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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
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Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft
Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft
§ 83 Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems
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§ 83
Von dem
letzten
Zwecke
der
Natur
als eines
teleologischen
Systems
Wir haben im
vorigen
gezeigt
, daß wir den
Menschen
nicht
bloß
, wie alle
organisierte
Wesen
, als
Naturzweck
,
sondern
auch hier auf
Erden
als den
letzten
Zweck
der
Natur
, in
Beziehung
auf
welchen
alle
übrige
Naturdinge
ein
System
von
Zwecken
ausmachen
, nach
Grundsätzen
der
Vernunft
, zwar nicht
für
die
bestimmende
, doch
für
die
reflektierende
Urteilskraft
, zu
beurteilen
hinreichende
Ursache
haben. Wenn nun
dasjenige
im
Menschen
selbst
angetroffen
werden
muß
, was als
Zweck
durch seine
Verknüpfung
mit der
Natur
befördert
werden
soll
; so
muß
entweder der
Zweck
von der
Art
sein
, daß er selbst durch die
Natur
in ihrer
Wohltätigkeit
befriedigt
werden kann; oder es ist die
Tauglichkeit
und
Geschicklichkeit
zu
allerlei
Zwecken
, wozu die
Natur
(
äußerlich
und
innerlich
) von
ihm
gebraucht
werden
könne
. Der
erste
Zweck
der
Natur
würde
die
Glückseligkeit
, der
zweite
die
Kultur
des
Menschen
sein
.
Der
Begriff
der
Glückseligkeit
ist nicht ein
solcher
, den der
Mensch
etwa von seinen
Instinkten
abstrahiert
und so aus der
Tierheit
in
ihm
selbst
hernimmt
;
sondern
ist eine
bloße
Idee
eines
Zustandes
,
welcher
er den
letzteren
unter
bloß
empirischen
Bedingungen
(
welches
unmöglich
ist)
adäquat
machen
will. Er
entwirft
sie sich selbst, und zwar auf so
verschiedene
Art
, durch seinen mit der
Einbildungskraft
und den
Sinnen
verwickelten
Verstand
; er
ändert
sogar diesen so
oft
, daß die
Natur
, wenn sie auch seiner
Willkür
gänzlich
unterworfen
wäre
, doch
schlechterdings
kein
bestimmtes
allgemeines
und
festes
Gesetz
annehmen
könnte
, um mit diesem
schwankenden
Begriff
, und so mit dem
Zweck
, den jeder sich
willkürlicherweise
versetzt
,
übereinzustimmen
. Aber, selbst wenn wir entweder diesen auf das
wahrhafte
Naturbedürfnis
,
worin
unsere
Gattung
durchgängig
mit sich
übereinstimmt
,
herabsetzen
, oder,
andererseits
, die
Geschicklichkeit
sich
eingebildete
Zwecke
zu
verschaffen
noch so
hoch
steigern
wollten
: so
würde
doch, was der
Mensch
unter
Glückseligkeit
versteht
, und was in der
Tat
sein
eigener
letzter
Naturzweck
(nicht
Zweck
der
Freiheit
) ist, von
ihm
nie
erreicht
werden;
denn
seine
Natur
ist nicht von der
Art
, irgendwo im
Besitze
und
Genuße
aufzuhören
und
befriedigt
zu werden.
Andrerseits
ist so
weit
gefehlt
: daß die
Natur
ihn
zu ihrem
besondern
Liebling
aufgenommen
und
vor
allen
Tieren
mit
Wohltun
begünstigt
habe, daß sie
ihn
vielmehr
in ihren
verderblichen
Wirkungen
, in
Pest
,
Hunger
,
Wassergefahr
,
Frost
,
Anfall
von
andern
großen
und
kleinen
Tieren
u
.
dgl
.
