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Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
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Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft
Erster Abschnitt. Analytik der ästhetischen Urteilskraft
Erstes Buch Analytik des Schönen
Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitte der Analytik
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Allgemeine
Anmerkung
zum
ersten
Abschnitte
der
Analytik
Wenn man das
Resultat
aus den
obigen
Zergliederungen
zieht
, so
findet
sich, daß alles auf den
Begriff
des
Geschmacks
herauslaufe
, daß er ein
Beurteilungsvermögen
eines
Gegenstandes
in
Beziehung
auf die
freie
Gesetzmäßigkeit
der
Einbildungskraft
sei
. Wenn nun im
Geschmacksurteile
die
Einbildungskraft
in ihrer
Freiheit
betrachtet
werden
muß
, so wird sie
erstlich
nicht
reproduktiv
, wie sie den
Assoziationsgesetzen
unterworfen
ist,
sondern
als
produktiv
und
selbsttätig
(als
Urheberin
willkürlicher
Formen
möglicher
Anschauungen
)
angenommen
; und, ob sie zwar bei der
Auffassung
eines
gegebenen
Gegenstandes
der
Sinne
an eine
bestimmte
Form
dieses
Objekts
gebunden
ist und
sofern
kein
freies
Spiel
(wie im
Dichten
) hat, so
läßt
sich doch noch
wohl
begreifen
: daß der
Gegenstand
ihr
gerade
eine solche
Form
an die
Hand
geben
könne
, die eine
Zusammensetzung
des
Mannigfaltigen
enthält
, wie sie die
Einbildungskraft
, wenn sie sich selbst
frei
überlassen
wäre
, in
Einstimmung
mit der
Verstandesgesetzmäßigkeit
überhaupt
entwerfen
würde
. Allein daß die
Einbildungskraft
frei
und doch von selbst
gesetzmäßig
sei
,
d.i.
daß sie eine
Autonomie
bei sich
führe
, ist ein
Widerspruch
. Der
Verstand
allein
gibt
das
Gesetz
. Wenn aber die
Einbildungskraft
nach einem
bestimmten
Gesetze
zu
verfahren
genötigt
wird, so wird ihr
Produkt
, der
Form
nach, durch
Begriffe
bestimmt
, wie es
sein
soll
; aber
alsdann
ist das
Wohlgefallen
, wie oben
gezeigt
, nicht das am
Schönen
,
sondern
am
Guten
(der
Vollkommenheit
,
allenfalls
bloß
der
formalen
), und das
Urteil
ist kein
Urteil
durch
Geschmack
. Es wird also eine
Gesetzmäßigkeit
ohne
Gesetz
, und eine
subjektive
Übereinstimmung
der
Einbildungskraft
zum
Verstande
, ohne eine
objektive
,
da
die
Vorstellung
auf einen
bestimmten
Begriff
von einem
Gegenstande
bezogen
wird, mit der
freien
Gesetzmäßigkeit
des
Verstandes
(
welche
auch
Zweckmäßigkeit
ohne
Zweck
genannt
worden
) und mit der
Eigentümlichkeit
eines
Geschmacksurteils
allein
zusammen
bestehen
können
.
Nun werden
geometrisch-regelmäßige
Gestalten
, eine
Zirkelfigur
, ein
Quadrat
, ein
Würfel
usw
., von
Kritikern
des
Geschmacks
gemeiniglich
als die
einfachsten
und
unzweifelhaftesten
Beispiele
der
Schönheit
angeführt
; und
dennoch
werden sie
eben
darum
regelmäßig
genannt
, weil man sie nicht anders
vorstellen
kann als so, daß sie
für
bloße
Darstellungen
eines
bestimmten
Begriffs
, der
jener
Gestalt
die
Regel
vorschreibt
(nach der sie allein
möglich
ist),
angesehen
werden. Eines von
beiden
muß
also
irrig
sein
: entweder
jenes
Urteil
der
Kritiker
,
gedachten
Gestalten
Schönheit
beizulegen
; oder das
unsrige
,
welches
Zweckmäßigkeit
ohne
Begriff
zur
Schönheit
nötig
findet
.
