Frau M. ist
sehr schlecht; ich bete für ihr Leben, weil ich mit Lotten dulde. Ich sehe sie
selten bei einer Freundin, und heute hat sie mir einen wunderbaren Vorfall
erzählt. - der alte M. ist ein geiziger, rangiger Filz, der seine Frau im Leben
was Rechts geplagt und eingeschränkt hat; doch hat sich die Frau immer
durchzuhelfen gewußt. Vor wenigen Tagen, als der Arzt ihr das Leben abgesprochen
hatte, ließ sie ihren Mann kommen (Lotte war im Zimmer) und redete ihn also
an:"ich muß dir eine Sache gestehen, die nach meinem Tode Verwirrung und
Verdruß machen könnte. Ich habe bisher die Haushaltung geführt, so ordentlich
und sparsam als möglich; allein du wirst mir verzeihen, daß ich dich diese
dreißig Jahre her hintergangen habe. Du bestimmtest im Anfange unserer Heirat
ein Geringes für die Bestreitung der Küche und anderer häuslichen Ausgaben. Als
unsere Haushaltung stärker wurde, unser Gewerbe größer, warst du nicht zu
bewegen, mein Wochengeld nach dem Verhältnisse zu vermehren; kurz, du weißt,
daß du in den Zeiten, da sie am größten war, verlangtest, ich solle mit sieben
Gulden die Woche auskommen.
Die habe ich
denn ohne Widerrede genommen und mir den Überschuß wöchentlich aus der Losung
geholt, da niemand vermutete, daß die Frau die Kasse bestehlen würde. Ich habe
nichts verschwendet und wäre auch, ohne es zu bekennen, getrost der Ewigkeit
entgegengegangen, wenn nicht diejenige, die nach mir das Hauswesen zu führen
hat, sich nicht zu helfen wissen würde, und du doch immer darauf bestehen
könntest, deine erste Frau sei damit ausgekommen".
Ich redete mit
Lotten über die unglaubliche Verblendung des Menschensinns, daß einer nicht
argwohnen soll, dahinter müsse was anders stecken, wenn eins mit sieben Gulden
hinreicht, wo man den Aufwand vielleicht um zweimal so viel sieht. Aber ich
habe selbst Leute gekannt, die des Propheten ewiges Ölkrüglein ohne Verwunderung
in ihrem Hause angenommen hätten.
|