ebensowenig
verschont
, wie jedes
andere
Tier
; noch mehr aber, daß das
Widersinnische
der
Naturanlagen
in
ihm
ihn
noch in
selbstersonnene
Plagen
und noch
andere
von seiner
eigenen
Gattung
durch den
Druck
der
Herrschaft
, die
Barbarei
der
Kriege
usw
. in solche
Not
versetzt
und er selbst, soviel an
ihm
ist, an der
Zerstörung
seiner
eigenen
Gattung
arbeitet
, daß selbst bei der
wohltätigsten
Natur
außer
uns, der
Zweck
derselben
, wenn er auf die
Glückseligkeit
unserer
Spezies
gestellt
wäre
, in einem
System
derselben
auf
Erden
nicht
erreicht
werden
würde
, weil die
Natur
in uns
derselben
nicht
empfänglich
ist. Er ist also immer nur
Glied
in der
Kette
der
Naturzwecke
: zwar
Prinzip
in
Ansehung
manches
Zwecks
, wozu die
Natur
ihn
in ihrer
Anlage
bestimmt
zu haben
scheint
,
indem
er sich selbst dazu
macht
; aber doch auch
Mittel
zur
Erhaltung
der
Zweckmäßigkeit
im
Mechanism
der
übrigen
Glieder
. Als das
einzige
Wesen
auf
Erden
,
welches
Verstand
,
mithin
ein
Vermögen
hat, sich selbst
willkürlich
Zwecke
zu
setzen
, ist er zwar
betitelter
Herr
der
Natur
, und, wenn man diese als ein
teleologisches
System
ansieht
, seiner
Bestimmung
nach der
letzte
Zweck
der
Natur
; aber immer nur
bedingt
,
nämlich
daß er es
verstehe
und den
Willen
habe, dieser und
ihm
selbst eine solche
Zweckbeziehung
zu
geben
, die
unabhängig
von der
Natur
sich selbst genug,
mithin
Endzweck
,
sein
könne
, der aber in der
Natur
gar
nicht
gesucht
werden
muß
.
Um aber
auszufinden
,
worein
wir am
Menschen
wenigstens
jenen
letzten
Zweck
der
Natur
zu
setzen
haben,
müssen
wir
dasjenige
, was die
Natur
zu
leisten
vermag
, um
ihn
zu dem
vorzubereiten
, was er selbst tun
muß
, um
Endzweck
zu
sein
,
heraussuchen
, und es von
allen
den
Zwecken
absondern
, deren
Möglichkeit
auf
Bedingungen
beruht
, die man allein von der
Natur
erwarten
darf
. Von der
letztern
Art
ist die
Glückseligkeit
auf
Erden
,
worunter
der
Inbegriff
aller durch die
Natur
außer
und in dem
Menschen
möglichen
Zwecke
desselben
verstanden
wird; das ist die
Materie
aller seiner
Zwecke
auf
Erden
, die, wenn er sie zu seinem
ganzen
Zwecke
macht
,
ihn
unfähig
macht
, seiner
eigenen
Existenz
einen
Endzweck
zu
setzen
und dazu
zusammenzustimmen
. Es
bleibt
also von
allen
seinen
Zwecken
in der
Natur
nur die
formale
,
subjektive
Bedingung
,
nämlich
der
Tauglichkeit
: sich selbst
überhaupt
Zwecke
zu
setzen
, und (
unabhängig
von der
Natur
in seiner
Zweckbestimmung
) die
Natur
den
Maximen
seiner
freien
Zwecke
überhaupt
angemessen
, als
Mittel
, zu
gebrauchen
übrig
, was die
Natur
, in
Absicht
auf den
Endzweck
, der
außer
ihr
liegt
,
ausrichten
, und
welches
also als ihr
letzter
Zweck
angesehen
werden kann. Die
Hervorbringung
der
Tauglichkeit
eines
vernünftigen
Wesens
zu
beliebigen
Zwecken
überhaupt
(
folglich
in seiner
Freiheit
) ist die
Kultur
. Also kann nur die
Kultur
der
letzte
Zweck
sein
, den man der
Natur
in
Ansehung
der
Menschengattung
beizulegen
Ursache
hat (nicht seine eigene
Glückseligkeit
auf
Erden
, oder
wohl
gar
bloß
das
vornehmste
Werkzeug
zu
sein
,
Ordnung
und
Einhelligkeit
in der
vernunftlosen
Natur
außer
ihm
zu
stiften
).