Niemand wird
leichtlich
einen
Menschen
von
Geschmack
dazu
nötig
finden
, um an einer
Zirkelgestalt
mehr
Wohlgefallen
, als an einem
kritzlichen
Umrisse
, an einem
gleichseitigen
und
gleicheckigen
Viereck
mehr, als an einem
schiefen
,
ungleichseitigen
,
gleichsam
verkrüppelten
, zu
finden
;
denn
dazu
gehört
nur
gemeiner
Verstand
und
gar
kein
Geschmack
. Wo eine
Absicht
,
z
.
B
. die
Größe
eines
Platzes
zu
beurteilen
, oder das
Verhältnis
der
Teile
zueinander
und zum
Ganzen
in einer
Einteilung
faßlich
zu
machen
,
wahrgenommen
wird:
da
sind
regelmäßige
Gestalten
, und zwar die von der
einfachsten
Art
,
nötig
; und das
Wohlgefallen
ruht
nicht
unmittelbar
auf dem
Anblicke
der
Gestalt
,
sondern
der
Brauchbarkeit
derselben
zu
allerlei
möglicher
Absicht
. Ein
Zimmer
, dessen
Wände
schiefe
Winkel
machen
, ein
Gartenplatz
von
solcher
Art
, selbst alle
Verletzung
der
Symmetrie
sowohl in der
Gestalt
der
Tiere
(
z
.
B
.
einäugig
zu
sein
), als der
Gebäude
, oder der
Blumenstücke
,
mißfällt
, weil es
zweckwidrig
ist, nicht allein
praktisch
in
Ansehung
eines
bestimmten
Gebrauchs
dieser
Dinge
,
sondern
auch
für
die
Beurteilung
in
allerlei
möglicher
Absicht
;
welches
der
Fall
im
Geschmacksurteile
nicht ist,
welches
wenn es
rein
ist,
Wohlgefallen
oder
Mißfallen
, ohne
Rücksicht
auf den
Gebrauch
oder einen
Zweck
, mit der
bloßen
Betrachtung
des
Gegenstandes
unmittelbar
verbindet
.
Die
Regelmäßigkeit
, die zum
Begriffe
von einem
Gegenstande
führt
, ist zwar die
unentbehrliche
Bedingung
(
conditio
sine
qua
non
), den
Gegenstand
in eine
einzige
Vorstellung
zu
fassen
und das
Mannigfaltige
in der
Form
desselben
zu
bestimmen
. Diese
Bestimmung
ist ein
Zweck
in
Ansehung
der
Erkenntnis
; und in
Beziehung
auf diese ist sie auch
jederzeit
mit
Wohlgefallen
(
welches
die
Bewirkung
einer
jeden
auch
bloß
problematischen
Absicht
begleitet
)
verbunden
. Es ist aber
alsdann
bloß
die
Billigung
der
Auflösung
, die einer
Aufgabe
Gnüge
tut, und nicht eine
freie
und
unbestimmt-zweckmäßige
Unterhaltung
der
Gemütskräfte
mit dem, was wir
schön
nennen
, und
wobei
der
Verstand
der
Einbildungskraft
und nicht diese jenem zu
Diensten
ist.
An einem
Dinge
, das nur durch eine
Absicht
möglich
ist, einem
Gebäude
, selbst einem
Tier
,
muß
die
Regelmäßigkeit
, die in der
Symmetrie
besteht
, die
Einheit
der
Anschauung
ausdrücken
,
welche
den
Begriff
des
Zwecks
begleitet
, und
gehört
mit zum
Erkenntnisse
. Aber wo nur ein
freies
Spiel
der
Vorstellungskräfte
(doch unter der
Bedingung
, daß der
Verstand
dabei
keinen
Anstoß
leide
)
unterhalten
werden
soll
, in
Lustgärten
,
Stubenverzierung
,
allerlei
geschmackvollem
Geräte
u
.
dgl
., wird die
Regelmäßigkeit
, die sich als
Zwang
ankündigt
, so viel
möglich
vermieden
; daher der
englische
Geschmack
in
Gärten
, der
Barockgeschmack
an
Möbeln
, die
Freiheit
der
Einbildungskraft
wohl
eher
bis zur
Annäherung
zum
Grotesken
treibt
, und in dieser
Absonderung
von allem
Zwange
der
Regel
eben
den
Fall
setzt
, wo der
Geschmack
in
Entwürfen
der
Einbildungskraft
seine
größte
Vollkommenheit
zeigen
kann.
