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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
IntraText CT - Text
Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft
Erste Abteilung. Analytik der teleologischen Urteilskraft
§ 63 Von der relativen Zweckmäßigkeit der Natur zum Unterschiede von der innern
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§ 63
Von der
relativen
Zweckmäßigkeit
der
Natur
zum
Unterschiede
von der
innern
Die
Erfahrung
leitet
unsere
Urteilskraft
auf den
Begriff
einer
objektiven
und
materialen
Zweckmäßigkeit
,
d.i.
auf den
Begriff
eines
Zwecks
der
Natur
nur
alsdann
, wenn ein
Verhältnis
der
Ursache
zur
Wirkung
zu
beurteilen
ist
24
,
welches
wir als
gesetzlich
einzusehen
uns nur
dadurch
vermögend
finden
, daß wir die
Idee
der
Wirkung
der
Kausalität
ihrer
Ursache
, als die dieser selbst zum
Grunde
liegende
Bedingung
der
Möglichkeit
der
ersteren
,
unterlegen
. Dieses kann aber auf
zwiefache
Weise
geschehen
: entweder
indem
wir die
Wirkung
unmittelbar
als
Kunstprodukt
, oder nur als
Material
für
die
Kunst
anderer
möglicher
Naturwesen
, also entweder als
Zweck
, oder als
Mittel
zum
zweckmäßigen
Gebrauche
anderer
Ursachen
,
ansehen
. Die
letztere
Zweckmäßigkeit
heißt
die
Nutzbarkeit
(
für
Menschen
), oder auch
Zuträglichkeit
(
für
jedes
andere
Geschöpf
) und ist
bloß
relativ
;
indes
die
erstere
eine
innere
Zweckmäßigkeit
des
Naturwesens
ist.
Die
Flüsse
führen
z
.
B
.
allerlei
zum
Wachstum
der
Pflanzen
dienliche
Erde
mit sich
fort
, die sie
bisweilen
mitten
im
Lande
,
oft
auch an ihren
Mündungen
,
absetzen
. Die
Flut
führt
diesen
Schlick
an
manchen
Küsten
über das
Land
, oder
setzt
ihn
an dessen
Ufer
ab; und, wenn
vornehmlich
Menschen
dazu
helfen
, damit die
Ebbe
ihn
nicht wieder
wegführe
, so
nimmt
das
fruchtbare
Land
zu, und das
Gewächsreich
gewinnt
da
Platz
, wo
vorher
Fische
und
Schaltiere
ihren
Aufenthalt
gehabt
hatten. Die
meisten
Landeserweiterungen
auf diese
Art
hat
wohl
die
Natur
selbst
verrichtet
, und
fährt
damit auch noch,
obzwar
langsam
,
fort
. - Nun
fragt
sich, ob dies als ein
Zweck
der
Natur
zu
beurteilen
sei
, weil es eine
Nutzbarkeit
für
Menschen
enthält
;
denn
die
für
das
Gewächsreich
selber
kann man nicht in
Anschlag
bringen
, weil
dagegen
ebensoviel
den
Meergeschöpfen
entzogen
wird, als dem
Lande
Vorteil
zuwächst
.