Aber nicht jede
Kultur
ist zu diesem
letzten
Zwecke
der
Natur
hinlänglich
. Die der
Geschicklichkeit
ist
freilich
die
vornehmste
subjektive
Bedingung
der
Tauglichkeit
zur
Beförderung
der
Zwecke
überhaupt
; aber doch nicht
hinreichend
, den
Willen
in der
Bestimmung
und
Wahl
seiner
Zwecke
, zu
befördern
,
welche
doch zum
ganzen
Umfange
einer
Tauglichkeit
zu
Zwecken
wesentlich
gehört
. Die
letztere
Bedingung
der
Tauglichkeit
,
welche
man die
Kultur
der
Zucht
(
Disziplin
)
nennen
könnte
, ist
negativ
, und
besteht
in der
Befreiung
des
Willens
von dem
Despotism
der
Begierden
,
wodurch
wir, an
gewisse
Naturdinge
geheftet
,
unfähig
gemacht
werden, selbst zu
wählen
,
indem
wir uns die
Triebe
zu
Fesseln
dienen
lassen
, die uns die
Natur
nur statt
Leitfäden
beigegeben
hat, um die
Bestimmung
der
Tierheit
in uns nicht zu
vernachlässigen
, oder
gar
zu
verletzen
,
indes
wir doch
frei
genug sind, sie
anzuziehen
oder
nachzulassen
, zu
verlängern
oder zu
verkürzen
, nachdem es die
Zwecke
der
Vernunft
erfordern
.
Die
Geschicklichkeit
kann in der
Menschengattung
nicht
wohl
entwickelt
werden, als
vermittelst
der
Ungleichheit
unter
Menschen
;
da
die
größte
Zahl
die
Notwendigkeit
des
Lebens
gleichsam
mechanisch
, ohne dazu
besonders
Kunst
zu
bedürfen
, zur
Gemächlichkeit
und
Muße
anderer,
besorget
,
welche
die
minder
notwendigen
Stücke
der
Kultur
,
Wissenschaft
und
Kunst
,
bearbeiten
, und von diesen in einem
Stande
des
Drucks
,
saurer
Arbeit
und wenig
Genusses
gehalten
wird, auf
welche
Klasse
sich
denn
doch
manches
von der
Kultur
der
höheren
nach und nach auch
verbreitet
. Die
Plagen
aber
wachsen
im
Fortschritte
derselben
(dessen
Höhe
, wenn der
Hang
zum
Entbehrlichen
schon dem
Unentbehrlichen
Abbruch
zu tun
anfängt
,
Luxus
heißt
) auf
beiden
Seiten
gleich
mächtig
, auf der einen durch
fremde
Gewalttätigkeit
, auf der
andern
durch
innere
Ungenügsamkeit
; aber das
glänzende
Elend
ist doch mit der
Entwickelung
der
Naturanlagen
in der
Menschengattung
verbunden
, und der
Zweck
der
Natur
selbst, wenn es
gleich
nicht unser
Zweck
ist, wird doch
hiebei
erreicht
. Die
formale
Bedingung
, unter
welcher
die
Natur
diese ihre
Endabsicht
allein
erreichen
kann, ist
diejenige
Verfassung
im
Verhältnisse
der
Menschen
untereinander
, wo dem
Abbruche
der
einander
wechselseitig
widerstreitenden
Freiheit
gesetzmäßige
Gewalt
in einem
Ganzen
,
welches
bürgerliche
Gesellschaft
heißt
,
entgegengesetzt
wird;
denn
nur in ihr kann die
größte
Entwickelung
der
Naturanlagen
geschehen
. Zu
derselben
wäre
aber doch,
wenngleich
Menschen
sie
auszufinden
klug
und sich ihrem
Zwange
willig
zu
unterwerfen
weise
genug
wären
, noch ein
weltbürgerliches
Ganze
,
d.i.
ein
System
aller
Staaten
, die auf
einander
nachteilig
zu
wirken
in
Gefahr
sind,
erforderlich
.
Indessen
Ermangelung
, und bei dem
Hindernis
,
welches
Ehrsucht
,
Herrschsucht
und
Habsucht
,
vornehmlich
bei denen die
Gewalt
in
Händen
haben, selbst der
Möglichkeit
eines
solchen
Entwurfs
entgegensetzen
, ist der
Krieg
(
teils
in
welchem
sich
Staaten
zerspalten
und in
kleinere
auflösen
,
teils
ein
Staat
andere
kleinere
mit sich
vereinigt
und ein
größeres
Ganze
zu
bilden
strebt
)
unvermeidlich
: der, so wie er ein
unabsichtlicher
(durch
zügellose
Leidenschaften
angeregter
)
Versuch
der
Menschen
, doch
tief
verborgener
vielleicht
absichtlicher
der
obersten
Weisheit
ist,
Gesetzmäßigkeit
mit der
Freiheit
der
Staaten
und
dadurch
Einheit
eines
moralisch
begründeten
Systems
derselben
, wo nicht zu
stiften
,
dennoch
vorzubereiten
, und
ungeachtet
der
schrecklichsten
Drangsale
, womit er das
menschliche
Geschlecht
belegt
, und der vielleicht noch
größern
, womit die
beständige
Bereitschaft
dazu im
Frieden
drückt
,
dennoch
eine
Triebfeder
mehr ist (
indessen
die
Hoffnung
zu dem
Ruhestande
einer
Volksglückseligkeit
sich immer weiter
entfernt
) alle
Talente
, die zur
Kultur
dienen
, bis zum
höchsten
Grade
zu
entwickeln
.
