß das
Wohlgefallen
an der
schönen
Kunst
im
reinen
Geschmacksurteile
nicht
ebenso
mit einem
unmittelbaren
Interesse
verbunden
ist, als das an der
schönen
Natur
, ist auch
leicht
zu
erklären
.
Denn
jene
ist entweder eine solche
Nachahmung
von dieser, die bis zur
Täuschung
geht
: und
alsdann
tut sie die
Wirkung
als (dafür
gehaltene
)
Naturschönheit
; oder sie ist eine
absichtlich
auf unser
Wohlgefallen
sichtbarlich
gerichtete
Kunst
:
alsdann
aber
würde
das
Wohlgefallen
an diesem
Produkte
zwar
unmittelbar
durch
Geschmack
stattfinden
, aber kein
anderes
als
mittelbares
Interesse
an der zum
Grunde
liegenden
Ursache
erwecken
,
nämlich
einer
Kunst
,
welche
nur durch ihren
Zweck
,
niemals
an sich selbst,
interessieren
kann. Man wird vielleicht
sagen
, daß dieses auch der
Fall
sei
, wenn ein
Objekt
der
Natur
durch seine
Schönheit
nur
insofern
interessiert
, als ihr eine
moralische
Idee
beigesellet
wird; aber nicht dieses,
sondern
die
Beschaffenheit
derselben
an sich selbst, daß sie sich zu einer
solchen
Beigesellung
qualifiziert
, die ihr also
innerlich
zukommt
,
interessiert
unmittelbar
.
Die
Reize
in der
schönen
Natur
,
welche
so
häufig
mit der
schönen
Form
gleichsam
zusammenschmelzend
angetroffen
werden, sind entweder zu den
Modifikationen
des
Lichts
(in der
Farbengebung
) oder des
Schalles
(in
Tönen
)
gehörig
.
Denn
diese sind die
einzigen
Empfindungen
,
welche
nicht
bloß
Sinnengefühl
,
sondern
auch
Reflexion
über die
Form
dieser
Modifikationen
der
Sinne
verstatten
, und so
gleichsam
eine
Sprache
, die die
Natur
zu uns
führt
, und die einen
höhern
Sinn
zu haben
scheint
, in sich
enthalten
. So
scheint
die
weiße
Farbe
der
Lilie
das
Gemüt
zu
Ideen
der
Unschuld
, und nach der
Ordnung
der sieben
Farben
, von der
roten
an bis zur
violetten
, 1)zur
Idee
der
Erhabenheit
, 2)der
Kühnheit
, 3)der
Freimütigkeit
, 4)der
Freundlichkeit
, 5)der
Bescheidenheit
, 6)der
Standhaftigkeit
, und 7)der
Zärtlichkeit
zu
stimmen
. Der
Gesang
der
Vögel
verkündet
Fröhlichkeit
und
Zufriedenheit
mit seiner
Existenz
.
Wenigstens
so
deuten
wir die
Natur
aus, es
mag
dergleichen
ihre
Absicht
sein
oder nicht. Aber dieses
Interesse
,
welches
wir hier an
Schönheit
nehmen
,
bedarf
durchaus
, daß es
Schönheit
der
Natur
sei
; und es
verschwindet
ganz
,
sobald
man
bemerkt
, man
sei
getäuscht
, und es
sei
nur
Kunst
: sogar, daß auch der
Geschmack
alsdann
nichts
Schönes
, oder das
Gesicht
etwas
Reizendes
mehr daran
finden
kann. Was wird von
Dichtern
höher
gepriesen
, als der
bezaubernd
schöne
Schlag
der
Nachtigall
in
einsamen
Gebüschen
, an einem
stillen
Sommerabende
, bei dem
sanften
Lichte
des
Mondes
?
Indessen
hat man
Beispiele
, daß, wo kein
solcher
Sänger
angetroffen
wird, irgendein
lustiger
Wirt
seine zum
Genuß
der
Landluft
bei
ihm
eingekehrten
Gäste
dadurch
zu ihrer
größten
Zufriedenheit
hintergangen
hatte, daß er einen
mutwilligen
Burschen
,
welcher
diesen
Schlag
(mit
Schilf
oder
Rohr
im
Munde
)
ganz
der
Natur
ähnlich
nachzumachen
wußte
, in einem
Gebüsche
verbarg
.
Sobald
man aber
inne
wird, daß es
Betrug
sei
, so wird niemand es
lange
aushalten
, diesem
vorher
für
so
reizend
gehaltenen
Gesange
zuzuhören
; und so ist es mit jedem
anderen
Singvogel
beschaffen
. Es
muß
Natur
sein
, oder von uns dafür
gehalten
werden, damit wir an dem
Schönen
als einem
solchen
ein
unmittelbares
Interesse
nehmen
können
; noch mehr aber, wenn wir
gar
andern
zumuten
dürfen
, daß sie es daran
nehmen
sollen
:
welches
in der
Tat
geschieht
,
indem
wir die
Denkungsart
derer
für
grob
und
unedel
halten
, die kein
Gefühl
für
die
schöne
Natur
haben (
denn
so
nennen
wir die
Empfänglichkeit
eines
Interesse
an ihrer
Betrachtung
), und sich bei der
Mahlzeit
oder der
Bouteille
am
Genusse
bloßer
Sinnesempfindungen
halten
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