Oder, um ein
Beispiel
von der
Zuträglichkeit
gewisser
Naturdinge
als
Mittel
für
andere
Geschöpfe
(wenn man sie als
Zwecke
voraussetzt
) zu
geben
: so ist kein
Boden
den
Fichten
gedeihlicher
, als ein
Sandboden
. Nun hat das
alte
Meer
,
ehe
es sich vom
Lande
zurückzog
, so viele
Sandstriche
in unsern
nördlichen
Gegenden
zurückgelassen
, daß auf diesem
für
alle
Kultur
sonst so
unbrauchbaren
Boden
weitläuftige
Fichtenwälder
haben
aufschlagen
können
, wegen deren
unvernünftiger
Ausrottung
wir
häufig
unsere
Vorfahren
anklagen
; und
da
kann man
fragen
, ob diese
uralte
Absetzung
der
Sandschichten
ein
Zweck
der
Natur
war, zum
Behuf
der darauf
möglichen
Fichtenwälder
. So viel ist
klar
: daß, wenn man diese als
Zweck
der
Natur
annimmt
, man
jenen
Sand
auch, aber nur als
relativen
Zweck
einräumen
müsse
, wozu
wiederum
der
alte
Meeresstrand
und dessen
Zurückziehen
das
Mittel
war;
denn
in der
Reihe
der
einander
subordinierten
Glieder
einer
Zweckverbindung
muß
ein jedes
Mittelglied
als
Zweck
(obgleich
eben
nicht als
Endzweck
)
betrachtet
werden, wozu seine
nächste
Ursache
das
Mittel
ist.
Eben
so, wenn
einmal
Rindvieh
,
Schafe
,
Pferde
usw
. in der
Welt
sein
sollten
, so
mußte
Gras
auf
Erden
, aber es
mußten
auch
Salzkräuter
in
Sandwüsten
wachsen
, wenn
Kamele
gedeihen
sollten
, oder auch diese und
andere
grasfressende
Tierarten
in
Menge
anzutreffen
sein
, wenn es
Wölfe
,
Tiger
und
Löwen
geben
sollte
.
Mithin
ist die
objektive
Zweckmäßigkeit
, die sich auf
Zuträglichkeit
gründet
, nicht eine
objektive
Zweckmäßigkeit
der
Dinge
an sich selbst, als ob der
Sand
für
sich, als
Wirkung
aus seiner
Ursache
, dem
Meere
, nicht
könnte
begriffen
werden, ohne dem
letztern
einen
Zweck
unterzulegen
, und ohne die
Wirkung
,
nämlich
den
Sand
, als
Kunstwerk
zu
betrachten
. Sie ist eine
bloß
relative
, dem
Dinge
selbst, dem sie
beigelegt
wird,
bloß
zufällige
Zweckmäßigkeit
; und, obgleich, unter den
angeführten
Beispielen
, die
Grasarten
für
sich, als
organisierte
Produkte
der
Natur
,
mithin
als
kunstreich
zu
beurteilen
sind, so werden sie doch in
Beziehung
auf
Tiere
, die sich davon
nähren
, als
bloße
rohe
Materie
angesehen
.
Wenn aber
vollends
der
Mensch
, durch
Freiheit
seiner
Kausalität
, die
Naturdinge
seinen
oft
törichten
Absichten
(die
bunten
Vogelfedern
zum
Putzwerk
seiner
Bekleidung
,
farbige
Erden
oder
Pflanzensäfte
zur
Schminke
), manchmal auch aus
vernünftiger
Absicht
, das
Pferd
zum
Reiten
, den
Stier
und in
Minorca
sogar den
Esel
und das
Schwein
zum
Pflügen
,
zuträglich
findet
; so kann man hier auch nicht
einmal
einen
relativen
Naturzweck
(auf diesen
Gebrauch
)
annehmen
.
Denn
seine
Vernunft
weiß
den
Dingen
eine
Übereinstimmung
mit seinen
willkürlichen
Einfällen
, wozu er selbst nicht
einmal
von der
Natur
prädestiniert
war, zu
geben
. Nur wenn man
annimmt
,
Menschen
haben auf
Erden
leben
sollen
, so
müssen
doch
wenigstens
die
Mittel
, ohne die sie als
Tiere
und selbst als
vernünftige
Tiere
(in wie
niedrigem
Grade
es auch
sei
) nicht
bestehen
konnten
, auch nicht
fehlen
;
alsdann
aber
würden
diejenigen
Naturdinge
, die zu diesem
Behuf
unentbehrlich
sind, auch als
Naturzwecke
angesehen
werden
müssen
.