Alles
Steif-Regelmäßige
(was der
mathematischen
Regelmäßigkeit
nahe
kommt
) hat das
Geschmackwidrige
an sich: daß es keine
lange
Unterhaltung
mit der
Betrachtung
desselben
gewährt
,
sondern
,
sofern
es nicht
ausdrücklich
das
Erkenntnis
, oder einen
bestimmten
praktischen
Zweck
zur
Absicht
hat,
Langeweile
macht
.
Dagegen
ist das, womit
Einbildungskraft
ungesucht
und
zweckmäßig
spielen
kann, uns
jederzeit
neu
, und man wird seines
Anblicks
nicht
überdrüssig
.
Marsden
in seiner
Beschreibung
von
Sumatra
macht
die
Anmerkung
, daß die
freien
Schönheiten
der
Natur
den
Zuschauer
daselbst
überall
umgeben
und daher wenig
Anziehendes
mehr
für
ihn
haben:
dagegen
ein
Pfeffergarten
, wo die
Stangen
, an denen sich dieses
Gewächs
rankt
, in
Parallellinien
Alleen
zwischen sich
bilden
, wenn er
ihn
mitten
in einem
Walde
antraf
,
für
ihn
viel
Reiz
hatte; und
schließt
daraus daß
wilde
, dem
Anscheine
nach
regellose
Schönheit
nur dem zur
Abwechselung
gefalle
, der sich an der
regelmäßigen
satt
gesehen
hat. Allein er
durfte
nur den
Versuch
machen
, sich einen
Tag
bei seinem
Pfeffergarten
aufzuhalten
, um
innezuwerden
, daß, wenn der
Verstand
durch die
Regelmäßigkeit
sich in die
Stimmung
zur
Ordnung
, die er
allerwärts
bedarf
,
versetzt
hat,
ihn
der
Gegenstand
nicht
länger
unterhalte
,
vielmehr
der
Einbildungskraft
einen
lästigen
Zwang
antue
:
wogegen
die dort an
Mannigfaltigkeiten
bis zur
Üppigkeit
verschwenderische
Natur
, die
keinem
Zwange
künstlicher
Regeln
unterworfen
ist, seinem
Geschmacke
für
beständig
Nahrung
geben
könne
. - Selbst der
Gesang
der
Vögel
, den wir unter keine
musikalische
Regel
bringen
können
,
scheint
mehr
Freiheit
und darum mehr
für
den
Geschmack
zu
enthalten
, als selbst ein
menschlicher
Gesang
, der nach
allen
Regeln
der
Tonkunst
geführt
wird: weil man des
letztern
, wenn er
oft
und
lange
Zeit
wiederholt
wird,
weit
eher
überdrüssig
wird. Allein hier
vertauschen
wir
vermutlich
unsere
Teilnehmung
an der
Lustigkeit
eines
kleinen
beliebten
Tierchens
mit der
Schönheit
seines
Gesanges
, der, wenn er vom
Menschen
(wie dies mit dem
Schlagen
der
Nachtigall
bisweilen
geschieht
)
ganz
genau
nachgeahmet
wird, unserm
Ohre
ganz
geschmacklos
zu
sein
dünkt
.
Noch sind
schöne
Gegenstände
von
schönen
Aussichten
auf
Gegenstände
(die
öfter
der
Entfernung
wegen nicht mehr
deutlich
erkannt
werden
können
) zu
unterscheiden
. In den
letztern
scheint
der
Geschmack
nicht sowohl an dem, was die
Einbildungskraft
in diesem
Felde
auffaßt
, als
vielmehr
an dem, was sie
hiebei
zu
dichten
Anlaß
bekommt
,
d.i.
an den
eigentlichen
Phantasien
, womit sich das
Gemüt
unterhält
,
indessen
daß es durch die
Mannigfaltigkeit
, auf die das
Auge
stößt
,
kontinuierlich
erweckt
wird, zu
haften
; so wie etwa bei dem
Anblick
der
veränderlichen
Gestalten
eines
Kaminfeuers
, oder eines
rieselnden
Baches
,
welche
beide
keine
Schönheiten
sind, aber doch
für
die
Einbildungskraft
einen
Reiz
bei sich
führen
, weil sie ihr
freies
Spiel
unterhalten
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