Was die
Disziplin
der
Neigungen
betrifft
, zu denen die
Naturanlage
in
Absicht
auf
unsere
Bestimmung
, als einer
Tiergattung
,
ganz
zweckmäßig
ist, die aber die
Entwickelung
der
Menschheit
sehr
erschweren
: so
zeigt
sich doch auch in
Ansehung
dieses
zweiten
Erfordernisses
zur
Kultur
ein
zweckmäßiges
Streben
der
Natur
zu einer
Ausbildung
,
welche
uns
höherer
Zwecke
, als die
Natur
selbst
liefern
kann,
empfänglich
macht
. Das
Übergewicht
der
Übel
,
welche
die
Verfeinerung
des
Geschmacks
bis zur
Idealisierung
desselben
, und selbst der
Luxus
in
Wissenschaften
, als einer
Nahrung
für
die
Eitelkeit
, durch die
unzubefriedigende
Menge
der
dadurch
erzeugten
Neigungen
über uns
ausschüttet
, ist nicht zu
bestreiten
:
dagegen
aber der
Zweck
der
Natur
auch nicht zu
verkennen
, der
Rohigkeit
und dem
Ungestüm
derjenigen
Neigungen
,
welche
mehr der
Tierheit
in uns
angehören
und der
Ausbildung
zu unserer
höheren
Bestimmung
am
meisten
entgegen
sind (der
Neigungen
des
Genusses
), immer mehr
abzugewinnen
und der
Entwickelung
der
Menschheit
Platz
zu
machen
.
Schöne
Kunst
und
Wissenschaften
, die durch eine
Lust
die sich
allgemein
mitteilen
läßt
, und durch
Geschliffenheit
und
Verfeinerung
für
die
Gesellschaft
,
wenngleich
den
Menschen
nicht
sittlich
besser
, doch
gesittet
machen
,
gewinnen
der
Tyrannei
des
Sinnenhanges
sehr viel ab, und
bereiten
dadurch
den
Menschen
zu einer
Herrschaft
vor
, in
welcher
die
Vernunft
allein
Gewalt
haben
soll
:
indes
die
Übel
, womit uns
teils
die
Natur
,
teils
die
unvertragsame
Selbstsucht
der
Menschen
heimsucht
,
zugleich
die
Kräfte
der
Seele
aufbieten
,
steigern
und
stählen
, um
jenen
nicht zu
unterliegen
, und uns so eine
Tauglichkeit
zu
höheren
Zwecken
, die in uns
verborgen
liegt
,
fühlen
lassen
.
31
31
Was das
Leben
für
uns
für
einen
Wert
habe, wenn dieser
bloß
nach dem
geschätzt
wird, was man
genießt
(dem
natürlichen
Zweck
der
Summe
aller
Neigungen
, der
Glückseligkeit
), ist
leicht
zu
entscheiden
. Er
sinkt
unter
Null
;
denn
wer
wollte
wohl
das
Leben
unter
denselben
Bedingungen
, oder auch nach einem
neuen
,
selbstentworfenen
(doch dem
Naturlaufe
gemäßen
)
Plane
, der aber auch
bloß
auf
Genuß
gestellt
wäre
, aufs
neue
antreten
?
Welchen
Wert
das
Leben
demzufolge
habe, was es, nach dem
Zwecke
, den die
Natur
mit uns hat,
geführt
, in sich
enthält
und
welches
in dem
besteht
, was man tut (nicht
bloß
genießt
), wo wir aber immer doch nur
Mittel
zu
unbestimmtem
Endzwecke
sind, ist oben
gezeigt
worden
. Es
bleibt
also
wohl
nichts
übrig
, als der
Wert
, den wir unserem
Leben
selbst
geben
, durch das, was wir nicht allein tun,
sondern
auch so
unabhängig
von der
Natur
zweckmäßig
tun, daß selbst die
Existenz
der
Natur
nur unter dieser
Bedingung
Zweck
sein
kann.
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