Man
sieht
hieraus
leicht
ein, daß die
äußere
Zweckmäßigkeit
(
Zuträglichkeit
eines
Dinges
für
andere
) nur unter der
Bedingung
, daß die
Existenz
desjenigen
, dem es
zunächst
oder auf
entfernte
Weise
zuträglich
ist,
für
sich selbst
Zweck
der
Natur
sei
,
für
einen
äußern
Naturzweck
angesehen
werden
könne
.
Da
jenes
aber, durch
bloße
Naturbetrachtung
,
nimmermehr
auszumachen
ist; so
folgt
, daß die
relative
Zweckmäßigkeit
, ob sie
gleich
hypothetisch
auf
Naturzwecke
Anzeige
gibt
,
dennoch
zu
keinem
absoluten
teleologischen
Urteile
berechtige
.
Der
Schnee
sichert
die
Saaten
in
kalten
Ländern
wider den
Frost
; er
erleichtert
die
Gemeinschaft
der
Menschen
(durch
Schlitten
); der
Lappländer
findet
dort
Tiere
, die diese
Gemeinschaft
bewirken
(
Renntiere
), die an einem
dürren
Moose
,
welches
sie sich selbst unter dem
Schnee
hervorscharren
müssen
,
hinreichende
Nahrung
finden
, und
gleichwohl
sich
leicht
zähmen
, und der
Freiheit
, in der sie sich
gar
wohl
erhalten
könnten
,
willig
berauben
lassen
.
Für
andere
Völker
in
derselben
Eiszone
enthält
das
Meer
reichen
Vorrat
an
Tieren
, die,
außer
der
Nahrung
und
Kleidung
, die sie
liefern
, und dem
Holze
,
welches
ihnen das
Meer
zu
Wohnungen
gleichsam
hinflößet
, ihnen noch
Brennmaterien
zur
Erwärmung
ihrer
Hütten
liefern
. Hier ist nun eine
bewundernswürdige
Zusammenkunft
von so viel
Beziehungen
der
Natur
auf einen
Zweck
; und dieser ist der
Grönländer
, der
Lappe
, der
Samojede
, der
Jakute
,
usw
. Aber man
sieht
nicht, warum
überhaupt
Menschen
dort
leben
müssen
. Also
sagen
: daß darum
Dünste
aus der
Luft
in der
Form
des
Schnees
herunterfallen
, das
Meer
seine
Ströme
habe,
welche
das in
wärmeren
Ländern
gewachsene
Holz
dahin
schwemmen
, und
große
mit
Öl
angefüllte
Seetiere
da
sind, weil der
Ursache
, die alle die
Naturprodukte
herbeischafft
, die
Idee
eines
Vorteils
für
gewisse
armselige
Geschöpfe
zum
Grunde
liege
:
wäre
ein sehr
gewagtes
und
willkürliches
Urteil
.
Denn
, wenn alle diese
Naturnützlichkeit
auch nicht
wäre
, so
würden
wir nichts an der
Zulänglichkeit
der
Naturursachen
zu dieser
Beschaffenheit
vermissen
;
vielmehr
eine solche
Anlage
auch nur zu
verlangen
und der
Natur
einen
solchen
Zweck
zuzumuten
(
da
ohnedas
nur die
größte
Unverträglichkeit
der
Menschen
untereinander
sie bis in so
unwirtbare
Gegenden
hat
versprengen
können
),
würde
uns selbst
vermessen
und
unüberlegt
zu
sein
dünken
.
24
Weil in der
reinen
Mathematik
nicht von der
Existenz
,
sondern
nur der
Möglichkeit
der
Dinge
,
nämlich
einer ihrem
Begriffe
korrespondierenden
Anschauung
,
mithin
gar
nicht von
Ursache
und
Wirkung
die
Rede
sein
kann: so
muß
folglich
alle daselbst
angemerkte
Zweckmäßigkeit
bloß
als
formal
,
niemals
als
Naturzweck
,
betrachtet
werden.
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